Traktat: Macht der Medien
Inhaltsverzeichnis
Macht der Medien
Wie unmöglich es ist, eine eigene Meinung zu haben
Meinung. Die Meinung. Meine Meinung. Was für ein Ding ist denn so eine Meinung?
„Das, was jemand glaubt und für richtig hält“ meint das Wörterbuch.
„Ansicht“, „Auffassung“ und „Standpunkt“ liefert es als Synonyme.
Das Grundgesetz sichert uns das Recht auf eine eigene Meinung zu. Das Bundesverfassungsgericht definiert die zugesicherte Meinung dabei so: „Meinungen sind Ergebnisse rational wertender Denkvorgänge. Charakteristisch für eine Meinung ist, dass sie ein Werturteil enthält.“
Das ist interessant. Denn nun ist eine Meinung kein Ding mehr, das mir in den Schoß fällt, sondern es ist ein Ergebnis eines Vorganges, nämlich eines „rational wertenden Denkvorganges“.
„Rational“ kann von einem schwammigen „richtig“ bis zu einem nicht minder unscharfen „vernünftig“ einiges heißen, es kann aber auch schlichtweg „logisch“ bedeuten. Ich möchte es hier durch „logisch“ im philosophischen Sinne ersetzen. Die Werte, welche durch die Worte „vernünftig“ oder „richtig“ impliziert werden, stehen schließlich nochmal explizit in der Definition.
Eine Meinung ist also das Ergebnis eines logischen Werturteils. Ein Werturteil ist die Beurteilung einer Tatsache anhand von Werten.
Ein einfaches Beispiel hierzu wäre: „Draußen ist es dunkel“. Es ist ein einfaches Beispiel, da der größte Teil unserer Runde mir sicherlich beipflichten kann. Wir sind uns einig, dass es draußen dunkel ist.
Es zeigt aber auch, wie variabel die Meinung ist und worauf sie aufbaut. Sie ist abhängig von zwei Parametern. Erstens ist sie abhängig von dem Wert, der zur Messung herangezogen wird. Wir sind Stadtmenschen, für uns ist das da draußen dunkel. Fragt einen Grubenarbeiter, der nach einem Grubenunglück nachts gerettet wird und er wird Euch wahrscheinlich etwas anderes sagen. Zweitens hängt die Meinung von der Beobachtung dessen, was wir bewerten wollen, ab. Wenn wir die Vorhänge zuziehen oder die Rollläden runterlassen, dann können wir zwar immer noch eine Meinung haben. Aber sie wird weniger fundiert sein.
Eine Meinung entsteht also durch einen Denkvorgang bei dem auf der Basis einer Beobachtung und eines Wertes ein Werturteil gefällt wird.
Medien
Nun ist es allerdings so, dass wir selten aus dem Fenster schauen können. Also, aus unserem eigenen können wir selbstverständlich schauen. Aber selten können wir aus den Fenstern schauen, auf deren anderer Seite die Wahl des amerikanischen Präsidenten abläuft, hinter denen die lokalpolitischen Begebenheiten von Offenbach mundgerecht präsentiert werden oder die uns die Zusammenhänge von Börsencrashs und Olympischen Spielen zeigen. Informationen aus erster Hand haben wir leider selten zur Verfügung. Stattdessen sind wir auf die Medien angewiesen, sind angewiesen auf Einen, der dort zur Tür hereinkommt, um uns zu sagen, ob es draußen dunkel ist oder nicht.
Wenn wir den Anspruch auf eine eigene Meinung haben, dann werden wir uns einen aussuchen, der uns nur eine Beobachtung mitteilt auf deren Basis wir dann mit unseren eigenen Werten beurteilen können, für wie dunkel wir es draußen wirklich halten. Je nachdem, wie viel Zeit wir persönlich in die Meinungsbildung und die damit verbundene Recherche investieren können schauen wir dann also einmal am Tag Nachrichten, lesen Zeitung, bemühen das Internet oder hören Radio.
Das alles kann auf die folgenden Arten schiefgehen:
Medienmanipulation Teil 1: Das Wie
Es gibt verschiedene Arten der Medienmanipulation. Medienmanipulation kann dabei eine Manipulation durch oder über die Medien bedeuten. Darauf werden wir in Teil 2 zu sprechen kommen. 1. Selektion
„An der Hauptwache ist es hell, am Eschenheimer Tor ist es hell und am Hauptbahnhof ist es auch hell“
Die Selektion ist die wohl beliebteste und einfachste Art der Manipulation. „Über 99 % aller Nachrichten … gelangen nie vor das Auge des Lesers, weil sie als zu unbedeutend, zu fragmentarisch, zu polemisch oder – nach den jeweils herrschenden Vorstellungen – zu unsittlich aussortiert werden.“ schrieb Martin Steffens schon 1971 in seinem Buch „Das Geschäft mit der Nachricht“.
Fakt ist: Nur ein Bruchteil der Meldungen schaffen es überhaupt über unsere Schwelle in unseren Wahrnehmungsbereich. Wenn man einmal am Tag die Tagesschau sieht, nimmt man geschätzt 20 Meldungen wahr. Liest man noch eine Zeitung dazu, sind es vielleicht 40 oder 50 Meldungen aus einem klar definierten Kanon an relevanten Themen.
Von innen sieht das nicht sehr bedrohlich aus, ich habe persönlich selten das Gefühl, dass mir die Tagesschau etwas vorenthält. Im Gegenteil halte ich die Auswahl eines Informationskanals für ein Gütekriterium.
„Für die Leser liegt eine wesentliche Funktion der BILD-Zeitung darin, dass sie signalisiert, welche Dinge, welche Ereignisse und welche Meinungen für den jeweiligen Tag von Bedeutung sind. In diesem Sinne schafft die BILD-Zeitung öffentliche Meinung, beeinflusst die öffentliche Meinung, liefert die Stereotypen des Gesprächs und der Diskussion für Millionen von Menschen.“ (zitiert nach einer Studie des Springer-Verlags)
Von außen kann es jedoch schockierend sein, wenn man z.B. die Berichterstattung amerikanischer Fernsehsender zum Irakkrieg bzw. der Irakbesatzung sieht. Während in deutschen Medien die Anschläge minutiös genau beschrieben wurden, waren sie in den USA bestenfalls eine Randnotiz. Teilweise wurde gar nicht berichtet.
Ein anderes Beispiel ist die Berichterstattung über die sozialistischen Führer Südamerikas. In den etablierten Medien wird berichtet, wenn Hugo Chavez eine neue Wahl fragwürdig gewinnt oder ein Ermächtigungsgesetz vorschlägt. Was er in den anderen 300 Tagen des Jahres für das Volk tut, wird nicht berichtet. Ich habe mir sagen lassen, das soll nicht alles schlecht sein.
Aber ich habe dazu keine Meinung.Man kann sich schlecht eine Meinung bilden, wenn über etwas nicht berichtet wird.
2. Gewichtung und Kombination
„Hell ist es an der Hauptwache und am Eschenheimer Turm. Im Nordend ist es weniger hell, aber am Hauptbahnhof ist es auch hell.“
Subtiler und perfider als die Selektion ist die bewusste Gewichtung bzw. Kombination von Information, da sie eine Objektivität vorgaukelt, wo keine ist. Gewichtung meint in diesem Sinne erst mal die Häufigkeit von Information also beispielsweise die Häufigkeit, in der ein bestimmter politischer Kandidat gezeigt wird in Relation zu seinem Kontrahenten oder die Häufigkeit, mit der die eigenen Truppen siegreich gezeigt werden in Relation zu eigenen Verlusten.
Als Konsument der Information kann ich eine Meinung über Dinge haben, die ich sehe und wahrnehme. Ich kann mehr Meinung von Dingen haben, die ich öfter sehe als andere.
3. Sprachmanipulation
„Draußen ist es nicht dunkel, aber die relative Lumineszenz ist optimierbar.“
Unsere Sprache lässt uns viel Freiraum zur Manipulation. Die Benutzung bestimmter Worte in einem Kontext reicht hier oft schon, um Wertungen beim Hörer zu provozieren. Ein trauriges Beispiel für solch eine Sprachmanipulation ist das Wort „Ausländer“. Ein Ausländer ist nach dem deutschen Ausländerrecht jemand, der nicht Deutscher im Sinne des Artikel 116 I des Grundgesetzes ist. Dies betrifft deutsche Staatsangehörige und Spätaussiedler. Es kommt in keiner offiziellen Definition des Wortes Ausländer etwas über Hautfarbe, Religion oder Herkunft vor. Es ist einer der größten Triumphe der Rechten in Deutschland, dass dieses Wort trotzdem so benutzt wird, wie es benutzt wird.
4. Wertung
„Draußen ist es viel zu dunkel, um nochmal vor die Tür zu gehen.“
Die letzte Art der Manipulation ist die offene oder verdeckte Wertung.
Wer auf der Suche nach einer möglichst objektiven Information eine wertende Information nutzt, ist selbst dran schuld. Er wird nie eine Basis für eine sinnvolle eigene Meinung haben.
Schlimmer ist allerdings derjenige, der ohne eigene Meinung loszieht und bewusst eine wertende Quelle sucht. Denn er hat seine eigene Meinung schon aufgegeben.
Dabei ist hervorzuheben, dass gerade diese oft vom Konsumenten gewünscht wird. Die Boulevardpresse besteht quasi aus wertenden Organen, seien es nun Zeitungen, Fernsehsender oder das Radio. „Dank ihrer Autorität nimmt die BILD-Zeitung dem Leser das Ordnen, Sichten und Bewerten der Ereignisse, welche die gegenwärtige Welt repräsentieren, ab.“ (zitiert nach einer Studie des Springer-Verlags)
Medienmanipulation Teil 2: Wer und Warum
Das Wer und das Warum müssen im Falle der Medienmanipulation gemeinsam betrachtet werden. Es folgt eine Liste möglicher Manipulanten und ihrer Motive – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- 1.Journalisten selbst manipulieren, um eigene Ansichten unterzubringen – bewusst oder unbewusst.
- 2.Verlage, Sender und Eigentümer manipulieren, um die eigenen Interessen unterzubringen. Diese können politischer Natur(Beispiel Frankfurter Rundschau) oder kommerzieller Natur (Beispiel Schleichwerbung) sein.
- 3.Firmen und Hersteller manipulieren im kommerziellen Interesse, sei es beispielsweise durch das Unterbringen von Produkten in Filmen oder das Verschweigen von Informationen zu den Produkten, den Herstellungsbedingungen o.ä.
- 4.Politische Einrichtungen können gezielt manipulieren. Ein Beispiel hierfür ist das amerikanische Militär. Wenn Hollywood einen Kriegsfilm über oder mit dem Krieg drehen möchte, dann werden Hubschrauber, Schiffe, Waffen etc. benötigt. Diese werden immer gerne vom Militär zur Verfügung gestellt. Wenn dafür die Darstellung der Soldaten auf eine Art geschieht, die in das Konzept der Außendarstellung des Militärs passt. Kurz gesagt: Ein Kriegsfilm stellt das Militär so dar, wie es dargestellt werden möchte oder gar nicht.
Medienmanipulation Teil 3: Der Weg drum herum
Allein schon durch die Selektion der dargebrachten Informationen sind wir durch die Medien manipuliert, ist unsere Informationsbasis löchrig und zweifelsbehaftet. Selbst wenn man nicht argwöhnisch hinter den Zeitungen und Nachrichtensendungen mutwillige, tendenziöse oder tendenzielle Berichterstattung vermutet, so ist es doch offensichtlich, dass ein objektiver Blick auf Dinge jenseits der eigenen Gartentüre nahezu unmöglich ist. Oder?
Es gibt heutzutage eine sehr große Auswahl an Medien und Informationskanälen. Über die schiere Auswahl an verfügbaren Informationen hat man eine höhere Chance, die beschriebenen Manipulationsarten zu umgehen. Allerdings kostet dies Zeit, Energie, Disziplin und Kreativität. Das Internet bietet hier die größte Zahl an Möglichkeiten, gleichzeitig ist es jedoch auch die unstrukturierteste Sammlung von Informationen und bedingt dadurch umfangreiche Suchen und Qualitätsüberprüfungen. Aber auch Zeitungen aus verschiedenen politischen Richtungen und besonders Ländern oder Kulturen können hier gewinnbringend kombiniert werden, ebenso wie ausländische Fernseh- und Radiosender.
Wenn wir möglichst viele verschiedene Zeugen befragen, ob es draußen dunkel ist, können wir uns evtl. ein Bild zusammensetzen, das eine höhere Objektivität hat, als eine einzelne Beobachtung.
Es gibt auch einen Weg, der Medienmanipulation komplett aus dem Weg zu gehen: Man geht nach draußen und schaut nach.
Conclusio
Johann Gottfried Seume war zwischen 1763 und 1810 ein deutscher Schriftsteller, der sich insbesondere dadurch auszeichnete dass er sein Leben lang dasselbe Paar Schuhe trug. Unter seinen sicherlich fesselnden kulturhistorischen Reisebetrachtungen versteckte er zwei Zitate, ein Bekanntes und ein Relevantes. Das Bekannte lautet „Da wo man singt, da lass Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Das Relevante folgt sogleich:
"Die meisten Menschen haben überhaupt gar keine Meinung, viel weniger eine eigene, viel weniger eine geprüfte, viel weniger vernünftige Grundsätze."
Für eine Meinung braucht man zwei Arten von Zutaten: Zuerst braucht man immer reine, klare, unmanipulierte Informationen. Für eine Meinung braucht man sodann Werte. Für eine eigene Meinung braucht man sogar eigene Werte.
Wenn man keine klaren Werte in einem bestimmten Bereich hat, dann sollte man sich das eingestehen, statt der Illusion anheimzufallen, hier einen Standpunkt vertreten zu können. Das kostet Disziplin und ist schwer, da es dem Eingestehen einer Schwäche gleich kommt. Glücklicherweise passiert es jedoch vergleichsweise selten, wenn man über grundlegende Prinzipien und Werte verfügt, die breit anwendbar sind. (Sollten Ihnen diese noch fehlen, wenden Sie sich an einen Freimaurer Ihres Vertrauens).
Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach, sich einzugestehen, wenn die Informationsbasis zu schlecht ist, als dass man darauf eine Meinung aufbauen kann. Im Kapitel über die Medienmanipulation habe ich versucht zu zeigen, dass dies in den allermeisten Fällen zutrifft. Im Gegenteil möchte ich sogar behaupten, dass man nur in Gebieten eine Meinung haben sollte, die man gezielt recherchiert hat, in denen man sich selbst gezielt eine Basis für die eigene Meinung erarbeitet hat. Ich plädiere für weniger qualitative Meinungen.
Dort, wo man sich eine Meinung erarbeitet hat, sollte man dann jedoch auch weiterhin flexibel bleiben und den Standpunkt ständig hinterfragen. Man kann nie wissen, ob man nicht doch auf der Basis selektiver oder falscher Informationen geurteilt hat bis man etwas findet, das nicht zum eigenen Urteil passt.
Evelyn Beatrice Hall schriftstellerte irgendwann zwischen 1868 und 1919 in England und schrieb insbesondere eine Biographie über Voltaire, in welcher sie ihm folgende Worte in den Mund legte: „I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it“. Das Zitat wird oft Voltaire zugeschrieben, und das, obwohl es doch auf Englisch ist!
Manche übersetzen dieses Zitat dann folgendermaßen: "Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen." Der Ausspruch stellt einen Wert dar, für mich einen ganz persönlichen Wert, den ich durch die Freimaurerei erfahren habe.
Aber ist der Wert ungeprüft wahr?
Ist er anwendbar auf jede Meinung?
Was zählt eine fremde, übernommene Meinung?
Was zählt ein leichtfertiges Werturteil auf einer maroden Basis?
Was zählt die arrogante Anmaßung, zu einem Sachverhalt eine Meinung zu haben, ein Urteil fällen zu können, wenn man meilenweit von den Tatsachen entfernt am dünnen Tropf des Hörensagens hängt?