Feßler
Inhaltsverzeichnis
Hiramitische Freimaurerei
nannte Feßler die erste Bearbeitungsform seines im Auftrage der Loge Royal York angelegten Rituals der Johannisgrade, die von ihr 1797 auf drei Jahre angenommen wurde. Aus diesem Ritual entstanden dann die weiteren Feßlerschen Formen. Quelle: Lennhoff, Posner
Feßler, Ignaz Aurelius
Quelle: Lennhoff, Posner
(Innocentius), 1756 in Czurendorf in Westungarn 15 Dezember 1839 in Petersburg. Von einer tiefgläubig katholischen Mütter für den geistlichen Beruf vorbereitet, trat er in den Kapuzinerorden ein und pilgerte, nachdem er 1774 die kleineren Weihen empfangen hatte, zur Weiterbildung durch mehrere Klöster. Mit 23 Jahren wurde er zum Priester geweiht und kam 1781 als Frater Innocentius nach Wien, wo er sich mit Anhängern der liberalisierenden Josephinischen Kirchenpolitik anfreundete und von den Ideen der Aufklärung derart gefesselt wurde, dass er selbst als Neuerer hervortrat.
Er unterbreitete dem Kaiser einen Bericht über Greuel in einem Klostergefängnis und legte ihm zugleich seine Anschauungen über die Notwendigkeit der Verbesserung des Kirchenwesens dar er schlug vor, die Geistlichen unter den Schutz des Staates zu stellen, um sie gegen Verfolgungen durch die kirchliche Macht zu sichern, trat für die Priesterehe, Denkfreiheit bezüglich der kirchlichen Lehrbegriffe, Toleranz für jede Konfession usw. ein. Schließlich ließ er seine Gedanken über die Majestäatsrechte in kirchlichen Sachen auch drucken und öffentlich verbreiten.
"Was ist der Kaiser?"
("Was ist der Kaiser?") Das zog ihm starke Feindschaften zu, und man machte ihm beim erzbischöflichen Konsistorium den Prozeß. F. wurde auf vier Wochen von allen priesterlichen Funktionen suspendiert. Ein kaiserliches Dekret an den Erzbischof verwendete sich für ihn. Auf Grund eines Kommissionsberichtes bezüglich der F.schen Angaben über die Klostergefängnisse wurden diese aufgehoben und zahlreiche unglückliche Mönche und Nonnen aus füchterlichen Kerkern befreit.
F. wurde dann vom Kaiser als Professor für orientalische Sprachen und Auslegungskunst des Alten Testaments an die Lemberger Universität berufen. Gleichzeitig erhielt er als erster Kapuziner den theologischen Doktorgrad. Fast ware es nicht zur Abreise gekommen. Ein fanatischer Klosterbruder Pater Sergius, verübte auf den "Häretiker ' ein Attentat, dem dieser nur mit knapper Not entging.
Freimaurer Feßler
In Lemberg verlangte und erhielt er durch Pater Chrysologus die Entlassung aus dem Kapuzinerorden und wurde Freimaurer, indem er sich in der Loge, "Phönix zur runden Tafel" 1783 aufnehmen ließ. Sein antijesuitisches Theaterstück, "Sidney", wegen angeblicher Ausfalle gegen die Kirche denunziert, zog ihm neuerlich den Haß der klerikalen Kreise zu, so daß er sich seines Lebens nicht sicher fühlte und 1788 nach Breslau floh. Dort nahm sich seiner ein Freimaurer, Fürst Wilhelm von Schönaich Carolath (s. Carolath) an, der ihn nach Wallisfürth als Erzieher seiner Kinder berief. Feßler trat nun mehr zum lutherischen Glauben über und schloß 1792 ein Ehebündnis, das jedoch 1802 wieder gelöst wurde. In Wallisfürth begann er eines seiner Hauptwerke, den "Marc-Aurel" von dem er drei Bände fertigstellte, die bis 1799 drei Auflagen erlebten, und siedelte 1796 nach Berlin über.
Royal York-Reformator
Hier wurde er in die Untersuchung gegen die Euergeten (s. d.) verwickelt, das Verfahren gegen ihn jedoch eingestellt. Seine wirtschaftliche Lage war ziemlich trostlos. 1796 schloß er sich der Loge Royal York an und blieb in ihrem Stande bis 1802. Streitigkeiten veranlaßten ihn, 1802 auszutreten. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeit leistete er Hervorragendstes. Er wurde Reformator der Loge Royal York, Begründer und Zugeordneter Großmeister der auf ihr aufgebauten Großloge und der Erbauer ihres Systems. (Vergl. O. Kahle in Concordia-Bibliothek, Bd. 9111.)
Bald nach seinem Eintritt in die Oberste Leitung berufen (damals noch nach französischen Vorbild die Ritter vom Rosenkreuz) arbeitete er Rituale und Verfassung nach seinem Grundsatz um, Freimaurerei sei eine Erziehungs-anstalt zur Vernunftmäßigkeit und Sittlichkeit zum Vorteil der menschlichen Gesellschaft, erreichte durch Teilung der Loge in vier Bauhütten die Errichtung der Großloge, für die er das Protektorat des Königs erwirkte, vier Monate, bevor dessen Edikt erging, das den drei preußischen Großlogen eine Monopolstellung einräumte.
Fichte
Diese Stellungnahme Friedrich Wilhelms II. gegenüber der Feßlerschen Großloge war um so bedeutsamer, als die Große Landesloge diese der Reformen wegen als "Winkelloge" erklärt und des heimlichen "Jakobinismus" verdächtigt hatte, eine Beschuldigung, die in den damaligen Zeiten recht schwer wiegen konnte. Leider vertrug sich Feßler mit einem der größten deutschen Geister nicht, der in seiner Zeit in seine Loge eintrat, mit Fichte. Vielleicht traf diesen der größte Teil der Schuld an dem Streit, der im Juli 1800 zum Austritt des Philosophen führte (s. Fichte) .
Beseitigung der Hochgrade
Bei seinem Reformwerk drängte Feßler allerdings ohne Erfolg auf gänzliche Beseitigung der Hochgrade. Er glaubte, daß reine freimaurerische Arbeit nur auf Grund der von ihm wieder stark der ursprünglichen englischen Lehrweise angenäherten "hiramitischen Maurerei" - wie er die Johannismaurerei in der von ihm bearbeiteten Form nannte- allein möglich sei, mußte sich aber angesichts der Ablehnung, der er begegnete, doch zur Beibehaltung von Hochgraden entschließen. Das geschah, indem er zunächst auf die vier bisher bearbeiteten Hochgrade einen Innersten Orient ("Die Auserwählten des neuen Jerusalem") aufsetzte und dann die höheren Grade einer durchgreifenden Reformation unterzog, sie zu Erkenntnisstufen, Unterrichtsgraden (s.d.) gestaltete. Die kirchliche Erziehung, die F. genossen hatte, führte ihn dabei auch auf gnostische Bestandteile, die in seinen Schriften häufig genug zu verfolgen sind. An dem Maßstabe seiner Zeit gemessen, hat Feßler in seinem Ritual - er arbeitete auch die Johannisgrade um -eine sehr vergeistigte und hochpoetische Auffassung und Behandlung der Freimaurerei geschaffen.
Formale Tendenz
Alle maurerischen Rituale sollten ihrer formalen Tendenz nach sein: Nicht Mittel, die Neugierde der Brr. zu unterhalten und zu spannen nicht symbolische Vorbildungen der letzten Aufschlüsse; nicht Versprechungen einst mitzuteilender wichtiger Geheimnisse, sondern rein belehrende, auf die edleren Gefühle berechnete Darstellungen, durch welche das von dem Verstande erfaßte Wesen der Freimaurerei dem Herzen nähergelegt und dasselbe dafür erwärmt und begeistert wird."
Das Feßlersche System
Zu seinem Ausscheiden führten nicht zuletzt die Anfeindungen, denen das "Feßlersche System" bald unter seinen Brr. begegnete. Aber auch weiterhin hielt ihn der Gedanke der Freimaurerei fest. Er schloß sich der Loge "Zu den drei Bergen" in Freiberg i. S. an, die sich seine Annahme von den so undankbaren Berlinern nicht verbieten ließ. 1803 zog er mit seiner ihm 1802 angetrauten zweiten Frau nach dem von ihm überzahlten Gute Kleinwall bei Berlin. Seine Verhältnisse wurden immer schlimmer, lange hielt er sich nur durch Zuwendungen auswärtiger Freimaurerfreunde über Wasser. Trotzdem literarisch ungemein tätig, wurde er schließlich 1809 als Professor für orientalische Sprachen und Philosophie an die Universität in St. Petersburg berufen.
Petersburg
In Petersburg betätigte er sich sofort wieder freimaurerisch. Zusammen mit dem Unterrichtsminister Grafen Rasumovsky, dem Polizeiminister Balaschew und dem demokratischen Staatssekretar Speransky (s.d.) saß er in einer vom Kaiser AIexander I. eingesetzten Kommission, die über die Tätigkeit der Logen ein Gutachten abzugeben hatte. Speransky hatte er, um diesem die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, eigens in den Bund aufgenommen. Auf Grund des Kommissionsberichtes wurde die Freimaurerei in Rußland offiziell genehmigt.
Auch hier machte sich aber bald Mißgunst geltend. Auf Erkundigungen , die der Großmeister der Direktorialloge "Wladimir", Böber, in Berlin über F. einzog, außerte sich der Ordensmeister der Großen Landesloge, Castillon, sehr unfreundlich. U. a warf er ihm vor, er habe einem getauften Juden, der von der Loge "Royal York" abgewiesen wurde, nach Hamburg empfohlen und dort seine Aufnahme bewirkt und Fichte auf ungesetzliche Weise in den Bund aufgenommen.
(Vergl. Friedrichs "Geschichte der einstigen Maurerei in Rußland", Berlin 1904.) Auch sonst ruhten die Feindseligkeiten kirchlicher Kreise gegen ihn nicht, so daß er es vorzog, die Leitung einer Erziehungsanstalt in Wolsk im Gouvernement Saratow zu abernehmen. 1819 zum Superintendenten, Konsistorialprases und Bischof in Saratow erhoben, verdarb er es sich mit seinen Pastoren und wurde nach Petersburg zurückberufen, wurde Generalsuperintendent und Kirchenrat (1833) und verlebte hier den Rest seines vielbewegten Lebens.