England: Die Öffentlichkeitsarbeit der UGLE

Aus Freimaurer-Wiki

Die ‚United Grandlodge of England’ (UGLE) ist in vielem beispielgebend für die (‚regulären’) Großlogen Europas. Auch ihre neue Art der masonischen Öffentlichkeitsarbeit könnte Anregungen für den Kontinent liefern. Das besondere an dieser Öffentlichkeitsarbeit: Weil sie die Menschen wirklich erreichen will, verzichtet sie auf abstrakt-masonische Belehrungen des alten Stils ebenso wie auf die Verteidigung gegen Konspirationstheorien. Highlights von Rudi Rabe.

Der Artikel schildert den Stand von 2014.

Der ‚Grand Temple’ in der Freemasons Hall in London; Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Foto: Stephanie Wolff
Die Decke des ‚Großen Tempels’. Foto: Stephanie Wolff.
Art-Deco-Stiegenhaus. Foto: Stephanie Wolff.
Alle drei Fotos übernommen von Ihrem London-In-Sight Blog. Dort gibt es weitere sehr gute Fotos aus der Freemasons Hall.


Für jeden zugänglich:
die Freemasons Hall in London

Schon seit langem ist die Freemasons Hall für Besucher offen. Das beeindruckende Art-Deco-Gebäude aus den 1920/30iger Jahren steht unter Denkmalschutz und in allen Londoner Reiseführern. Die Besucher können ins Museum und an Führungen teilnehmen. Dabei wird ihnen nicht nur die schöne Architektur in den Wandelhallen des alten Hauses gezeigt sondern auch der nicht nur große sondern auch großartige ‚Große Tempel’. Außerdem gibt es wechselnde Ausstellungen: Aktuelle Details und Anmeldung hier und einen Museumsshop, bei dem man auch online einkaufen kann: UGLE-Shop

Die Freemasons Hall wird außerdem an kommerzielle Anbieter für hochrangige Veranstaltungen vermietet. Legendär: die Modeschauen der Londoner Fashion Week. Auch der weltbekannte Autor Dan Brown durfte den seinem Freimaurerroman ‚Das verlorene Symbol folgende Roman ‚Inferno’, in dem es um die ‚Göttliche Komödie’ geht, im Haus der UGLE vorstellen: Dan Brown in der Freemasons Hall.


Im Netz: UGLE online

Mir ist keine Großloge bekannt, die eine derart ausgebaute Website unterhält: UGLE online. Ihre Inhalte sind multimedial (Text, Fotos, Filme usw.).

Die UGLE-Website ist sehr übersichtlich strukturiert: Was ist Freimaurerei? Wenn man Freimaurer werden will? Über die UGLE? Freemasons Hall? Charity? Bücherei und Museum? Neues und Veranstaltungen? Kontakt. Und über jeden dieser internen links kommt man auf weitere Ebenen: alles leicht zu finden und gut zu lesen, keine Textwüsten; letzteres ist besonders wichtig, weil sich der UGLE-Auftritt nicht an Insider sondern an das breite Publikum richtet.

Viermal im Jahr gibt die UGLE ihr Magazin ‚Freemasonry Today’ heraus. Die Inhalte sind sehr englisch und kaum international. Das Magazin richtet sich vor allem an Freimaurer, es ist aber so gestaltet, dass es auch Nichtmitglieder lesen können. Das ist wichtig, ist doch die Freimaurerei in der englischen Gesellschaft viel präsenter als sie es in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist: Trotz sinkender Mitgliederzahlen hat die UGLE in 8.000 Logen immer noch eine Viertelmillion Mitglieder (2014). Auf der Grundlage der Einwohnerzahlen verglichen ist das 25mal so viel wie in Deutschland, elfmal so viel wie in Österreich und immer noch neunmal so viel wie in der Schweiz (Zahlen der ‚regulären’ Großlogen).

‚Freemasonry Today’ kann als ePaper online gelesen werden: ‚Freemasonry Today’ (issuu zulassen). Auch frühere Nummern stehen online bereit: bis zum Frühjahr 2011. Wer die Papierausgabe bevorzugt, kann das Magazin bestellen; es kostet 20 Pfund (Auslandstarif): ‚Freemasonry Today’ bestellen


Ein Film: Sympathie pur

Wochenlange Dreharbeiten in ganz England: Der Film kostete die UGLE 60.000 Euro

Seit 2014 wirbt die UGLE mit einem zehn Minuten langen Film für ein neues öffentliches Freimaurerbild: Fern von defensiven Widerlegungen und ebenso fern von komplizierten Erklärungen erzählen drei ganz unterschiedliche Männer, warum sie dabei sind und was die Freimaurerei für sie selbst und das Leben ihrer Familien bedeutet.

Regisseur Lee Cheney will mit dem Film auf eine beiläufige Weise Vorurteile abbauen: Freimaurerei soll nicht als etwas Unbekanntes, ja Bedrohliches wahrgenommen werden, auch nicht als eine bemühte Verteidigung gegen Vorurteile, sondern als ein selbstverständlicher Teil unserer Kultur. Der Nichtfreimaurer Lee Cheney führte Perspektiven ein, welche auf das ganz normale Publikum abgestimmt sind. Dazu sind Insider oft nicht in der Lage. UGLE-Großsekretär Nigel Brown: „Dieser Film ist anders als alle, die ich bisher über die Freimaurerei sah. Das ist seine Stärke. Der Regisseur hat eine Außen-Perspektive eingebracht, die Perspektive von Zuschauern, die keine Mitglieder sind, und die Perspektive ihrer Familien.“ (‚Freemasonry Today’)

Der Film zeigt die Freimaurerei nicht als etwas altmodisches, wie es viele Menschen empfinden, sondern als vereinbar mit dem modernen Lebensstil: einer Lebensvorstellung, bei der die Familie und die Arbeit im Vordergrund stehen, und erst dann gibt es Platz für anderes wie die Logen. Nach diesem Konzept wurden aus 150 Bewerbern die Darsteller ausgewählt: Drei offene und sympathische Männer mit unterschiedlichem Hintergrund. Was sie aber vereint, das sind die Werte der Freimaurerei. Die Brüder werden zu Hause und bei ihren Familien gezeigt, bei der Arbeit, beim Sport, in der Freizeit und mit ihren Freunden im lokalen Pub. Was sie sagen, war nicht vorgegeben, sie waren völlig frei. Dazwischen werden im Film immer wieder kurze Szenen eingeschnitten mit Beispielen, was die englische Freimaurerei als Institution leistet: Charity vor allem, aber auch die Informationsleistungen der Freemasons Hall in London. Und natürlich gibt es auch kurze Statements des Großmeisters.

Letztlich vermittelt der Film, dass die Freimaurerei vielfältiger ist als es sich die meisten vorstellen. Er zeigt eine Gemeinschaft, die zugleich engagiert und rücksichtsvoll ist, modern aber auch historisch; und immer offen für die anderen.



Der Film bei ‚Freemasonry Today’ und derselbe Film bei Youtube


Und was sagen die Menschen?

Die Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit durch die UGLE hat wohl auch damit zu tun, dass die 300-Jahr-Feiern nahen: Die erste Großloge wurde 1717 gegründet. Innere Reformen und eine veränderte und breitere Öffentlichkeitsstrategie sollen die englische Freimaurerei fit für das 21. Jahrhundert machen. Dabei werden ungewohnte Wege beschritten.

Einer dieser ungewohnten Wege: Die UGLE hat ein unabhängiges Sozialforschungsinstitut beauftragt, einen Report über 'Die Zukunft der Freimaurerei' zu erstellen. Zielgruppe sind auch hier nicht nur Freimaurer sondern ebenso die nichtmasonische Öffentlichkeit. 2012 wurde das Ergebnis publiziert. Details: Traktat: England blickt auf 2017

Derzeit ist der Report auf einer UGLE-Seite online gestellt: UGLE-Freimaurer-Report

Und hier eine gekürzte Übertragung der fünf Report-Kapitel ins Deutsche:
Traktat: England - FM-Report 2017/1 Einleitung
Traktat: England - FM-Report 2017/2 Bindungen
Traktat: England - FM-Report 2017/3 Geben
Traktat: England - FM-Report 2017/4 Ritual
Traktat: England - FM-Report 2017/5 Die Zukunft


Rückblick 1900 bis 2000: Hoch oben, dann unten durch

Wenn man das Bild der UGLE in der englischen Öffentlichkeit seit 1900 betrachtet, dann gibt es eine interessante Kurve: Auf ein Hoch im ersten Drittel des Jahrhunderts folgt ein lang anhaltender Niedergang. Erst seit gut zehn Jahren wird es wieder besser.

Der englische Historiker, Journalist und Freimaurerpublizist Paul Calderwood hat das untersucht und das Ergebnis im Freimaurermagazin ‚The Square’ (4/2013) publiziert. Seinen Artikel beginn er mit folgenden Worten: „Für die englische Freimaurerei war das zwanzigste Jahrhundert eine bedeutsame Zeit. Die Zahl der Logenhäuser stieg auf das Doppelte, die der Logen auf das Dreifache, und die Zahl der von den großen masonischen Wohlfahrtseinrichtungen unterstützten Menschen war 1999 sechsmal so hoch wie 1900. Das zwanzigste Jahrhundert war aber nicht nur eine Phase enormen Wachstums sondern auch eine Zeit, in dem sich das öffentliche Ansehen der Freimaurerei radikal verändert hat. Und der diesbezügliche Kontrast zwischen 1900 und 1998 könnte kaum schockierender sein.“

Konkret: Das Image der Freimaurerei verschob sich in dieser Zeit von einer hochrespektierten Eliteorganisation im Zentrum des öffentlichen Lebens an den Rand der Gesellschaft, hin zu etwas, das von vielen Menschen mit Argwohn betrachtet wird. Dies ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung, die Paul Calderwood durchführte. Wir haben den Artikel für das Wiki ins Deutsche übertragen: England – Die Freimaurerei und die Öffentlichkeit im zwanzigsten Jahrhundert

Die Untersuchung betrifft wie gesagt das zwanzigste Jahrhundert. Seit einigen Jahren hat sich jedoch viel geändert: Die führenden Freimaurer in der Großloge stellen sich regelmäßig den Medien, und auch die Individualkommunikation über das Netz scheint zu funktionieren. Die vielen Mails werden alle beantwortet. Der Communications Adviser der UGLE, Susan (!) Henderson, sagte dazu in einer Rede, der direkte Kontakt sei ihr besonders wichtig: „Wenn ich jeden Arbeitstag dreißig Mails beantworte, erreiche ich im Jahr 8.000 Menschen, das ist viel wert. Die Menschen … fühlen sich so gut behandelt; das ist die beste Öffentlichkeitsarbeit. Heutzutage sind die Menschen zu erfahren, um sich von einem ‚PR-Spin‘ beeinflussen zu lassen. Sie richten sich nach der Mundpropaganda oder nach eigenen Erfahrungen. Tage, Wochen, Jahre später führt so eine Erfahrung in einer ganz gewöhnlichen Unterhaltung zu einer guten Nachrede über die Freimaurerei. Überall, im Pub, im Golfklub oder über den Gartenzaun.“


Siehe auch