Vorarlberg
Das westlichste österreichische Bundesland war lange Zeit masonisches Niemandsland. Seit 2005 gibt es zum ersten Mal eine Loge. Von Rudi Rabe.
Vorarlberg liegt zwischen dem Bodensee und dem Arlberg.
Abgesehen vom Sonderfall Wien ist es das flächenmäßig kleinste der neun österreichischen Bundesländer; gemessen an der Bevölkerungszahl ist es wegen der dichten Besiedlung im Rheintal mit etwas weniger als 400.000 Einwohnern aber nur das zweitkleinste. Zum Unterschied vom übrigen Österreich werden hier nicht bairische sondern alemannische Dialekte gesprochen (ähnlich wie Schweizerdeutsch oder das südbadische Alemannisch). Nach ihrem Selbstbild und wohl auch dem Fremdbild sind die Vorarlberger wirtschaftlich tüchtig mit realistisch-geerdeten Lebensentwürfen. Und sie haben ein bürgerlich geprägtes Kulturverständnis entwickelt: Am bekanntesten sind die Bregenzer Festspiele auf dem Bodensee. Das Bühnenbild rechts ist aus dem Jahr 2013 für die Freimaureroper ‚Die Zauberflöte’.
Stand 2014: Eine Loge der Großloge von Österreich; keine anderen Obödienzen.
„Lange Jahre waren einfach nicht genug Brüder hier im Land, als dass wir eine Loge hätten gründen können“, erzählen die Vorarlberger Freimaurer von der Zeit vor 2005. Einige wenige wurden ab den 1970igern in die Tiroler Loge ‚Zu den drei Bergen’ aufgenommen und noch weniger in Logen im schweizerischen St. Gallen und im bayerischen Lindau. Sie trafen einander gelegentlich informell, und ab den 1990iger Jahren gab es in Vorarlberg dann auch einen masonischer Zirkel.
Doch irgendwann waren die Vorarlberger endlich stark genug, und so gründeten zwölf Brüder im Mai 2005 die ‚Moderatio’. Das Wort kommt vom lateinischen ‚moderare’. Es vereint zwei konträre einander ergänzende Bedeutungselemente – ein passives und ein aktives: Maßhalten, Selbstbeherrschung, das rechte Maß, die harmonische Abmessung, die Mitte finden, Mäßigung, Bescheidenheit einerseits sowie Lenkung, Leitung und Herrschaft andererseits. Diese Zuschreibungen gefielen den Brüdern.
2015: Die immer noch junge Loge ist zehn Jahre alt. Sie ist langsam gewachsen aber immer noch klein. Und sie hat kein eigenes Haus: Die Utensilien für die Tempelarbeit lagern in einem Kasten; sie werden jedes Mal neu aufgebaut. Bei den Baustücken (= Vortrag als Teil der Arbeit, auch ‚Zeichnung’ genannt) gibt es ein ausgeprägtes Interesse an sozialen, ökonomischen, politischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen. Die ‚Weiße Tafel’ nach der Arbeit wird im Nebenzimmer eines benachbarten Gasthauses gefeiert.
Masonische Geschichte ...
1949: Die nach der Hitlerkatastrophe wiedererrichtete Großloge von Österreich in Wien ersuchte die Freimaurer am nahen Schweizer und am deutschen Ufer des Bodensees um Hilfe beim Aufbau einer Loge im fernen Vorarlberg (von Vorarlberg nach Wien sind es mehr als 600 Kilometer, nach Zürich nur hundert). Wohl auch um das zu unterstützen, trafen sich die Großmeister 1953 in dem damals noch französisch besetzten Vorarlberger Städtchen Feldkirch zu einem Gedankenaustausch. Dann hörte man lange Zeit nichts mehr.
Etwa ab den 1970igern wurden einige Vorarlberger in Tirol sowie in Schweizer und bayerischen Nachbarlogen aufgenommen. Ganz langsam wuchs ihre Zahl und mit dieser der Wunsch, eine eigene Vorarlberger Loge zu gründen. 2005 war es dann endlich so weit.
... und masonische Geschichten.
Der Vorarlberger Sozialreformer und Schriftsteller Franz Michael Felder (1839 bis 1869) aus Schoppernau im hinteren Bregenzerwald schrieb in seinem kurzen Leben den Roman ‚Sonderlinge’, in dem es auch um die Freimaurerei ging. Allerdings nicht um die wirkliche Freimaurerei sondern mehr um das Wort ‚Freimaurer’ als negativen Kampfbegriff, wie ihn katholisch-reaktionäre Kreise damals zur Verunglimpfung fortschrittlich denkender Menschen einsetzten.
Felder verarbeitete darin seine Erfahrungen mit den wirtschaftlich Mächtigen (= den Käsehändlern) und dem Pfarrer seiner Heimatgemeinde. Indem er genossenschaftliche Ideen ins Tal brachte war er diesen ein Ärgernis. Der Pfarrer verdammte ihn von der Kanzel herab als gottlosen Gesellen, der von Freimaurern finanziert werde, also von jenen Leuten, „die an keinen Gott glauben und mit dem Teufel einen Bund gemacht haben“ (Zitat aus Felders Roman). Das Kesseltreiben gegen Felder eskalierte so, dass er mit seiner Familie sogar kurze Zeit nach Bludenz fliehen musste.
Franz Michael Felder hat nicht nur viel geschrieben sondern auch viel gelesen: auch über freimaurerische Ideen. Er unternahm mehrere Reisen, zum Beispiel nach Leipzig, wo er auch aufgeklärte Freimaurer traf. Ob er dort selbst in eine Loge rezipiert wurde, ist unklar aber nicht wahrscheinlich. Heute ist er in Vorarlberg eine bekannte historische Persönlichkeit, nach der Straßen benannt sind.