Traktat: Reformfreimaurerei im Jahre 2015
Inhaltsverzeichnis
- 1 Reformfreimaurerei im Jahre 2015
- 2 Veröffentlichung eines Rituals
- 3 Bibel und weitere Bücher
- 4 Wiederaufnahme des Kontaktes zu den französischen Brüdern
- 5 Großer Baumeister?
- 6 Mitsprache im Bruderkreis?
- 7 Akzeptanz der Freimaurerinnen und gegenseitige Besuche
- 8 Akzeptanz der gemischten Logen
- 9 Erörterung politischer und religiöser Fragen
- 10 Verbesserte Zusammenarbeit über die Obödienzen
- 11 Persönliches Fazit
- 12 Links
Reformfreimaurerei im Jahre 2015
Wenn ich eine fremde Loge besuche oder eine Tempelarbeit, die nicht wie in meiner Bauhütte üblich nach dem Ritual des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne arbeitet, sondern nach anderen Ritualen, stelle ich mir oft die Frage was man zeitgemäß ändern und anpassen kann. Gedanken zu Reformen bezüglich der Freimaurerei gab es nicht nur in der Gründungsphase des F.z.a.S sondern durchaus immer wieder. Das größte Problem hierbei ist der Spagat zwischen der Tradition und der Moderne. Und genau hier scheiden sich die Geister. Ich selbst bin Freimaurer aus Leidenschaft und identifiziere mich gerne mit unserem Bund. Das liest man nicht nur hier, sondern kann man auch an den inzwischen unzähligen maurerischen Tätowierungen erkennen.
Ich bin auch ein großer Freund von Tradition und finde mich aber auch in den Reformgedanken meiner Altvordern wieder. Ich selbst befürworte deren Ideale, auf das Sinnbild des großen Baumeisters zu verzichten, auf die Auflegung des weißen Buches als auch auf den Verzicht des hohen Hutes (um nur ein paar Beispiele zu nennen). Ich fühle mich dennoch den Traditionen verpflichtet und genieße sehr die Stimmung während der Tempelarbeiten und den Clubabenden. Aber natürlich habe ich auch eine Vorstellung wo eine moderne Form der Freimaurerei im Jahr 2015 stehen könnte. Ich weiß, dass meine Ansichten nicht den aktuellen Stand der Freimaurerei der Großloge wiedergeben, aber es ist ein Gedankenspiel, wo man sich hin entwickeln könnte, um aus dem geheimnisumwitterten Dunklen hinaus ins Licht zu kommen und ein reales und wahres Bild der Freimaurer zu schaffen.
Veröffentlichung eines Rituals
Ich möchte diesen radikal wirkenden Punkt kurz erklären bevor nun die Emails über mich hereinbrechen. Viele der Rituale finden sich ohnehin im Internet wieder. Mal echte und leider auch viele falsche oder erfundene. Sollte ein interessierter Mensch dann doch ein echtes Ritual gefunden haben, so mag er dies evtl. nicht glauben, da es wenig spektakulär klingt, oder aber er würde den Sinn nicht verstehen ohne den nötigen Hintergrund. Es ist ähnlich als wenn man den Text zu Mozarts Zauberflöte lesen würde, jedoch nicht das gesamte Werk zu hören und zu sehen bekommt. Daher denke ich, es wäre zeitgemäß und würde diesen Verschwörungstheoretikern endlich den Wind aus den Segeln nehmen, wenn ein Ritual veröffentlich würde, jedoch mit den nötigen Anmerkungen und Ergänzungen, so dass es auch ein Nicht-Maurer verstehen kann.
Ich selbst befasse mich seit Jahren mit alten Ritualen und habe eine kleine Sammlung aufgebaut, würde diese aber NIEMALS herausgeben. Dieser Schritt müsste von der Großloge kommen. Aber so kann diese Frage, die ein Freimaurer nicht beantworten wird, endlich geklärt werden und würde das geheimnisvolle verlieren. Der ein oder andere mag nun anmerken wollen, dass dem neuaufzunehmenden Bruder, der dem Bund beitreten möchte, dann ja „das Erlebnis der Aufnahme“ genommen wird. Das mag erst so erscheinen, jedoch muss ich hierzu auf meinen Vergleich mit der Zauberflöte zurückkommen. Diese zu sehen und zu erleben ist weit mehr wert als den Text zu lesen. Die Menschen werden sich immer an das ERLEBTE erinnern, jedoch nicht an den Wortlaut des gesprochenen Textes.
Bibel und weitere Bücher
Auch hier stellt sich die Frage warum man an einem knapp 300 Jahre alten Brauch festhalten muss ohne dies zu hinterfragen. Ich habe im Laufe meiner Reisen die unterschiedlichsten Formen gesehen. Logen mit Brüdern aus dem muslimischen oder jüdischen Religionskreis haben durchaus neben der Bibel auch den Koran oder den Talmud aufliegen. Aber eben auch ein Buch mit unbeschriebenen Seiten, das weiße Buch. Natürlich ist die Bibel als Buch des Gesetzes ein wichtiges Symbol.
In unserem Kulturkreis verkörperte sie seit Jahrhunderten dieses Bild. Jedoch ist auch unser Kulturkreis einer gewissen Wandlung in der neueren Zeit ausgesetzt und sollte sich dem anpassen. Hier sollte man nicht strikt, sondern weltoffener denken und handeln, ganz wie es sich für einen Freimaurer gehört. Dies schließt durchaus das Buch der unbeschriebenen Seiten mit ein, mit dem sich der ein oder andere Bruder durchaus mehr verbunden fühlt als mit einem Religionsbuch. Nicht dass ich hier falsch verstanden werde.
Ich bin zwar Agnostiker, setzte mich dennoch für Religionen ein und bin somit auch nicht für eine generelle Abschaffung der Bibel wie es Teile des F.z.a.S damals gewesen sind. Jedoch bin ich für einen deutlich liberaleren Umgang mit den aufgelegten Werken. Eine gewisse Einigkeit von Bibel, weißem Buch und einem weiteren Sinnbild für die Schönheit wäre doch eine willkommene Dreier-Konstellation.
Wiederaufnahme des Kontaktes zu den französischen Brüdern
Gerade in den letzten Jahren hat die Großloge AFuAM erneut den Kontakt zu den französischen Brüdern gesucht und versucht, neue Möglichkeiten des Austausches zu gehen. Leider ist es auch hier auf nur einige wenige Großlogen beschränkt. Arbeiten wir nicht alle an der Weltbruderkette? Sind wir nicht alle Brüder und dienen den gleichen Idealen? Ich denke schon.
Also warum nicht einmal kritisch hinterfragen warum ein Jahrhunderte andauerndes Dogma nicht zur Diskussion gestellt werden kann und sich der Freimaurerei dadurch neue Wege eröffnen. Die Teilnahme an gemeinsamen Arbeiten und auch gegenseitige Besuche wären sicherlich eine Bereicherung für die einzelnen Brüder aber durchaus auch für die Logen und übergreifende Projekte.
Großer Baumeister?
Wäre es nicht auch denkbar, dass Atheisten gute Freimaurer wären? Muss denn das Sinnbild des großen Baumeister wirklich mit einer religiösen Person besetzt werden? Ich denke nicht. Schon die Reformfreimaurer der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts hatten sich für die Abschaffung des Sinnbildes eingesetzt. So weit will ich nicht einmal gehen, aber der moderne Mensch sucht sich sicher sein eigenes Sinnbild für die größte Kraft im Universum.
Für die einen mag es die Gravitation sein, für die anderen die Liebe und auch Gott (aus dem christlichen, religiösen Sinn) kommt hier in Frage. Was ist jedoch wenn der Freimaurer an keine höhere Kraft glauben kann und will? Ich denke auch dann kann solch ein Mensch ein guter Bruder und Freimaurer sein. Denn die Ideale der Freimaurei von Brüderlichkeit, Gleichheit und Toleranz sind nicht gebunden an die Vorstellung an eine höhere Macht.
Mitsprache im Bruderkreis?
In einigen konservativen Logen ist es üblich, dass der Lehrling und der Geselle im brüderlichen Gespräch kein Recht auf Mitsprache haben. Vielmehr ist es üblich, dass diese beiden Gruppen schweigen und den Meistern beim Gedankenaustausch zuhören.
Denn aus diesen Worten und Erfahrungen soll der noch junge Bruder lernen und reflektieren. Aber ist es nicht so, dass wir Brüder uns auf einer Ebene begegnen? Warum also dann eine Gruppe ausgrenzen? Ich denke, dass auch ein unerfahrener Bruder durchaus wichtige und interessante Aspekte zu einem Thema beitragen kann und daher sollte er doch in der Runde seiner Brüder auch zu Wort kommen dürfen. Oftmals hörte ich auf meine Nachfrage, warum hier so gehandelt wurde, „dass haben wir schon immer so gemacht“. Dies mag durchaus sein, aber genau hier zeigt sich doch der Freimaurer und hinterfragt diese alten Dogmen und Regeln und stellt sie zur Diskussion. Ich denke, dass die Stimme jedes Bruders nicht verstummen sollte.
Akzeptanz der Freimaurerinnen und gegenseitige Besuche
Noch immer stelle ich eine große Skepsis bei einigen, meist älteren Brüdern gegenüber einer Frauenloge fest. Ich habe es sogar schon selbst erleben dürfen, dass sich eher konservative Brüder gegen die Aufnahme einer Frauenloge in ein Logenhaus gestellt haben und das, obwohl die Frauenloge eine offizielle Loge der FGLD (Frauen-Großloge von Deutschland) gewesen ist. Selbst die Großloge AFuAM nimmt die Kontakte zur FGLD auf und arbeitet an gemeinsamen Konzepten und Veranstaltungen. Ich denke dass im Jahr 2015 diese alten starren Formen der strikten Trennung der Vergangenheit angehören sollte und auch Brüder und Schwestern gemeinsam Ritualarbeiten abhalten und besuchen können.
Akzeptanz der gemischten Logen
Wer mich kennt weiß, dass ich froh bin einer reinen Männerloge anzugehören und stehe den gemischten Logen auch kritisch gegenüber. Das liegt aber keinesfalls an deren Ansichten über die Freimaurerei noch sehe ich sie nicht als FreimaurerInnen an. Nein, ich denke eher, dass es am zwischenmenschlichen Spannungsfeld von Mann und Frau liegt, weshalb ich eine Trennung bevorzuge. Aber das ist meine bescheidene Meinung.
Ich denke durchaus, dass Mitglieder einer gemischten Loge durchaus als gleichberechtige MaurerInnen angesehen werden sollten. Denn schließlich arbeiten und handeln sie nach den gleichen Idealen wie wir alle. Und ebenso nach gleichen Ritualen. Wenn wir also die Weltbruderkette durchaus wörtlich nehmen, so müssen wir uns doch fragen, warum wir gerade diesen Brüdern und Schwestern nicht die Hand reichen sollten. Es wäre im Jahr 2015 mehr als zeitgemäß, dass wir hier aufeinander zugehen.
Erörterung politischer und religiöser Fragen
Schon James Anderson, der die Alten Pflichten (Old Charges) (1723) als eine Art erste Konstitution der Ersten Großloge England veröffentlichte, ging in seinem Dokument auf die Politik ein. Für die Freimaurer weltweit ist dieses „Grundgesetz“ noch immer gültig, wenn auch sicherlich kritisch darauf geschaut und die Frage, ob dies noch zeitgemäß ist, gestellt werden muss. Natürlich gibt es neue Auslegungen dieser Alten Pflichten und oftmals werden diese Interpretationen vielseitig diskutiert.
Unter dem Punkt VI in den Alten Pflichten gibt es den Punkt „Vom Betragen – nämlich“ aus dem folgendes Zitat stammt: „ [Es] dürfen keine persönlichen Sticheleien und Auseinandersetzungen und erst recht keine Streitgespräche über Religion, Nation oder Politik in die Loge getragen werden.“ Von vielen Logen werden daher die Themen Religion und Politik grundsätzlich aus dem Logenleben gestrichen. Doch stimmt das wirklich? Führen wir uns den Absatz noch einmal vor Augen und schon werden wir feststellen, dass es dort um „persönliche Sticheleien und Auseinandersetzungen“ geht.
Doch folgen wir tatsächlich den freimaurerischen Tugenden während eines brüderlichen Gespräches oder einer Aussprache, so werten wir ja ohnehin nicht, diskutieren nicht oder gehen den anderen persönlich an. Nein, wir lassen seine Meinung stehen und sollte diese fehlerhaft sein, so wird er sicherlich selbst darauf kommen. Eine Wertung erfolgt explizit nicht. Würden wir nun J. Andersons Text neu interpretieren, so lässt sich sicherlich sagen, dass wir durchaus über Politik in der Loge reden können. Allerdings eben ohne uns persönlich dabei anzugehen.
Verbesserte Zusammenarbeit über die Obödienzen
Unter dem Begriff der Obödienzen versteht man die Unterstellung einer Loge unter eine bestimmte Großloge. Die Vereinigte Großloge von Deutschland umfasst aktuell 5 Großlogen und 3 weitere Logen, welche direkt der VGL unterstellt sind. Natürlich ist es innerhalb der VGL möglich Logen aus anderen Großlogen zu besuchen, da sie als regulär anerkannt sind. Aber oftmals ist dies in der Realität nicht ganz so einfach und dies oft wegen Vorurteilen gegenüber anderer Großlogen. Ich denke, dass man diesen Punkt sehr leicht überwinden kann, da er faktisch nicht auf dem Papier existiert, sondern vielmehr nur in den Köpfen einiger Brüder. Hier muss ich an den rauen Stein erinnern, an dem doch jeder für dich arbeiten sollte. Und somit sollte die Überwindung dieser Vorurteile kein maurerischer Hürdensprung sein.
Persönliches Fazit
Ich glaube gerade in unserer schnelllebigen Zeit suchen immer mehr Menschen die Ruhe, die man im Alltag nicht mehr finden kann und einige kommen zur Freimaurerei. Gerade hier werden Traditionen und strenge Regeln gelebt und auch geachtet. Ich möchte mich nicht gegen eine Aufhebung dieser Traditionen aussprechen, aber durchaus für Ideen, Anregungen und Anpassungen, diese zeitgemäß ins Jahr 2015 zu portieren.
Eine neue, moderne Form der Freimaurerei zu schaffen, welche weltoffen und dennoch traditionell ist…kein Schritt in die Zukunft, eher ein Spagat zwischen der Tradition und der neuen Zeit. Daher werde ich auch mich auch weiterhin auf meiner Seite und mit anderen bloggenden Brüdern und Schwestern dafür einsetzen, dass wir eine Plattform für die Freimaurerei in der Moderne schaffen.
Links
- Freimaurergedanken
- http://www.call-of-bratislava.com/index.php?lang=sk Call of Bratislava