Rezension: Michael Heinrich Weninger - AUS NACHT ZUM LICHT
Michael Heinrich Weninger - AUS NACHT ZUM LICHT
Katholische Kirche und Freimaurerei im Ringen um Versöhnung
Besprechung des 2025 erschienenen Buchs durch Rudi Rabe
Es ist dies das zweite große Buch von Michael Heinrich Weninger zu diesem Thema. Das erste heißt Loge und Altar: Es erschien im Jahr 2020 im österreichischen Löcker-Verlag, dieses fünf Jahre danach im „Deutscher Wirtschaftsbuch Verlag“ in Neuburg an der Kammel.
Ich verwende ganz bewusst das Attribut „großes Buch“, weil kein Zweifel daran besteht, dass beide Bücher in den die Zeiten überdauernden Schatz freimaurerischer Literatur eingehen werden, und zwar über den deutschen Sprachraum hinaus weil das Thema, zu dem der Autor jahrelang mit großer Sachkunde recherchierte, in der katholischen und in der freimaurerischen Welt international von Bedeutung ist.
Während Michael Weninger im ersten Buch zuerst das Wesen der Freimaurerei beschreibt und sich dann auf die konfliktreiche Beziehung der katholischen Kirche mit den Logen über gut zweihundert Jahre konzentriert, beschreibt er im zweiten Buch detailliert wie dieser Konflikt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einer jahrzehntelangen Anstrengung mehr und mehr aufgelöst wurde.
Um es auf den Punkt zu bringen: Aus Sicht der Katholischen Kirche war die gleichzeitige Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge lange Zeit als sogenannte Tatstrafe mit der Exkommunikation belegt. Doch seit 1983 ist das kirchenrechtlich erledigt. Dies sei aber - so Weninger bei der Buchvorstellung - auf beiden Seiten in manchen Kreisen nur unzureichend bekannt. Noch immer herrschen Vorurteile, Aversionen und ein schlichtweg unverantwortbarer Wissensmangel.
Wie dieser „Versöhnungsprozess“ ab den 1960er Jahren bis in die 1980er gelaufen ist, wer ihn auf beiden Seiten getragen hat, und welches Auf und Ab es dabei auch gab, das ist der Inhalt dieses Buches.
Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel, denen der Autor, dem Buchtitel AUS NACHT ZUM LICHT folgend, kreative „Lichtuntertitel“ gegeben hat:
- MORGENDÄMMERUNG: Die Anfänge der Versöhnung ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren.
- RÖTLICHES LICHT LEUCHTET AM HORIZONT: Der Dialog 1968 bis 1970 an verschiedenen Orten mit dem Höhepunkt der gemeinsamen Lichtenauer Erklärung.
- MORGENTAU: Die innerkirchliche und vatikanische Befassung mit den Ergebnissen.
- SCHWERE NEBELSCHWADEN VERDUNKELN DIE SONNE: Eine deutsche Parallelaktion verursacht Irritationen.
- DIE STRAHLEN DER SONNE: Das neue Kirchenrecht verurteilt die Freimaurer nicht mehr.
- ERNEUT GEWITTERWOLKEN AM MORGENHIMMEL: Und dennoch kurz vorher noch einmal eine antimasonische Deklaration der vatikanischen Glaubenskongregation.
- LICHT: Es bleibt bei der endgültigen Kirchenrechtliche Klarstellung im Jahr 1983.
Mit dem siebenten Kapitel sind wir bei der Seite 300 angelangt. Es folgen dann noch weitere hundert Seiten mit Originaltexten, Quellen und Fußnoten.
Das Vorwort zum Buch bietet eine gute Einstimmung zu dem, was im Buch selbst dann in vielen Details ausgebreitet wird. Mit Erlaubnis Michael Heinrich Weningers - danke - wird dieser Text im folgenden wiedergegeben.
AUS NACHT ZUM LICHT
Es herrscht Nacht!
Die Geschichte des Verhältnisses zwischen der katholischen Kirche und der Freimaurerei ist geprägt durch Nähe und Ferne, durch Harmonie und Gegnerschaft, welche über mehrere Jahrhunderte hinweg mit wechselnder Intensität mehr konflikthaft denn friedlich verläuft.
Es herrscht Nacht!
Nahe am Geschehen verstellt sich der Blick für das Wesentliche und Ganze. Verwoben in die Herausforderungen der Aktualität, verglimmt oft genug das Licht der Erkenntnis über- und füreinander. Die Voreingenommenheit für die eigene Wahrheit oder was als solche erkannt wird, und die daraus resultierende gesellschaftspolitische Aktion verdüstern den Blick auf das Gemeinsame, das doch als weit größer als das Trennende zu erkennen wäre, gäbe man dem Licht der menschlichen Vernunft nur Raum genug, und dem tagespolitischen Aktionismus weniger Raum. So geraten die katholische Kirche und die Freimaurerei immer stärker in einen Gegensatz, der auf den ersten Blick als unüberbrückbar erscheint.
Auf der Seite der Kirche sind es beispielsweise das freimaurerische Geheimnis, die Eidesleistung für ihre Mitglieder, ein angeblich religiöser Relativismus, die vermutete Usurpation religiöser Riten und die Herausbildung einer Art gefühlter Ersatzreligion, welche von der Kirche mit ihrem spezifischen Wahrheitsanspruch für sich als Institution und für ihre Gläubigen als Gefahr betrachtet werden.
Auf der Seite der Freimaurer sind es beispielsweise ein kirchlicher Dogmatismus und ein unterstellter Herrschaftsanspruch über das freie Denken, so wie sie von den Freimauern verstanden und als die persönliche Freiheit des Menschen einengend empfunden werden. Diese und weitere Vorhaltungen begründen einen Gegensatz zwischen den beiden auf der Ebene der Ideen und des Anspruches auf deren gesellschaftspolitische Umsetzung.
Die Antagonismen werden von den einen mit der Inquisition und dem Urteilsspruch der Exkommunikation beantwortet und von den anderen durch eine zielgerichtete antikirchlich-politische Agitation mit einem eigenwilligen Verständnis von Liberalität, Toleranz und Aufklärung.
Dass es gleichzeitig aber immer auch ein weitgehend ungestörtes, ja konstruktives Zueinander von katholischer Kirche und freimaurerischer Wirklichkeit gegeben hat, kann sich im Dunkel der Gegnerschaft nicht befreiend in den Blick bringen.
Auffallend ist der Umstand, dass im Zeitenlauf eine objektive und wissenschaftlich gesicherte Auseinandersetzung mit den Lehrgehalten des jeweils anderen nicht oder bloß rudimentär stattfindet. Stattdessen kommt es zur Tradierung vorhandener Aversionen, von Vorurteilen und Unterstellungen, die oft genug ihre Ursachen in Fehlinterpretationen und Missverständnissen finden, die, würde man nur zu einer entsprechenden Gesprächskultur gefunden haben, mit einigem guten Willen und rationalen Argumenten aus der Welt zu schaffen gewesen wären. Die normative Kraft des Faktischen im politischen Getriebe Europas in der zweiten Hälfte des 18. und während des ganzen 19. Jahrhunderts trägt das ihrige zu der für Leib und Seele so unheilvollen Konfrontation bei.
Es herrscht weitum Nacht!
Und sie hält so lange an, bis die äußeren politischen Umstände – vereinfacht gesagt, nach den Schrecknissen des Ersten Weltkrieges, den Erfahrungen der Verfolgungen durch die Diktaturen der Zwischenkriegszeit und dem Horror des Zweiten Weltkrieges – die Angehörigen der bislang so verfeindeten Weltanschauungen gemeinsam zu Opfern der sie zu vernichten drohenden Ideologien machen.
So finden sich Katholiken und Freimaurer in Gefängnissen, Folterkellern und Konzentrationslagern vereint und dürfen in ihrer Not erfahren, dass ihnen Gottes- und Menschenliebe, Freiheit und Toleranz, weite Herzen und offener Geist verbindende Kräfte sind. So beginnen sie einander im Dialog des Lebens angesichts des Todes zu verstehen, das sie Einende, Versöhnende, Gemeinsame durch Entbehrungen und Leiden schrittweise zu erkennen und würdigen zu lernen, ohne freilich das sie Unterscheidende im Zueinander oberflächlich zu übertünchen.
Mit anderen Worten, man beginnt einander mit erhellten Augen und bereitem Herzen in einem neuen Licht zu erkennen! Zahlreiche Beispiele aus den dunklen Zeiten von Bemühungen um ein besseres Verstehen füreinander sind belegt. So für Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich, um nur einige Beispiele zu nennen, aber auch für außereuropäische Staaten, etwa die USA und die Philippinen.
Das Zweite Vatikanische Konzil bringt das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Freimaurerei zwar nicht auf die Tagesordnung, die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und die großen zu bearbeitenden Themen erlauben dies nicht. Es wird jedoch zum Thema einiger Eingaben im Verlauf der Vorbereitungen zum Konzil und auch von einzelnen Wortmeldungen auf dem Konzil selbst. Von ganz entscheidender Bedeutung werden dann die Ergebnisse des Konzils, namentlich etwa die Erklärung Nostra Aetate, die Erklärung Dignitatis humanae und die Pastorale Konstitution Gaudium et spes, um nur einige der relevanten Dokumente an dieser Stelle bereits zu nennen.
Ein neuer Morgen im Zueinander bahnt sich dämmernd den Weg!
Die verschiedenen, dem Heiligen Stuhl selbstverständlich bekannt gewordenen Bemühungen um einen Dialog und die auf Grundlage der auf dem Konzil gewonnen Erkenntnisse lassen es dem Vatikan als höchst geboten erscheinen, den Versuch eines offiziellen Dialogs zu wagen.
So ergreift mit dem Segen des Papstes die Glaubenskongregation die Initiative zu einem solchen, indem sie an ausgewählte und für die Freimaurerfrage wichtige nationale Bischofskonferenzen ein Schreiben mit Fragen richtet, deren Beantwortung bei entsprechendem Ergebnis die Leitlinien für einen Dialog bilden sollen. Und siehe da! Die Antworten sind so ermutigend, dass die Glaubenskongregation und das Sekretariat für den Dialog mit den Nichtglaubenden, unter der Leitung von Kardinal Franz König, tatsächlich einen Dialogprozess ins Leben rufen können.
Dieser wird schließlich nach jahrelanger und mühevoller Arbeit seinen Niederschlag im neu geschaffenen Kodex des Rechts der katholischen Kirche, dem Codex Iuris Canonici (CIC), im Jahr 1983 finden, in welchem die Freimaurer mit keinem einzigen Wort, auch keinem verurteilenden, mehr Erwähnung finden.
Dem wohlbegründeten und entschiedenen Handeln von Kardinal Franz König ist es maßgeblich zu verdanken, dass die katholische Kirche sich in der Lage sieht, eine Versöhnung mit der Freimaurerei herbeizuführen. Ihm und dem von ihm, trotz aller Widerstände und Schwierigkeiten, so tatkräftig vorangetriebenen Dialog ist daher dieses Buch in Dankbarkeit gewidmet.
Die Strahlen der Liebe und Vernunft können das Dunkel der Nacht vertreiben!
Allerdings noch nicht ganz. Denn ein partikulärer Gesprächsprozess zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und einer Delegation der Vereinigten Großlogen von Deutschland führt zu einem für die katholischen Freimaurer negativen Ergebnis, welches in eine antifreimaurerische Erklärung der Glaubenskongregation des Heiligen Stuhls mündet, die bis zum heutigen Tag mehr Fragen als Antworten bereithält. Dennoch konnte die Versöhnung Wirklichkeit werden.
Das vorliegende Buch, AUS NACHT ZUM LICHT, widmet sich diesem Kampf um die Aussöhnung, dem eine weltgeschichtliche Dimension in religions-, kultur- und geistesgeschichtlicher sowie politischer Hinsicht innewohnt. Dass die Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem Bruderbund der Freimaurer für den katholischen Freimaurer von existenzieller Bedeutung ist, und für die Kirche einen Prüfstein ihrer Verkündigung des Evangeliums darstellt, steht außer Frage.
Die Nacht ist bereits vergangen, es tagt schon!
DDDr. Dr.h.c. mult. Michael Heinrich Weninger, Botschater a.D., trat noch während seiner Lafbahn als Diplomat in den geistlichen Stand ein und war somit der erste Botschafter in der österreichischen Diplomatie, der zum Priester geweiht wurde. Acht Jahre gehörte er der vatikanischen Kurie an. Von 2001 bis 2007 beriet er die Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi und José Manuel Barroso, in Fragen des Dialogs mit Religionen, Kirchen und weltanschaulichen Gruppen. Papst Benedikt XVI. berief Michael Weninger zum 1. November 2012 in den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog. Weninger gilt als anerkannter Fachmann für das Freimaurertum in all seinen Facetten und steht seit vielen Jahren im Dialog mit Vertretern der Logen.
Siehe auch
- Michael Weninger
- Rezension: Michael Heinrich Weninger - Loge und Altar
- En:Michael Weninger - Catholic Church and Regular Freemasonry

