1938/39: 'Licht Aus' in der Tschechoslowakei

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Herbst 1938: Ein halbes Jahr nach Österreich leitete der Einmarsch Hitlers ins tschechische ‚Sudetenland’ auch in der Tschechoslowakei das Ende der Freimaurerei ein. Von Rudi Rabe aus Wien

Das heutige Tschechien gehörte im Habsburger-Staat als Böhmen und Mähren zur österreichischen Reichshälfte. In dieser war die Freimaurerei bis zum Zusammenbruch 1918 praktisch verboten. Anders in der Slowakei, einem Teil der ungarischen Reichshälfte. Dort wurden Logen ab 1867 zugelassen.

Aufstieg nach dem Ersten Weltkrieg

Wie in der jungen Republik Österreich erblühte auch in der neugegründeten Tschechoslowakei (Tschechien und Slowakei) reges masonisches Leben. Getragen wurde es vor allem vom deutschsprachigen Bevölkerungsteil: damals ein Viertel.

1920: Mit Unterstützung aus dem benachbarten Sachsen und Bayern wurde die deutschsprachige ‚Großloge Lessing zu den drei Ringen’ gegründet. 1930: 23 Logen mit 1200 Brüdern, konzentriert in den tschechischen Randgebieten, die von den Nazis später ‚Sudentenland’ genannt wurden, sowie in den Städten Prag, Brünn, Pilsen und Bratislava (Pressburg).

Parallel dazu aber langsamer entwickelte sich eine tschechisch-sprachige Freimaurerei. Die Logen waren zuerst dem französischen ‚Grand Orient’ unterstellt, dann ab 1923 der mit französischer Hilfe gegründeten Großloge ‚Národní Veliká Loze Ceskoslovenská’. 1930: zehn Logen mit 500 Brüdern; einer ist der spätere Präsident Edvard Beneš.

Obwohl die deutschsprachige Großloge mehr englisch und die tschechische mehr französisch orientiert war, arbeiteten sie gut zusammen und bemühten sich, nationale Gegensätze abzubauen. Ab 1934: Nach der Zerschlagung der Freimaurerei im Deutschen Reich durch die Nazis widmeten sich beide der Eingliederung und Versorgung masonischer meist jüdischer Flüchtlinge aus dem Hitlerstaat.

Das Ende ab Herbst 1938

Sprachverteilung in Tschechien um 1930: Rosa = tschechische Mehrheit, dunkelblau = deutsche Mehrheit. Der dunkelblaue Rand entspricht ungefähr dem ‚Sudetenland’.

1938: Mit Zustimmung der Westmächte (‚Münchner Abkommen’) marschierte Hitler ins ‚Sudetenland’ ein und gliederte es dem Deutschen Reich an. Das kostete der deutschsprachigen ‚Lessing’ die Mehrheit ihrer Logen: Die Logenhäuser wurden von der Gestapo besetzt.

Und schon folgte der zweite Schlag: Durch das ‚Münchner Abkommen’ wurde der slowakische Landesteil autonom. Landesregierungschef wurde der von Hitler geförderte katholische Priester Jozef Tiso. Sofort verbot dieser die Freimaurerei. Er ließ die Logenhäuser beschlagnahmen und übergab deren Archive der SS. Wieder war die ‚Lessing’ die hauptbetroffene Großloge.

Die Propaganda des Joseph Göbbels

Zur Einstimmung des deutschen Volkes ließ der Nazi-Minister die Überfälle auf die Nachbarn in den deutschen Medien jedes Mal propagandistisch vorbereiten. Was das Reizwort ‚Freimaurer’ betraf, zeigte sich 1938 ein bemerkenswerter Unterschied: Während bei Österreich das verwandtschaftliche ‚Heim-ins-Reich’ getrommelt wurde und das Wort ‚Freimaurer’ keine Rolle spielte, ließ Goebbels die 1918 gegründete Tschechoslowakei als illegitimes jüdisch-freimaurerisches Machwerk verunglimpfen: ein Rückgriff auf die durchaus wirksame national-konservative Propaganda gegen die Westmächte im und nach dem Ersten Weltkrieg.

Gewarnt durch all diese Ereignisse und entmutigt durch den Rücktritt von Präsident Beneš noch während des deutschen Einmarsches ins ‚Sudetenland’ leiteten die verbliebenen Logen der sogenannten ‚Resttschechei’ im Herbst 1938 ihre Liquidation ein: Die Arbeiten wurden eingestellt, Archive in Sicherheit gebracht oder vernichtet, die Logen aufgelöst. März 1939: Die Nazis okkupierten auch in die ‚Resttschechei’. Trotz akribischer Suche konnten die Freimaurerexperten der SS nichts mehr finden.


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