Franz Stephan von Lothringen

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Ein "Freimaurer" als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches

Aus: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lehnhoff und Oskar Posner (1932)


Franz I - wp-gemeinfrei.jpg

Franz Stephan von Lothringen, als deutscher Kaiser (1745) Franz I., geboren 1706, gestorben 1765, Sohn des Türkensiegers Karl v. Lothringen, wurde am österreichischen Hof erzogen und von Karl VI. zum Gemahl Maria Theresias bestimmt. Im Kriege mit Frankreich verlor er sein Herzogtum, das Stanislaus Leseinski dem Schwiegervater Ludwigs XV., zufiel und erhielt dafür die Anwartschaft auf das Großherzogtum Toskana, das er nach dem Tode des letzten Medici 1737 in Besitz nahm. Vom Kaiser zum Generalissimus der Armee gegen die Türken ernannt, zeigte er wohl viel persönlichen Mut, aber wenig strategisches Talent. 1736 verehelichte er sich mit Maria Theresia. Nach dem Tode Karl VI. setzte Maria Theresia seine Kaiserkrönung in Frankfurt a. M. durch.

1731 unternahm er im Auftrage seines späteren Schwiegervaters Karl VI. eine Reise nach Holland, England und Preußen, die sicherlich politischen Charakter hatte. Hierbei lernte er im Haag den englischen Gesandten Ph. D. Stanhope, Earl of Chesterfield, den Verfasser der bekannten ,,Briefe an meinen Sohn", kennen, der die Vorbereitungen für den Besuch in England zu treffen hatte und der wahrscheinlich auch die Aufnahme Franz von Lothringens in den Freimaurerbund angeregt und vermittelt haben wird. Die Aufnahme fand Anfang Juni 1731 im Haag statt, wobei Dr. Desaguliers eigens von der Großloge von London entsendet wurde. Anwesend waren Desaguliers, John Stanhope, Holtzendorff als Großaufseher und andere Freimaurer, darunter der Gesandte Stanhope und ein holländischer Bruder. Anderson schreibt 1738 in seiner Geschichte, daß der Herzog zum Entered Prentice and Fellow Craft befördert wurde, also die damals üblichen Grade vollständig erhielt. Während seines Aufenthaltes in England wohnte er mit Großmeister Lord Lovell einer Loge in Houghton Hall bei (zwischen dem 4. und 11. November), außerdem besuchte er am Freitag, dem 4. Dezember 1731, die Freimaurerloge in der Teufelstaverne (Devils Taverne near Temple Bar) und erhielt von der Norwicher ,,Maid's Head Lodge" im Landhaus des großen Staatsmannes Walpole in Norfolk den Meistergrad. Am 9. Dezember verließ er England.

Dies sind die sicher feststellbaren Daten über die freimaurerische Tätigkeit des Lothringers. Daß die Hamburger Brüder ihn anläßlich seiner Kaiserkrönung mit einem Gedicht ihres Bruders Alardus begrüßten, ist ein Beweis, daß man ihn im Bruderkreise als Bruder ehrte. Ebenso, daß die englische Großloge lange Zeit noch die Gesundheit des Bruders Lothringen als offiziellen Trinkspruch ausbrachte. Auch eine Loge hieß nach ihm.

Was sonst über seine maurerische Tätigkeit berichtet wird, ist unbelegbar. Er soll in Toskana die durch die päpstlichen Bullen ausgelösten Freimaurerverfolgungen eingestellt haben. In den Akten der Wiener Loge ,,Aux trois canons" wird er nicht genannt. Es gehört wohl in das Gebiet der Erfindung, daß er in der Wiener Hofburg Loge gehalten habe und daß Maria Theresia aus Eifersucht und weiblicher Neugierde die Loge ,,Aux trois canons" habe sprengen lassen. Es wurde wiederholt behauptet und auch romanhaft und dramatisch dargestellt (Sacher-Masoch u. a.), daß Maria Theresia in Männerkleidung an der Aufhebung der Loge beteiligt gewesen sei. Daß die bei diesem Gewaltakt verhafteten hohen Würdenträger und Offiziere sehr glimpflich davon kamen, soll seinem Einfluß zuzuschreiben sein. Maria Theresia wußte, daß ihr Gatte Mason war. Das hat sie nicht gehindert, gegen die Freimaurerei scharfe Erlässe herauszugeben. Auch die Bestrafung der Prager Adelsempörer und Hochverräter soll Franz von Lothringen gemildert haben. Auch hier sind Zweifel berechtigt, denn Maria Theresia hat auch im aufständischen Oberösterreich in politischer Klugheit Milde walten lassen.

Die Freimaurerlaufbahn des Herzogs ist mit seinem englischen Aufenthalt offenbar abgeschlossen gewesen. In seinen späteren Lebensjahren huldigte Franz von Lothringen ausgesprochen alchimistischen Tendenzen, ohne jedoch mit der freimaurerischen Abart dieser geistigen Fehlleistung in Verbindung zu treten. Seine Alchimisten standen der Freimaurerei fern. Sein Einfluß auf die Freimaurerei wird besonders von freimaurerischer Seite gerne überschätzt. Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Friedrich dem Großen, der anteilnehmender Freimaurer gewesen ist, war Franz von Lothringen wohl weniger aus einem inneren Drange als mehr zufällig in den Bund gekommen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man in seiner Aufnahme ein von Stanhope inszeniertes gesellschaftliches Ereignis erblickt, das der jungen Großloge Ansehen und dem Aufgenommenen die Möglichkeit innigerer gesellschaftlicher Beziehungen an einem ihm fremden Hofe verleihen sollte.
(Ende des Lexikontextes)


Franz I + Gemahlin wp-gemeinfrei.jpg

Das Bild links zeigt die kaiserliche Familie im Kreise ihrer Kinder: Es waren 16 (sechzehn!) an der Zahl. Auch wenn Franz Stephan einige Affairen hatte, führten die beiden eine gute Ehe: Maria Theresia scheint ihren 'Franzl' sehr geliebt zu haben. Viel weniger schätzte sie die damals neu entstandene Freimaurerei. Lennhoff-Posner meinten zwar, sie wusste, dass ihr Gemahl bei den Freimaurern aufgenommen worden war. Aber das dürfte weder ihr noch ihm besonders wichtig gewesen sein; daher im Untertitel oben der Freimaurer unter Anführungszeichen.

Übrigens: Auch wenn die in Österreich als historische Figur auch heute noch populäre Maria Theresia als Kaiserin bezeichnet wird ... sie war es nicht: Sie war Erzherzogin und Regentin der habsburgischen Stammlande und die Ehefrau eines Kaisers.

Das Gemälde hängt im Wiener Schloss Schönbrunn. Es ist von Martin van Meytens.