Rezension: Johannes Puchleitner – Symbol und Zahl in Mozarts Zauberflöte
Das unlogische Libretto wird logisch
Eine Rezension über ein interessantes Buch, das nur online erhältlich ist: ganz nah, nur ein paar Klicks entfernt. Und auch noch umsonst. Von Rudi Rabe
„Eine 'wahre Geschichte' gibt es nicht“:
Mit diesen Worten beginnt der junge Autor als Musikstudent seine niedergeschriebene Suche nach den Geheimnissen der Zauberflöte: für eine Diplomarbeit an der Universität Mozarteum in Salzburg. Klar, zur Zauberflöte gibt es Tonnen von Literatur. Dennoch ist dieses Buch lesenswert, weil es die Entstehung des Singspiels so erfrischend und allgemein verständlich schildert, dass einem das unlogische Libretto plötzlich ganz logisch vorkommt: In einem ebenso übersichtlichen wie einsichtigen Schaubild skizziert Johannes Puchleitner die verschiedenen zeitgeistigen und letztlich auch profanen 'Stränge', die zur Zauberflöte führten (siehe unten).
Konkret: Die Oper entstand in den späten Jahren des 18. Jahrhunderts, die in Ägyptomanie ebenso schwelgten wie sie gerade auch in Wien von der Freimaurerei – damals die intellektuelle Elite – geprägt waren. Und – nicht zu vergessen – die Lust Mozarts und Schikaneders, einen Kassenknüller zu landen, was ihnen vom ersten Ton an gelungen ist; auch wenn das Mozart durch seinen frühen Tod Ende 1791 nur noch wenige Wochen genießen konnte. Ja, und wenn man Quote machen will, dann muss man eben populistisch sein: Das war damals und das ist heute so. Wahrlich: Populistisch war die Zauberflöte, das versteht man durch dieses Buch noch viel besser; und irgendwie ist sie es bis heute.
Erst allmählich entdeckt der Autor den masonischen Hintergrund
Am Beginn des Buches gesteht Johannes Puchleitner, dass er am Beginn nur an den zweiten Teil des Titels dachte, den musikwissenschaftlichen: also das Zahlenthema. Auf die Sache mit den freimaurerischen Symbolen sei er erst durch seine Recherchen gestoßen. Je mehr er sich damit beschäftigte, umso mehr zog es ihn hinein. Er wurde – wie er selbst schreibt – zu einem ‚Suchenden’:
„Ich erinnerte mich an meine Gymnasialzeit zurück, daß wir sehr wohl etwas über die Freimaurerei im Geschichtsunterricht gehört hatten. Ich wußte noch, daß die Freimaurerei geheim war und irgendwie einen negativen Beigeschmack hatte. Dieser negative Beigeschmack wandelte sich aber im Laufe der näheren Beschäftigung mit ihr ins genaue Gegenteil – fast so wie in der Zauberflöte, wo ja auch aus gut böse wird und umgekehrt. Die Freimaurer waren nämlich zu Mozarts Zeit eine Art ‚geistige Elite’, die den Menschen in den Vordergrund ihrer wissenschaftlichen Überlegungen stellte und unter anderem auch die Reformen unter Joseph II. einleiteten. Zudem erfuhr ich, daß Symbol und Ritual eine wichtige Rolle im Geheimbund der ‚Eingeweihten’ spielte. Mozart beherrschte ja den Überlieferungen zufolge die symbolische Seite auf eine schier unglaubliche Weise. Und genau in dieser Zeit lebten gerade Mozart und Schikaneure.“
„Hat das Reich des Sarastro etwa etwas mit der Freimaurerei zu tun?"
„Warum kommen in der Zauberflöte Tempel und Priester vor? Welchen Sinn haben die Prüfungen, die Tamino und Pamina und auch Papageno zu bestehen haben? Umso mehr Fragen ich mir in diese Richtung stellte, umso sicherer war ich, daß die Freimaurerei sehr wohl auf die Entstehung der Zauberflöte einwirkte. Ich wußte nur noch nicht wie. Eins war mir aber von diesem Zeitpunkt an klar, daß ich nun auch zu denjenigen gehörte, die versuchten, das Geheimnis der Symbole und Zahlen der Zauberflöte zu lüften. Mit dieser vorliegenden Arbeit bin ich sozusagen ein weiterer ‚Suchender’ nach dem rechten Weg.“
Ein Leckerbissen für Freimaurerleser: Mozarts Aufnahmeritual
Abseits des Zahlenthemas und neben der Schilderung des Wiener Milieus, in dem sich Mozart und Schikaneder bewegten, ist gerade für freimaurerisch versierte Leser auch die genaue Beschreibung des Rituals interessant nach dem Mozart in seine Wiener Loge ‚Zur Wohltätigkeit’ aufgenommen und schon bald darauf befördert und schließlich zum Meister erhoben wurde. Reise für Reise, Stufe für Stufe ... bis zu den Handschuhen: An die fünfzehn Seiten widmet der Autor der minuziösen Nacherzählung dieses Rituals. Dem kundigen Leser wird dadurch bewusst, wie wenig barock es heutzutage in der Freimaurerei zugeht.
Johannes Puchleitner schenkt uns das Buch
Im Handel ist es nicht zu finden. Aber die Pdf-Datei gibt es hier zum Download: Johannes Puchleitner (unter: Publikationen/Diplomarbeit). Und wer es unbedingt als Print haben will, kann sich an die Bibliothek der Universität Mozarteum Salzburg (Onlinekatalog) wenden.
Johannes Puchleitner reichte den Text 2001 als Diplomarbeit ein. Der ehemalige Chorknabe stammt aus und lebt in Tirol. Als freischaffender Sänger vor allem im Lied- und Oratorienbereich mit einer Spezialisierung auf Alte Musik und Zeitgenössische Musik ist er im In- und Ausland tätig.
Siehe auch
- Österreich
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