Rezension: Rolf Appel - Vorträge nicht nur für Meister

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Die Weisheit eines Weitgereisten

WERKSTATT FÜR FREIMAURER ist der Obertitel des Buches, ‚Vorträge nicht nur für Meister’ heißt es im Untertitel: also auch für Nichtmitglieder; und für Lehrlinge und Gesellen sowieso. Das Buch enthält 22 Referate, die einer der renommiertesten deutschen Freimaurer gehalten hat; sei es als rituelle Zeichnung in Logen oder außerhalb. Von Rudi Rabe aus Wien.

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Rolf Appel: gezeichnet von Jens Rusch
Zirkel und Winkelmaß so angeordnet, dass sie zum freimaurerischen Symbol schlechthin werden: in diesem Fall von Jens Rusch künstlerisch verfremdet.

Wenn auf 200 Seiten zweiundzwanzig Vorträge präsentiert werden, ist es klar, dass kein linearer Aufbau möglich ist und gelegentliche Wiederholungen unvermeidbar sind. Macht nichts: Diese unterstreichen, was Rolf Appel besonders wichtig ist. Und die Gliederung in abgegrenzte Titel hat den Vorteil, dass man das Buch besonders leicht als masonischen Lesestoff für zwischendurch zur Hand nehmen kann.

Eine gewisse Ordnung ist dennoch zu erkennen: In der ersten Hälfte sind es eher einführende Themen, in der zweiten geht der Pflug dann immer tiefer bis sich die letzten Vorträge mit dem Tod beschäftigen.

Bei aller Heterogenität sind mir doch einige Konstanten aufgefallen. Ich greife zwei heraus.

Erste Konstante: Das WIE ist wichtiger als das WAS

Dies ist Freimaurerei pur und daher Rolf Appel ein besonderes Anliegen. Immer wieder gibt es auch in den Logen Unzulänglichkeiten, Streit und Eitelkeiten, mit denen man umgehen muss. Laut Karl Appel so: „Es kommt ... nicht auf das an, WAS wir tun, sondern einzig und allein, WIE wir etwas verrichten. Das ‚Wie’ seiner Handlungen weist einen Freimaurer aus. Und dieses ‚Wie’ seiner Handlungen sucht immer wieder und wieder, dem anderen möglichst gerecht zu werden, ihn anzuerkennen, ihn zu fördern, ihn gleichsam zurechtzulieben, niemals zurechtzukorrigieren. Denn dem Bruder gehört nicht unsere Kritik, sondern unsere Liebe. Kritik haben wir uns selbst gegenüber anzuwenden. Dafür gibt es Gründe genug.“

Zweite Konstante: Ein gewisser Gegenwartspessimismus

Dieser taucht immer wieder auf, etwa im Vortrag mit dem Titel ‚Kann die Freimaurerei heute noch etwas bewirken?’ Appel: „Das heutige Problem unserer Gesellschaft, wie der Freimaurerei, heißt Vermaterialisierung unseres Lebens und das Fehlen einer leitenden sittlichen Idee. ... Dazu wird die Fähigkeit, gut und böse zu unterscheiden, immer geringer, und der Mut, dem Schlechten zu wehren, schwindet mehr und mehr. Wer kann hier Halt gebeten? ... Die heutige Welt krank an einem ungeheuren Mangel an Moral! Und die Freimaurerei steht vor einer fast übermenschlichen Aufgabe, nämlich die mitmenschlichen Möglichkeiten auf sinnerfüllte Lebensinhalte hin zu entwickeln. Aber wie? Indem sich der Einzelne in seinem ganz persönlichen Umkreis mutig und tätig einsetzt, dieses lebensbedrohende Defizit an Verantwortung und Moral zu überwinden. Es gilt: Bewährt euch als Freimaurer!“

Auch wenn ich mich brüderlich wehre, denke ich bei diesen Stellen doch unwillkürlich jedes Mal an so etwas wie ‚Alterspessimismus’: Als ob früher alles so toll gewesen wäre! Aber ich will auch nicht verschweigen: Diese Passagen dienen Rolf Appel immer auch dazu, leidenschaftliche Appelle folgen zu lassen, so wie diesen: „Tragen wir Brüder diese uns anvertrauten Werte in unsere Umwelt! Beweisen wir uns in der Welt als Freimaurer – nicht mit Worten, sondern mit Taten. Die allein sind der Ausweis für unsere Daseinsberechtigung!“

Zwei Beispiele also, die sich durchziehen.

Im Folgenden ein paar weitere eher willkürlich ausgesuchte Splitter.

Was ist Freimaurerei?

Es ist gut, dass dies nicht fehlt. Gleich das erste Kapitel ist so etwas wie eine Einführung in die Freimaurerei: „Das Wort selbst ist eine nicht gerade glückliche Lehnübersetzung des englischen Begriffs FREEMASONRY“, spricht mir Rolf Appel – zugegeben – aus dem Herzen. Aber wir haben das Wort seit drei Jahrhunderten nun einmal. Es ist irreleitend und es macht das Definieren nicht leichter. Also greift er auf ein altes Handbuch zurück: „Freimaurerei ist die Tätigkeit eng verbundener Männer, die unter Anwendung sinnbildlicher, größtenteils dem Maurerhandwerk und der Baukunst entlehnter der Formen für das Wohl der Menschheit wirken, indem sie sich und andere sittlich zu veredeln suchen, um dadurch einen allgemeinen Menschheitsbund herbeizuführen, den sie unter sich im kleinen Kreis der Loge bereits darzustellen versuchen.“ Ebenso treffend wie sperrig, so ist das halt mit Handbüchern. Und so ist es halt mit der Freimaurerei, sie lässt sich nicht gut definieren, nur erleben. Eine „Lebenskunst“ ist sie, wie das Rolf Appel in mehreren Vorträgen betont.

Die masonischen Symbole wie Zirkel und Winkelmaß

Also zwei ganz zentrale Symbole der Freimaurer: der nach unten offene Zirkel zusammengefügt mit dem nach oben offene Winkelmaß. Dieses Zeichen „fordert uns auf, die Gegensätze dieser Welt nicht mehr dualistisch, nicht feindlich aufzufassen, sondern ihre polare Entsprechung zu erkennen. Es wird durch den symbolischen Akt aufgefordert, die Harmonisierung der Gegensätze zu betreiben.“

Freimaurerei hat viel mit Symbolen zu tun: Zeichen, die ohne Worte wirken. Rolf Appel erklärt das mit einem scheinbar ganz banalen Beispiel: Ein verliebtes Paar wandert am Strand, findet einen schön geformten Kieselstein, nimmt ihn mit und platziert ihn an einem Ehrenplatz in der Wohnung. Nach Jahren tritt „zwischen beiden eine Verstimmung ein. Und zufällig geht einer von beiden an jenem Kieselstein vorbei. Es ist, als ob dieser sprechen könnte und in eine schöne Zeit zurückweist. Da nimmt er den Stein und reicht ihn wortlos dem Partner. Was sich im Innern der beiden vollziehen mag, entzieht sich der erklärenden Wiedergabe. Für Freunde der Beiden ist dieser Stein eben nur ein schöner Kieselstein. Für die Beiden aber ist er zum Symbol geworden.“

Ein Informationsabend und ein verwirrter Gast

Irgendwann und irgendwo beobachtet Karl Appel den bemühten Informationsabend einer Loge. Auszüge: „’Freimaurerei ist kein Geheimbund ... Freimaurerei besitzt keine Geheimnisse,’ sagt der Referent. ‚Aha’, denkt der Gast, und wird dann sofort in die Irre geführt: ‚Ihr Geheimnis erschließt sich nur dem, der sich zutiefst ihren Symbolen, Allegorien und Wesensgehalten hingibt.’ ‚Also doch ein Geheimnis! Was ist denn nun?’ Und der Gast ist gespannt, wie sich die Verwirraussage auflöst. Doch ... der Referent wechselt das Thema. ... ‚Unser Gast aber denkt: ‚Ich wollte gern etwas über das Geheimnis der Freimaurerei hören. Aber darüber sagen sie nichts.’“ Eine geraffte Zusammenfassung von zwei Seiten, auf denen Rolf Appel die leicht verunglückten Gästeveranstaltung einer Loge schildert: hart am Rande eines Kabaretts. Ich fürchte: nicht untypisch. Rolf Appel: „Ich sage – und weiß, was ich sage, wenn ich behaupte, dass die Freimaurer seit Anbeginn schlechte Geschichtsschreiber ihres Bundes gewesen sind.“

Vom Vergänglichen und Beständigen

Es sind die letzten drei Vorträge, in denen sich Rolf Appel mit dem Tod auseinandersetzt. Etwa indem er Johann Gottfried Herder zitiert: „Nichts kann untergehen, nichts vernichtet werden oder Gott müsste sich selbst vernichten. Alles Zusammengesetzte wir zwar eines Tages aufgelöst, aber nach Ort und Zeit wird es wandern und sich wandeln.“

Besonders bewegend ist auch, wie er auf zwei Seiten seinen ‚Fasttod’ als junger Panzersoldat in Russland schildert. Ein Volltreffer löscht vier der fünf jungen Männer im brennenden Panzer aus. Rolf Appel wird herausgeschleudert. Er war einen Monat bewusstlos und überlebte als einziger.


Das Buch ist im Salierverlag erschienen. Dieser führt eine Programmschiene mit Freimaurerbüchern: Freimaurerbücher im Salierverlag


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