Diskussion:Traktat: Michael Ammen „Humanitäre Freimaurerei- ein Versuch“

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Leserbrief zum Artikel von Br. Michael Ammen „Humanitäre Freimaurerei- ein Versuch“ Bruder Michael Ammen hat einen wirklich richtungsweisenden Artikel geschrieben. Ich unterstütze seinen Vorschlag zur Ergänzung der Verfassung unserer Großloge ausdrücklich. Wir sollten verdeutlichen, dass unsere Vielfalt in der Einheit eine Errungenschaft darstellt, die es zu wahren gilt. Ich stimme auch zu, dass das Begriffspaar „Humanitäre Großloge“ unglücklich ist. Br. Selter hat das treffende Bild geprägt, dass sich christliches Prinzip und humanitäres Prinzip in der Freimaurerei zueinander verhalten wie konzentrische Kreise, von denen der humanitäre den größeren Durchmesser hat. Denn natürlich ist die christlich orientierte Freimaurerei auch humanitär. Der Begriff „Humanitär“ eignet sich also nicht zur Abgrenzung. Wir haben diese Abgrenzung aus meiner Sicht auch nicht nötig.

Br. Ammen spricht das in der Loge Lessing Nr. 769 verwendete Ritual von Br. Emil Selter, 

das sog. „Selter Ritual“ an. Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen. Die Genehmigung der Rituals war aus meiner Sicht ein –für uns Lessing Brüder gewichtiger- Akt im Rahmen des üblichen Verfahrens. Das Ritual der Loge Lessing entstand vor der Gründung der Vereinigten Großloge, nämlich in den Jahren 1945-1947. Es war also maurerisches Gebrauchsgut, dass die Loge vertrauend auf das Versprechen der Ritualfreiheit in die Gründung der neuen Großloge eingebracht hatte. Die Loge konnte auf dieses Versprechen bauen, immerhin hatte schon die Frankfurter Arbeitsgemeinschaft einen auch von Br. Theodor Vogel mitgetragenen Beschluss gefasst, der den Logen Freiheit in Fragen des Rituals einräumte und der ausdrücklich auch für die neue, die Vereinigte Großloge gelten sollte. Und folgerichtig heißt es in der Verfassung der VGL in der Anfangszeit, wie bereits von Br. Ammen zitiert: „Die VGL gibt den Johannislogen das Recht der freien Entscheidung über Ritual und Lehrart, nach denen die Bruderschaft arbeiten will, verlangt aber, dass das Ritual entweder von einer der alten Großlogen oder von ihr geprüft und gebilligt sein muss.“

Die endgültige Genehmigung des Rituals der Loge Lessing „soweit es nicht ohnehin bereits zugelassen war“ erfolgte am 22. März 2013 durch den Großmeister. Das Ritualkollegium schrieb, es „"erkennt die besondere Bedeutung des Selter-Rituals als wichtigen Bestandteil und Zeitzeuge der Entwicklung der Freimaurerei in Deutschland nach dem II. Weltkrieg. Das Ritualkollegium empfiehlt: Das Selter Ritual möge gleichwertig wie die alten historischen Rituale vor 1933 betrachtet werden." Diese Zulassung war also völlig regelkonform und nach meiner Überzeugung unter Beachtung des Gründungskonsenses der VGL auch zwingend.


Aus meiner Sicht ist es zutiefst zu bedauern, dass dieser Gründungskonsens mittlerweile immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht. Ich kann in dem Bestreben nach Vereinheitlichung der Rituale nichts Positives erkennen. Br. Ammen weist glasklar nach, dass die Großloge A.F.u.A.M.v.D. eben kein neues Lehrgebäude geschaffen hat, sondern einen organisatorischen Rahmen bilden wollte, in dem sich das Spektrum der Freimaurerei wiederfinden sollte. Unsere Großloge steht damit in der stolzen Tradition der Großloge „zur Sonne“ in Bayreuth, die man einst die „freisinnigste deutsche Großloge“ nannte. Sie steht auch in der Tradition der symbolischen Großloge, die ebenfalls Ritualfreiheit gewährte. Auch international gibt es gute Vorbilder. Die Großloge von Schottland an erster Stelle kennt kein verpflichtendes Einheitsritual, ebenso wenig die schweizerische Großloge Alpina. Selbst die Großloge von England erkennt Rituale an, die alten Traditionen folgen. Von der größten Kontinentaleuropäischen GL ganz zu schweigen, die wir aber natürlich glücklicherweise nicht zur Kenntnis nehmen. Es gibt also keinen Grund unser Bekenntnis zur Ritualvielfalt zu verstecken. Wir haben in der Rhein Main Region die wunderbare Situation, dass die Brr. 8 verschiedene Rituale erleben dürfen, ohne den Kreis der Regularität zu verlassen. Darunter befindet sich sogar das Standard Ritual der Großloge der Alten, Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland. Regelmäßige Ritualvergleiche des Frankfurter Meisterzirkels fördern Verständnis und Lernen. Ich empfinde diesen Reichtum als kostbar und unbedingt wert verteidigt zu werden. Das Erleben unterschiedlicher Rituale fördert aus meiner Sicht das Verständnis für die Lehren, die die königliche Kunst vermitteln will. Der besuchende Bruder wird bei abweichenden Ritualen auf Aspekte des jeweiligen Grades hingewiesen, die in den Lehrschriften seiner Großloge möglicherweise nicht oder nicht mehr vorkommen, die aber dennoch geeignet sein können, das Verständnis des erlebten Grades zu vertiefen. Wir hatten sogar 9 Rituale, aber eine in der Rückschau diskussionswürdige Entscheidung hat dazu geführt, dass eine Loge ihr Traditionsritual nur noch als Demonstrationsarbeit vorführen kann. Gleichzeitig wird besagtes Ritual bei ACGL Logen ohne Probleme bearbeitet. Das wäre nach meiner Meinung auch nach der Verfassung unserer Großloge möglich gewesen. Denn die in Frage stehenden Rituale waren die Rituale das A.A.S.R. in den ersten drei Graden. Ohne Zweifel wurden diese Rituale in Deutschland vor 1933 bearbeitet, denn der A.A.S.R. war es, der die Logen einsetzte, die die Symbolische Großloge von Deutschland gründeten.


Ich habe volles Verständnis für die Ritualsituation in der GLL (FO), bei der es nur ein Ritual gibt, schließlich ist der dritte Grad dort nur eine Zwischenstation in einem größeren Werk. Erst der letzte Grad vermittelt die letzte freimaurerische Erkenntnis, vorher ist der Ordensbruder immer noch nur im teilweisen Besitz des freimaurerischen Lichtes.


Demgegenüber gilt in unserer Großloge die Lehre der Freimaurerei mit den 3 Johannisgraden als vollständig erteilt. Alle anderen Hoch- und Seitengrade werden als Erläuterung und Vertiefung angesehen. Ich sehe in dem Bestreben nach Zentralisierung und Vereinheitlichung innerhalb unserer Großloge mehr Risiken als positive Aspekte. Ist es Zufall, dass die American Canadian Grand Lodge derzeit einen Boom erlebt? Dort finden sich Brr. die sich wünschen mit Ritualen zu arbeiten, die sie mehr erfüllen, als das aktuelle Ritual der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer. Warum bieten wir diesen Brr. keine Heimat und Entfaltungsmöglichkeit innerhalb unserer Großloge? Sind wir heute grundsätzlich besser aufgestellt als im Jahr 1993, als türkische Brr. den Wunsch hatten, das Ritual ihrer Heimatgroßloge in einer regulären Loge in Deutschland zu bearbeiten? Dieser Wunsch wurde ihnen von unserer Großloge nicht erfüllt und so klopften die Brr. der Loge Türkay Nr. 995 bei der ACGL an, wo diesem Wunsch ohne weiteres entsprochen wurde, und zwar völlig zu recht. Was war die Folge? Ähnlich ist die Situation entlang der Grenze zu Frankreich. Die ACGL half den Brr. aus Frankreich auch in dieser schwierigen Zeit regulär zu arbeiten. Und natürlich dürfen die Brr ihr angestammtes Ritual mit Modifikationen bearbeiten. Dieses weitsichtige Handeln bleibt das historische Verdienst der ACGL. Wie offen ist die größte der deutschen Großlogen in solchen Fragen? Beantwortet euch die Frage selbst, meine Brr. „In den Mitgliedslogen der Großloge arbeiten Freimaurer, die in bruderschaftlichen Formen und durch überkommene rituelle Handlungen menschliche Vervollkommnung erstreben.“(Artikel 2 Abs. 1 Verfassung). Dieses Streben nach Vervollkommnung durch überkommene rituelle Handlungen im freimaurerischen Kontext benötigt kein Ritual, dass sich von Flensburg bis Passau exakt gleicht. Es benötigt stimmige Rituale und vor allem Ritualbeamte, die ihre freiwillig übernommene Aufgabe bei der Tempelarbeit mit Enthusiasmus, Empathie und handwerklichem Können meistern. Ich wünsche mir eine Großlogenführung, für die unsere Vielfalt in der Einheit einen Schatz darstellt, den es zu wahren gilt. Kehren wir zurück zu unseren Wurzeln, seien wir wieder DIE Vereinigte Großloge, die allen Maurern, die regulär arbeiten wollen, Heimat, Schutz und Inspiration bietet, ohne sie in das Korsett eines Einheitsrituals zu zwängen. Es geschehe also…


Rolf Keil

Altstuhlmeister der

Loge Lessing Nr. 769 iO Frankfurt/Main