Burgenland
In dem am weitesten östlich gelegenen und der Einwohnerzahl nach kleinsten Bundesland Österreichs gibt es genau eine Loge. Von Rudi Rabe.
Kaum Berge, viel Tiefebene, Weingärten und der Neusiedler See ...
Das sind die Klischees, die man mit dem Burgenland verbindet: einem 400 Kilometer langen und oft nur wenige Kilometer breiten Nord-Süd-Streifen an der Grenze zu Ungarn. Bis 1920 gehörte das Land innerhalb der habsburgischen Doppel-Monarchie als ‚Deutsch-Westungarn’ zum Königreich Ungarn. Doch nach dem Ersten Weltkrieg schlugen es die Siegermächte der neu gebildeten Republik Österreich zu. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Burgenland ins europäische Abseits: Seine lange Ostgrenze verlief fast ein halbes Jahrhundert lang parallel zum ‚Eisernen Vorhang’; dieser trennte das kommunistische Osteuropa von Westeuropa. Das Burgenland lag jetzt an einer ‚toten Grenze’. Doch 1989 fielen die Sperren, und wieder begann eine neue Zeit.
Stand 2015: seit 1971 gibt es eine Loge der Großloge von Österreich; keine anderen Obödienzen.
Die burgenländische Loge heißt ‚Libertas Oriens’. In dieser Bezeichnung steckte bei der Gründung im Jahr 1971 eine politische Ansage: Freiheit für den Osten! Die Gründer wollten so ihre Hoffnung ausdrücken, dass das nur wenige Kilometer entfernte politisch unfreie Osteuropa eines Tages wieder frei sein würde. Es dauerte noch zwei Jahrzehnte bis diese Hoffnung, als kaum mehr jemand daran glaubte, im Jahr 1989 überraschend erfüllt wurde.
Am Anfang der ‚Libertas Oriens’ standen elf Brüder, die bisher Mitglieder von Logen in dem kaum 60 Kilometer entfernten Wien waren. Es gab viel Enthusiasmus, aber es dauerte doch mehrere Jahre bis die neue Loge in der Nähe der Landeshauptstadt Eisenstadt eine dauerhafte Bleibe finden konnte. Bis dahin trafen sich die Brüder zu ihren rituellen Arbeiten in allen möglichen Notunterkünften: in Privathäusern, in einem Jagdhaus, einem Weinkeller, in einer Bank oder einem alten landadeligen Anwesen. Ein besonderes Problem blieb auch nach der Einrichtung des neuen Logenhauses: Durch die langgestreckte Form des Landes müssen manche Brüder lange Anfahrten in Kauf nehmen: vor allem aus dem Süden bis zu 200 Kilometer.
Im Mitgliederverzeichnis der ‚Libertas Oriens’ stehen einige Namen mit hohem Bekanntheitsgrad: Ganz besonders gilt das für Fred Sinowatz (1929 bis 2008), österreichischer Kultur- und Bildungsminister und dann als Nachfolger Bruno Kreiskys Bundeskanzler von 1983 bis 1986.
Alter (masonischer) Kulturboden
Das Burgenland war und ist bis heute überwiegend dörflich und nur da und dort kleinstädtisch strukturiert; wirklich urbane Zentren fehlen. Dennoch gab es auch früher schon masonisches Leben.
1776 und danach: Graf Erdödy errichtete auf seiner Burg Eberau eine ‚Schlossloge’. Wie alle Freimaurerlogen im damaligen Habsburgerreich überlebte auch diese nur wenige Jahre: 1785 kam die Regulierung durch Kaiser Joseph II, wodurch die Logen außerhalb der Hauptstädte – und so auch diese – geschlossen werden mussten, und schließlich 1794 das gänzliche Verbot der Freimaurerei in allen Habsburgerlanden durch Franz II./I.
1871 und danach: In der österreichischen Reichshälfte durften die Untertanen der Habsburger immer noch keine Logen gründen, in der Ungarischen war das ab 1867 jedoch möglich. Und so richteten findige Wiener auf der anderen Seite der Binnengrenze in der burgenländischen (damals ungarischen) Gemeinde Neudörfl eine sogenannte Grenzloge ein: Sie nannten sie ‚Humanitas’. Fahrzeit von Wien mit der Eisenbahn: eine Stunde. Der Ansturm war groß. Bald zählte die Loge 300 Mitglieder, so dass in Neudörfl und in anderen grenznahen ungarischen Orten weitere Logen für Wiener Brüder gegründet wurden.
Aus diesen Grenzlogen ging die heutige österreichische Freimaurerei hervor. Die ‚Humanitas’ ist bis heute die älteste Loge der ‚Großloge von Österreich’.
Burgenländische (masonische) Berühmtheiten
Das sind vor allem zwei Musikgenies, die Freimaurer waren und etwas mit dem Burgenland zu tun hatten. Zum einen ist das Joseph Haydn (1732 – 1809): Als Hofkapellmeister der hier ansässigen ungarischen Adelsfamilie Esterházy wirkte er drei Jahrzehnte lang im Burgenland. Haydn wurde 1884 in die Wiener Loge ‚Zur wahren Eintracht’ aufgenommen; wie es mit ihm masonisch weiter ging, ist jedoch unklar.
Und zum anderen Franz Liszt (1811 – 1886): Er wurde im mittelburgenländischen Raiding geboren, und er ist dort aufgewachsen. Anders als Haydn reiste er sein ganzes Musikerleben durch die Welt, und so wurde Liszt 1841 in die Loge ‚Zur Einigkeit’ in Frankfurt am Main aufgenommen; 1842 dann Erhebung zum Meister in der ‚Zur Eintracht’ in Berlin; 1845 Ehrenmitglied der ‚Modestia cum Libertate’ in Zürich; und 1870 Ehrenmitglied der ‚Zur Einigkeit’ in Buda-Pest.