Alfred Schmidt: Julius Sperber
Alfred Schmidt: Julius Sperber
[...] Andererseits zeigt die weitere Geschichte der Freimaurerei, dass sie sich, ohne den rosenkreuzerischen Impuls zu verleugnen, zu einer aufklärerisch akzentuierten Humanitätslehre fortentwickelt hat. Ihr wohl wichtigster Vorbereiter ist Comenius, der Andreaes Ideal einer pansophisch begründeten Weltverbesserung nach England hinüberträgt und dort wirksam werden läßt.223
Neben Comenius ist Julius Sperber (?-1615) zu nennen, Hofrat des Fürsten August von Anhalt. Er deutet Andreaes Gedankengänge biblizistisch um. Die Bibel, erklärt er, weise nicht nur den Weg zur Seligkeit, sondern auch zu aller sonstigen verborgenen Wissenschaft. Bibel und Kabbala führten den Menschen zurück zu jener Gottes- und Naturerkenntnis, die Adam im Paradies besessen habe.224
Sperber empfiehlt, von der menschlichen Weisheit zur göttlichen aufzusteigen. Sein Sendbrieff oder Bericht an Alle verteidigt das Rosenkreuzertum, versucht aber zugleich, es im Sinn eines elitären Geheimbundes und -wissens weiterzuentwickeln. Dabei tauchen jene biblischen Gestalten, Schriften und Symbole auf, die später im Freimaurertum eine besondere Rolle spielen werden.225
An Sperbers Auftreten lässt sich verdeutlichen, dass die außerordentlichen Versprechungen der Rosenkreuzer hinsichtlich ihrer Geheimkünste letzten Endes christlich verstanden werden müssen. „Es ist“, so Schick, „jüdisch-christliches Geistesgut, das über Reformation und älteres Rosenkreuzertum in die Freimaurerei einströmt ...“226
Quellenangaben
- 223 Ibid., cf. S. 158; 284.
- 224 Ibid., cf. S. 240; ferner Edighoffer, Die Rosenkreuzer, l.c., S. 90ff.
- 225 Ibid., cf. S. 243.
- 226 Ibid., cf. S. 257.
Siehe auch:
- Alfred Schmidt - Entstehungsgeschichte der humanitären Freimaurerei
- Alfred Schmidt
- Rezension: Alfred Schmidt - Entstehungsgeschichte der humanitären Freimaurerei
- Alfred Schmidt: Deistische Wurzeln und Aspekte
- Philosophiegeschichtliche Aspekte der Idee einer Natur- oder Vernunftreligion
- Deismus
- Klaus-Jürgen Grün
- Rezension: Klaus-Jürgen Grün: Das verlorene Wort
- Bernhard Beyer