Traktat: "Groll"
Groll
Meine Brüder!
Wer gegen einen Bruder Groll im Herzen führt....
und ihm NICHT wohlgesinnt
wer Schuld hat, ungesühnt.....
und sich davon NICHT löste
wer Menschlichkeit zu seinem Ziele nicht erkor.....
und NICHT das Gute will
Der bleibe FERN!!
betrete unsern Tempel NICHT
BEVOR
er sich dem Bruder hat versöhnt,
die Schuld getilgt
und Menschlichkeit geübt
„Sind Freimaurer bessere Menschen?“
Einige Brüder mögen so denken, doch Anspruch und Wirklichkeit driften hier ziemlich auseinander! Gerade wieder einmal wurden durch eine als wissenschaftlich erarbeitete Dokumentation verbrämte Fernsehsendung die angeblichen „Geheimnisse“ der Freimaurerei publikumswirksam unter das Fernsehvolk gestreut. Fragmente verschiedener Sendungen – unter anderem aus der 275-Jahr-Feier im Hamburger Michel – wurden zusammengeschnipselt und als Neuigkeiten verkauft und „wissenschaftlich“ kommentiert.
Freimaurerei wird von manchen Außenstehenden – wenn sie sich denn überhaupt mit der Freimaurerei beschäftigen – als Hülle bezeichnet, der der Inhalt fehlt. Das liegt unter anderem auch daran, daß die Freimaurerei nicht programmatisch auftritt. Und wie sehen wir das „intern“? Sind wir nur „bessere Menschen“? Wenn ein Bruder meint, irgendwo Not zu erkennen – werde ich als Meister vom Stuhl und Bruderhilfevorstand um Hilfe angesprochen, mit der Einleitung:
„Hier sind wir Freimaurer besonders gefordert“
Warum eigentlich?
Sind wir bessere Menschen?
Humaner als Andere?
Reicher als Andere?
Sensibler als Andere?
Elitärer als Andere?
Alle diese Fragen können wir getrost mit „Nein“ beantworten. Warum also sollten wir bei Notlagen „als Freimaurer besonders gefordert“ sein? Weil wir dann „Humanität zeigen können“? Weil uns andere Ziele abgehen? Früher hieß es einmal, Freimaurerei bedeute, „aus guten Männern bessere zu machen“ – und heute?
Ist die Loge auch nur eine „leere Hülle“? Was also ist die Freimaurerei, die Loge? Ich denke, in erster Linie eine Bruderschaft. Hier kann in kleinem Kreis die Mitverantwortung für ein besseres Miteinander geübt werden. Dazu ist es zu allererst einmal wichtig, den Bruder kennenzulernen.
Schauen wir einmal „in unsere eigene Loge“
Kennen wir uns?
Was weiß ich denn von meinem Bruder?
Wie geht es ihm?
Was bedrückt ihn?
Bei einigen kennen wir kaum den Namen, wenn er nicht sein Namensschild trägt. Aber wir bemühen uns. Zumindest unterstellen wir uns das gegenseitig. Und manchmal müssen wir – auch nach langer Zeit – feststellen, daß wir den Bruder, den Menschen, doch nicht richtig erkannt haben. Dann sind wir enttäuscht und es tut richtig weh. Wir sind nicht vollkommen, nicht einmal in der Königlichen Kunst. Wir können danach streben, aber wir werden das Ziel nicht erreichen. Dazu stehen wir uns zu sehr selbst im Weg. Alles muß 100% perfekt sein, schon in der Planung, ansonsten fangen wir es doch gar nicht erst an. „Die Not um uns her“ ist – für mich – zuerst einmal im Kreis der Brüder anzugehen, ob nun mit dem „Kette-Hilfsfond“ oder sonstwie.
Noch weit davon entfernt, perfekt zu sein – dieser Anspruch wurde auch nicht erhoben – gibt es immer wieder „unbeteiligte Brüder“, welche „Sinn und Machbarkeit eines Projektes“ schon deshalb in Frage stellen, weil es noch offene Fragen gibt.
Um es deutlich zu sagen: Alles, was in der „Kette“ begonnen wird, findet Kritiker – und es erscheint fast normal, weil in einer so großen Loge immer auch vielfältige Meinungen herrschen. Der Eine will bei stärkerer Selektion weniger Aufnahmen, um „das Niveau“ zu heben, der Andere befürchtet schon den Zusammenbruch der Kette, weil wir durch weniger Aufnahmen nicht mehr die größte AFAM-Loge in Deutschland sind. Einem ist der Arbeitsplan – ohnehin durch viele „Fixpunkte“ in seiner Gestaltung eingeschränkt – zu sehr „Volkshochschule“, der Andere fordert geradezu, mehr derartige Vorträge einzuplanen.
Wir werden von anderen Logen innerhalb und außerhalb Münchens beneidet. Um unsere Organisation, um unsere Tempelarbeiten, um unsere Ideen. Und doch können wir nicht perfekt sein.
Und nun schauen wir uns „außerhalb unserer Loge“ um: Sind wir in Katastrophensituationen als Freimaurer BESONDERS gefordert? Ich glaube nicht. Zumindest nicht finanziell. Wir werden so auch gar nicht von der Gesellschaft wahrgenommen.
Die „Spendengalas“ zeigen, daß man kein Freimaurer sein muß, um zu spenden… „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“ schrieb Goethe… Wir – die Freimaurer – sind keine besseren Menschen, aber wir sollten immer danach streben…