Freimaurerei in der Karikatur
Wenn sich jemand selbst auf die Schaufel nehmen kann, wenn er über sich selbst und vor allem auch über seine eigenen Schwächen schmunzeln kann, dann ist viel gewonnen. Dies ist eine gute Voraussetzung dafür, ein ganz kleines bisschen ein besserer Mensch werden zu können: das Ziel der Freimaurerei. Die Karikaturen auf dieser Wiki-Seite könnten das unterstützen. Von Rudi Rabe.
Die Entstehung dieser Karikaturen verdanken wir einigen initiativen Freimaurern im Vorfeld der 275-Jahr-Feiern der ältesten deutschen Loge, der Hamburger ‚Absalom zu den drei Nesseln’ (2012). Für eine öffentliche Ausstellung konnten sie 51 Künstler und Künstlerinnen (neun waren Frauen) gewinnen, sich mit der Freimaurerei näher zu beschäftigen und dann Karikaturen zu zeichnen. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, waren alle keine Freimaurer.
Die 51 Künstler und Künstlerinnen stellten schließlich 140 Arbeiten zur Verfügung: mehr als die Organisatoren gehofft hatten, und so mussten sie auswählen. Die Ausstellung wurde schließlich mit siebzig Zeichnungen bestückt. Im Katalog konnten aber fast alle platziert werden.
Wer über alle 140 Karikaturen schmunzeln will kann den Katalog zur Hamburger Ausstellung beim Verlag oder im Buchhandel beziehen. Titel: ‚Freimaurerei in der Karikatur’, herausgegeben vom Leipziger Salier-Verlag.
Und was die Ausstellung selbst betrifft: Weitere folgten nach 2012, und weitere werden bis zum Jubiläumsjahr 2017 folgen.
Die Wiedergabe von 15 Karikaturen aus dieser bleibenden Sammlung hier im Freimaurer-Wiki wurde möglich, weil uns die Künstler das Copyright für diesen Zweck kostenfrei überlassen haben. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich. Ebenso danken wir Bruder Michael, dem Kurator der Ausstellung, der uns das für das Wiki organisiert hat. Mit ihm gibt’s weiter unten ein Interview.
- Zum Betrachten von Details: die Bilder einfach anklicken.
Interview mit Bruder Michael: folgt in Kürze.
- Masonische Selbstironie pur also ...
... auch wenn sie größtenteils von Nichtmitgliedern stammt: aber eben auf Bestellung von Freimaurern. Man könnte diese Zeichnungen auch als Ausdruck dessen verstehen, wie sehr die Freimaurerei gegenwärtig von des „Geschickes Mächten“ in Ruhe gelassen wird. So sehr, dass sie sich den Luxus der öffentlichen Selbstironie leisten kann.
Das war nicht immer so. Besonders in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Freimaurerei in vielen Ländern für Teile der Bevölkerung ein Feindbild: geschürt von den totalitären Ideologien jener Zeit, bei uns also vor allem aus der nationalistischen und nationalsozialistischen Gegend; aber auch von konservativ-katholischen Kreisen. Von diesen Gegnern wurde die Freimaurerei ganz im Gegensatz zu ihrem Anliegen als etwas Böses dargestellt. Das soll über den luftig-schönen Karikaturen der Ausstellung auch nicht vergessen werden. Daher noch zwei Beispiele aus jener vergangenen Zeit: eines aus Frankreich und eines aus Deutschland.
Am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in Frankreich:
Eine freimaurerfeindliche Postkarten-Karikatur zum Verschicken an Bekannte. Sie zeigt den prominenten Freimaurer (siehe Symbole auf der Hose) und Staatspräsidenten Armand Fallières (1841 bis 1931) nach seiner Wahl am 17. Jänner 1906 wie er auf Marianne reitet. Diese fiktive Frau verkörpert die französische Nation. Auf der Postkarte unten steht: „L’une portant l’autre“. Deutsch: „Eine trägt den Anderen“. Das soll wohl so etwas wie Solidarität zum Ausdruck bringen. Aber die Realität auf dem Bild ist anders: Sie ist einseitig. Und Mariannes Gesichtsausdruck lässt darauf schließen, dass sie sich das sogar noch gern gefallen lässt, so sehr wurde sie offenbar von den Freimaurern abgerichtet: siehe die Zügel, an denen sie von Fallières geführt wird, und das Halsband mit den drei masonischen Punkten. Die französische Nation wurde von den ‚bösen’ Freimaurern unterworfen und für deren Zwecke eingesetzt, verkündet der Propagandist: eine Anti-Freimaurer-Karikatur während des französischen Kulturkampfes Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Freimaurer standen auf der Seite, die Frankreich gegen den Willen der konservativ-kirchlichen Reaktion modernisierte. Das ist der historische Hintergrund.Ein Vierteljahrhundert später in Deutschland:
Eine noch aggressivere Karikatur. Jürgen Holtorf (Großmeister der ‚Vereinigten Großlogen von Deutschland’ von 1978 bis 1985) schreibt dazu in seinem Buch ‚Die verschwiegene Bruderschaft’ (Heyne 1984): „Freimaurer, Juden und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold im Kampf gegen Nationalsozialismus und Kirche. NS-Karikatur 1932.“ Mag sein. Daran erscheint mir aber seltsam, dass sich die Nazis hier im Bunde mit der (katholischen) Kirche gesehen haben sollten: Sie waren Kirchengegner. Könnte man die Karikatur nicht auch so sehen: Die sogenannten „überstaatlichen Mächte“, also katholische Kirche einerseits und Juden-Kapitalisten-Freimaurer andererseits, kämpfen gegeneinander um die Macht auf dem Rücken des geschundenen Kleinen deutschen Mannes, sei dieser nun wie der auf der Linken ein Reichsbannermitglied (ein überparteilicher aber in der Praxis eher sozialdemokratischer Bund) oder wie der auf der Rechten ein Nationalsozialist. Man schrieb ja erst 1932: Warum sollten die Nazis, die noch in Opposition waren, dem Reichsbanner, wenn es gerade in ihr Propagandakonzept passte, nicht ebenso einen Opferstatus zugebilligt haben wie sich selbst? Ein Jahr später an der Macht verboten sie das Reichsbanner dann genau so wie viele andere Vereinigungen. Bald auch die Freimaurer.
Siehe auch
- Wilhelm Busch mit einer ganz anderen ‚freimaurerische Zeichnung’ aus seiner Frühzeit (1850iger Jahre).