Traktat: Kann man die Zeit totschlagen? – Tempus fugit

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Kann man die Zeit totschlagen? – Tempus fugit

Von Rene Schon


„Die Zeit, die Zeit ist ganz schön dreist

in einem Anflug von Unsterblichkeit

die Uhr kennt keine Gnade

wo ist die Zeit, die ich nicht habe“

(aus dem Lied „Zeit“ von Der W.)

Einleitung

Die Zeit ist sicherlich eines der kostbarsten Güter, welche wir Menschen haben. Denn „Zeit haben“ und „Frei-Zeit“ brauchen wir zum Entspannen und Auftanken, können dieses Gut jedoch nur bedingt kaufen. Dennoch brauchen wir Menschen gerade einen sinnvollen Ausgleich zum Alltag um uns zu regenerieren und Kraft zu schöpfen.

Oftmals vergeht die „Zeit wie im Fluge“, wenn wir schöne Momente erleben und auch wiederum zieht sich die Zeit zäh, wenn wir etwas als langweilig empfinden. Die Wahrnehmung von Zeit ist somit für jeden Menschen individuell unterschiedlich. Dennoch haben wir eine Maßeinheit geschaffen und teilen unseren Tag in 24h auf. Zumindest haben wir dann einen Richtwert und sprechen alle von der „gleichen Zeit“.

Oftmals empfinden wir es „keine Zeit zu haben“, wenn viele Eindrücke und Aufgaben auf uns zukommen und wir versuchen, diese alle nach bestem Gewissen zu erledigen. Langeweile ist wiederum eine Form der zeitlichen Wahrnehmung, in der wir uns nicht beschäftigen oder nichts Sinnvolles mit unserer Zeit anfangen können. Aber ist dies wirklich so? Können wir uns nicht eine zeitliche Einsteinung schaffen, welche uns hilft, unseren Tag zu regeln und unsere verbleibende Zeit auf Erden effektiv zu nutzen? Betrachten wir dies in den nächsten Minuten einmal ausführlich.

Definition von Zeit

Betrachten wir nun einmal die Zeit aus einer wissenschaftlichen Perspektive. Wikipedia definiert: „Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. […] Die wohl markanteste Eigenschaft der Zeit ist der Umstand, dass es stets eine in gewissem Sinne aktuelle und ausgezeichnete Stelle zu geben scheint, die wir die Gegenwart nennen, und die sich unaufhaltsam von der Vergangenheit in Richtung Zukunft zu bewegen scheint. Dieses Phänomen wird auch als das Fließen der Zeit bezeichnet. Dieses Fließen entzieht sich jedoch einer naturwissenschaftlichen Betrachtung, wie im Folgenden dargelegt wird. Auch die Geisteswissenschaften können die Frage nicht eindeutig klären.“

Zeit in der Philosophie

In der Antike haben sich u. a. die Philosophen Heraklit, Platon, Aristoteles und Augustinus mit dem Begriff der Zeit befasst, in der Neuzeit vor allem Newton, Leibniz, Kant, Heidegger und Bergson.

Heraklits Flussbilder, die vom gleichbleibenden Flussbett symbolisiert werden, in dem aber Alles fließt (panta rhei), stehen als Metapher für die Zeit. Unwandelbare periodische Übergänge von Tag und Nacht, also die Beständigkeit des Flusslaufes, und die Dynamik seines Fließens stehen als die Einheit der Gegensätze.

Für Platon haben Raum und Zeit keine Wesenheit, sondern sind nur bewegte Abbilder des eigentlich Seienden (Ideenlehre). Für Aristoteles ist der Zeitbegriff untrennbar an Veränderungen gebunden, Zeit ist das Maß jeder Bewegung und kann nur durch diese gemessen werden. Sie lässt sich in unendlich viele Zeitintervalle einteilen (Kontinuum).

Augustinus unterscheidet erstmals zwischen einer physikalisch exakten (messbaren) und einer subjektiven, erlebnisbezogenen Zeit. Zeit und Raum entstanden erst durch Gottes Schöpfung, für den alles eine Gegenwart ist. Das Geheimnis der Zeit fasst Augustinus in folgendem Ausspruch zusammen: „Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“

Für Isaac Newton bilden Zeit und Raum die „Behälter“ für Ereignisse, sie sind für ihn ebenso real wie gegenständliche Objekte: „Zeit ist, und sie tickt gleichmäßig von Moment zu Moment.“ In der Naturphilosophie dominiert Newtons Auffassung, weil sie ermöglicht, Zeit und Raum unabhängig von einem Bezugspunkt oder Beobachter zu beschreiben.

Im Gegensatz dazu meint Gottfried Wilhelm Leibniz, dass Zeit und Raum nur gedankliche Konstruktionen sind, um die Beziehungen zwischen Ereignissen zu beschreiben. Sie haben kein „Wesen“ und es gebe daher auch keinen „Fluss“ der Zeit. Er definiert die Zeit so: „Die Zeit ist die Ordnung des nicht zugleich Existierenden. Sie ist somit die allgemeine Ordnung der Veränderungen, in der nämlich nicht auf die bestimmte Art der Veränderungen gesehen wird.“

Nach Immanuel Kant ist die Zeit ebenso wie der Raum eine „reine Anschauungsform“ des inneren Sinnes. Sie seien unser Zugang zur Welt, gehörten also zu den subjektiv-menschlichen Bedingungen der Welterkenntnis, in deren Form das menschliche Bewusstsein die Sinneseindrücke erlebt.

Kant schreibt ihr jedoch eine empirische Qualität für Zeitmessungen und entfernte Ereignisse zu. Wir können die Zeit aus unserer Erfahrung nicht wegdenken und auch nicht erkennen, ob sie einer – wie auch immer gearteten – Welt an sich zukommt. In ähnlicher Weise beschreibt Martin Heideggers Hauptwerk „Sein und Zeit“ letztere als eine Wirklichkeit, die das Menschsein zutiefst prägt.

(aus https://de.wikipedia.org/wiki/Zeit)

Der 24-zöllige Maßstab

Wie aber kann nun die Freimaurerei eine Definition von Zeit liefern und wie kann dies wiederum dem Bruder/der Schwester dienen?

Der Freimaurer muss bereits als Lehrling lernen, wie er sich den Tag richtig einteilt. Hierzu dient ihm das Sinnbild des 24 zölligen Maßstabes. Das Sinnbild des Maßstabes tauchte zum ersten Mal im Edinburgh Register House Manuskript von 1696 auf. Dieses vollständig erhaltene Fragebuch der Freimaurerei erklärt dem jüngst aufgenommenen Lehrling beim Betreten der Loge „as I am Sworn by God and St. John, by the Square and compass, and common judge (auch „gauge (ein Eichmaß)“ genannt“. Zu Deutsch: „der ich bei Gott und dem heiligen Johannes, beim Winkelmaß und beim Zirkel und beim Maßstab geschworen habe.“ Zu beachten gilt jedoch, dass es sich hierbei zuerst um einen Maßstab handelte, auf dessen Rückseite ein Profil eines zu meißelnden Steins aufgebraucht wurde. Er war somit ein allgemeiner Maßstab, der Sinnbild für eine gute Arbeit war. Erst ab 1760 finden sich Hinweise auf den 24-zölligen Maßstab wieder, wie er heute noch als Instrument des Lehrlings geläufig ist.

Erklärung des Maßstabes

Der 24-zöllige Maßstab und der Spitzhammer sind in der Freimaurerei die Symbole des Lehrlings. Der Spitzhammer dient dazu, die Ecken der Unvollkommenheit vom rauen Stein abzuschlagen, der 24-zöllige Maßstab dazu, sich bei der Arbeit die Zeit mit Weisheit einzuteilen. Er symbolisiert die 24 Stunden des Tages die der Maurer folgendermaßen einteilen soll:

sechs Stunden zur Arbeit sechs Stunden um Gott zu dienen sechs Stunden um einem Bruder oder Freund zu dienen, soweit es in seinen Kräften steht sechs Stunden zum Schlafe. Diese klare zeitliche Einteilung lässt sich in der heutigen Zeit nicht mehr 1:1 umsetzen. Es lassen sich gewerkschaftlich ausgehandelte Arbeitszeiten nicht umgehen und wer heute weniger als 8 oder 9 Stunden mit der Arbeit zubringt, gefährdet womöglich sogar seinen Arbeitsplatz. Heutzutage ist die Umsetzung dieses Lehrlingswerkzeuges schlichtweg unmöglich.

Inhaltlich jedoch ist eine solche Einteilung gar nicht so verkehrt. Die jedem Menschen zustehende Zeit, sei es nun Stunde, Tag, Monat, Jahr oder Lebenszeit soll bewusst sinnvoll und weise eingeteilt werden um ein erfülltes Leben zu verwirklichen. Die genaue zeitliche Gliederung ist nicht die Kernaussage des 24-zölligen Maßstabes, sondern eine ausgewogene Grundstruktur die unsere, zur Verfügung stehende Zeit, sinnvoll gliedert.

Wie kann der moderne Freimaurer seine Zeit also sinnvoll aufteilen? Die Aufteilung in vier Blöcke erscheint mir durchaus sinnvoll, nämlich in:

Arbeit Befriedigung sozialer Bedürfnisse Erholung und Regenerierung Spiritualität Arbeit ist ein wichtiger Teil in unserem Leben. Für die einen ist es Pflicht, für den anderen Freude und Erfüllung. Sie gibt Struktur, fördert Lernen und Fähigkeiten und ermöglicht uns in Augenhöhe mit anderen am Gesellschaftsleben teilzunehmen. Beim Fehlen von Arbeit, nämlich Arbeitslosigkeit geht erheblich mehr verloren als nur materielle Werte.

Die Befriedigung sozialer Bedürfnisse ist ein ganz wichtiger Teil unseres Lebens. Sie dient nicht nur dem Austausch, der Begegnung und der Kommunikation, sie sorgt nicht nur für gemeinsame Erlebnisse, sondern schafft auch Nähe und Intimität. Indem wir füreinander da sind und uns gegenseitig helfen, geben wir der Gesellschaft etwas zurück, auf das wir selber angewiesen sind, nämlich Menschlichkeit, Geborgenheit, Verständnis, Brüderlichkeit, Liebe.

Jedes Individuum hat seinen eigenen Schlafrhythmus. Der eine kommt locker mit 5 Stunden aus, der andere schläft regelmäßig seine 7 Stunden. Hobby und Freizeitaktivitäten, ausgewogene Ernährung und Urlaube sind wichtig um die Anforderungen des Lebens langfristig erfüllen zu können und sich psychisch und physisch in guter Form zu erhalten.

Wer sich Zeit für Spiritualität nimmt und sich mit Neugierde auf die wichtigen Fragen des Lebens stürzt, wird Antworten finden, die einem weiterhelfen, sein Leben sinnvoller zu gestalten. Viele finden in der Religion eine Zuflucht und einige sogenannte „Freidenker“ – wenn sie Glück haben – in der Freimaurerei. Wer sich jemals mit dem Satz „Erkenne dich selbst“ oder mit den Begriffen Freiheit, Gleichheit oder Brüderlichkeit auseinandergesetzt hat, der begreift viel mehr über die Zusammenhänge des Lebens als andere. Das ist Nahrung für die Seele und den Geist und auch Nährboden für eine humanistische Lebenseinstellung.

Wie genau diese 4 Bereiche weise aufzuteilen sind, muss wohl ein jeder selber wissen. Deshalb sollte es jedem selbst überlassen bleiben seine Zeit sinnvoll und weise einzuteilen um ein glückliches Leben zu führen.

(angelehnt nach dem Traktat im Freimaurer Wiki: http://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Der_24z%C3%B6llige_Ma%C3%9Fstab)

Ermahnung an Pünktlichkeit

Sowohl im Ritual, also auch zu den gemeinschaftlichen Abenden und Vorträgen ruft uns der Meister zur Arbeit. Diesem Aufruf sollten die Maurer auch nachkommen und pünktlich ihre Arbeit aufnehmen. Der 24-zöllige Maßstab soll uns hier ermahnen und erinnern, dass wir zum einen die Arbeit an uns selbst wiederaufnehmen sollen und zum anderen auch der Arbeit an der Gemeinschaft der Loge und unseren Fragen nach der Bestimmung. Natürlich ist das Erleben der Gemeinschaft ein wichtiger Bestandteil einer Loge, aber gerade in der letzten Zeit wurde das allseits beliebte „akademische Viertel“ hier und da schon mal auf 25-30min ausgedehnt.

Wenn wir jedoch den Umgang mit dem Maßstab gelernt haben und Pünktlichkeit somit im erweiterten Sinne eine Tugend eines Maurers ist, dann sollten wir uns wieder zurückbesinnen und uns der Zeit und vor allem an der sinnvollen Einteilung dieses wichtigsten und teuersten Gutes widmen.

Fazit

Der Freimaurer muss den Umgang mit der Zeit für sich selbst finden. Gerade in dieser hektischen und kurzlebigen Zeit muss er lernen auch einmal stehen zu bleiben und sich umzuschauen. Er muss sich den passenden Ausgleich schaffen, um nicht in die Gefahr von Burn-outs und anderen zeitfressenden Probleme zu kommen. Wie er dies jedoch umsetzt, liegt ganz an ihm selbst. Das Werkszeug dazu hat er bekommen, umsetzen und damit arbeiten muss er alleine.

Ich möchte schließen mit einer weiteren Passage auf dem anfänglichen Lied. Dabei soll die Schlussfrage offenbleiben, damit jeder einmal über sie nachdenken kann.

„Wer die Zeit verdrängt, gewinnt das Leben.

Es ist an der Zeit, sich die Zeit zu nehmen.

Zeit, sie vergeht, Zeit, sie fehlt!

9 Millimeter Blei, im Kopf der Zeit!

Die existenzielle aller Frage: Kann man die Zeit totschlagen?“