Traktat: Der 24zöllige Maßstab - Aktualität eines freimaurerischen Symbols

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Der 24-zöllige Maßstab – Aktualität eines freimaurerischen Symbols

Seneca ruft uns zu:
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben,
es ist zu viel Zeit, die wir nicht nützen!

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Ist die Freimaurerei mit ihren Symbolen noch zeitgemäß? Am Beispiel des 24-zölligen Maßstabs möchte ich danach fragen und Antwort darauf finden. Diesem Symbol, das ein wichtiges Werkzeug unserer Vorgänger, der Dom-Bauleute war, wird in der Teppicherklärung eine besondere Bedeutung eingeräumt:

...Quer auf dem Weg unseres weiteren Fortschreitens liegt der 24-zöllige Maßstab, der uns an die weise Einteilung der Stunden des Tagesablaufs gemahnt. Gelingt es uns nicht, so ist an dieser Stelle unser Weg zu Ende, und wir müssen bleiben, was wir sind. Nicht alle Menschen haben das gleiche Zeitmaß. Was für den einen gut ist, muß es nicht für den anderen sein. Weise ist unsere Einteilung der Zeit, wenn sie es uns ermöglicht, ständig an unserer Vervollkommnung zu arbeiten. Sie ist es nicht, wenn sie uns daran hindert. Gelingt es uns, auch diese Grenze zu überschreiten, so sehen wir uns nun den Symbolen der geistigen Welt gegenüber.“

Soweit der Textausschnitt aus dem AFuAM-Ritual. Der 24-zöllige Maßstab beschreibt also unter anderem die Einteilung der Wachzeit des Menschen.

Der schweizer Psychiater, Psychotherapeut und Kulturpsychologe Carl Gustav Jung nimmt sich 1921 des Themas „Persönlichkeitstheorie“ an und greift die Zeiteinteilung entsprechend der der Freimaurerei auf, indem er die Wachzeit in drei Abschnitte aufteilt:

Arbeitszeit, Sozialzeit – also die Zeit mit Familie und Freunden - und Individualzeit – also die Zeit mit sich selbst Die entsprechende Einteilung macht Jung von der Persönlichkeitsstruktur des Menschen abhängig und hat dafür eine Typ-Einteilung entwickelt.

Diese Persönlichkeitsstruktur, die die Einteilung der Zeit bedingt, entspricht dem ERKENNE DICH SELBST der Freimaurerei. Beim täglichen Umgang mit seinen Patienten merkt Jung schnell, daß Menschen sehr verschieden sind und daher auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Daraufhin entwickelt er die Unterscheidung in nach außen gerichtete – extrovertierte - und nach innen gerichtete – introvertierte - Menschen.

Diese Differenzierung reichte ihm nicht aus, also entwickelt Jung ein Modell aus vier Funktionen – Denken, Fühlen, Intuition (Einfühlungsvermögen) und Empfinden. Kombiniert mit introvertiert und extrovertiert ergeben sich daraus acht Möglichkeiten, die Jung in seinem Werk „Psychologische Typen“ von 1921 vorstellt. Katharina Briggs und ihre Tochter Isabel Briggs-Myers empfanden Jungs Typ- Einteilung so klar, daß sie daraus einen Fragebogen entwickelt haben, der als „Myers-Briggs-Type-Indicator“ 1962 bekannt wurde und zu den gefragtesten Persönlichkeitstests zählt.

In Rahmen der Typ-Einteilung unterscheiden Myers-Briggs hinsichtlich vier Merkmalspaaren, die dann 16 Persönlichkeitstypen ergeben: Introvertiertheit oder Extrovertiertheit Ein außenorienter Mensch ist kontaktfreudiger und breiter interessiert, ein innenorienter Mensch konzentrierter und intensiver. Man spricht auch von der Tendenz zur Weite bis Tiefe der Sinneserfahrung. Hier wird von einer Gleichverteilung in der Bevölkerung ausgegangen.

Intuition (Einfühlungsvermögen) oder Sensorik (Analytik) – der Zahlenmensch Dies beschreibt die Verarbeitung der Sinneseindrücke. Der sensorische Geist gewichtet die „Rohdaten“ bzw. Eindrücke am intensivsten, der intuitive Geist verlässt sich stärker auf seinen sechsten Sinn. Der sensorische Geist ist detailorientiert und exakt im Verarbeiten von Informationen sowie im Begreifen des Hier und Jetzt. Der intuitive Geist achtet eher auf das Ganze als auf dessen Teile und ist eher zukunfts- und möglichkeitenorientiert. Es wird davon ausgegangen, dass Sensoriker etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung ausmachen.

Gefühl oder Denken

Dies beschreibt die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden. Der Denker betrachtet die ihm vorliegenden Informationen eher von einem rationalen Standpunkt und versucht, mittels objektiver Wertesysteme (z. B. Gesetze) zu Entscheidungen zu gelangen. Der Fühlende beachtet seine persönlichen Wertesysteme stärker. Hier wird von einer Gleichverteilung bei geringfügig mehr Fühlern ausgegangen. Gleichzeitig besteht hier die größte Unausgewogenheit zwischen den Geschlechtern: Schätzungen zufolge sind etwa zwei Drittel der Denker Männer und etwa zwei Drittel der Fühler Frauen.

Urteilen oder Wahrnehmen

Der Wahrnehmer ist lange offen für neue Eindrücke und zeigt sich bereit, seine Entscheidungen und Pläne zugunsten neuer Informationen zu überdenken. Dies bedeutet auch, dass man spontaner handelt und sich flexibler unregelmäßigen Umständen anpassen kann. Der Urteilende entscheidet bereits, bevor ihm alle Informationen vorliegen und hält an einmal getroffenen Entscheidungen und eingeschlagenen Wegen auch unter widrigen Umständen fest. Bevorzugt handelt er systematisch und planmäßig. Er zeigt im Handeln weniger Spontaneität, dafür jedoch mehr Disziplin und Konsistenz.

In dieser Dimension ist ungefähr von einer Gleichverteilung auszugehen. Ein zentraler Rückschluss der Typ-Einteilung auf die „weise Einteilung der Zeit“ ist der, dass der nach innen ausgerichtete Mensch in der „Individualzeit“ entspannt, während nach aussen ausgerichtete Mensch eher in der „Sozialzeit“ entspannt und regeneriert. Die „weise“ Einteilung der „Sozial- und Individualzeit“ zur Regeneration hängt somit ebenso davon ab, ob die Arbeitszeit eher nach innen oder nach aussen gerichtetet ist. Eine nach aussen gerichtete Arbeit – z.B ein Verkäufer - fordert von einem nach innen gerichteten Menschen einen entsprechend höheren Anteil an Individualzeit. Für ein glückliches Privatleben sollte man bei seinem Partner aus den gleichen Gründen darauf achten, dass die Einteilung der Zeit „weise“, entsprechend seiner Bedürfnisse, gewählt ist. So hat mich mein Nachdenken über den 24-zölligen Maßstab zu Carl Gustav Jung, der unserem Bund sehr nahe stand, und seinen psychologischen Typen geführt.

Dieser Ansatz hilft mir als Lehrling mich mit dem „Erkenne Dich Selbst“ und dem Werkzeug des „24-zölligen Maßstabs zur „Arbeit am rauen Stein“ zu beschäftigen. Der Ansatz Jungs zur „weisen“ Zeiteinteilung erhielt den Ritterschlag jedoch durch die aktuelle Anwendung dieser Typen-Theorie im Rahmen der modernen Management-Theorien. Ein führendes Institut auf dem Gebiet, die St.Galler Business-School verarbeitet den Ansatz Jungs zur „Stärkung der Managementkraft“ für die Top-Führungsebene.

Burnout

Durch die traurige Gegenwart prominenter „Burnout-Fälle“, wird die Theorie Jungs ganz aktuell aufgegriffen, wenn es um Wege geht, dem Burnout zu entkommen. Ein Burnout ist als Ruhe-Modus eine Schutzfunktion des Körpers in Zeiten der Überforderung und nachhaltig aufgezehrter Lebensenergie. Um diesem zu entgehen, empfehlen die Psychologen, im Rahmen der „weisen Aufteilung“ der „Individual- und Sozialzeiten“ die Batterien aufzuladen, um so die Lebensenergie zurück zu bekommen.

Die Persönlichkeitsstruktur von Jung, also das „erkenne Dich selbst“, beeinflußt demnach die weise Einteilung der Zeit wesentlich. Diese Interpretation Jungs, die sich zeitlich erheblich nach der des historischen Werkzeugs der Freimaurerei etablierte, gibt mir als Lehrling einen ersten Eindruck darüber, welches Erkenntnispotential sich hinter den freimaurerischen Symbolen versteckt. Insbesondere in modernen Zeiten, in denen traditionelle Ruhephasen, wie der „Sonntag als wöchentlicher Ruhetag“ oder die „Mittagsruhe“ nahezu nicht mehr gelebt werden, ist es um so wichtiger, dass der einzelne Mensch sich seine Zeiten „weise“, entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse, einteilt. Nur so ist man in der Lage im Zeitalter von Dynamik, Hektik und Ungeduld zu bestehen. Nun, meine lieben Brüder, ist das Symbol des 24-zölligen Maßstabs etwa nicht zeitgemäß?

Er ist es mehr denn je!

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Ich beende meine Zeichnung mit einem Gedicht des früheren ROLANDStuhlmeisters Bruder Alfried Lehner:

DER VIERUNDZWANZIGZÖLLIGE MAßSTAB
Ein Stab von vierundzwanzig Zoll,
als Lehrling mir zur Hand gegeben,
mahnt, daß ich weise nutzen soll
die Stunden, die mein Erdenleben
so flüchtig Tag für Tag begleiten,
an die Vergänglichkeit der Zeiten
erinnern, deren ich ein Teil.
Wie eine hohe Schöpfermacht
im Rhythmusspiel von Tag und Nacht
die Welt erhält, dient mir zum Heil
die rechte Ausgewogenheit
von Arbeit und von Ruhezeit.
Doch beides schließe würdig ein
der Menschenliebe Tätigsein.

Siehe auch