Rezension: Heinz Sichrovsky - Musik und Dichtung der Freimaurer

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Rezension: Heinz Sichrovsky - Musik und Dichtung der Freimaurer

„Mozart, Mowgli, Sherlock Holmes"

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Theaterzettel zur Uraufführung der 'Zauberflöte' am 30. September 1791 in Schikaneders Theater im Freihaus auf der Wieden in Wien.

"Die Königliche Kunst in Musik und Dichtung der Freimaurer"

Ein Buch von Heinz Sichrovsky, Löcker-Verlag, Wien 2013; 321 Seiten.
Rezension von Rudi Rabe

Viele Künstler gehörten und gehören den Freimaurern an. Kein Wunder, dass sich Spuren der freimaurerischen Rituale und das masonische Denken in ihren Kunstwerken finden; auch in solchen, die ganz anderen Zwecken zugedacht scheinen.

Mozart, Haydn, Lessing, Goethe ...

Matthias Claudius' ‚Der Mond ist aufgegangen’ ist ein philosophisches Lehrgedicht für den Gebrauch der Loge ‚Zu den drei Rosen’ in Hamburg. Mowglis Aufnahme ins Wolfsrudel wurde vom Freimaurer Rudyard Kipling in den ‚Dschungelbüchern’ dem freimaurerischen Initiationsritual nachgebildet und mit einem Passwort aus den Hochgraden versehen. Lessing, dessen ‚Nathan der Weise’ als Inbegriff der religiösen Toleranz bewundert wurde, gehörte einer Loge an, die keine Juden akzeptierte und die er nach seiner Aufnahme nie wieder betrat. Mozart vertonte in der ‚Zauberflöte’ Passagen aus dem Freimaurerritual seiner Zeit. Haydn versteckte in der Symphonie Nummer 88 geheime Klopfzeichen und grüßte damit den Auftraggeber, die Pariser Loge ‚Olympique’. Klopfzeichen und Codeworte finden sich auch in mehreren Werken Beethovens, dessen Zugehörigkeit zum Bund nie nachgewiesen werden konnte. Richard Wagner und Herbert von Karajan wollten Freimaurer werden und wurden abgelehnt.

Mit diesen Sätzen fasst Heinz Sichrovsky den Inhalt auf dem Buchumschlag zusammen. Solche 'Klappentexte' als Rezension auszugeben, ist eigentlich tabu. Doch mache ich diesmal eine deklarierte Ausnahme: Ich könnte die Kurzzusammenfassung nur schlechter formulieren, also habe ich sie abgeschrieben.

Hummel, Lortzing, Claudius, Kipling ...

Und um die Breite dieses lesenswerten Buches zu vermitteln, ist es darüber hinaus ausnahmsweise sinnvoll, die Kapitel aufzuzählen:

  • Wer sind die Freimaurer? Geschichte und Gegenwart.
  • Die Literatur der Freimaurer: „Lass es dir Gefallen, Stein, dass wir dich behauen.“
  • Die Musik der Freimaurer: Im Zeichen der Drei.
  • Der Freimaurer Wolfgang Amadeus Mozart: „Laut verkünde uns’re Freude“ (Wiki-Link zum Text dieses Kapitels).
  • Die ‚Zauberflöte’ als Freimaurer-Oper: Im Bann des fürchterlichen Bruders.
  • Der unterschätzte Freimaurer Joseph Haydn: „Dann bricht der großen Morgen an.“
  • Der rebellische Bruder Gotthold Ephraim Lessing: Nathans Tod.
  • War Beethoven Freimaurer? Das Rätsel der verschwundenen Akazie.
  • Der Freimaurer Johann Wolfgang von Goethe: „Wir heißen euch hoffen.“
  • Johann Nepomuk Hummel, Freimaurer in Goethes Weimar: „Lasst fahren hin das Allzuflüchtige.“
  • Der Freimaurer Mathias Claudius: „Lasst uns einfältig werden.“
  • Der Freimaurer Gustav Albert Lortzing: „O selig, ein Maurer zu sein.“
  • Lortzings Freimaurergesänge für die Loge ‚Zum goldenen Rade’: „Töne, mein Lied!“
  • Luzifer, Kain, Hiram und das hohe A: Was geschah wirklich beim Bau des salomonischen Tempels?
  • Der Freimaurer Rudyard Kipling: Bruder Mowgli.
  • Der Freimaurer Sir Arthur Canon Doyle: Sherlock Holmes war kein Freimaurer.
  • Der Phantomfreimaurer Karl May: Bruder Winnetou.
  • Der Freimaurer Wolfgang Bauer: „Energie, die nach Außen strahlt.“
  • Teufelsbrüder: Die Freimaurer im Volksaberglauben.
  • ‚Ritas Vermächtnis’: Ein Anti-Freimaurer-Roman der Katholikin und Nationalsozialistin Enrica von Handel-Mazzetti.

Dreimal drei Schläge

„Es hat damit begonnen“, erzählte der Autor bei der Präsentation im Wiener Mozarthaus, „dass ich mich im Mozart-Jahr 2006 in die Materie verschaut habe. Die dreimal drei rituellen Schläge in der Mitte der Zauberflöte-Ouvertüre haben mich nicht mehr losgelassen, ich habe weitergeforscht und bei der Großloge von Österreich jede Art Unterstützung gefunden.“

Weitere Passagen aus Heinz Sichrovskys Präsentation: „Mozart war ein erstaunlich treuer Freimaurer. Als er 1791 die ‚Zauberflöte’ schrieb, bahnte sich die lange Verbotszeit durch die Staatsmacht schon an. Es brachte damals wesentlich mehr Nachteile als Vorteile, Freimaurer zu sein. In Wien gab es nur noch eine in Auflösung befindliche Loge – die Mozarts – und auch aus ihr waren schon die meisten Brüder ausgetreten: Im Gefolge der Französischen Revolution hatte eine Vorschwörungsparanoia Platz gegriffen, und der reaktionäre Kaiser Franz II. liquidierte wenig später die Restbestände. Das Verbot hielt bis 1918, bis zum Zusammenbruch der Monarchie. Eines der Opfer war Beethoven. In Bonn freimaurerisch ausgebildet, vorbereitet und hoch motiviert, kam er Ende 1792 nach Wien, aber da begann gerade die Verbotszeit. So sind sein Werk und seine Tagebücher voll von Chiffren und Symbolen, er selbst war aber mit 99-prozentiger Sicherheit kein Freimaurer.“

Und der Konsonant B

„Die Zahl 3 und der Konsonant B sind in der freimaurerischen Symbolik von hoher Bedeutung. Also entwickelte Mozart für seine Freimaurermusik eine Symbolik, die auf den Tonarten mit den 3 b-Vorzeichen – Es-Dur und c-Moll – beruht und von anderen Komponisten aufgegriffen wurde. Wir finden sie exemplarisch in der ‚Maurerischen Trauermusik’. Am Ende steht C-Dur, die Tonart der Erlösung und Vollendung, die durch ein symbolisches Todeserlebnis erreicht wird.

Im 4. Satz der ‚Sieben Worte’ finden wir eine solche Situation: ‚Wahrlich, ich sage dir, noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein’ kündigt Jesus dem reuigen Schächer zu seiner Rechten an. Der wird aus tiefstem Dunkel – symbolisiert durch das verzweiflungsschwarze c-Moll am Beginn – auf den Weg der Hoffnung – Es-Dur – und zur Vollendung in C-Dur gebracht.“

Gewaltige Geister in Weimar

„In Weimar, wo der 18-jährige Herzog den 26-jährigen Goethe in den Staatsdienst verpflichtete, war man staatstragend. In der Loge ‚Anna Amalia zu den 3 Rosen’ sammelte sich die Oberschicht zu vorwiegend profanen Verrichtungen. Gewaltige Geister waren da theoretisch Mitglieder: Goethe, Wieland, Herder – Schiller nicht, der war nicht sozialisierbar, und wenn Sie sich an das wilde Logengedicht ‚Ode an die Freude’ erinnern, so wäre das in Weimar, wo der Herzog, sein Sohn, sein Kanzler, zwei Staatsminister und der halbe Staatsapparat beim Bund waren, vielleicht nicht ideal angekommen. Wahr ist: Herder, Wieland und auch Goethe betraten die Loge kaum, schufen aber von außen bedeutendste freimaurerische Kunstwerke."

Faust und Wilhelm Meister

‚Faust’ ist intensiv konnotiert, ‚Wilhelm Meister’ führt die drei Grade im Titel: die Lehrjahre für den Lehrling, die Wanderjahre für den Gesellen, und den Meister trägt er im Namen.

Goethes Bruder in der Amalienloge war der österreichische Komponist und Weimarer Hofkapellmeister Johann Nepomuk Hummel, ein Schüler Mozarts und der größte Pianist seiner Zeit. Der Großherzog war selbst Freimaurer, und zu seinem Regierungsjubiläum schrieb Hummel mit Goethe drei Logenlieder, von denen eines ein bedeutendes philosophisches Spätwerk ist. Noch deutlicher lässt Goethe nur die bleibende, die edle Tat gelten: ‚Das Beständige der irdischen Tage verbürgt uns ewigen Bestand."

Eine Wiederentdeckung

Was Goethe und Hummel betrifft, gelang Heinz Sichrovsky bei den Recherchen für das Buch sogar eine kleine Sensation. Er schmückt diese aber nicht groß aus sondern versteckt sie auf Seite 150 in einem kleinen Absatz: „Beharrliches Forschen und die Hilfe des führenden Hummel-Forschers Mark Kroll versetzten den Verfasser dieses Buches in die Lage, die handschriftlichen Partituren des Goethe-Hummel’schen Freimaurerzyklus in der Britisch Library, London, wiederzufinden. Am 17. Dezember 2011 wurden die drei Lieder im Wiener Mozart-Haus vom Tenor Kurt Schreibmayer und dem Pianisten Josef Stolz nach eineinhalb Jahrhunderten wiederaufgeführt. Das Außergewöhnlich an Hummels (einzigen!) Goethe-Liedern ist, dass Dichter und Komponist sie in direkter Kooperation verfassten.“

Und wieder aus dem Präsentationstext: „Gotthold Ephraim Lessing und Matthias Claudius wurden in dieselbe Loge aufgenommen, ‚Zu den drei Rosen’ in Hamburg. Sie war streng christlich orientiert, verwehrte Angehörigen anderer Religionen den Zutritt, und der Freigeist Lessing war dort am derart falschen Platz, dass er sie nach seiner Aufnahme nie wieder betrat, aber von außen großartige freimaurerische Literatur schuf.“

‚Der Mond ist aufgegangen ...’

„Matthias Claudius, wie Lessing ein protestantischer Pfarrersohn und einer der größten Lyriker der Literaturgeschichte, fühlte sich im Gegensatz zu Lessing in der geordneten Logenwelt wohl. Er schrieb bedeutendste freimaurerische Literatur, seine Logengedichte zählen zu den schönsten überhaupt. Sein ‚Abendlied’ – ‚Der Mond ist aufgegangen’ – steht als Schlusskommentar in sieben Strophen – sieben ist die Symbolzahl des Meistergrades – hinter einem freimaurerischen Text, der da zum Teil wörtlich zitiert wird. Die letzte Strophe spricht explizit die Brüder an, und vorher kann man mit derselben Wortwahl, die sich in den Logengedichten findet, ein ganzes maurerisches Leben nachvollziehen: von der ‚stillen Kammer’, in der neue Brüder vor der Aufnahmezeremonie meditieren, über den ersten Grad – den der Selbsterkenntnis der eigenen Begrenztheit – und den zweiten Grad – den der Sozialisation und der Bekämpfung der Eitelkeit – bis zum Tod als Vollendung.“

Voltaire, Puschkin, Sibelius, Ellington ...

„Meine Damen und Herren, Heine, Voltaire, Stendhal, Puschkin, Mark Twain, Arthur Conan Doyle, John Steinbeck – und: Liszt, Lortzing, Spohr, Cherubini, Sibelius, Sousa und viele Jazzer waren Freimaurer: Duke Ellington, Oscar Peterson, Nat King Cole, Lionel Hampton, Count Basie."

"In Österreich kann man auf Hermann Bahr, Fritz Grünbaum, Leo Slezak, Friedrich Torberg, Milo Dor, Reinhard Federmann oder Wolfgang Bauer verweisen. Carl Michael Ziehrer, Carl Millöcker, Leo Fall, Edmund Eysler und Richard Heuberger – also praktisch die komplette zweite Garnitur der Wiener Operette – waren Mitglieder. Ein großer und überzeugter Freimaurer war schließlich auch der Komponist Gottfried von Einem. Seine Oper ‚Dantons Tod’ ist eine umfassend freimaurerische Angelegenheit.“

Das Buch bietet nicht nur eine Fülle oft überraschender Details, es kann auch kreuz und quer gelesen werden. Und es ist flüssig geschrieben: kein Wunder, ist Heinz Sichrowsky doch Kulturchef des österreichischen Wochenmagazins NEWS und Fernsehmoderator im ORF. Sein umfangreiches Vorwissen und sieben Jahre intensives Studium machten das Werk möglich.

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„Des Freimaurers Mozart Klopfgeräusche“


Unter diesem Titel brachte die angesehene Wiener Tageszeitung 'Die Presse’ am 16. November 2013 eine Rezension über Heinz Sichrovskys Buch: als Teil eines Vorberichts auf die Premiere der 'Zauberflöte' in der Wiener Staatsoper am selben Abend. Autor: Der renommierte Musikkritiker des Blattes Wilhelm Sinkovicz. Auszüge:

Sichrovsky bringt es zuwege, in lockerem Plauderton, also amüsant lesbar, aber doch ganz ernsthaft Fakten zu sammeln und kenntnisreich zu erläutern. Wer dabei war, wer nicht, ist dabei rasch abgehandelt. Spannender freilich, wer in Zeiten der Illegalität des Bundes ganz offenkundig mit dessen Idealen sympathisierte und das vielleicht sogar mittels (von Eingeweihten dechiffrierbaren) Botschaften kundzutun wünschte: Sichrovsky nennt zwei charakteristische Stellen im Werk Ludwig van Beethovens.

Ob er recht damit hat, muss ebenso offen bleiben wie die Frage, ob es Zufall ist, dass der Freimaurer Joseph Haydn im Auftakt zu seiner Symphonie Nr. 88 bewusst das nämliche ‚Klopfzeichen’ thematisiert wie Mozart am Beginn und anlässlich der Initiationsriten seiner ‚Zauberflöte’.

Die Verbindung zwischen Letzterer und der Maurerei ist ja offenkundig und viel kommentiert worden. Dass die Erfolgsgeschichte dieser Oper aber so kühn geschwungen einsetzte und bis heute anhält, kann nur zu geringem Prozentsatz damit zu tun haben, dass das Publikum Einblicke in die Aktivitäten einer zuweilen verbotenen, immer geheimen Gesellschaft sucht. Die diesbezüglichen ‚Enthüllungen’ waren wohl von Anbeginn bestenfalls eine Zuwaag' zu den vielschichtigen Erfahrungen, die sich mit Pamina und Tamino, Papageno und Papagena, Königin der Nacht und Sarastro machen lassen.

Nicht zu unterschätzen ist jedenfalls der Anteil der volkstümlichen Klamauk-Szenen um den Vogelfänger, die schon im Uraufführungstheater im Freihaus-Viertel „einfaches Volk“ in Scharen anlockte – und immer noch auch der jüngsten Generation hilft, die Hemmschwelle zum Abenteuer des ersten Theaterbesuchs zu überwinden ...

Dass und wie Mozart zum Zwecke der Stärkung der erhebenden Momente seines Werks freimaurerische Symbolik nutzt, lässt sich nun bei Sichrovsky wieder nachlesen, auf knappem Raum verständlich zusammengefasst.

Eine allzu hagiografische Betrachtungsweise hat sich der Autor gottlob selbst verbeten. Das Buch, das echte und vorgespiegelte künstlerische Assoziationen bis hin zu Karl May und Arthur Conan Doyles ‚Sherlock Holmes’ auflistet, decouvriert auch die traurig-ausweglosen Vitae von überzeugten Freimaurern wie Gustav Albert Lortzing oder in unseren Tagen (und spätberufen) Wolfgang Bauer.

Von Goethe zu Wolfgang Bauer: Es kommt offenbar immer darauf an, wer Freimaurer ist – Größen vom Schlage Goethes wissen große Ideen publikumswirksam zu verbreiten, andere wiederum profitieren offenbar nicht einmal von den internen Benefizien ihres Netzwerks. Die ‚Zauberflöte’ führt uns eben diese Widersprüchlichkeiten vor Aug und Ohr. Das ist ihr Erfolgsrezept – am Ende siegen ‚Mann und Weib und Weib und Mann’ in trauter Zweisamkeit, eine Vision, die wohl auch der aufgeschlossenste Freimaurer von anno 1791 nicht als seines ‚Bundes erste Pflicht’ benannt hätte.

Freimaurermusik mit Hörproben

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