Alfred Schmidt

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Entstehungsgeschichte der humanitären Freimaurerei
Deistische Wurzeln und Aspekte
von Alfred Schmidt
Medium: Buch
ISBN: 978-3-943539-40-0
Auflage: 1. Auflage 2014
Einband: Softcover
Seitenzahl: 196
Format: 12 x 19 cm
12,00 €
Der Artikel von Thomas Forwe / Klaus-Jürgen Grün wurde diesem Buch mit freundlicher Genehmigung der Autoren entnommen

Alfred Schmidt

Zum Buch:

Freimaurer sind entstanden wie Mythen: Auf einmal waren sie da. Es gibt keinen Autor, der sie erfunden hat. Sie entstehen im Klima der europäischen Aufklärung. Ihr erklärtes Ziel ist die Humanisierung des Menschen. Fromme Christen fürchteten zu Recht eine Marginalisierung ihrer eigenen Religion durch Freimaurerei. Daher haben viele von ihnen von Anbeginn an versucht, Freimaurerei selbst zu einer christlichen Religion umzumünzen. Aber dieser Versuch ist gescheitert. Und die geistesgeschichtlichen Quellen aus der Entstehung der Freimaurerei belegen ihre Herkunft aus der Kritik und Abkehr vom orthodoxen Christentum.

Mit filigraner Genauigkeit spürt Alfred Schmidt die Herausbildung der philosophischen Grundhaltung der Freimaurerei aus den Grundlagen des englischen Deismus auf und zeigt dabei, wie sich der Zweifel an metaphysischen Wahrheiten des Christentums in eine Metaphysik der Sitten verwandelt. Sie erweist sich als die Basis humanitärer Geisteshaltung.

Herausgegeben von Prof. Dr. Klaus-Jürgen Grün und Thomas Forwe.


Leben

Thomas Forwe / Klaus-Jürgen Grün

Alfred Schmidt (1931-2012)

Alfred Schmidt wurde am 19. Mai 1931 in Berlin geboren. Er besuchte das Jakob-Grimm- Gymnasium in Rotenburg an der Fulda und studierte in Frankfurt am Main von 1952 bis 1960 Geschichte, englische und klassische Philologie sowie Soziologie und Philosophie. Neben den Philosophen und Soziologen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gehörten Helmut Viebrock (Anglistik) und Otto Vossler (Geschichte) zu seinen wichtigsten akademischen Lehrern.
Von 1956 an war er bereits als Lehrbeauftragter bei Theodor W. Adorno am philosophischen Seminar tätig, wo er 1960 promovierte. In den Jahren 1964-1972 machte er sich zunächst an der Volkshochschule in der Erwachsenenbildung und später durch seine kenntnisreichen und stilistisch ausgefeilten Kollegs als Lehrbeauftragter der Frankfurter Akademie der Arbeit einen Namen, bis er 1972 den - zwischenzeitlich von Jürgen Habermas besetzten - Lehrstuhl für Philosophie und Soziologie von Max Horkheimer an der Johann- Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main übernahm. Auch nach seiner Emeritierung 1999 lehrte Alfred Schmidt an seiner Universität Philosophie mit einem kaum vergleichbaren Reichtum historischer wie auch sachlicher Fragestellungen. Gastvorträge führten ihn während seines akademischen Lebens oftmals im Rahmen der Goethe-Institute mehrfach in nahezu jedes europäische Land sowie in die USA, nach Russland und in die Türkei. 1989 wurde Alfred Schmidt die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt verliehen. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Volker Hauff, würdigte in seiner Laudatio bei dieser Gelegenheit Schmidt als einen „der großen Denker unserer Stadt“, und dass es dem „einstigen Schüler von Max Horkheimer und Theodor W. Adornos [...] maßgeblich zu verdanken [ist], daß die von den beiden begründete Tradition der berühmten Frankfurter Schule bewahrt und mit zeitgerechter Akzentgebung weitergeführt wird“. Das wissenschaftliche Werk von Alfred Schmidt habe „weit über den Hochschulraum hinaus prägende Wirkung in allen gesellschaftlichen Bereichen“ (Persönliche Aufzeichnung von Klaus-Jürgen Grün).

Der Stil seiner Lehrveranstaltungen und Publikationen, in denen er sich als profunder Kenner der englischen, der deutschen sowie der französischen Aufklärung, des deutschen Idealismus, aber auch der gesamteuropäischen Religionsphilosophie und ihrer Geschichte ausweist, lassen Alfred Schmidt als einen maßgeblichen Philosophen der europäischen Philosophie erscheinen. Dieser fächer- und nationenübergreifende Charakter des philosophischen Werks tritt besonders in seinen Arbeiten zur Geschichte des Materialismus her vor. Wie kaum ein anderer Gelehrter der Gegenwart war Alfred Schmidt nicht nur in der Lage, die Geschichte des Materialismus von der Antike bis in die Neuzeit zu erfassen und in glänzender Sprache darzustellen, sondern auch die damit verbundene Frage nach dem substanziellen Fundament der Welt in ihrer Bedingtheit durch den jeweils historisch gültigen Entwicklungsstand der Gesellschaft im europäischen Raum zu sehen. Zu seinem Rang als einem an der Geschichte der Philosophie arbeitenden und zugleich nach vorne blicken den Denker der Philosophie Europas trägt auch sein Festhalten an den Gemeinsamkeiten der von Nation zu Nation unterschiedlich gefassten Grundpositionen der Aufklärung und religiösen Toleranz bei. Auf die Frage nach dem Fortwirken von Aufklärung und religiöser Toleranz in Europa antworten einschlägige Publikationen von Schmidt, dass man zwar aus dem bestehenden Zustand der Gegenwart nicht eine bessere Welt oder einen besseren Menschen ableiten könne, dass aber wohl eine andere Welt denkbar ist, deren Verwirklichung ein immerwährender Prozess bleiben soll. Das Denken des Philosophen Alfred Schmidt wollte vor Fundamentalismen und nationalstaatlicher Überheblichkeit bewahren, ohne auf eine würdigende Darstellung der großen philosophischen Positionen in der Geschichte der europäischen Philosophie verzichten zu müssen. Im Zusammenfuhren der vielfältigen geistigen Strömungen in der Philosophie beherrschte es Schmidt gleichwohl, den poetischen Aspekten und der Kunst sowie den abseits vom jeweils herrschenden akademischen Hauptbetrieb liegenden Sonderwegen durch geduldige Einfühlung philosophisches Gewicht und Lebendigkeit zu verleihen.

Seit 1978 war Alfred Schmidt Freimaurer und Bruder der Loge „Zur Einigkeit“ in Frankfurt am Main. In den 80er-Jahren prägte er durch sein Amt als Großredner die „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“; in den 90ern bildete er als Präsident einen neuen Charakter der Akademie des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus von Deutschland, deren Obersten Rat er bis zuletzt angehörte. In den zehn Jahren vor seinem Tod zog er sich aus seinen Ämtern zurück, unter anderem auch aus der Forschungsgesellschaft Quatuor Coronati, deren Mitglied er die meiste Zeit seiner maurerischen Arbeit war.

1998 ernannten ihn seine Brüder für seine Verdienste um die Freimaurerei und die Loge „Zur Einigkeit“ zum Ehrenmeister.

Der Veröffentlichung seiner persönlichen Lebensumstände hat Alfred Schmidt niemals größere Aufmerksamkeit gewidmet. Sein Anspruch als Philosoph war es, dass das Individuelle hinter dem wissenschaftlich Plausiblen zurückzutreten habe. In den Jahrzehnten seiner produktivsten Schaffenskraft hat er selten eine persönliche Zueignung in seinen Büchern formuliert, und wenn, dann stets auf das akademische Umfeld bezogen. Eines seiner Schopenhauerwerke ist - lateinisch verfremdet - „in memoriam Max Horkheimer“ gewidmet, seine „Emanzipatorische Sinnlichkeit“ veröffentlicht er „Für Julius Schaaf“. Erst seine letzte größere Publikation löst die strikte Trennung zwischen Wissenschaft und Privatleben auf, indem er die Zusammenstellung all seiner Schopenhauerarbeiten in Tu gend und Weltlauf seiner zweiten Frau widmet mit den Worten „Für Ingeborg Strauss“. Es gehört zum Verständnis dessen, was Alfred Schmidt als Wissenschaft ansah, dass sie eine strikte Trennung zum Privatleben erfordere, ja, dass der Wissenschaftler eigentlich kein Privatleben habe. In seiner Arbeit hat er keine Spuren seiner früh geschiedenen Ehe, aus der ein in seinem zwanzigsten Lebensjahr verstorbener Sohn hervorging, hinterlassen. Die se Radikalität hat Schmidt zuletzt nicht aufrechterhalten können. Denn zum Erhalt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit trug in erheblichem Ausmaß Ingeborg Strauss bei.

Werk

Als Alfred Schmidt in den 50er-Jahren in Frankfurt am Main studierte, war die Welt der deutschen Bundesbürger buchstäblich in Ordnung. Die Rollen im Haushalt waren klar verteilt, Vollbeschäftigung des Mannes war fast garantiert, einen Volkswagen konnte sich fast jeder leisten, und so richteten sich die Bürger auf den Wohlstand ein. Er brachte etwas hervor, was früher in der breiten Masse nahezu unbekannt war: Freizeit. Und diese Freizeit begann vor allem die Jugend in großen Zügen zu genießen. Es ist kein Wunder, dass sehr bald ein Interessenkonflikt zwischen der Generation der Eltern und ihrer jugendlichen Kinder auftrat. Im Erlebnis ihrer Freizeit - mit Motorroller, Rock´n‘ Roll, unbekümmertem Konsum oder radikalem Konsumverzicht - wirkten die ans bürgerliche Erwerbsleben angepassten Eltern wie ein mächtiger Störfaktor.


Das Leben der Jugend in den 60er-Jahren war begleitet vom großen Unverständnis der Generation ihrer Eltern. In dieser Zeit - weit vor den Unruhen der 68er-Generation - verfasste Alfred Schmidt seine Dissertation „Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx“. Während seine akademischen Lehrer - Horkheimer und Adorno - nur grobe Kenntnisse des Gesamtwerkes von Karl Marx hatten und nur eine rudimentäre Ahnung vom Sprengstoff, der sich darin befand, widmete sich Alfred Schmidt geduldig und mit philologischer Genauigkeit dem Gesamtwerk. Das hatte zuvor noch niemand an einer deutschen Universität unternommen. Alfred Schmidt wurde durch seine Dissertation auf Aspekte der Marxschen Lehre aufmerksam, die nicht nur der Auslegung des Sowjetmarxismus widersprachen, sondern später vor allem der Jugend Westdeutschlands das Gefühl der Überlegenheit gegenüber dem Establishment vermittelten. Hierzu gehörten insbesondere die Analyse des Tauschwertes von Waren und die damit verbundene Entfremdung des Menschen von sich selbst.

Indem Alfred Schmidt 1967 seine deutsche Übersetzung von Herbert Marcuses „One-dimensional Man“ („Der eindimensionale Mensch“) bei Luchterhand veröffentlichte, stellte er damit der deutschen intellektuellen Jugend eines der wichtigsten amerikanischen Bücher der 60er-Jahre zur Verfügung. Das Buch trug nicht unwesentlich zur Protesthaltung der sogenannten 68er-Generation bei. Das Buch erklärt nach wie vor, wie sich unter „der Herrschaft eines repressiven Ganzen [...] Freiheit [...] in ein mächtiges Herrschaftsinstrument verwandeln“ lässt (Marcuse 1967, S. 27). Die Warengesellschaft erscheint dabei als die Ursache der Entfremdung des Menschen von sich selbst. Denn statt sich dem Menschlichen zu widmen, umgeben Menschen sich mit toten Gegenständen, deren Besitz zwar den Reichtum der Produzenten vermehre, aber das Seelenleben der in einen Kaufrausch ge lockten Individuen verkümmern lasse: „Die Menschen erkennen sich in ihren Waren wie der; sie finden ihre Seelen in ihrem Auto, ihrem HiFi-Empfänger, ihrem Küchengerät. Der Mechanismus selbst, der das Individuum an seine Gesellschaft fesselt, hat sich geändert, und die soziale Kontrolle ist in den neuen Bedürfnissen verankert, die sie hervorgebracht hat“ (Marcuse 1967, S. 29).

Zugleich eröffnete der eindimensionale Mensch einen Blick auf die Verwandtschaft zwischen der Lehre von Marx und Engels mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Während in ersterem die Macht des Kapitals die Herrschaftsverhältnisse stabilisiere, führe in letzterem die Unterdrückung unbewusster Triebe im Individuum zu einem falschen Bewusstsein. Marcuses Analysen brachten die These hervor, dass die Strukturen der repressiven Gesellschaft auf ähnliche Weise als eine Krankheit zu diagnostizieren seien wie die Psychosen und Neurosen eines Menschen, der durch Verdrängung und Unterdrückung seiner Triebwünsche in seiner Persönlichkeit gestört ist. Die nun aufkeimende Vorstellung von Freiheit entwickelte sich zu einer Bewegung, in der die junge Generation sich von jeder Art Triebunterdrückung zu befreien versuchte. Aus ihrer Sicht gehörte das Bewusstsein der Väter- und Müttergeneration zu der falschen Auffassung vom Menschen, als einem funktionierenden Automaten, der die Welt um sich herum so falsch einrichte, wie es der psychischen Struktur seiner entfremdeten Persönlichkeit entspricht. Es ist nicht schwer zu verstehen, wie sich aus dieser Wandlung des Bewusstseins einer ganzen Jugend neue Wertvorstellungen bildeten, die sich um Selbstverwirklichung, Bedürfnislosigkeit, Ungebundenheit sowie Freiheit von allem bewegten.

Verstärkt wurde die Bewegung durch die am Frankfurter Institut für Sozialforschung betriebene systematische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Hegel und Marx. Wieder trug Alfred Schmidt dazu bei, dass diese Forschungen mit aktuellen Betrachtungen Herbert Marcuses bereichert wurden. Seine Übersetzung von „Reason and Revolution“ („Vernunft und Revolution“) stellte den deutschen Intellektuellen die Neuinterpretation der Sozialphilosophie Hegels vor, worin der Vorwurf, Hegel sei in erster Linie der reaktionäre „preußische Staatsphilosoph“ gewesen, seine Schärfe eingebüßt hatte.

Hegel wurde insofern zu einem Vorläufer der Revolutionsidee - wie Marcuse zeigen konnte als es Hegels eigentliche Absicht gewesen sei, Staat und Gesellschaft auf einer vernünftigen Basis zu reorganisieren. In gleicher Weise wie die Lehre von Marx zielte er auf die Übereinstimmung der gesellschaftlichen und politischen Institutionen mit der Freiheit und dem Interesse des Individuums. Marcuses detaillierte Interpretation des Hegelschen Systems der Philosophie, in der die Stufe der Natur und der Naturforschung als der Zustand der Konkurrenzgesellschaft aufgefasst wird, diente ihm zur Erklärung der Vision einer klassenlosen Gesellschaft, in der der vollendete Humanismus zugleich der vollendete Naturalismus sei (vgl. Marcuse 1972, S. 169 f.).

Wirkungsvoller noch als in der Dissertation Schmidts tritt in „Vernunft und Revolution“ die Konzeption von „Arbeit“ in den Marx’schen Frühschriften hervor. „Der seinem Produkt entfremdete Arbeiter ist zugleich sich selbst entfremdet“, lautet es in der Übersetzung Schmidts. „Seine Arbeit selbst wird nicht länger zu seiner eigenen. Die Tatsache, daß sie zum Eigentum eines anderen wird, verrät eine Enteignung, die ans innere Wesen des Menschen rührt. In ihrer wahren Form ist die Arbeit ein Medium wahrer Selbsterfüllung des Menschen, der vollen Entwicklung seiner Anlagen; die bewußte Ausnutzung der Naturkräfte sollte zu seiner Befriedigung und Lust stattfinden. In ihrer gegenwärtigen Form verkrüppelt sie jedoch alle menschlichen Anlagen und befiehlt Zufriedenheit“ (ebd.). Es kommt folglich dazu, wie Marcuse mit Marxens Worten herausstellt, dass ,„der Mensch (der Arbeiter) nur mehr in seinen tierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen [...] sich als freitätig fühlt und in seinen menschlichen Funktionen nur mehr als Tier. Das Tierische wird das Menschliche und das Menschliche das Tierische’. Dies gilt gleichermaßen für den Arbeiter (den expropriierten Produzenten) wie für denjenigen, der seine Arbeit kauft“ (Marcuse 1972, S. 245). Dieser Prozess der Entfremdung beeinträchtige schließlich alle Schichten der Gesellschaft.

Der Mechanismus, Herrschaft zu festigen durch Tabuisierung der Sinnlichkeit, führte bereits Marcuse auf die Anthropologie Ludwig Feuerbachs, der zufolge die primären Quellen der Freiheit und des Glücks auf dem sinnlichen Dasein des Menschen beruhen. Alfred Schmidt arbeitete diesen Gedanken in seinen Feuerbachstudien weiter aus und bereicherte die in Hegel, Marx und Freud liegenden philosophischen Grundlagen der Kritischen Theorie der Gesellschaft der Frankfurter Schule in den 70er-Jahren um eine weitere Säule. Es war Schmidt stets wichtig, dass Feuerbach mit seiner philosophischen Entdeckung des Leibes den Weg in eine vollkommen neue Philosophie gewiesen hatte. Die bei Hegel aus geprägte untergeordnete Rolle der Natur wird in Feuerbachs Anthropologie - wie Schmidt betont (Schmidt 1973, S. 95) - neu bewertet. Im Leib sein, heißt in der Welt sein, fasste er die Grundthese Feuerbachs zusammen (vgl. Schmidt 1973, S. 123). Wir müssten demnach fest damit rechnen, dass es keine andere Daseinsweise für uns Menschen gibt als das Da sein in diesem unserem Leib.

Doch der Wunsch nach Unsterblichkeit oder Wiedergeburt werde dadurch nicht sinnlos. Vielmehr sei durch diese These erstmals der eigentliche Sinn von Religion erfasst. Sie stamme nämlich aus den Wünschen und Ängsten der endlichen Menschennatur. Nur in der Vorstellung der Unsterblichkeit ist demnach für die Menschen auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung die Endlichkeit des Daseins zu ertragen. Während theistische Religionen das Sein des Menschen stets ausgelagert hatten in das Sein des Gottes, bedeutet die Forderung Feuerbachs, den Sinn des Menschen nicht anderswo zu suchen als im Menschen selbst - also eine Form der Befreiung aus der Entfremdung. Systematisch wird Sinnlichkeit hierdurch als eine den Prozess der Befreiung begleitende Kategorie aufgebaut.

An anderer Stelle hebt er diesen Gedanken einer verändernden Praxis der Anthropologie Feuerbachs deutlicher hervor: „Es gilt daher, ein der neugewonnenen Unmittelbarkeit des Menschen gemäßes Prinzip zu finden; denn, so nur befreien wir uns von dem Widerspruch unseres Lebens und Denkens mit einer diesem Leben und Denken von Grund aus widersprechen den Religion’“ (Schmidt 1985, S. 9).

Religionsphilosophie als Ideologiekritik, könnte man den Grund des Interesses an Religionsphilosophie nennen, der Alfred Schmidt in den 80er-Jahren zunehmend in das Studium der Geschichte der Philosophie der Aufklärung zog. Insbesondere die auch von Max Horkheimer geschätzte Mitleidsethik Arthur Schopenhauers gewann auch für Schmidt Bedeutung hinsichtlich einer Hauptströmung der Philosophie, deren wichtigstes Bestreben es ist, die bestehenden Verhältnisse ideologisch zu verklären. Schopenhauer, alles andere als ein Marxist oder Sozialist, erklärte vom Standpunkt einer empirischen Metaphysik aus die Welt zum Jammertal. Es komme nicht darauf an, das Sein dogmatisch als das Gute zu vergolden. Vielmehr möge der Mensch die Erkenntnis aushalten, dass das Dasein unlösbar verquickt sei mit Leiden. Nur wer sich daher in asketischer Weltverneinung übe, erlebe die bedingte Freiheit des Menschen, der sich der Herrschaftsform des Egoismus für Momente zu widersetzen vermag.

In Schopenhauer sah Schmidt, wie schon zuvor sein akademischer Lehrer Horkheimer, insofern einen Verbündeten, als auch er erkannte, dass die bürgerliche Welt nicht - wie Marx das glaubte - durch eine Revolution abzuschaffen sei. Mit Schopenhauer war ein Standpunkt gewonnen, der es erlaubte, ohne die Erwartung eines Heils radikal die bestehenden Verhältnisse abzulehnen. So bildete sich eine Vorstellung von einer offenen Gesellschaft, in der stets die Erwartung zu pflegen sei, dass es auch anders sein könnte, als es ist.

Diese neue Haltung der Kritischen Theorie, stets bereit zu sein anzuerkennen, dass es auch anders sein könnte, und das andere nicht deswegen das Schlechtere sein müsse, l es das andere ist, beinhaltete eine aus der Aufklärung gewonnene Vorstellung von Toleranz. Sie ist mit Schopenhauer geradezu zu einer modernen Form des Widerstands geworden. Widerstand heißt jetzt nicht Machtkampf oder Revolution, sondern Verweigerung der Zustimmung zum Establishment und offene Erwartung des Besseren. Wenngleich wir die Welt mit unserem Tod so schlecht hinter uns lassen werden, wie wir sie bei unserer Geburt angetroffen haben, so bedeutet dies nicht, dass wir diese Zustände auch für „gut“ im moralischen Sinn halten müssen.

Wer diese Geisteshaltung abwehrt mit dem bloßen Hinweis, sie sei aber pessimistisch, hat den bescheidenen, aber wirkungsvollen Optimismus der Toleranz nicht verstanden. Indem wir das Bestehende nicht als die letzte Antwort auf die Frage nach dem Möglichen und dem Besten anerkennen, öffnen wir unsere Erwartung auch für dasjenige, was sich unserer Vorstellungskraft bislang entzogen hatte. Wir hören auf damit, unsere eigenen Vorstellungen zu wichtig zu nehmen und gewinnen den Standpunkt, der uns das Interesse am anderen - sei dies ein Mensch oder dessen Vorstellung von der Welt - öffnet. Dies nämlich ist der Grundsatz der Schopenhauerschen Willensmetaphysik, die Alfred Schmidt stets fordernd aussprach: „Die Welt ist meine Vorstellung.“ Und dieser erste Satz in Schopenhauers Hauptwerk verwandelt sich in dem Moment in die Forderung nach weltanschaulicher Toleranz, wenn wir erkennen, dass er auch bedeutet: Die Welt ist deine Vorstellung, sie ist die Vorstellung eines jeden anderen; und sogar Schopenhauers Pudel hatte eine Vorstellung von der Welt. Es gibt keinen moralischen Grund, dass wir andere Menschen töten oder auch nur verachten, weil sie eine andere Vorstellung von der Welt haben. Selbst der Ideologe und der Dogmatiker sind nicht deswegen zu verachten, weil sie eine andere Vorstellung von der Welt haben, sondern nur deswegen, weil sie mit Macht und repressiven Methoden andere zwingen wollen, ihre eigene Vorstellung, die sie für die allein gültige halten, gegen Kritik zu immunisieren.

Religionsphilosophie als Ideologiekritik bedient sich für Alfred Schmidt dieses Standpunkts der Toleranz. Seine Rezeption der historischen Bibelkritik, die ihren Höhepunkt erreichte, als Alfred Schmidt zum Mitbegründer des religionsphilosophischen Forschungsinstituts an der Frankfurter Goethe-Universität wurde, machte ihn aufmerksam auf die Widersprüche, die dogmatische Systeme in sich selbst erzeugen. Ihn beschäftigte es deswegen besonders, dass die Kritik am dogmatischen Wahrheitsgehalt der christlichen Religionen aus den Reihen der Gottesgelehrten selbst stammte.

Im Zentrum der religionsphilosophischen Forschung stand für Alfred Schmidt neben Ludwig Feuerbach die Entstehung des englischen Deismus, dessen Entwicklung Schmidt synchron mit der Ausbildung der humanitären Freimaurerei verfolgte.

„Verbindet sich ursprünglich mit der Idee einer natürlichen Religion lediglich die Absicht, verschiedene Ansprüche auf Offenbarung zu prüfen und zwischen ihnen zu entscheiden“, schreibt Schmidt in einer Festschrift für Herbert Vorgrimmler, „so wird bald deutlich, daß hier ein epochales Problem von erheblicher Tragweite vorliegt. Es entsteht, wie Troeltsch dargetan hat, die Aufgabe, das Verhältnis von natürlicher Religion und Offenbarung in seiner geschichtlichen Bestimmtheit darzustellen“ (Schmidt 1994, S. 201). Der Deismus ziele von Anbeginn an auf eine einheitliche Behandlung und Erklärung aller Religionen und schaffe damit die Grundlage der modernen Religionsphilosophie. Insbesondere bezieht sich Schmidt auf die Autoren im Gefolge der von John Locke (1632-1704) ausgesprochenen Forderungen an den vernünftigen Umgang mit Fragen der Religion und seiner Abwehr jeder Form des Aberglaubens, wie Herbert of Cherbury (1581-1648), John Toland (1670-1722), Anthony Collins (1676-1729), Matthews Tindal (1656-1733), Charles Blount (1654-1693). Einen radikal freidenkerischen Standpunkt, der Vernunft als einzige Grundlage aller Gewissheit betrachte, erkannte Schmidt in Tolands Schriften. Dort fehle jede formelle Autorität christlicher Offenbarung.

Der letzte Grund des Glaubens sei vollständig in die Vernunft verlegt. „Diese hat es auch auf religiöser Ebene mit einfachen und faßbaren Gründen zu tun“, betont Schmidt, „nicht mit unverständlichen, blind hinzunehmenden Mysterien“ (Schmidt 1994, S. 298). Natürliche und christliche Religion werden dadurch identisch miteinander.

„Beide Male geht es um einen geistig-moralischen Gottesdienst, der frei ist von Wahn und Aberglaube.“ Der Tolands Vernunftreligion innewohnende Agnostizismus verbindet Schmidt mit der für das Programm einer humanitären Freimaurerei verbindlichen Idee von Toleranz: „Keiner, der Andersgläubige mit Feuer und Schwert verfolgt, darf sich absoluter Gotteserkenntnis rühmen“ (Schmidt 1994, S. 298).
Im Verhältnis des Toland’schen Pantheismus zur positiven Religion offenbare sich eine deutliche Parallele zur freimaurerischen Geistesart, wie Alfred Schmidt an anderer Stelle hervorhebt. „Es entsteht unter Pantheisten, so Toland, kein Zwist, wenn ein Bruder sich öffentlich zu einer nicht völlig falschen, überall verbreiteten Lehre bekennt. Falls jedoch die tradierte, durch Gesetze geheiligte Religion, ganz oder teilweise lastervoll wäre, z. B. grausam oder unzüchtig, tyrannisch oder freiheitsfeindlich, dann haben die Genossen das Recht und die Befugnis, sich unverweilt der milderen, reineren und feineren zuzuwenden. Sie wahren sich mit aller Entschiedenheit nicht nur die Denkfreiheit, sondern auch die Freiheit im Handeln, wobei sie alle Zügellosigkeit verabscheuen, und sind geschworene Feinde aller Tyrannen, ob sie nun Monarchen oder Despoten, oligarchische Optimaten oder anarchische Despoten seien4“ (Schmidt 2003, S. 213).

Die Ablehnung aller Offenbarung und allen Aberglaubens beruhe auf einer erstmals konsequent durchgeführten Orientierung des Denkens an Naturforschung. Was im Universum Newtons, zu dessen Verfechter auch der dritte Großmeister der 1717 gegründeten Großloge von England und Präsident der „Royal Society“ Jean Theophile Desaguliers gehörte, konsequent ist, ist die einheitliche Welterklärung. „Aus dem deistischen Zeit geist heraus interpretiert Desagulier den Newtonschen Gott als, Urbaumeister, dem aller menschliche Aufbau nacheifert“ (Schmidt 2014).

Deismus wird auf diese Weise untrennbar mit dem Anspruch einer Naturphilosophie verbunden, in der nur Natürliches zur Erklärung des Ganzen heranzuziehen ist. Das Gesetz, nach dem die Himmelskörper sich bewegen, ist kein anderes als dasjenige, das auch die irdischen Verhältnisse bestimmt. Humanitäre Freimaurerei fügt sich für Alfred Schmidt nahtlos an das deistische Weltbild an, indem sie auf eine natürliche Welterklärung zielt. Es gibt nichts Übernatürliches. Alles ist Natur.

Kaum ein zweiter Begriff wurde so zentral für das Denken Alfred Schmidts wie der Begriff der Natur. Schon mit seiner in zahlreiche Weltsprachen übersetzten Dissertation - „Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx“ - grenzte Alfred Schmidt einen humanitären Naturbegriff deutlich ab von einem mechanistischen Naturbegriff. Spätestens seit Marx ist Natur stets als das Material und das Resultat menschlicher Arbeit zu verstehen. Aber dieses Material entzieht sich auch vielfach seiner Verwertung durch den Menschen. Im Vorwort zur Neuauflage seiner Dissertation in den 90er-Jahren fügte Alfred Schmidt eine neue Perspektive zum Blickpunkt seiner 30 Jahre zuvor entstandenen Doktorarbeit. Dass „alle gesellschaftliche Vermittlung der Natur’ die ,naturhafte Vermittlung der Gesellschaft’ voraussetzt, ist vielleicht erst heute im vollen Bewußtsein der Implikationen aussprechbar. Bei jedem Schritt’, so Engels in der Dialektik der Natur, werden wir [...] daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht - sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, [...] ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können. Deshalb sollten wir uns vor der Illusion hüten, im Sozialismus werde die Menschheit sich souverän über die Natur erheben.

Deren noch so große Beherrschung, bemerkt hierzu Max Adler, beseitigt nicht ,die Naturabhängigkeit [...] der gesellschaftlichen Erscheinungen’; sie ändert bloß die Form, worin sie sich durchsetzt. Wohl ,verschiebt’ sich der ,Natureinfluß’ im Verlauf der Geschichte. ,Aber diese Verschiebung bedeutet kein Aufhören, ja nicht einmal eine Verminderung der Abhängigkeit des Menschen von den Naturfaktoren. Im Gegenteil, gerade Marx hat darauf hingewiesen, daß mit der Fortentwicklung der Beherrschung der Naturkräfte gleichsam die Breite der Berührung des Menschen mit der Natur wächst und daß er selbst in der Herrschaft über die Natur um so mehr in Abhängigkeit von ihr gerät’“ (Schmidt 1993, S. X).

Dass der Standpunkt der Natur eine normative Kraft ausbilden kann, die sich nicht an den herrschenden akademischen Formen einer Moralphilosophie orientieren muss, hatte Schmidt nicht zuletzt in seiner Studie Goethes herrlich leuchtende Natur dargelegt. Es waren die verschiedenen Ansichten des pantheistischen Naturbegriffs aus Spinozas Lehre, die Goethe ein Leben lang beschäftigt haben. Indem Spinoza nicht mehr unterschied zwischen Natur und Gott, beginnt für Goethe ein Zeitalter der Naturfrömmigkeit, in dem die alte Leibfeindlichkeit des christlichen Offenbarungsglaubens überwunden scheint. Natur erweist sich in der Goethezeit als eine Kategorie der Befreiung des Menschen aus den Fesseln repressiver institutioneller Macht.

Alfred Schmidt nannte Goethe aufgrund seiner empirisch-ästhetischen Vorgehensweise einen „naturforschenden Pantheisten“ (Schmidt 1984, S. 74). Goethes spinozistisch verstandene Natur sollte - anders als die Natur in Kants Vernunftkritik - etwas unabhängig vom Menschen Existierendes sein. Weil sich in ihr jedoch Geist und Materie vereinigten, stellte Goethe sich auf der anderen Seite der mechanistischen Naturauffassung der französischen Materialisten entgegen. Der Hauptmangel des mechanischen Materialismus liege darin, „daß er einen unbestimmten Begriff der Natur dogmatisch voraussetzt, indem er die se reduziert auf die mechanisch bewegte, in Zahlen und Zahlenverhältnissen erscheinende Körperwelt“ (Schmidt 1984, S. 70). Ein qualitatives Naturbild eroberte sich Raum gegen über dem quantitativen Naturbegriff der Mechanik einerseits und gegenüber dem passiven Naturbegriff des Offenbarungsglaubens andererseits, der Natur als eine vom göttlichen Geist geschaffene und erlösungsbedürftige Größe ansah.

Während Schmidts Beschäftigung mit Goethe wesentlich geprägt war von der Frage, wie sich im Pantheismus ein Weg von der Natur zu einem allgemeinen Gottesverständnis eröffnete, verfolgte er in einer bislang unveröffentlichten Studie (vgl. Schmidt 2014) über die deistischen Wurzeln der Freimaurerei den Weg vom Sittengesetz zum Gottesverständnis. Für die freimaurerische Forschung ist diese Studie von besonderem Interesse. Setzt sie nicht nur die Studien Alfred Schmidts über den Deismus als der Religionsphilosophie der Aufklärung fort, sondern festigte auch das bereits von Bernhard Beyer, dem Begründer der deutschen Quatuor Coronati, aufgeklärte Dunkel eines vermeintlich christlichen Ursprungs der neuzeitlichen Freimaurerei durch eingehendes Quellenstudium. Die genannte Studie „Religionsphilosophische Wurzeln und Aspekte der Freimaurerei“ zeichnet das Bild einer spezifisch durch Aufklärung geprägten Religionsphilosophie (im Folgenden zum Teil wörtlich in: Grün 2013, S. 23 ff.). Ihre Entstehung ist untrennbar von der Entstehungsgeschichte der Freimaurerei. Es sei „hinreichend belegt, dass die Freimaurerei an diesem intellektuellen, das Selbstverständnis der Aufklärung konstituierenden Prozess nicht nur beteiligt ist, sondern eine ihrer wichtigen Organisationsformen bildet.“ Daher begegneten sich Freimaurerei und Aufklärung im rationalen Denkansatz, aus dem sich die Gemeinsamkeit ihrer Ziele ergab. „Beide entstehen auf dem Geschichtsboden Westeuropas.

Hier wie dort gilt das primäre Erkenntnisinteresse dem Menschen und sei ner höheren Bestimmung. Er ist Bezugspunkt und Zentrum4allen Bemühens. Unablässig fragen Aufklärer und Freimaurer, oft in einer Person, nach der Natur und Aufgabe des Menschen, der seine Anlagen als selbstdenkendes und eigenverantwortliches Individuum entfalten soll. Es gilt, davon sind sie überzeugt, die gesellschaftliche Wirklichkeit, kraft vernünftiger Erkenntnis, moralischer Verantwortung und ästhetischer Sensibilität einzurichten4“ (ebd.). Mit Rudolf Vierhaus fasst Alfred Schmidt die weltanschauliche Kongruenz von Aufklärung und Freimaurerei in folgenden Kernpunkten zusammen: „Ablehnung der exklusiven Inanspruchnahme des Menschen für eine Nation, einen Staat, eine Religion und einen Stand; Betonung der prinzipiellen Überlegenheit der moralischen Persönlichkeit über die Zugehörigkeit zu Staat, Konfession, Stand; Glaube an ein Gemeinsames aller Menschen vor ihrer Partikularisierung im praktischen Leben; Aufruf zur religiösen Toleranz: das gehörte zum Programm auch der Aufklärung und ist in zahllosen Variationen immer wie der vorgetragen worden, und nicht selten waren es dieselben Personen, die als Aufklärer und als Freimaurer sprachen. Sie richteten sich weitgehend an dasselbe Publikum, und sie meinten, dieselben Gegner zu haben“ (ebd.).

Die Autoren des englischen Deismus seien stets bemüht gewesen, Vernünftiges von Aberglauben zu trennen und die weitaus ältere Gültigkeit des Christentums - also älter als die Lehre Jesu Christi, wenn es überhaupt eine solche geben sollte - zu begründen. Nicht die Selbstauslegung der Worte der Evangelisten, sondern allein die Berufung auf das ausschließlich ethisch-moralische Interesse des Christentums könne diese Religion rechtfertigen. „Zweck aller Religion ist von Anbeginn die Moralität, das heißt ein Handeln, das sich im Einklang mit der ,immerwährenden Verbindlichkeit der ,Natur der Dinge weiß, oder aber im sittlich Gebotenen den Willen Gottes vollstreckt. Beide Male orientieren die Menschen sich an einer ihnen von Gott auferlegten ,Regel, deren Befolgung seiner Ehre und dem Gemeinwohl dient. Da wir davon ausgehen müssen, daß Gott ,zu allen Zeiten gewollt hat, daß die Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen sollten, müssen wir die natürliche Religion als die ,allervollkommenste betrachten; sie ist allgemein und unveränderlich und hat ihren Ursprung in »einem unendlich weisen und vollkommenen Wesen, das sie ,von Anfang der Welt für alle Menschen bestimmt hat“ (ebd.). Allein der Anspruch einer natürlichen Religion, könne daher wahre Religion begründen.

Was die „Vorstufen des Systems von 1717“, wie Schmidt die jetzt Gestalt annehmende Epoche des Wandels nennt, betrifft, so treten in ihnen die okkulten Inhalte der hermetischen Gesellschaften des 17. Jahrhunderts zugunsten einer parallel zur fortschreitenden Naturwissenschaft sich entwickelnden symbolisch-allegorischen Form zurück. Dem entspreche kultur- und mentalitätsgeschichtlich die mit der englischen Frühaufklärung anhebende, sich europäisch durchsetzende Tendenz, Religion auf Moral zu reduzieren. Dem schließe sich auch die Pansophie des Comenius’an, die „das (reformatorisch verstandene) Christentum nicht entthronen, sondern vollenden will“ (ebd.).

Religionsphilosophisch von größter Bedeutsamkeit sei das Dokument der freimaurerischen Frühgeschichte: die „Constitutions of the Free-Masons“ des schottischen Presbyterianer-Predigers James Anderson, das Schmidt unter der Mitwirkung von Desaguliers entstanden vermutet. Anderson komme das Verdienst zu, der Freimaurerei die Grundform der Alten Pflichten gegeben zu haben. Schmidt interessiert sich vor allem für den Abschnitt, der von Gott und der Religion zu handeln verspricht.

Dort lautet es in deutscher Übersetzung: „Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bedingungsloser Freigeist sein.

In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Lande zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen. Sie sollen also gute und redliche Männer sein, von Ehre und Anstand, ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie sonst vertreten mögen. So wird die Freimaurerei zu einer Stätte der Einigung und zu einem Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst ständig fremd geblieben wären“ (ebd.). Anderson bleibe allerdings dem Leser die Antwort schuldig, was er unter „Gott“ und „Religion“ versteht, und was er mit jener „Religion“ meint, „in der alle Menschen übereinstimmen“. Schmidt vermutet, dass „Gott“ hierbei nicht mehr nur als Verursacher, sondern auch als Lenker und Erhalter aller Dinge gelten soll.

Was aber den meisten Freimaurern - vor allem jedoch den Ideologen einer fundamentalistisch-christlichen Auslegung dieser Textstelle - entgeht, klärt Schmidt im Folgenden auf. „Zur recht verstandenen ,Kunst*, worunter Anderson - zunächst - die Lebenskunst des Freimaurers versteht, gehört es, dem ,Sittengesetz* zu gehorchen; befolgt er es, so wird er weder ein ,engstirniger Gottesleugner* noch ein ,bindungsloser Freigeist* sein. Bemerkenswert ist, daß Anderson hier der aufklärerischen Religionsphilosophie insofern einen neuen, Kant vorwegnehmenden Akzent verleiht, als er den Weltbaumeister nicht dogmatisch als höchsten moralischen Gesetzgeber einführt, sondern, umgekehrt, in der Verbindlichkeit des zu befolgenden moralischen Gesetzes die Annahme der Existenz eines Welturhebers enthalten sieht. Es handelt sich hier, bemerkt Anderson im VI. Abschnitt, um eine ,allgemeine Religion*, die Maurer aller ,Völker, Zungen, Stämme und Sprachen* vereinigt. Nach den heftigen religionspolitischen Konflikten des siebzehnten Jahrhunderts verbieten sich für Anderson Streitgespräche über Religion, Nation oder Politik*“ (ebd.). Es kann demnach keine Rede davon sein, dass Andersons Constitutionenbuch die Freimaurerei eindeutig auf den Boden der Lehre Christi stelle und den Grundgedanken des Humanitären gar nicht andeute. Schmidt stimmt mit den Autoren überein, die sahen, dass das Gegenteil der Fall ist: Zuerst steht bei Anderson der Bezug auf die humanitäre Sittlichkeit, und von da aus weist er einen Weg zur Religion.

Schmidt ist nun bemüht zu zeigen, wie die vom Freimaurerorden bis heute gepflegte Verfälschung zustande gekommen ist. Seine Ausführungen sprechen für sich und sind hier ausführlich wiedergegeben:

Anderson und der Ausschuß der Vierzehn, die seinen Text prüfen und billigen, orientieren sich an der Religiösen Normalwahrheit (Troeltsch) des im damaligen England unter den Gebildeten weitverbreiteten Deismus. Dieser ist als Zeitströmung und Inbegriff verschiedenster Deismen zu verstehen - nicht als starres, absolut verbindliches System. Fraglos bildet die aufklärerische Denkweise den weltanschaulichen Hintergrund der modernen Freimaurerei. Das heißt jedoch nicht, wie von Gegnern und Anhängern unterstellt wird, daß Anderson beabsichtigt habe, den neuen Bund auf den Deismus einzuschwören und die Großloge in ,eine Art deistische Kirche zu verwandeln. Als gläubiger Calvinist der Presbyterianischen Kirche war Anderson kein Deist im philosophischen Sinn, wohl aber als Angehöriger einer religiösen Minderheit bereit, einen deistischen Mitbruder zu tolerieren.

Im übrigen ist daran zu erinnern, daß die ,natürliche Religion nach deistischer Ansicht das Christentum nicht etwa verneint, sondern dessen vernunftgemäß geläuterte Form darstellt. Für Tindal etwa, dessen Werk Christianity as old as the Creation als Summe deistischer Religionsphilosophie gilt, liegt die Differenz natürlicher und geoffenbarter Religion nicht im Inhalt, sondern darin, wie der Mensch ihn begreift. Hieran knüpft nun Mellor die Behauptung, der Deismus der Constitutions von 1723 sei ein ,theistischer4 Deismus, den er, einigermaßen künstlich, gegen den philosophischen Deismus der Aufklärung abzugrenzen sucht. Betrachten deren Wortführer Gott als bloßes ,Minimum, so wird er Mellor zufolge im ,theistischen Deismus ,siegreich bejaht; er ist hier ,keine bloße Abstraktion, sondern wahrhaft das Alpha und Omega, von dem die Schrift spricht.

Andererseits entspringt Mellors innerchristlich-ökumenische Interpretation des Dokuments von 1723 keineswegs nur apologetischen Interessen. Sie ist sachlich insofern berechtigt, als der Andersonsche Text dem Wortlaut nach weit über das durchschnittliche Selbstverständnis der Zeitgenossen hinausgeht. Berücksichtigt man die damaligen Umstände, so dürften wohl die Pastoren Anderson und Desaguliers und die Brüder der Londoner Großloge unter ,der Religion, in der alle Menschen übereinstimmen, eine Auffassung des Christentums verstanden haben, die sich erhebt über die Unterschiede seiner katholischen, protestantischen oder presbyterianischen Version. Deutlicher noch tritt dieser christliche Hintergrund schon der Alten Pflichten hervor in einem 1735/36 in Paris entstandenen, nur archivarisch vorliegenden Text unter dem Titel ,Les devoirs enjoints aux matpons libres’(,Die für Frei maurer verbindlichen Pflichten’).

Mellor zögert nicht, das nahezu unbekannte Dokument als ,Bekenntnis zu einer christlichen Freimaurerei zu bezeichnen. Es ersetzt den nackten Deismus Andersons (besser vielleicht: des Andersonschen Wortlauts, A.S.) durch eine »Neueinfügung, die ausdrücklich der ,Institution der Freimaurerei einen ,christlichen Charakter zuerteilt. Spricht Anderson von jener Religion, ,in der alle Menschen überein stimmen, so ist im französischen Dokument nur noch von der ,Religion die Rede,,derje der Christ zustimmt. Die Konsequenz dieser Änderung ist für Mellor offensichtlich: ,Der gemeinsame Hauptnenner ist nun nicht mehr ein transzendenter und persönlicher Gott, sondern vielmehr das Ewige Wort, die zweite Person der Dreifaltigkeit, Christus selbst.

Mellor nennt hier den entscheidenden Gesichtspunkt. Unübersehbar ist der christozentrische Grundzug der sich als »christlich verstehenden Freimaurerei. Diese ist hervorgegangen aus der im achtzehnten Jahrhundert in die freimaurerische Ritualistik eindringenden Vorstellungswelt mittelalterlicher Ritterorden. Die dabei entstehenden, auf den Johannisgraden basierenden Systeme münden ein ins Positiv-Christliche, das heißt in die Glaubens gewißheit, daß sich Gott auf absolute Weise offenbart habe in der Person und Lehre Christi. Damit geht einher, daß die Rituale etwa des Freimaurer-Ordens geradezu liturgisch-kirchlichen Charakter annehmen. Sie verstehen, in klarem Gegensatz zur humanitären Maurerei, die Bibel nicht im allgemein-moralischen, sondern im spezifisch-dogmatischen, auf über natürliche Offenbarung und Erlösung abzielenden Sinn.

Den historischen Rang des französischen Dokuments erblickt Mellor darin, daß es die frühe ,Möglichkeit einer christlichen Freimaurerei belegt. Von Anbeginn, vollends aber seit der (mit dem Methodismus einsetzenden) religiösen Erneuerung Englands und ihres wachsenden Einflusses auf die Freimaurerei sei diese, so lautet Mellors These, „reif dafür gewesen, ,von dem theistischen Minimum Andersons zu echt religiösen Begriffen [...] zurückzukehren. Die Neutralität der Constitutions, ,die keine Absage an die Religion beinhaltet, müsse nicht für immer ,mit der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche unvereinbar bleiben. An den wohlmeinenden Absichten des renommierten Historikers ist nicht zu zweifeln. Er übersieht jedoch den metareligiösen Status der Freimaurerei, deren ursprüngliche Lehrart, wie sie sich auf der Grundlage der Alten Pflichten herausgebildet hat, ihrem Selbstverständnis nach keine positive Religion ist oder verkündet. Gegenstand der humanitären Freimaurerei ist die materielle und vor allem moralische Perfektibilität des Menschen, nicht sein ewiges Heil. Der transzendente, theologischer Festlegung entzogene Sinn-Hintergrund freimaurerischer Arbeit wird durch die irdischen Ziele des Bundes keineswegs beeinträchtigt. Es muß daher bei Andersons ,Minimum bleiben, wobei dessen ,theistische von Mellor (aus zeitgeschichtlichen wie aktuell-theologischen Gründen) vor geschlagene Interpretation nichts an der triumphalen Wirksamkeit des deistischen Wortlauts ändert. Der universelle Anspruch von 1723 verbietet es, dogmatische Inhalte irgendeiner positiven Religion in den freimaurerischen Ritualbestand einzubeziehen (Schmidt 2014).

Mit dieser Auskunft verstärkt Alfred Schmidt Konturen der humanitären Freimaurerei, die Bernhard Beyer in einer kleinen Broschüre „Das Fundament der Freimaurerei aus dem Jahr 1947 dem Bund der humanitären Freimaurerei vorgelegt hatte. Zwar findet sich diese Broschüre im Nachlass Alfred Schmidts, doch ist es ungewiss, ob er sie rezipiert hat, da sie mit keinem Wort in seinem Text erwähnt wird.

Bernhard Beyer, der Gründer der Quatuor Coronati Bayreuth, führte bereits ein halbes Jahrhundert vor Alfred Schmidt das dogmatische Selbstverständnis der Großen Landesloge des Freimaurerordens auf Unkenntnis und Verfälschung der von Anderson geschaffenen Fakten zurück.

So bezieht er sich unter anderem auf Ferdinand Runkel in seiner „Geschichte der Freimaurerei in Deutschland“ und schreibt: „Er stellt dort nämlich die Behauptung auf, nur das könne der Sinn der Alten Pflichten sein, daß sie auf das Christentum vor der konfessionellen Scheidung’ auf die ,reine Lehre des Meisters von Nazareth’ zurückgehen wollten. An anderer Stelle versteigt er sich sogar zu dem Satze: ,Es kann heute als sicher feststellend angenommen werden, daß mit dieser Wendung (nämlich mit der ,Religion, in der alle Menschen übereinstimmen’. B.) nur die christliche Religion gemeint sein könne.’ [...] Auch bei Runkel sucht man vergeblich nach Beweisen. Er stellt einfach frank und frei die Behauptung auf, daß seine diesbezügliche Ansicht ,als sicher feststehend’ angenommen werden könne. Und dabei muß er als Geschichtsschreiber doch sehr wohl wissen, daß fünf Millionen Freimaurer in der ganzen Welt anderer Ansicht sind wie er“ (Beyer 1947, S. 9).
Noch einmal einhundert Jahre älter ist eine Publikation von Georg Kloß, einem angesehenen Bruder der Frankfurter Loge „Zur Einigkeit“. Anhand der seinerzeit in England, Schottland und Nordamerika erschienenen Dokumente sieht Kloß die eindeutige Zuordnung der Position Andersons und damit der gesamten humanitären Freimaurerei zum auf geklärten Religionsbegriff. „Also das Sittengesetz und gesellige Tugenden sind der Gegenstand, auf welchen der Meister einer zu installierenden englischen Loge verpflichtet wird“ (Kloß 1844, S. 5), folgerte bereits Kloß aus den Quellen und fügte hinzu: „Wir können somit in diesen beiden Abfassungen der Gesetze der Freimaurer in England und in der großen Loge des Staates New York in Nordamerika, die beiden voneinander anscheinend abweichenden Redactionen der ursprünglichen Altgesetze vom Jahre 1723 und 1738 vergleichen; beide aber stimmen in Einem Puncte völlig überein, daß sie zur Aufnahmefähigkeit eines Suchenden nichts als dessen Glauben an Einen Gott verlangen, und ihm die Weise seiner Gottesverehrung überlassen. Beide stimmen zugleich darin überein, daß sie das Sittengesetz als Princip der Freimaurerei aussprechen“ (Kloß 1844, S. 8).

Während Bernhard Beyer in seiner Schrift anhand neuerer Veröffentlichungen des Freimaurerordens die Unhaltbarkeit ihrer Selbstauslegungen offenlegte, und Georg Kloß die zeitgemäßen Interpretationen der Andersonschen Schriften vorstellte, gelangt Alfred Schmidt in seinen geistesgeschichtlichen Studien zum gleichen Ergebnis, indem er eine detaillierte Darlegung der Geistesgeschichte vorlegt, in welcher die Entwicklung der humanitären Freimaurerei im Kontext der Entstehung einer Religionsphilosophie der Aufklärung hervortritt. Hierdurch werden Beyers und Kloß’ Positionen durch ein historisch-kritisches Fundament ergänzt und verstärkt.

Wirkung

Als wegweisender Freimaurerforscher ist Alfred Schmidt nicht zuletzt durch seine Mitwirkung an den „Standpunkten und Ansichten 2000“, die die Brüder der Frankfurter Loge „Zur Einigkeit“ als Wegweiser für die humanitäre Freimaurerei am Vorabend zum 21. Jahr hundert verfasst haben, in Erscheinung getreten. Viele der dort dokumentierten Thesen lassen die Geisteshaltung Alfred Schmidts erkennen. Die das Frankfurter Dokument einleitenden Abschnitte überfuhren die Ergebnisse der Forschung zur Religionsphilosophie der Aufklärung und ihres Einflusses auf die Verfassung der Freimaurerei in einen praktisch politischen Kontext.

  • 1) Philosophische Ideen und Systeme weltanschaulicher oder religiöser Art, die mit unanfechtbaren Gründen alleinige Verbindlichkeit beanspruchen können, gibt es nicht.
  • 2) Freimaurerei ist keine Religion. Sie hat kein Dogma. Weder verspricht sie irdische Vorteile noch gebietet sie Moral um jenseitiger Hoffnung willen. 

  • 3) Eine inhaltliche und endgültige Definition des »Großen oder Allmächtigen Baumeisters aller Welten gibt die Freimaurerei nicht: sie überläßt dem einzelnen Freimaurer seine eigene Deutung des letzten Sinnhintergrundes der Welt. Gleichwohl hat die Freimaurerei Bezüge zur Religion. Auch sie berührt den Menschen, wo Religion ihn erfaßt: in seiner Sehnsucht nach dem ,Ganz-Anderen’. Statt jedoch diesen metaphysischen Aspekt theologisch zu deuten, fordert sie die Menschen auf, sich gemeinsam mit der Freimaurerei den diesseitigen Aufgaben der Menschheit zu stellen.“

Literatur

1. Primärliteratur

  • Schmidt, Alfred / Heinz Thoma (Hg.). Der unvollendete Bau. Beiträge zur Freimaurerei, Eigenverlag der Frankfurter Loge Zur Einigkeit, Frankfurt a. M. 1992.
  • Schmidt, Alfred. Artikel. Natur, in: Goethe Handbuch, hg. von Bernd Witte, Theo Buck, Hans-Dietrich Dahnke und Peter Schmidt, Bd. IV/2, Stuttgart 1998.
  • Schmidt, Alfred. Das Erbe des englischen Deismus, in: Matthias Lutz-Bachmann (Hg.), Und dennoch ist von Gott zu reden. Festschrift für Herbert Vorgrimler, Freiburg - Basel - Wien 1994.
  • Schmidt, Alfred. Das Erbe des englischen Deismus, in: Und dennoch ist von Gott zu reden (Festschrift für Herbert Vorgrimler), hg. von Matthias Lutz-Bachmann, Freiburg 1994. Schmidt, Alfred. Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, Neuauflage, 4. mit einem
  • neuen Vorwort versehene Auflage, Berlin 1993.
Schmidt, Alfred. Emanzipatorische Sinnlichkeit. Ludwig Feuerbachs anthropologischer
  • Materialismus, München - Wien 1973 (2. Auflage 1988).
Schmidt, Alfred. Geschichte des Materialismus (unveröffentlichtes Manuskript).
Schmidt, Alfred. Giordano Bruno als Wegbereiter eines spekulativen Materialismus, in:
  • Giordano Bruno, Über die Ursache, das Prinzip und das Eine, Stuttgart 1986, *Nachwort.
Schmidt, Alfred. Goethes herrlich leuchtende Natur. Philosophische Studie zur deutschen Spätaufklärung, München-Wien 1984.

  • Schmidt, Alfred. John Tolands Pantheisticon: Freimaurerische Bezüge, in: Michael Fischer, Marita Gilli, Manfred Jochum und Anton Pelinka (Hg.), *Aufklärung, Freimaurerei und Demokratie im Diskurs der Moderne. Festschrift zum 60. Geburtstag von Helmut Reinalter, Frankfurt am Main - Wien 2003, S. 209-228.
  • Schmidt, Alfred. Religionskritik als Religionsphilosophie im Werk Ludwig Feuerbachs, in: Matthias Jung, Michael Moxter, Thomas E. Schmidt, Religionsphilosophie, Würzburg 1999.
Schmidt, Alfred. Entstehungsgeschichte der humanitären Freimaurerei. Deistische Wurzeln und Aspekte, hg. von Thomas Forwe und Klaus-Jürgen Grün, Leipzig 2014. Schmidt, Alfred. Schopenhauer und der Materialismus, in: Drei Studien über Materialismus, München 1977.

2. Ausgewählte weiterführende Sekundärliteratur und Hilfsmittel

  • Beyer, Bernhard. Das Fundament der Freimaurerei, Krefeld 1947. Feuerbach, Ludwig. Anthropologischer Materialismus (Ausgewählte Schriften), hg. und eingeleitet von Alfred Schmidt, 2 Bde., Frankfurt - Berlin - Wien 1985.

  • Grün, Klaus-Jürgen. Alfred Schmidts Bekenntnis zur humanitären Freimaurerei, in: Jahrbuch der Freimaurerischen Forschungsgesellschaft Quatuor Coronati, Jahrgang 2013.
  • Kloß, Georg. Über die Unstatthaftigkeit des Versuchs, ein positives Christenthum in die Freimaurerlogen hineinzuziehen, Vortrag, gehalten am Mittwoch, 6. März 1844, in geöffneter Meisterloge der Ger. und Voll. Loge zur Einigkeit zu Frankfurt am Main (Archiv der Loge Zur Einigkeit, Frankfurt am Main. Mit freundlichem Verfügbarmachen durch Hans Koller).
  • Marcuse, Herbert. Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, aus dem Amerikanischen von Alfred Schmidt, Darmstadt/Neuwied 1967.

  • Marcuse, Herbert. Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie, aus dem Amerikanischen von Alfred Schmidt, Darmstadt/Neuwied 1972.





Biographie

Quelle: Wikipedia, Artikel dort: „Alfred Schmidt“

Alfred Schmidt (* 19. Mai 1931 in Berlin; † 28. August 2012 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph. Er gilt als „Pionier einer undogmatisch-emanzipatorischen Marx-Rezeption“.

Alfred Schmidt 2011 bei seinem Achtziger; ein Jahr vor seinem Tod.

Alfred Schmidt studierte Geschichte, Englische und Klassische Philologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, später Philosophie und Soziologie. Der Schüler von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno kam aus einfachen Verhältnissen. Schmidts Vater war Mechaniker, was einen spürbaren Gegensatz zu dem kaufmännischen (Horkheimer) bzw. intellektuellen Familienhintergrund (Adorno) seiner Lehrer darstellte. Im überlieferten Briefwechsel „ist gelegentlich abschätzig von ‚unserem Schmidt‘ die Rede, der für subalterne Aufgaben einzusetzen sei wie ehedem Knechte und Mägde auf Gutsherrensitzen“, schreibt Rudolf Walther in der taz.

1960 wurde Alfred Schmidt mit einer Arbeit über den Begriff der Natur bei Karl Marx promoviert, die „ein neues Kapitel der Marx-Rezeption“ aufschlug.[2] In 18 Sprachen übersetzt, wurde sie „zu einem der meistgelesenen Bücher in der europäischen Protestbewegung“ der 1960er- und 1970er-Jahre. 1972 wurde Schmidt Professor für Philosophie und Soziologie an der Universität Frankfurt als Nachfolger von Jürgen Habermas auf dem Lehrstuhl von Max Horkheimer. Seine „Donnerstagsvorlesung war in den 80er Jahren legendär und zog auch viele Fachfremde an“. 1999 wurde Schmidt emeritiert, hielt aber weiter Vorlesungen.

Die Hauptforschungsgebiete von Alfred Schmidt waren die Kritische Theorie der Frankfurter Schule, Geschichte des Materialismus, Religionsphilosophie, Freimaurerforschung, Ludwig Feuerbach und Schopenhauer. Ferner wurde er als Übersetzer englischer und französischer Schriften tätig.

Alfred Schmidt war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und Ehrenmitglied der Schopenhauer-Gesellschaft. Er gehörte der Frankfurter Freimaurerloge Zur Einigkeit an. Im Jahre 1989 wurde ihm die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main und 1998 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Seinen beruflichen Nachlass erhielt im November 2012 das Archivzentrum der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg der Goethe-Universität Frankfurt am Main, darunter zahlreiche Korrespondenzen, Manuskripte, elektronische Unterlagen von drei überlieferten Rechnern und seine umfangreiche Privatbibliothek (260 laufende Meter, rd. 8.000 Bücher) in über 600 Umzugskisten. - Der freimaurerische Nachlass Alfred Schmidts liegt im Archiv der Loge Zur Einigkeit in Frankfurt am Main. Als Nachlassverwalter hat Alfred Schmidt testamentarisch Klaus-Jürgen Grün eingesetzt.

Bücher

  • Der Begriff der Natur in der Lehre von Karl Marx. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1962, DNB 454388497.
  • Geschichte und Struktur. Fragen einer marxistischen Historik. Hanser, München 1971, ISBN 3-446-11504-8.
  • Emanzipatorische Sinnlichkeit. Ludwig Feuerbachs anthropologischer Materialismus. Hanser, München 1973, ISBN 3-446-11652-4.
  • Zur Idee der Kritischen Theorie. Elemente der Philosophie Max Horkheimers. Hanser, München 1974, ISBN 3-446-11863-2.
  • mit Werner Post: Was ist Materialismus? Kösel, München 1975, ISBN 3-466-40000-7.
  • Die Kritische Theorie als Geschichtsphilosophie. Hanser, München 1976, ISBN 3-446-12201-X.
  • Drei Studien über Materialismus. Schopenhauer. Horkheimer. Glücksproblem. Hanser, München 1977, ISBN 3-446-12460-8.
  • Kritische Theorie, Humanismus, Aufklärung. Philosophische Arbeiten. Reclam, Stuttgart 1981, ISBN 3-15-009977-3.
  • Goethes herrlich leuchtende Natur. Philosophische Studie zur deutschen Spätaufklärung. Hanser, München 1984, ISBN 3-446-14141-3.
  • Die Wahrheit im Gewande der Lüge. Schopenhauers Religionsphilosophie. Piper, München und Zürich 1986, ISBN 3-492-10639-0.
  • Idee und Weltwille. Schopenhauer als Kritiker Hegels. Hanser, München und Wien 1988, ISBN 3-446-15161-3.

Aus dem Frankfurt Personenlexikon

Auszug / Quelle: http://frankfurter-personenlexikon.de/node/4444

Im Oktober 1978 wurde Sch. in die Ffter Loge zur Einigkeit aufgenommen. Am 30.10.1980 reichte er unter dem Titel „Der allmächtige Baumeister als Symbol und Begriff“ seine Meisterarbeit ein und wurde genau einen Monat später von den Vereinigten Großlogen von Deutschland in den Meistergrad erhoben. Er war mehrere Jahre Großredner von Deutschland und veröffentlichte etliche Schriften zur Erforschung der Freimaurerei. Am 6.10.1984 bekam Sch. von der Ffter Großloge das silberne Ehrenabzeichen verliehen, „in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Deutsche Freimaurerei“, wie es in der Urkunde heißt. Am 20.10.1985 erhielt er in Berlin die Silberne Paulskirchen-Medaille. Als Freimaurer wirkte Sch. mit leidenschaftlicher Begeisterung bis zuletzt am Aufbau einer sittlichen Weltordnung mit, die nur im Rekurs auf und im Einklang mit den physiologischen Grundlagen des Menschen zu haben ist. Als Denker wusste er sich in letzter Instanz objektiver Wahrheit verpflichtet und strebte insbesondere als Freimaurer nach Wahrhaftigkeit. Keinesfalls wollte er Okkultismus treiben. Um dies zu erreichen, brachte Sch. auch in diesem Bereich seinen enormen historischen Sinn in die Begriffsarbeit ein und trat von Anbeginn, vor allem aber als Großredner von Deutschland für die Anwendung der etablierten Verfahren der wissenschaftlichen Arbeitsweise im Umgang mit spezifisch freimaurerischen Fragestellungen ein.

Siehe auch

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