Traktat: Tradition und Veränderung in der Freimaurerei
Immer häufiger kann man auf Facebook, in Texten oder Zeichnungen lesen oder hören, dass die Freimaurerei sich verändern muss oder soll. Selbst von der UGLE kommen solche „moderne Ansätze“. Dabei geht es oft um die gleichen Fragen: Sollen wir uns dem Thema gemischte Logen mehr öffnen? Wie zeitgemäß sind die „Alten Pflichten“ ? Nutzen wir die Medien offensiv genug? Sollten wir uns mehr in der Öffentlichkeit positionieren? Ist die Arkan Disziplin überholt, weil sowieso schon alles im Internet zu finden ist? Sollten wir uns nicht von unserer Mysterien Tradition lösen, weil sie nicht mehr in die Zeit passt?
Diese Fragen aufzuwerfen finde ich mehr als vernünftig, denn es gibt kaum ein besseres Mittel sich einer Sache klar zu werden, als sich Fragen zu stellen. In der aufklärerischen Tradition in der wir stehen, ist es nur folgerichtig, dass wir uns und den Bund immer wieder von Zeit zu Zeit in Frage stellen und überlegen, was wir verbessern können, denn „wer nicht mit der Zeig geht, geht mit der Zeit“, heißt es nicht ganz zu unrecht.
Als ein Mensch, der Veränderungen liebt und sich tagtäglich mit digitalem Marketing beschäftigt sollte dies eigentlich eine breite Zustimmung in mir auslösen. Auch ich frage mich manchmal, ob es nicht etwas albern ist, im Zylinder und mit Schurz Sätze zu rezitieren, die vor hunderten von Jahren formuliert worden sind. Auch ich frage mich, welchen Sinn das Arkanum hat, wenn man mittlerweile Zeichen Wort und Griff sowie alle Ritualtexte im Internet nachlesen kann.
Merkwürdigerweise fühle ich diese Zustimmung aber nicht. Vielmehr erzeugt es in mir ein ungutes Gefühl, dass wir vielleicht das Kind mit dem Bade ausschütten könnten. Oder frei nach Goethe: Die Geister, die ich rief, ach ich werd´ sie nicht mehr los.“
Der stärkste Gedanke in mir ist: Lass uns nichts übereilen, denn was kaputt ist, lässt sich nicht wieder aufbauen. Insofern ist es so eine Sache mit dem Ausprobieren. Einmal probiert, gibt es kein Zurück mehr. Veränderungen können einen Vorteil bringen aber eben auch das Gegenteil. Und die wichtige Frage dabei ist, ob die Chance auf eine Verbesserung das Risiko des Untergangs wert ist? So schlecht ist die Freimaurerei zu8r Zeit doch eigentlich gar nicht, oder?
Mit diesem Widerspruch in mir habe ich lange gerungen. Als Ergebnis kann ich vorweg nehmen: Was die richtige Lösung ist weiß ich nicht aber ich bin mir absolut sicher, dass wir sehr sorgfältig vorgehen sollten – Schritt für Schritt und immer wieder neu abwägen. Im Folgenden will ich die einzelnen Vorschläge einmal der Reihe nach durchgehen.
Inhaltsverzeichnis
Gemischte Logen
Das ist so ein Bereich, in dem es gute Möglichkeiten des Experiments gibt. Frauen in allen Logen zuzulassen kann ein Gewinn sein aber so eine Maßnahme beinhaltet auch die Möglichkeit der Entwertung der Logen. Nämlich, wenn sich herausstellt, dass die Arbeit, die königliche Kunst so nicht funktionieren sollte. Frauenlogen zuzulassen und als regulär anzuerkennen dagegen, kann kaum etwas gefährden und bietet die Chance, einen neuen Weg zu gehen. Auch gemischte Logen, in denen Männern und Frauen ausprobieren können, wie es sich anfühlt wären eine Möglichkeit.
Um zu vermeiden, dass bestehende Logen sich in großer Zahl in gemischte Logen umwandeln könnte man dies ggf. auf Neugründungen beschränken, um zu evaluieren, wie es funktioniert. Auf alle Fälle ein Bereich, über den man nachdenken muss, denn so wie in der Arbeitswelt bieten Frauen vielleicht auch für unseren Bund ein großes Potential.
Umgang mit den neuen Medien
Nun, ich glaube, das beherrschen wir schon ganz gut. Facebook Gruppen wie Sub Rosa und die Untergruppen bieten den Brüdern eine wunderbare Möglichkeit, sich auszutauschen. Offene Gruppen bieten auch Suchenden ein Tor zur Freimaurerei. Das Freimaurer WIKI ist ein wunderbares Werkzeug, der Information über freimaurerische Inhalte. Es, gibt berechtigte Kritik an allen Plattformen aber ich bin davon überzeugt, dass das Regulativ der Brüder funktioniert, wenn wir uns über Kritik freuen und uns unserer Verantwortung als publizierende Brüder bewusst sind.
Wir wollen als Bund wachsen und dafür muss man Kontaktfläche Schaffen. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass das Wachstum in der Freimaurerei zwar für den einzelnen der Kern ist aber was die Zahl der Brüder angeht ist es sicher kein Selbstzweck. Wir wollen nicht Brüder um jeden Preis, sondern würdige Bausteine am Tempel der Humanität. Vergessen wir nicht, dass auch das Geheimnisvolle einen Teil der Faszination für den Bund ausmacht. Wenn jeder jederzeit eintreten kann und jeder alles weiß, was passiert, dann könnte von dieser Faszination einiges verloren gehen. So wie das Ritual eine psychologische Wirkung hat, so ist es sicher auch mit dem was die Freimaurerei umgibt. Vielleicht kann man es ganz profan mit einer schönen Frau vergleichen. Eine Frau, die mit schöner Kleidung wesentliche Körperteil verdeckt ist oft viel attraktiver als eine, die sich nackt präsentiert, denn sie strahlt Würde aus und vielleicht etwas unnahbares, etwas, dass noch entdeckt werden kann. Also, seien wir offen, geben wir der Öffentlichkeit, eine Idee aber verraten wir ihr nicht unser Geheimnis, denn wenn es jeder kennt, könnte es uns sehr schnell uninteressant machen.
Werfen wir zum Vergleich einen Blick auf die Gesellschaft. Meine Generation hat viel dazu beigetragen, dass wir alte Werte abgeschafft haben und Reformen gefordert haben, Es erschien uns nicht klug, sich der Religion zu überantworten, Genauso fanden wir moralische Vorstellungen größtenteils als überflüssig. Gegen Regeln haben wir rebelliert und vieles was für unsere Eltern selbstverständlich war haben wir aufgelöst. Damals empfanden wir das als Erfolg. Heute sehe ich das in weiten Teilen anders. Die christliche Religion hat keine wirkliche Bedeutung mehr in der Gesellschaft. Hat uns das geholfen? Oder erschwert es gerade jetzt die Herausforderungen der Zukunft anzunehmen, wie Integration, Erziehung und Ausbildung. Spricht man mit Ausbildern in den Betrieb oder mit Lehrern in den Schulen stellen die bei großen Teilen der Gesellschaft eine starke Konsumentenhaltung fest. Eigenverantwortung und Respekt findet man immer weniger.
Auch im politischen Bereich beobachten wir eine Abkehr von alten Werten und Ideologien. Hat das die Politik besser gemacht? Manch einer wird mir zustimmen, dass alte Protagonisten, wie Brandt, Wehner oder Strauß, bei allen Haken und Ösen aber auch noch Werte und eine Ideologie hatten, die sie nicht bereit waren für die persönliche Karriere zu opfern, Aus den Klassenkämpfern sind Bankvorstände geworden, denen Boni vor Nachhaltigkeit geht. "Stakeholdervalue" hat das verantwortliche Unternehmertum abgelöst, Verantwortung für die Gesellschaft ist kein Wert mehr, „Geiz ist geil „Mentalität greift um sich und Erfolg bekommt mehr Anerkennung als gute Taten oder Selbstlosigkeit. Freizügigkeit führt zu Degenerationen wie Germanys Next Top Model und Castingshows machen das Individuum zur Lachnummer. Hat uns die Aufgabe der alten Werte hier nun freier gemacht, moderner und besser? Ja, es gab auch viele Verbesserungen, mehr Frieden, Toleranz für homosexuelle, Verständnisfür Behinderte, soziale Leistungen und vieles mehr aber die gesellschaftliche Entwicklung lässt durchaus die Frage zu ob ein paar alte Werte, nicht doch heute noch hilfreich wären. Veränderung ist manchmal durchaus auch das Öffnen der Büchse der Pandora und darum bedarf es neben Mut auch immer der Vorsicht.
Auslegung der Alten Pflichten
Die alten Pflichten haben mich als Lehrling etwas erschreckt Irgendwie kam mir das preußisch und überkommen vor. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich für mich verstanden habe, wie klug diese alten Pflichten formuliert sind. Ja, man muss sie immer wieder neu interpretieren, denn sie sind in einem historischen Kontext geschrieben. Bevor man aber in Bausch und Bogen über sie hinweg geht, sollte man ernsthaft prüfen, welcher Sinn, in den Regeln steckt, und welche Botschaft sie heute noch haben können. Für mich sind sie immer noch in weiten Teilen aktuell.
I. von Gott und der Religion Dieses Kapitel macht für mich immer noch Sinn. Wir sind offen für alle Religionen aber Freimaurer sind weise genug zu erkennen, dass es ein höheres Prinzip geben muss, sei es schöpferisch oder allumfassend, sei es göttlich oder die Natur selbst und ihre Prinzipien. Agnostiker zu sein erscheint mir fast folgerichtig als denkender Mensch und auch Atheisten sind erlaubt. Alles kann, nichts muss.
Auch wenn ich selber nicht nachvollziehen kann, wie man die Freimaurerei als vollkommener Atheist goutiert, so liebe ich auch meine atheistischen Brüder. Den Atheismus aber öffentlich nach vorne zu tragen halte ich jedoch für problematisch, denn zum Einen entstehen dadurch unauflösliche Widersprüche und zum anderen spricht man viele Menschen, die sich nach mehr sehnen als nach dem profanen Leben nicht mehr an.
Halten wir es im Sinne der Aufklärung mit den großen Geistern der Geschichte, wie zum Beispiel Pythagoras, Platon, Sokrates, Newton, Goethe, Max Planck, Einstein oder Hawkins, auch die waren bei all ihren Forschungen an Grenzen gestoßen, die eine höhere Macht mehr als wahrscheinlich gemacht haben. Erkennen auch wir unsere Beschränktheit als Menschen an und erkennen wir die Möglichkeiten, die darin verborgen sind.
II. von der Obrigkeit und den nachgeordneten Behörden, Auch hier macht es immer noch Sinn, im Frieden mit der Obrigkeit zu leben. Das verhindert Aktionen gegen den Bund und schützt uns, zum Zankapfel von Interessen zu werden. Es erinnert auch daran, dass des Freimaurers Arbeit nicht primär die Debatte, sondern die Arbeit an sich selbst ist.
III. von den Logen, Unsere heutige Struktur mag befremden aber vergessen wir nicht, dass sie sich historisch gebildet hat und durchaus Sinn macht, um die Vielfalt in der Einheit zu ermöglichen. Mit etwas mehr Toleranz sollte es vielleicht in ein paar Jahren möglichst ein, wieder die Großlogen aufzulösen und alle Lehrarten unter einer Großloge zu vereinigen. Dieser Zeitpunkt ist dann gekommen, wenn wir uns nicht mehr darüber streiten, welche Lehrart die beste ist, sondern versuchen voneinander zu lernen. Jeder der andere Lehrarten besucht merkt, dass das freimaurische Geheimnis durchaus verteilt vorhanden ist und erst das Zusammenführen der Lehrarten das Puzzle vervollständigt. Nur Männer mit gutem Ruf aufzunehmen erscheint mir heute immer noch ähnlich klug, wie eine gewisse Disziplin beim regelmäßigen Besuch der Loge einzufordern.
IV. von Meistern, Aufsehern, Gesellen, und Lehrlingen, Der Weg durch die Grade erscheint mir so basisch, dass wir darüber nicht wirklich diskutieren müssen. Den Ansatz, nicht nach Monaten der Zugehörigkeit, sondern nach der persönlichen Entwicklung zu befördern, sollten wir ggf. wieder ernster nehmen in unseren Logen, bei allen Unschärfen, mit denen das verbunden wäre. Auch glaube ich, dass wir die Brüder wieder mehr anhalten sollen, sich mit freimaurerischen Themen auseinanderzusetzen, insbesondere beim Übergang von einem in den anderen Grad.
V. von Ausübung der Kunst bei der Arbeit, Auch hier kann ich nichts finden, was der Änderung bedürfte, denn die Forderung nach ethisch und moralisch korrekten Verhalten sollte sich jeder Maurer sowieso täglich stellen..
VI. vom Betragen 1) in geöffneter Loge, 2) nach derselben, wann die Brüder noch zusammen sind, 3) wenn Brüder außerhalb der Loge zusammen kommen, ohne dass ein Fremder dabei ist 4) In Gegenwart von Profanen, 5) zu Hause oder in der Nachbarschaft, 6) gegenüber einem fremden Bruder.
In diesen Kapiteln geht es um die Deckung und den brüderlichen Umgang unter den Brüdern sowie das Verhalten in und außerhalb der Loge. Es geht um ernsthaftes betragen in der Loge, darum nicht sinnlos zu schwatzen und andere zu stören. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Demut, all das macht für uns Brüder im Umgang, wo auch immer mehr als Sinn.
Diese Inhalte sind nach wie vor von äußerster Wichtigkeit, denn wie man jede Woche in der Loge und in den Foren erlebt, gibt es genügend Anlässe, die Brüder an die alten Pflichten zu erinnern, damit Brüderlichkeit und Toleranz die Oberhand über Eitelkeit und Besserwisserei gewinnen.
Positionierung in der Öffentlichkeit
„Und gehet hin und bewähret Euch als Freimaurer“ heißt es im Ritual. Das kann jeder Bruder im täglichen Leben tun. Wir sollen als Maurer unsere Stimme erheben, wenn wir Unrecht wahrnehmen. Aber gilt das auch für die Loge oder die Großlogen? Angesichts des Unheils in der Welt ist man versucht, hier laut „ja“ zu rufen. Aber denken wir noch einmal nach. Was würde passieren, wenn wir uns politisch positionieren? Würden wir damit etwas ändern? Oder würden wir nur andersdenkende gegen uns aufbringen. Würden wir nicht auch einfach nur ein Interessenvertreter, den man ggf. versuchen wird anzugreifen, um ihn mundtot oder unglaubwürdig zu machen?
Müssten wir uns nicht, wenn alleine die Moral unser Maßstab des Handelns ist, immer wieder von Frage zu Frage mit anderen Interessenvertretern gemein machen und würden wir auf diese Weise nicht bald alle gegen uns aufgebracht haben? Die Gefahr ist zumindest gegeben.
Liegt nicht die besondere Chance darin, dass wir uns aus der öffentlichen Debatte eher zurückziehen, um eine gewisse Neutralität und ggf. auch damit ein gewisse moralische Überlegenheit zu haben? Wird der Respekt gegenüber den Freimaurern nicht größer, wenn sie anders sind als andere Clubs oder Vereinigungen?
Liegt nicht im eigenen Wirken des Maurers die größere Kraft. Im eigenen Umfeld wirken und Vorbild sein, andere Menschen inspirieren und zu gutem anzuhalten. Das ist etwas dass wir können und worin eine große Kraft liegt. Der Freimaurer soll nicht am Stein des anderen arbeiten sondern an seinem Stein. Das ist das Besondere und das sollten wir uns erhalten.
Arkan Disziplin
Welchen Sinn hat ein Geheimnis, dass schon verraten und veröffentlicht ist? Diese Frage ist schwer zu verantworten. Auch wenn es heute durch das Internet einfacher geworden ist, so bedarf es schon noch Energie alles zu finden. Weniger als früher aber Aufwand ist trotzdem nötig. Wer bereit ist das aufzubringen, der soll auch fündig werden und wenn er klug beraten ist, übt er Selbstbeschränkung, um sich nicht zu viel des Zaubers zu nehmen.
Wir sollten aber zumindest dazu beitragen, dass ihm diese Zurückhaltung gelingen kann. Es macht aus meinem Blick keinen Sinn, alles zu verraten und zu verbreiten. Vor allem weil es mit Sicherheit falsch verstanden wird. Das Erlebnis im Ritual ist ggf. noch psychologisch zu erklären aber auch hier sehe ich Grenzen. Die Vielschichtigkeit und der Dinge, die in den aTempelarbeiten ausgelöst werden. Die hohe Individualität, bei der Resonanz auf die Symbolik können niemals aufgeschrieben werden und das ist auch gut so. Schreiben wir auch darüber, wie groß dieses Erleben ist, machen wir Menschen neugierig auf diese Erfahrung.
Wir müssen heute in Deutschland nicht mehr fürchten, entdeckt zu werden aber doch sollten wir Zeichen Wort und Griff ehren. In anderen Ländern geht es den Brüdern nicht so gut. Vielleicht sollte sogar einmal drüber nachdenken, diesen neu zu gestalten. Das wird nicht einfach, denn sie haben in ihrer Form einen tiefen Bezug zum Ritual aber vielleicht tut sich hier eine Möglichkeit der Veränderung auf.
Lösen von der Mysterien Tradition – Änderungen im Ritual
An diesem Punkt bin ich konservativ. Ich habe viele Bücher über die Rituale gelesen und von Mal zu Mal verstehe ich mehr. Auch mit jedem neu erlebten Ritual öffnen sich mir neue Türen. Zu behaupten, dass sich mir jedes Wort und jedes Symbol erschließt, wäre jedoch maßlos übertrieben. Und ohne hier anmaßend sein zu wollen, würde ich behaupten, dass es den meisten Brüdern ebenso geht.
Daher steht es uns wahrlich nicht wirklich an, nach Veränderungen zu rufen oder Dinge zu streichen, die vermeintlich nicht mehr zeitgemäß sind oder die einzelnen Brüdern nichts mehr sagen.
Alleine wenn man sich einmal meditativ in die Geometrie des Teppichs versenkt stellt man fest, welche Zusammenhänge hier von Pythagoras über die Kabbala zur Neurologie zu erkennen sind. Man erkennt wie alles im Ritual irgendwie einen Sinn ergibt, wie Inhalte aus alten Traditionen und Religionen zusammen wirken. Wenn auch nicht im Detail verstanden, so doch als Anmutung wahrgenommen. Hier Dinge herauszustreichen kann nur falsch sein, denn wie schnell verändert man nicht nur den einen Satz sondern erzeugt Unstimmigkeiten an ganz andren Stellen.
Es ist wie eine komplizierte mathematische Formel, bei der man aus einem x ein y macht. Eine winzige Veränderung von einem kleinen Strich aber die Formel lässt sich nie wieder lösen.
Nur wenn man von sich behauptet, dass ganze Ritual in seiner ganzen Tiefe erfasst zu haben, wäre man überhaupt befähigt, Veränderungen vorzunehmen. Nach meiner Erfahrung sind es selten die Brüder, die sich jahrelang mit dem Ritual, den Mysterien, Geometrie und Philosophien auseinandergesetzt haben, die Veränderungen vornehmen wollen sondern eher die, deren Zugang ein oberflächlicherer ist. Man darf nicht die Abschaffung des Alphabets fordern, bevor man schreiben kann. Davon bin ich überzeugt. Ja, unsere Rituale sind von Menschen gemacht und auch die waren nicht frei von Fehlern. Wir sollten es aber beim jetzigen Status der Unvollkommenheit belassen und es nicht verschlimmbessern.
Wenn wir das tun, dann sollte es eine lange Diskussion geben, die nicht nur in den Ritualkommissionen stattfindet sondern auch öffentlich im Bruderkereis zur Diskussion gestellt werden, um zu sehen, ob nicht ggf. ein Bruder noch mehr weiß.
In der Geschichte wurde viel gestrichen und verändert, weil es nicht wirklich verstanden wurde. Dieser Gefahr sollten wir begegnen und uns bei dem Wunsch etwas zu streichen oder umzuformulieren, immer selber fragen, was denn da in uns so resoniert und diesen Impuls auslöst. Oft ist es etwas, was wir selbst verdrängen und das wäre die schlechteste Motivation. Für die gesamte Bruderschaft, etwas zu nehmen, nur weil ich mich selbst unwohl fühle aus Gründen, die nur in mir zu finden sind, das wäre nicht richtig. Je vehementer für solche Änderungen gestritten wird desto wahrscheinlicher ist so eine Schattenproblematik, denn der Bruder, der in sich ruht freut sich über jede Herausforderungen und nutzt sie zur Selbstreflektion.
Uns von den Mysterien Traditionen zu lösen erscheint mir ähnlich absurd, wie als wenn sich ein Heimatverein von seiner Heimat lösen möchte. Natürlich ändern sich die Aktivitäten und vielleicht auch die Mitglieder aber man kann Historie nicht verleugnen. Die Freimaurerei ist ein Initiationsbund. Ihre Wurzeln führen weit über die Renaissance und das Mittelalter hinaus und diese Tradition sollten wir lebendig halten.
Auch wenn bestimmte hermetische Einflüsse heute in der Masse der Freimaurerei keine große Bedeutung mehr haben so sollten wir es für die Brüder bewahren, denen genau dies der Kern des Bundes ist. Diese Inhalte schaden uns nicht, denn wir werden dadurch nicht wirklich zu „Spinnern“ in der allgemeinen Rezeption. Das Wissen um unsere Herkunft hilft uns aber viel vom Brauchtum zu verstehen und es ist auch etwas, was in der Öffentlichkeit bewusst oder unbewusst Respekt auslöst.
Die Vielfalt ist es, die es den unterschiedlichsten Menschen ermöglicht, ihren eigenen individuellen Weg in der Freimaurerei zu gehen. Man kann auch mit drei Fingern an einer Hand greifen aber mit fünf geht es besser. Warum also sollen wir uns ohne Not Finger abschneiden. Auf Dauer schwächen wir uns mit jedem Inhalt, den wir beerdigen.
Umgangsformen
Diese sind sicher nicht mehr so im Trend. Und für außenstehende mag es sicher vielleicht lächerlich wirken, wenn sie uns mit Schurz und Zylinder dort sehen. Und doch, mir gibt es ein erhabenes Gefühl. Ich liebe das besondere, das mich abhebt vom Alltag. Ich möchte nicht, wie in anderen Ländern in Arbeits- oder Freizeitkleidung im Tempel sitzen. Ich möchte eine "Anderswelt", in der ich frei bin vom Alltag, in der ich mich ganz auf das Ritual konzentrieren kann. Ich möchte den Respekt vor dem GBAW und den Brüdern zeigen.
Auch die Höflichkeit in der Loge und im Umgang mit den Brüdern. Die Tugenden, Ja selbst die von mir anfangs nicht geliebte Hierarchie ist mir wichtig. Als jemand der im profanen Leben eine Führungsposition hat, war es für mich ein wichtiger Lernprozess, wieder Lehrling zu sein. Wenn man anfängt, die Regeln aufzuweichen, dann ist es nicht weit davon, dass man sich dem profanen Verhalten angleicht. Insbesondere Stillschweigen vor dem Betreten der Loge ist für mich eine Tugend, die nicht aufgeweicht werden kann, denn ein „bisschen Schweigen“ geht nicht.
Wir sollten uns diese Umgangsformen erhalten denn auch wenn man sie im profanen Leben kaum noch findet so sind sie nicht nur sichtbarer Ausdruck unserer Haltung sondern auch ein wertvolles Erziehungsinstrument auf dem Weg zum behauenen Stein.
Wenn wir etwas verändern wollen, dann ist es das was wir eigentlich gar nicht haben dürften: unsere Dogmen. Wir diskutieren viel darüber was regulär ist und was nicht, welche Logen man besuchen darf und in welchen logen man Mitglied sein dar, wo und wie man angenommen wird usw. Es braucht Gesetze auch in der Freimaurerei aber bei der Auslegung sollten wir immer wieder an das denken, was uns eigentlich ausmacht. Toleranz, Brüderlichkeit, Selbsterkenntnis, Offenheit.
Aus dieser Brille sollten wir uns über jeden Bruder freuen, der viele Lehrarten besucht. Dadurch verliert er nichts sondern gewinnt neue Eindrücke. Er findet immer neue Puzzleteile, aus denen er sein Freimaurerisches Puzzle erstellen kann. Freuen wir uns also über jeden neugierigen Bruder, der um sich schaut und aufsaugt, was er kriegen kann. Ermutigen wir ihn, damit er anderen Brüdern ein Beispiel ist. Es gibt keinen Grund uns vor Doppelmitgliedschaften in unterschiedlichen Großlogen zu fürchten.
Freuen wir uns auch über Fragen in der Loge. Seien wir ehrlich, wenn wir die Antwort nicht wissen, Verweisen wir nicht auf spätere Grade sondern lieber an belesenere Brüder, ggf. auch in anderen Logen. Seien wir auch frei von Neid und Furcht und freuen wir uns über die Brüder, die schneller zu mehr Erkenntnis kommen. Es ist gut so, denn die Freimaurerei ist ein individueller Weg und kein Wettrennen.
Die Veränderung der Gesellschaft wirkt sich natürlich auf die Brüder aus. Die Anforderungen aus der Berufswelt sind heute oft höher als früher. Abendtermine, allzeit erreichbar sein und ein geändertes Rollenverständnis bringen vor allem junge Väter oft an ihrer Grenzen.
Bei allen Herausforderungen des Alltags, gepaart mit unendlichen Ablenkungsmöglichkeiten durch die neuen Medien und hundert Fernsehkanäle fällt es manchmal schwer, sich abends für die Loge zu entscheiden. Damit müssen wir umgehen, denn Beruf und Familie gehen vor, auch wenn das heute andere Auswirkungen hat als in den 50er oder 60er Jahren. Hier bedarf es sehr wohl Änderungen im Umgang. Denn wenn wir das nicht respektieren, werden wir vielen Männern das Leben in der Loge unmöglich machen.
Und auch deshalb glaube ich an die Bedeutung der Inhalte und der Tradition. Jemand, der sich abends für die Loge entscheidet, der sucht heute mehr als früher nach einem Mehrwert. Und der liegt in der Andersartigkeit, der liegt in der brüderlichen Atmosphäre, der liegt aber auch in der Auseinandersetzung mit geistigen Themen, mit Philosophie, mit Kunst und für manch einen auch mit Religion oder den Mysterien. Es sind suchende, die zu uns kommen und für die soll es auch etwas zu finden geben.
Fazit
Eine Gemeinschaft muss sich in den Kontext von Gesellschaft setzen. Und das geht nur, indem sie sich hinterfragt. Eine Gemeinschaft, die bewusst auf alten bewährten Werten aufbaut muss dies aber anders tun, als eine Partei oder ein Fußballverein. Ja wir sollten anerkennen, dass die Rahmenbedingungen der Brüder sich verändert haben. Und wir sollten immer wieder prüfen, was wir als Brüder durch gute Öffentlichkeitsarbeit erreichen können. Wir sollten unseren Umgang miteinander überprüfen und wir sollten auch schauen, wie wir mehr Brüder erreichen können. Wir sollten aber dabei immer im Kopf haben, dass es viele Richtungen in der Freimaurerei gibt und genau darin eine große Stärke liegt. Würden wir alles auf den kleinstmöglichen Nenner zusammen streichen, würde nicht viel überbleiben und wir würden schnell zu einem Männerklub mit Kostümierung verkommen.
Seien wir stolz auf unsere aufklärerische Tradition und schätzen wir unsere Wurzeln in den alten Mysterien. Seien wir modern aber erhalten wir uns die Traditionen, die vielleicht altmodischer anmuten mögen aber vielleicht doch ein Impuls für die Gesellschaft sein können. Manches mag moderner sein, als wir es uns selber heute vorstellen können. Vor allem aber machen wir uns mehr Gedanken über uns selbst. Jede Minute in der ich mich mit der Kritik an unserem Bund und den Traditionen verbringen, habe ich keine Zeit, diese Traditionen zu verstehen, meinen Horizont zu erweitern, in dem ich die Symbole studiere oder ein Ritual erlebe. Jeder Augenblick des Streits ist verloren für ein gutes Buch oder eine Meditation. Lenken wir uns nicht von uns selbst ab, beschäftigen wir uns nicht mit dem Splitter im Auge Anderen sondern lieber mit unserem eigenen Balken.
Freimaurerei heißt am eigenen rauen oder rohen Stein zu arbeiten. Davon sollten wir uns nicht abhalten lassen durch Debatten, Versammlungen und Konvente. Darin liegt die Kraft der Freimaurerei und der eigentliche Sinn unseres Bundes.
Seien wir anders als die profane Welt.