Traktat: Künstliche Intelligenz und die Entwicklung der Menschheit

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Ein Vortrag im Rahmen einer Instruktionsloge in der 3WK Loge "Zum silbernen Schlüssel" im Orient Bremen vom 22.3.2018

Geliebte Brüder alle! Dieser Tage hören wir aller Orten von der „Künstlichen Intelligenz“. Diese Errungenschaft des technischen Fortschritts gibt mir Anlass zu folgender Reflexion.

Worum handelt es sich? Im technischen Sinne wird eine große Datenmenge, die unstrukturiert Informationen über einen bestimmten Bereich der Reali- tät enthält, verwendet, um ein Computermodell zu trainieren. Nach erfolg- reichem Training ist der Computer befähigt, in dem trainierten Bereich ei- genständig die gewünschte Schlussfolgerung zu treffen oder Handlung aus- zulösen.

Dieses Vorgehen unterscheidet sich von der herkömmlichen Programmie- rung eines Computers dadurch, dass der Betreiber keine kausale Befehls- kette vorgibt, deren Sinn er erkennt. Der Computer gewinnt diese Regeln selbst, durch Betrachtung der Daten. Dem Betreiber sind die gewonnen Re- geln nicht zugänglich. Er kann lediglich testen, ob die Schlussfolgerungen in der Regel seinen Erwartungen entsprechen.

Grundsätzlich ist es möglich, die Funktionalität des Programmes sowohl auf konventionelle Weise als auch durch die Methoden der künstlichen Intelli- genz zu bewirken. Die Methode der künstlichen Intelligenz benötigt jedoch drastisch weniger menschlichen Arbeitseinsatz als die konventionelle Pro- grammierung. Im Kern handelt es sich somit lediglich um einen weiteren Fortschritt der Wissenschaft und Technik, welcher die Arbeitsproduktivität der Softwareentwicklung drastisch erhöht.

Dieser Fortschritt hat Anwendungen ermöglicht, die Fähigkeiten erfordern, die auch Menschen haben: Bildererkennung, Spracherkennung, Spracher- zeugung, Robotik (Handeln) und schließlich Lernen und Schlussfolgern. Diese Anwendungen weisen gegenüber den konventionellen Programmen hinsichtlich Lernfähigkeit, Fehlertoleranz und Robustheit gegenüber uner- warteten Eingaben eine deutlich höhere Qualität auf.

Zieht man die biologische Definition von Intelligenz bei Tieren heran – komplexes Benehmen, Anpassung an Veränderungen und lange Abfolgen von angemessenem Verhalten – können diese Anwendungen als „intelli- gent“ bezeichnet werden. Kommen wir von diesen staunenswerten Erfolgen des Fortschritts zum Kern der Entwicklung zurück: Der Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Was ist hierunter zu verstehen? Arbeitsproduktivität ist das Verhältnis der Aus- bringungsmenge zur benötigten Arbeitszeit. Das logische Ende der Ent- wicklung ist eine beliebige Ausbringungsmenge ohne Arbeitseinsatz. Dies bedeutet, dass alle Güter und Dienstleistungen, die die Menschen für ihr Leben wünschen, von Maschinen erstellt werden, ohne dass hierfür menschliche Arbeit eingesetzt wird.

Dieser Zustand ist nicht erreicht und wird während unserer Lebenszeit auch nicht erreicht werden. Jedoch sind schon die heute entwickelten Ver- fahren und Maschinen geeignet, für alle Menschen auf dem Erdenrund ein gutes Auskommen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass ein Leben im Man- gel, wie es tatsächlich die Mehrzahl der Menschen führt, nicht auf fehlende Ressourcen oder technische Fähigkeiten zurückzuführen ist, sondern auf die Unfähigkeit der Mehrzahl der Menschen, sich so zu organisieren, dass die Ressourcen und technischen Fähigkeiten ihre Wirkung entfalten kön- nen.

Weiter ist es schon heute so, dass nicht einmal die Mehrheit der Menschen arbeiten müssten, um diesen Zustand zu erreichen. 2017 wurden in Deutschland 60 Mrd. bezahlte Arbeitsstunden geleistet. Dies sind 8% der 724 Mrd. Stunden, die das Jahr für die 83 Mio. Inländer hatte. Allerdings ist die Arbeit sehr ungleich verteilt, da nur 44 Mio. Men- schen erwerbstätig waren.

Dies weist auf das nächste Problem dieser Entwicklung: Wer darf arbeiten? Und was machen die, die nicht arbeiten brauchen oder dürfen? Bislang war Arbeit ein notwendiger Teil des Lebens. Zugleich hat die Arbeit jedoch auch unsere Persönlichkeit und mentalen wie manuellen Fähigkei- ten entwickelt und gestaltet. Daher ist der Mensch heute so wie er ist, nicht zuletzt wegen der Arbeit, die ihn geformt und trainiert hat.

Die Medizin kennt das „Arbeitslosen-Syndrom“; ein Zustand, der häufig bei Arbeitslosen anzutreffen ist und einen Abbau der Fähigkeiten bei gleichzei- tiger starker Verlangsamung aller Aktivitäten der Alltagsbewältigung be- schreibt. Dieser Zustand wird von den Betroffenen nicht als gemütlich, son- dern als stark belastend empfunden. Er zieht weitere Erkrankungen nach sich. Therapiert wird er, durch sog. tagesstrukturierende Maßnahmen, Teils in teilstationären Einrichtungen.

Damit entwickeln wir uns wohl durch die stete Steigerung der Arbeitspro- duktivität nicht in Richtung des Paradieses, sondern in eine pathologische Lage, zumindest – wenn wir den Menschen, den wir heute kennen, als ge- sund definieren.

Wir können auch noch etwas weiter gehen und uns die biologische Defini- tion von Leben ansehen: Merkmal des Lebendigen sind: Stoffwechsel mit der Natur, Fähigkeit zur Vermehrung, Möglichkeit der Veränderung der ei- genen Gestalt (Mutationsfähigkeit) und Individualisierung, d.h. Abgrenzbar- keit des Organismus von seiner Umwelt. Eine Produktionsstruktur, die alle Güter und Dienstleistungen erstellt, ohne Arbeitseinsatz des Menschen, würde wohl auch diese Definition des Lebendigen erfüllen. Damit hätten wir intelligente lebendige Organismen. Und diese Organismen wäre quasi von Parasiten befallen – nämlich uns – die von ihnen am Leben erhalten werden.

Wie geht dies nun mit unserer Vorstellung zusammen, dass die menschliche Entwicklung, durch eine in uns selbst enthaltenen Zielgerichtetheit, auf ein höheres Ziel hin steuert? Ein Prozess, der übersetzt ins Freimaurerische als die Gestaltung des Tempels der Humanität durch den Baumeister aller Wel- ten bezeichnet wird.

Dies wird wohl bedeuten, dass wir selbst Verrichtungen entwickeln oder bestimmen müssen, die wir nicht den Maschinen überlassen. Denn nur so können wir uns selbst zu Menschen formen, die ein ihrer Art gemäßes Le- ben führen. Und dies müssen wir nicht jeder für sich allein, sondern in Ge- meinschaft, so dass ein Ganzes entsteht.

Eine gewaltige Aufgabe, wenn wir bedenken, wie unzulänglich wir Men- schen schon heute sind, bei dem Unterfangen, für jeden von uns ein aus- kömmliches Leben zu organisieren. Es geschehe also.

Arbeit in I am 22.03.2018