Rezension: Rüdiger Wolf – Die Protokolle der Prager Freimaurerloge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ 1783-1785
Rezension: Rüdiger Wolf – Die Protokolle der Prager Freimaurerloge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ 1783-1785
Ein Buch für bibliophile Feinschmecker
Nicht zum flotten Durchlesen oder Drüberlesen sondern zum Schmökern.
Und wohl auch ein Buch zum Haben.
Von Rudi Rabe.
Rüdiger Wolf ist der ehemalige Direktor des österreichischen Freimaurermuseums im Schloss Rosenau. Er stammt aus Böhmen: 1937 wurde er dort geboren. Und er lebt in einer binationalen Ehe mit einer Tschechin. Also ist es besonders verständlich, dass er richtiggehend elektrisiert war, als er diese Protokolle bei einer Ausstellung in Prag zufällig entdeckte: nicht nur weil sie aus einer längst versunkenen Zeit stammen – aus der kurzen freimaurerischen Blütezeit im Habsburgerreich – sondern auch weil sie aus dem Leben des Prager Deutschtums berichten, das es seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr gibt. Glücklicherweise gelang es Rüdiger Wolf, den Direktor des Stadtarchivs Prag, Vázlav Ledvinka, davon zu überzeugen, die Protokolle durch ein Buch gemeinsam dem Vergessen zu entreissen. "Ich musste dieses Buch einfach machen", gestand Rüdiger Wolf bei der Vorstellung seines Werkes im Mozarthaus in Wien.
Über die kurze Freimaurerei in Prag und in Böhmen in den langen habsburgischen Zeiten und dann noch in den 1920iger Jahren, kann hier bei Lennhoff-Posner nachgelesen werden: Prag und Tschechien. Und wie es ihr in der ganzen Zwischenkriegszeit 1918 bis 1939 bis zum Hitlereinmarsch ging hier: 1938/39: 'Licht Aus' in der Tschechoslowakei. Das Wissen darüber lässt den besonderen emotionalen Wert verstehen, den dieses Buch über seine historische Bedeutung hinaus für viele Menschen haben kann.
Lieber Wiki-Leser, schmökern wir doch gemeinsam ein wenig ins Buch hinein ;-)
Die echten oder vermeintlichen Probleme des masonischen Lebens scheinen in jener „Goldenen Zeit der Freimaurerei“ (Rüdiger Wolf) dieselben gewesen zu sein wie heute. Es ging um den richtigen Nachwuchs, um die Wohltätigkeit, um Eitelkeiten und Ämter sowie um das ehrliche Bemühen, die ‚Königliche Kunst’ wahrhaftig zu leben ... am besten wir schmökern gemeinsam ein bisschen:
Immer wieder gab es Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahme neuer Mitglieder. Also versuchten die Brüder der Loge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ am 19. November 1785 das Procedere neu zu ordnen. Der Erste Aufseher, Karl Wahr, ein Schauspieler aus Deutschland, legte eine Punktation vor, die angenommen wurde.
Von den Eigenschafften und der Denckungsart eines Candidaten
Bei seinem Vortrag charakterisierte er dann auch die persönlichen Vorzüge, die von einem Neuen zu verlangen seien. Es sei „auf das Betragen, die Denckungsart, und Handlung des Candidaten sorgfältig zu wachen, wo möglich Gelegenheit zu suchen; sowohl seine Geistes Kräfften als Güte des Herzens zu prüfen, kurz wohl zu untersuchen ob dieser Mann die Eigenschafften besiezt, die ihm des Ordens würdig machen. Weil zu wohl bekannt ist, daß auch dem angesehenen in Augen der Welt ohne Tadel wandelden Manne dennoch die Eigenschafften fehlen können, die den Orden zuträglich sind. Er kann z.b. ein in seinem Amte thätiger, fleisiger Mann sein, Er kann in diesem Amte durch seine Kentisse dem Staate nutzen, er kann aber doch dabey umbarhmhärtzig gegen Arme, in Geselschafften ein Grübler, ein stäts Satirisirender, Eigensinniger Mann seyn. Eigenschafften, die ein guter Maurer nie haben darf, eben so kann auch angesehener sonst rechtschafender Mann, dessen Geschäfte aber einem Fall oder Bancrotte nahe sind dem Orden durch seinen Fall durch das Aufsehen, welches dieser verursacht lästig werden, und es ist immer dem Orden zuträglich wenn er einen solchen zwar aufhälft, aber sich nit näher mit ihm verbindet. ... Auch der rechtschafene Edel, groß handelnde, nur einen Gott glaubende sonst über das wesentliche jeder Religion öffentl. spottende Philosoph ist für unsern Orden untauglich unfähig ein Mittglied zu werden die Ursachen bringen zu klar vor Augen, als daß ich sie anzuführen brauche.“
Die Reputation des herren landrechtlichen Justizrathes
Der gute Ruf und ganz besonders die Ehre waren in jener Feudalgesellschaft viel wichtiger als heute. Und so konnte es schon vorkommen, dass ein Mann, bei dessen Aufnahme es sich spießte, von der Loge eine Ehrenerklärung für die Außenwelt verlangte. Im Protokoll vom 3. Dezember 1985 wird über eine berichtet: „Dem herren landrechtlichen Justizrath von Sternek wird hiemit auf sein verlangen die feyerlichste Versicherung gegeben, daß obgleich seine Aufnahme in den Orden der Freymaurerey bishero noch nicht bewilligt worden, weil mann in solchen nicht alleine Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit alß nothwendige Eigenschaften eines jeden ehrlichen Mannes fordert sondern, auch darinnen besondere zu finden wünscht, welche einige unserer Mitglieder an Ihme noch nicht erkennet zu haben glauben, alle Mitglieder unserer Gesellschaft für seine Verdienste und moralischen Charakteur alle Verehrung hegen, weder seiner Reputation noch seinen weltlichen Benehmen das geringste anstössig entgegen zu setzen wissen und daß uns allen seine Freundschaft so schätzbar seyn wirdt, als Ihme unsere Hochachtung unveränderlich gewidmet bleibt.“
Masonische Hilfe für Witwen und Waisen
Wir leben in einem Sozialstaat, und so können wir uns schwer vorstellen, in welches Unglück der Tod des – wie man früher sagte – Ernährers Menschen stürzen konnte. Die Freimaurerei hat sich um solche Menschen immer gekümmert. Aus den neben den Protokollen abgedruckten Annalen der Loge geht hervor, dass die Loge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ ein eigenes Waisenhaus unterhielt. Im Nachruf eines am 26. April 1785 verstorbenen Bruders Arzt hieß es: „Mit liebevoller Thätigkeit besorgte er mehrere Jahre unser Waisenhaus, als Arzt; und die Rettung aller unserer Pflegekinder, es waren 44 an der Zahl, so wie ihres Aufsehers, in einer bösartigen epidemischen Krankheit vom dem wahrscheinlichsten Tode war ganz sein Werk.“ Immer wieder wird in den Protokollen auch festgehalten, dass Witwen „großmüthig unterstützt“ werden.
Französische Moden: Schwestern führen den Hammer
Überhaupt wurden die Ehefrauen – die Schwestern, wie das in der Freimaurersprache heißt – immer wieder einbezogen, zum Beispiel durch Adoptionslogen. Das waren Logen, in denen Frauen unter der Aufsicht ihrer Männer eine Art ‚Loge light’ inszenieren konnten. Auch die Loge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ versuchte sich 1784 mehrmals daran, zum Beispiel als ein Bruder in seinen Garten eingeladen hatte: „Diese Gelegenheit ergriff man, um die Adopzionsloge der Franzosen, aber mit starken Abänderungen, nachzuahmen. Man entwarf ein eigenes von jenem der Br.Br. (= Brüder) wie es sich ohnehin versteht, ganz verschiedenes Ritual. Die verehrungswürdigste Schwester L* führte den Hammer (= Vorsitz); und die erste Aufseherinn die verehrungswürdigste Schw. C* dankte ihr dafür in einer halbscherzhaften Anrede. Die Schwestern P* und W* L* machten im Namen aller anderen Schwestern die allegorischen Reisen; Br. G*G* erbaute Br.Br. und Schw.Schw. mi seiner gewöhnlichen Beredtsamkeit, und Br. C* las einen scherzhaften Aufsatz. Auf die eigentliche Loge folgte Tafel und Ball, und das ganze frohe Fest ward mit freudigem Danke gegen die Urheber unseres Vergnügens das verehrungswertheste Paar: Br. und Schw. L* geschlossen. Noch in eben diesem Jahre ward am 28 des I0ten auf Kosten aller daran theilnehmenden Br.Br. eine zweyte Schwesterloge im Konviktsaale gehalten.“
Vor allem Offiziere und Beamte
Aus der abgedruckten Mitgliederliste geht hervor, dass die Loge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ 1784, also ein Jahr nach der Gründung, 43 Brüder Meister, 6 Gesellen und 23 Lehrlinge hatte. Eine Mehrheit der Mitglieder waren Offiziere oder Beamte („Kämmerer“); außerdem Ärzte sowie Kaufleute und Bankiers. Zwei waren katholische Priester.
Bis 1785 arbeiteten in Prag vier Logen. Auf Grund des Freimaurer-Patents von Kaiser Joseph II. im Dezember 1785 durfte es ab 1786 nur noch zwei geben. Dadurch fusionierte die Loge „Zu Den Drei Gekrönten Säulen“ mit der Loge „Zur Wahrheit und Einigkeit“. Das führte natürlich zu einigen Friktionen; ein paar Brüder traten auch aus. In den Annalen, die von 1784 bis 1790 reichen, wird das in 20 Zeilen erledigt. In den Arbeitsprotokollen vom Dezember 1785 kommt das Thema überraschenderweise gar nicht vor.
Wie gesagt: Ein Buch zum Schmökern. Ein Buch für entspannte Stunden. Und ein Buch, das auch noch schön gemacht ist.
Edition Archiv der Großloge von Österreich; Verlag Löcker, Wien 2013
Siehe auch
Weitere Forschungsarbeiten von Rüdiger Wolf:
- Die Wiener Albertina: das Werk eines Freimaurers
- Conrad Dominik Bartsch: Mozarts fast vergessener Bruder
- Wenzel Tobias Epstein: ein faszinierender Freimaurer in Wien um 1800
- Die Freimaurerei in der Tschechoslowakei zwischen den beiden Weltkriegen
Außerdem:
- Freimaurermuseum Rosenau
- Tschechien
- Prag
- 1938/39: 'Licht Aus' in der Tschechoslowakei
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