Rezension: Heinz Sichrovsky - Ein Bruderkampf um Troja

Aus Freimaurer-Wiki
Version vom 17. November 2018, 18:15 Uhr von Rudirabe37 (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „==Die griechische Götterwelt im Ritual der Freimaurer== '''Und wieder inszeniert Heinz Sichrovsky den alten antiken Stoff neu - wie ein guter Theaterregisseur…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Die griechische Götterwelt im Ritual der Freimaurer

Und wieder inszeniert Heinz Sichrovsky den alten antiken Stoff neu - wie ein guter Theaterregisseur getragen und getrieben von einem tiefen Wissen und von seiner Fähigkeit, neue und originelle, ja sogar freche Verknüpfungen herzustellen. Von Rudi Rabe.

Um das beispielhaft zu veranschaulichen blättere ich in dem Buch zu den Seiten 27 bis 31. Dort steht als Titel:

Hephaistos, Hirams Bruder

Eine starke These. Kühn und anregend. - Lockt zum Weiterlesen!

Viele von uns erinnern sich wahrscheinlich, dass Hephaistos der unansehnliche und hinkende griechische Feuer- und Schmiedegott war. Wenige werden aber schon gehört haben, er war auch ein Baumeister, der Paläste errichtete. Das erfahren wir vom Vielleser Sichrovsky. Und seine Quelle ist die Übersetzung der Ilias und Odyssee von Johann Heinrich Voß.

Umschlag-Sichrovsky-Troja.jpg


Auch Hephaistos war ein Baumeister

Baumeister! Ein Lieblingsbegriff der Freimaurer! Sie bezeichnen sogar Gott als ‚Großen Baumeister aller Welten‘.

Klar, dass diese Erkenntnis Freimaurer hellhörig macht, schreibt Sichrovsky, der nach einigen Kulissenwechseln schließlich bei einem anderen Baumeister landet: bei Hiram, also einer zentralen Gestalt der freimaurerischen Mythologie. Diese versteht ihn als Baumeister des Salomonischen Tempels. Und als sehr aufrechten obendrein - und daher als vorbildhaften Mann: Er ließ sich das Geheimnis seiner Kunst nicht von Unbefugten entreissen und hat seinen Widerstand mit dem Opfertod bezahlt - eine Legende, die in der Freimaurerei von großer Symbolkraft ist.

Bevor Sichrovsky die Erzählungen über Hephaistos und Hiram endgültig verknüpft, untersucht er zwischendurch als Zuwaage noch, wie Hiram überhaupt in die masonische Mythologie gelangte. Resultat: Man weiß es nicht genau. Im 18. Jahrhundert war er „plötzlich und präzise im Zentrum des englischen Rituals.“ Und weiter: „Im Alten Testament ist allerdings keine Rede davon, dass Hiram ein Architekt gewesen wäre. Er ist vielmehr ein Schmied, ein Metalldesigner. … Hiram fertigt auch Töpfe, Schaufeln und Schalen, und das von ihm gestaltete ‚Eherne Meer‘, ein kunstvolles Metallbecken von fünf Metern Durchmesser, wird im Alten Testament über mehrere Seiten beschrieben. Ebenso wie in der Ilias der von Hephaistos geschaffene Schild des Achill.“

Spätestens jetzt wird die Verwandtschaft plausibel: Hephaistos und Hiram - zwei mythologische Brüder. Zwei Baumeister, die auch Schmiede sind, und zwei Schmiede, die auch Baumeister sind. Damit rückt Sichrovsky den etwas einsamen freimaurerischen Hiram zur Überraschung aller ganz plötzlich von irgendeiner fernen Peripherie hinein ins Zentrum der antiken Götterwelt.

Neues Leben für alte Figuren

Wie gesagt: Methode Theaterregisseur. So baut Sichrovsky das Rohmaterial um und neu zusammen und fesselt gekonnt sein Publikum. Er setzt diese Methode immer wieder ein: die Verknüpfung von Gestalten und Ereignissen, die wir bisher getrennt gesehen haben. Eine fruchtbare Methode, um die schon etwas müden alten Figuren wieder zum Leben zu erwecken.

Was ich hier versucht habe nachzuerzählen, füllt in dem Buch nur fünf Seiten von 160. Es folgen - um nur einige zu nennen - Athene, natürlich Paris, Apollo, Pythagoras; dann Herder, Goethe & Co; und schließlich monographische Kapitel über Österreich - Sichrovsky ist Wiener - sowie über Italien und sogar noch drei Seiten über den Neugriechen Kazantzakis. „Immer wieder ließen sich masonische Dichter und Denker von den antiken Göttern inspirieren“, steht auf dem Buchumschlag. Ich ergänze: Und Heinz Sichrovsky mischt das alles neu auf.

Verdienstvoll finde ich auch: Heinz Sichrovsky lässt die freimaurerisch weniger beschlagenen Leser nicht dumm sterben. Überall wo es notwendig ist, platziert er Einführungen in die Freimaurerei, in ihre Mythologie und Rituale.

Obwohl das Buch sehr komplex ist, finde ich: Man kann es ruhig auch - wie die Österreicher sagen - zitzerlweise lesen. Also immer wieder mal ein kleines Kapitel. Dann das Gelesene sich setzen lassen, warten und irgendwann weiterlesen.

Das Buch ist mit Illustrationen von Oskar Stocker angereichert (Beispiel Buchumschlag) - einem Künstler aus der Steiermark, mit dem Heinz Sichrovsky immer wieder zusammen arbeitet.


Ein Bruderkampf um Troja - Die griechische Götterwelt im Ritual der Freimaurer
Studienverlag Innsbruck, 2018 - www.studienverlag.at

Heinz Sichrovsky, geboren 1954 in Wien, war zunächst als Kultur- und Theaterkritiker für diverse Tageszeitungen tätig, bis er Kulturchef und Chefredakteur des Wochen- magazins „News“ wurde. Er moderiert zahlreiche Veranstaltungen mit literatur- und musikwissenschaftlicher Ausrichtung sowie seit 2010 die Literatursendung „erLesen“ im Fernsehsender ORF III. Seit 2017 ist er wieder verstärkt als Kritiker und Kolumnist tätig, vor allem für die „Kronenzeitung“ und den ORF.

Oskar Stocker, geboren 1956 in Lienz, lebt und arbeitet als Maler in Graz. International bekannt machte ihn seine Porträtserie „Facing Nations“, die 2000 u. a. im UN-Hauptquartier in New York ausgestellt wurde. In jeder ORF III- Sendung „erLesen“ ist ein von ihm gezeichnetes Porträt eines Studiogastes zu sehen.

Siehe auch

Links