Rezension: Helmut Reinalter - Der freimaurerische Diskurs der Moderne

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Vorlesungen, Vorträge, Studien und Essays

So lautet der Untertitel des Buches, und das beschreibt rein formal auch dessen Inhalt: Es ist kein Buch, das Helmut Reinalter organisch aufgebaut hätte, vielmehr enthält es lauter Texte, die der bekannte österreichische Freimaurerforscher und Historiker in den letzten Jahrzehnten verfasste und bereits publizierte. Die 307 Seiten enthalten komprimiert also wohl so etwas wie Reinalters historisch-masonisches Gesamtwissen plus seine Reflexionen zur Zukunft der Freimaurerei. Eine Rezension von Rudi Rabe.

Wenn ich die Stilistik des Buchs auf den Punkt bringen wollte, dann mit den folgenden zwei Adjektiven: breit und dicht. Breit weil alles eingebettet ist in unendlich viel Wissen, das Reinalter im Laufe seines Professorenlebens angesammelt hat, vor allem auch Wissen über das Denken der jeweiligen Epoche - und dicht weil seine Darlegungen in der Folge davon nicht einer klaren erzählerischen Linie folgen, vielmehr ist seine Methode so etwas wie kreuz-und-quer-vieldimensional.

26 abgegrenzte Einzeltexte

Es ist klar, dass so etwas den Leser fordert. Letztlich ist das aber logisch, weil das Buch ja ein Angebot von 26 klar voneinander abgegrenzten Einzeltexten ist, was wiederum den Vorteil hat, dass man sich beim Lesen ein beliebiges Unterkapitel vornehmen kann, auf dessen Inhalt man gerade Lust hat: sei es bei den Vorläufern der Freimaurerlogen oder der Französischen Revolution inklusive Napoleon oder bei den modernen Menschenrechten aus freimaurerischer Perspektive … um nur drei Beispiele aus dem umfangreichen Angebot der 26 zu nennen.

Dreiviertel des Buchs bieten geschichtliche Themen mit Schwerpunkt 18. Jahrhundert. Und das vierte Viertel behandelt dann „Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben“: so heißt das Kapitel, in dem die letzten 9 Texte vereint sind. Vor allem darauf bezieht sich auch der Titel des Buchs.

Diesen Titel vom „freimaurerischer Diskurs der Moderne“ hat Reinalter gewählt, weil er mit seinen Gedanken einen Beitrag leisten will, „die Freimaurerei zeitgemäß zu erneuern“. Anders gesagt: Es geht ihm um ein neues Verhältnis der „strukturkonservativen Freimaurererei“ zur Moderne. Und: „Diese Bemühungen sind besonders heute unbedingt erforderlich, zumal die Bruderkette nicht zu einem erstarrten Traditionsverein degenerieren sollte.“

„Reflexive Aufklärung“ und „Neue Pflichten“

Um das zu fördern, will Reinalter die für die Freimaurerei konstitutiven Ideen und Methoden der Aufklärung zu einer selbstkritischen „reflexiven Aufklärung“ weiterentwickeln, ein Begriff, der ihm sehr wichtig ist und der sich auf die Irrtumsanfälligkeit der Aufklärung bezieht. Und die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Alten Pflichten, die so etwas wie das Grundgesetz der Logen sind, will er durch „Neue Pflichten“ ergänzen. Diese „umfassen hauptsächlich die Ehrfurcht vor dem Leben, die Achtung der Menschenwürde, Menschenrechte und Menschenpflichten, gerechte und faire Handlungsweisen, Wahrhaftigkeit ihm Reden und Handeln, die Bekämpfung der Klimakrise, die Sorge um die Umwelt, die Bekämpfung von Terror, Gewalt, Intoleranz und Fundamentalismus, sowie der Respekt und die Liebe unter den Menschen.“

Natürlich enthält das Buch Redundanzen, manchmal tauchen ganze Absätze wörtlich wieder auf, doch das ist ganz logisch, weil es sich um Teiltexte handelt, die voneinander unabhängig geschrieben wurden. Aber das stört beim Lesen überhaupt nicht, es stützt höchstens die eigene Erinnerungsleistung.

Mein Fazit: Ein Buch zum geduldigen intellektuellen Schmökern, ein Buch mit vielen historischen Details, und ein Buch mit Anregungen zum selbstständigen Denken.

Helmut Reinalter: „Der freimaurerische Diskurs der Moderne - Vorlesungen, Vorträge, Studien und Essays“
Studienverlag Innsbruck - Wien, Innsbruck 2022

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