Rezension: Martin Haidinger - «Die Freimaurer und ihr Geheimnis»
Zwölf Fragen an den österreichischen Großmeister Georg Semler
Die Freimaurerei aus ganz verschiedenen Blickwinkeln: Darüber sprach der renommierte österreichische Historiker, Buchautor und Radiojournalist Martin Haidinger in mehreren Begegnungen mit Georg Semler, Großmeister der Großloge von Österreich. Haidinger zeichnete die Gespräch auf, und daraus wurde dann in Zusammenarbeit mit dem Wiener Verlag Erhard Löcker ein Buch. Rezension von Rudi Rabe.
Beim Lesen wird schon nach wenigen Seiten klar, da unterhält sich ein gut vorbereiteter Journalist mit einem wissenden Großmeister. Dies aber nicht in einem abgehobenen masonischen Fachjargon, vielmehr verwenden beide eine realistische und zeitgemäße Sprache: nicht überkompliziert, schon gar nicht geschraubt, sondern so, dass auch interessierte Nichtfreimaurer alles begreifen können.
Stilistisch ist es eine Mischung aus Dialog und Interview, geführt an ganz verschiedenen Orten: von einem klassischen Wiener Kaffeehaus bis zu einem privaten Garten; insgesamt sechsmal. Durch die Transkription der Audiomitschnitte wurden daraus 150 Buchseiten mit der Intention einer zeitgemäßen Öffentlichkeitsarbeit, die das Verständnis für und das Vertrauen in die Freimaurerei fördern soll.
Welche Menschen will das Buch erreichen? Wer gehört zur Zielgruppe? „Man könnte diese wie eine Zwiebel abbilden“, meinte Martin Haidinger bei der Buchvorstellung. Die Kernzielgruppe seien „Suchende“, also Menschen, die sich für die Aufnahme in eine Loge interessieren; ebenso neu Aufgenommene, die noch nicht so viel wissen. Die nächste Zwiebelschicht nach außen seien erfahrenere Freimaurer sowie ihre Lebenspartner und Angehörigen. Und die äußerste Schicht sind schließlich alle Menschen, die etwas leicht verständliches und dennoch tiefreichendes über die Freimaurerei erfahren wollen. „Damit sind nicht nur Freunde der Freimaurer gemeint, sondern auch ihre Gegner.“
Nach der Einleitung gliedert sich das Buch in zwölf Kapitel: jedes mit einem passenden Schwarzweißfoto am Beginn und einer zarten Liniengrafik am Ende - so wie der Verlag dieses Buch überhaupt sehr bibliophil gestaltet hat. An jedem Kapitelanfang reflektiert Martin Haidinger zuerst seine bisherigen Erkenntnisse und was noch zu klären sein wird. Dann beginnen seine Fragen und die sehr offenen Antworten des Großmeisters.
➤ ➤ ➤ Hier ein Blick auf die zwölf Kapitel:
- DAS GEHEIMNIS: Was soll das sein? Freimaurer wissen, es gibt eigentlich keines. Auch deswegen, weil sich das Freimaurerische im Inneren des Mitglieds ereignet. Und das wiederum hängt davon ab, wie Freimaurer ihr persönliches Freimaurersein und die Begegnung mit den anderen Logenmitgliedern erleben.
- DER ZWECK DER ARBEIT: Gemein sind die regelmäßigen rituellen Zusammenkünfte. Wie verlaufen diese? Welchen Zweck haben sie? Letztlich geht es um die Arbeit an sich selbst, um das Bemühen, ein besserer Mensch zu werden; daher heißen die Zusammenkünfte so.
- WER IST WÜRDIG UND WER NICHT?: Wie wird man Freimaurer? Wer sind die Freimaurer? Eine Antwort gegen Vorurteile: Freimaurerei spielt sich nicht in den Zirkeln der Macht ab. Ihr Ziel ist es höchstens, eine Elite der Moral zu sein.
- DIE LOGE ALS RAUM: In diesem Kapitel geht es um die typische Ausstattung und die Einrichtung von freimaurerischen Tempeln sowie um die masonischen Symbole, die dem Freimaurer als persönliche Projektionsflächen dienen sollen.
- DIE LOGE ALS EREIGNIS: Was macht das Dazugehören mit einem Freimaurer? Wie erlebt er die Begegnungen, die Arbeiten mit seinen Brüdern? Ein Fazit: Ohne die Begegnung mit anderen Menschen, die ähnliche Ziele haben, kann man kein besserer Mensch werden.
- DAS RITUAL - bei den Zusammenkünften: Was ist das? Und wozu ist es gut? Es geht vor allem um Symbole und Sprache und die Wirkung auf die teilnehmenden Brüder. Das zu erzählen, ist eine besondere Herausforderung, weil man das Ritual nur versteht, wenn man es erlebt.
- DIE GRADE: Welche Abstufungen gibt es? Welche Funktionen und Ämter? Ein häufiges Missverständnis ist, dass die Freimaurerei undemokratisch-hierarchisch aufgebaut ist. In Wahrheit ist sie von unten nach oben organisiert. Die Logenoberen werden in geheimen Abstimmung gewählt, und es gibt eine gewisse Rotation.
- ERKENNTNIS STATT GLAUBE?: Die Freimaurerei ist keine Religion, sie steht auch nicht in Konkurrenz zu Religionsgemeinschaften. Jedes einzelne Logenmitglied sucht möglichst vernunftgeleitet nach Erkenntnis, aber es gibt keine freimaurische Gesamterkenntnis, keine Dogmen.
- DER WELTENBUND: Eine besondere Attraktion und Hilfe ist, dass es Freimaurerlogen in vielen Ländern gibt. Bei allen Unterschieden im Detail verstehen sie sich über die Grenzen hinweg als Verwandte. Es gibt jedoch keine freimaurerische Weltregierung, es gibt nur Gruppen. Jede Großloge ist jedoch autonom und souverän.
- HOCHGRADE - MYTHOS UND REALITÄT: Das Wort Hochgrade ist eigentlich ein Übersetzungsfehler, es müsste Seitengrade heißen. Das sind feingliedrige Verästelungen für Freimaurer, die sich ihrem Freimaurersein über ihre Loge hinaus noch mehr widmen wollen.
- FALCHE FLAGGEN UND FREMDE FEDERN: Die Großloge von Österreich respektiert andere freimaurerische Systeme, auch wenn sie sich mit diesen keine gemeinsamen rituellen Arbeiten trifft. Der Begriff Freimaurer ist jedoch keine geschützte Marke, und er kann auch missbraucht werden.
- VERKLÄRTE MACHT - ANSPRUCH UND EINFLUSS DER FREIMAUREREI UND IHRE GRENZEN: Einzelne Mitglieder von Logen können über ihre beruflichen Positionen gesellschaftliche Macht haben. Die Freimaurerei als Institution hat jedoch keine Macht, auch deswegen weil sie letztlich kleinteilig ist und kein Weltzentrum hat; sie strebt auch nicht nach Macht.
Der Autor: Prof. Mag. Martin Haidinger, geboren 1969 in Wien, Historiker und Journalist, Wissenschaftsredakteur im ORF-Radio, Leiter der Ö1-Sendereihen »Salzburger Nachtstudio« und »Science Arena«, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Männerbünden und diskreten Gesellschaften. Zahlreiche Buchpublikationen (darunter: »Unter Brüdern«), Vorträge und Beiträge für internationale Medien (Deutschlandfunk, WDR, NZZ, DIE PRESSE, KURIER, WIENER ZEITUNG, DIE FURCHE etc.).
Der Großmeister: Dr. Georg Semler, geboren 1958 in Wien, Unternehmer, ist seit mehr als 30 Jahren Freimaurer, war Meister vom Stuhl (Vorstand) seiner Loge und ist seit 2014 mehrmals wiedergewählter Großmeister der Großloge von Österreich (GLvÖ). Er vertritt die Interessen von 3.800 Freimaurern in mehr als 80 Logen in allen neun österreichischen Bundesländern (Stand 2023).
Martin Haidinger - «Die Freimaurer und ihr Geheimnis»
Verlag Erhard Löcker - Wien 2023
Die Resonanz in den Medien war durchaus beachtlich. Hier ein Vorausbericht im renommierten österreichischen Wirtschaftsmagazin TREND:
Siehe auch
Links
- Löcker-Verlag: https://loecker-verlag.at/