Angewandte Freimaurersymbolik & -lehre im realen Leben

Aus Freimaurer-Wiki
Version vom 10. Februar 2024, 19:43 Uhr von AzB-Jo (Diskussion | Beiträge) (Eine kurze Beschreibung von Freimaurerischer Symbolik und Gedanken zur Anwendbarkeit im realen Leben)

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Traktat: Angewandte Freimaurersymbolik & -lehre im realen Leben - Januar 2024

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von Jörg Schneider, Mitglied der Loge "Anschar zur Brüderlichkeit" im Orient Bremen, basierend auf einem Meisterstück.


Kleines Vorwort

Der folgende Text ist eine Bearbeitung meines Meisterstücks vor meiner Erhebung im Februar 2024. Er entstand im Herbst/ Winter 2023 und ich habe diese Zeichnung dann im Januar '24, im Alter von 57 Jahren aufgelegt. Ich habe darin besonders meine Erfahrungen der Gesellen- und Reisezeit und gute Tipps einiger Brüder in lockerer Weise aufgenommen.

Zu meinem Erstaunen bekam der Text hervorragenden Zuspruch von meinen Brüdern. Besonders freute mich auch der Kommentar eines Bruders, der mir beschied, endlich hätte er mal eine Zeichnung auf Anhieb verstanden und auch etwas damit anfangen können. Nachdem ich mich zuerst nicht recht getraut habe, diesen doch durchaus kritischen, aber auch selbstkritischen, Text als Meisterstück in dieser Form vorzutragen, gab letztlich die vorbehaltlose Rückendeckung unseres Stuhlmeisters Christian Kassens den Ausschlag.

Großer Dank geht also an meine geduldigen Brüder der "Anschar zur Brüderlichkeit"!


Angewandte Freimaurersymbolik & -lehre im realen Leben - Ein Einsatz in freier Wildbahn

Liebe Brüder,

ich beschäftige mich nun seit Anfang des Jahres 2020 mit der Freimaurerei, erst als Suchender, dann als Lehrling und nun, aktuell, als Freimaurer-Geselle.

Mir scheint dieser Moment eine gute Gelegenheit zu sein, ein weiteres, kleines Zwischen-Resümee meiner fortdauernden Arbeit am inzwischen hoffentlich ansatzweise kubischen Stein zu ziehen und dabei die Gelegenheit zu nutzen, mich nochmals auch mit einigen der wichtigen Freimaurerischen Symbole zu beschäftigen:

Ich musste selber bei der Ideensammlung zum Meisterstück lachen, als mir die ein wenig absurde Idee kam, die Freimaurerei einmal auf ihre Alltagstauglichkeit in meinem Leben zum Test zu stellen. Sind die freimaurerischen Symbole und Lehrsätze mir inzwischen eine Unterstützung und Hilfe im Alltag? Stelle ich durch die freimaurerische Arbeit persönliche Veränderungen (hoffentlich zum Guten) fest, wie von Anderen so häufig von sich behauptet, - oder ist es nicht dafür bei mir doch immer noch etwas zu früh? Hat die Gesellenzeit Änderungen mit sich gebracht?

Beim Besuch einer befreundeten Loge hörte ich das intelligente Wort: "Es ist sicher bitter und vielleicht auch erschütternd für den einen oder anderen Bruder, aber: Niemand ist ein Freimaurer, wir sind alle höchstens Menschen auf dem Weg, gute, richtige, echte Freimaurer zu werden."

Ich glaube, darin steckt eine tiefe und wichtige Wahrheit. Diese Erkenntnis soll uns allen auf jeden Fall ein deutlicher Wink (mit dem Zaunpfahl) sein, umso mehr die unbedingt nötige Demut im Verlauf des persönlichen Freimaurer-Seins aufzubauen, desto länger wir uns mit unserer Entwicklung und der Frei¬maurerei beschäftigen.

Um das aber auch zu sagen, ich schließe mich hier unserem Bruder René Schon an, der bei „Freimaurergedanken.com“ in einem Text vom 1.9.2023 als Warnung, sich nicht aus falschen Gründen und mit falschen Erwartungen der Freimaurerei anzuschließen, schreibt:

„Natürlich stimme ich allen Brüdern und Schwestern zu, dass man zum Beispiel sein Amt im Beamtenrat mit dem nötigen Maß an Demut ausführen sollte. Was ich jedoch zum brüderlichen Umgang feststellen muss, ist die Tatsache, dass hier eher Respekt statt Demut gemeint ist.“

Winkelwaage

Unser Bruder bekräftigt dort seine Meinung, Innerhalb der Welt-Bruderkette sollten wir uns unbedingt erinnern, uns auf der Winkelwaage und damit auch mit dem nötigen Respekt zu begegnen.

Denn er schreibt weiter:

„Die Forderung nach Demut kommt eher von narzisstisch veranlagten Menschen oder eben Narzissten selbst. Demut vom Gegenüber einzufordern ist eine Möglichkeit, sich selbst zu erhöhen und stillt das unersättliche Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung. Doch dieses Verhalten sollte ein Maurer, welcher an seinem rauen Stein arbeitet, eigentlich nicht mehr haben. Er sollte eher in sich selbst ruhen.“

Wenn ich meine Erfahrungen rekapituliere, gerade auch aus der Gesellenzeit, glaube ich, dass aus der freimaurerischen Symbolik bisher entsprechend die Winkelwaage mein liebstes Symbol wurde. Sie ist nicht nur das Zeichen des ersten Aufsehers, sondern beschreibt symbolisch das Verhältnis der Freimaurer zueinander. Alle Brüder sollten sich auf gleicher Ebene begegnen. Aber inzwischen habe ich doch häufiger langjährige Freimaurer, oft in gehobener Funktion, beobachtet, oder von ihnen gelesen oder gehört, die respektheischend mit hoch aufgereckten Köpfen durch die Zusammen¬künfte schritten und ihre vorgebliche Machtposition durch ein Amt präsentierten.

Die Winkelwaage steht für "Gleichheit, das gleiche Recht, die gleiche Würdigung aller, die Unterordnung der Vorrechte der Geburt, des Standes oder des Besitzes unter das reine Menschentum. Sie versinnbildlicht auch den sozialen Ausgleich.“ (Aus "Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner").

Also werde ich mich bemühen, es im Umgang mit den Brüdern und Schwestern, aber auch den Mitmenschen allgemein, besser zu machen!

Ich sehe in der Winkelwaage regelrecht ein universelles Symbol für Humanismus schlechthin.

Humorvoll gesagt würde ich als Zwischenfazit behaupten: Was sonst könnte Alltagstauglichkeit besitzen, wenn nicht das Symbol der Winkelwaage und das entsprechende Handeln?

24-zölliger Maßstab

Steht der 24-zöllige Maßstab beim Lehrling zuerst nur für ein Zeitsymbol, so erweitert sich die Bedeutung später dann auch zur Erinnerung an Mäßigung und den bedachtsamen Umgang mit den psychischen Ressourcen.

Zirkel

Bei einem Werk-Gespräch mit einem meiner Brüder schlug er mir vor, in meiner aktuellen Situation einen Zirkel physisch an meinen Arbeitsplatz zu legen, um ihn als Symbol, Inspiration und Denkanstoß zu nutzen.

Verknüpft mit der Aufforderung „Schau in Dich" bzw. „Erkenne Dich selbst“, dann erweitert um „ Schau‘ um Dich“.

Der Zirkel ist ja eines von drei Hauptsymbolen der Freimaurerei (mit dem Buch des Heiligen Gesetzes und dem Winkelmaß). Er steht als Symbol für die intellektuelle und emotionale Arbeit des Freimaurers an sich selbst. Der Zirkel kann also auch als Verbindung des einzelnen Freimaurers mit allen anderen Brüdern gesehen werden.

Dazu steht er als Symbol für allumfassende Menschenliebe, das Gefühlsleben, die seelische Einstellung zur Bruderschaft und zur Menschheit allgemein.

Ich merke altersgemäß auch, dass ich persönlich nicht mehr die seelische und physische Kraft aufbringe, auf „allen Hochzeiten“ zu tanzen. Es führt also kein Weg darum herum, mich nicht von allem und jedem vereinnahmen zu lassen und das passende Abgrenzen besser zu lernen und vor allem, das Abgrenzen zu praktizieren.

Das passt gut zum Gesellengrad, der ja auch zur Schulung von Geduld und der Reflexion des eigenen Sozialverhaltens dienen soll.

Dazu gehört nach meiner Erfahrung, gerade auch bei den Freimaurern, aber auch die besonders schwere Übung, sozialem Druck von außen zu widerstehen und mir bei solcher Abgrenzung selbst möglichst treu zu bleiben.

Und das Ganze auf eine gute, überlegte und freundliche Art und Weise. Denn es gibt natürlich ständig Anforderungen von Familie, Freunden, Kollegen, Kunden, Mitarbeitern, Bekannten und auch Brüdern, die gerne sähen, wenn man etwas in ihrem Sinne täte, die dies manchmal sogar vehement einfordern. Es erweist sich als wirklich schwierige Übung für mich, dem nun gegebenenfalls abgewogen, gutmütig und doch bestimmt entgegen zu treten, um selbst noch weiterhin die Anforderungen meines Alltags erledigen zu können.

Ich sehe den Zirkel dann auch als Symbol, um die Kreise um mein Leben zu ziehen, die als Grenzlinien für den Selbstschutz fungieren sollen.

Und diese Abgrenzung bedeutet beruflich natürlich auch, manchmal Kundenwünsche zum Beispiel eben nicht zu erfüllen, weil die Erfüllung zu viel Stress bringen würde oder mit meiner persönlichen Einstellung kollidiert.

Auf der anderen Seite könnte ich mich dabei aber ja auch fälschlich in eine immer kleiner werdende Komfort-Zone einsperren, weil es manchmal als der einfachere, bekannte und sicherere Weg erscheint. Gar nicht zu reden von den finanziellen Konsequenzen, die die Ablehnung von Kundenwünschen im beruflichen Bereich natürlich meistens nach sich zieht.

Umso interessanter, mein Umfeld zu beobachten, wie jeder auf seine Art und mit wechselndem Erfolg diese Problemstellung angeht. Wohl die meisten Mit-Fünfziger kämpfen unter zunehmender Arbeitsbelastung und abnehmender Leistungsfähigkeit mit dieser Abgrenzungsproblematik. Und Burn-Out ist Dauerthema.

Hier schließt sich der Kreis, mit „Schau um dich“, was ja auch so viel bedeutet, wie „sei aufmerksam“, aber genauso „sei umsichtig“. Umsichtigkeit kann zeigen, dass auch Anpassungen und Fortschritte im Leben notwendig sind, neue Ziele auf einen neuen Weg führen können, sich selbst wiederzufinden oder aber neu zu erfinden, sich neu zu entdecken, sich neu zu erfahren und sich vielleicht auch neu zu behaupten.

Der Einsatz des symbolischen Zirkels bei diesem Thema ist wirklich nicht unproblematisch oder trivial, und kann erhebliche Folgen für Privat- und Berufsleben haben.

Hier hat mich das Zirkel-Symbol also ganz gut in der derzeitigen Gedankenlage abgeholt, gerade, weil der Zirkel nun als Mahnung an meinem Arbeitsplatz liegt. Auch wenn ich gesehen habe, dass er langsam ein wenig einstaubt. Aber er hat seine Erinnerungsaufgabe für mich ja nun erstmal auch weitestgehend erfüllt.

Achtsamkeit

Übrigens stößt man bei diesem Thema auch auf die ähnlich gelagerte „Achtsamkeit“, die, wenn auch meistens übersehen, eigentlich durchaus nicht nur die Komponente von „mehr auf sich selber achten“ hat, sondern eine zweite Komponente, wie bei der Entwicklung der Freimaurer auch: Nämlich nicht, sich nur selber mehr in den Vordergrund zu rücken, sondern im Gegenteil, leise zu sein und bewusst das Drumherum wahrzunehmen, besonders auch die Menschen, die einen umgeben. Eben bei den Freimaurern abgebildet durch „schau‘ um dich“.

Winkelmaß

Den passenden Gegenpart zum Zirkel findet der Freimaurer im Winkelmaß, einem weiteren Teil der „drei großen Lichter“ mit Zirkel und dem „Buch des heiligen Gesetzes“.

Der Winkel zeigt eher das Handeln nach Vernunft und Gesetz. Er gilt auch als Symbol für die Gewissenhaftigkeit. Am rechten Winkel des Winkelmaßes soll der Freimaurer seine Handlungen ausrichten, nach Recht und Menschlichkeit. Das Winkelmaß findet sich ja daher auch als Amtsabzeichen des Meisters vom Stuhl.

Der Winkel soll dabei Mahnung sein, möglichst uneigennützig, angetrieben von eigener Motivation, ohne äußeren Zwang, im Rahmen des Rechts und der Pflichten zu handeln.

Im Winkel finde ich die Tugenden, die wir wohl alle oft „vorgebetet“ bekamen: Gesetzestreue, Rechtschaffenheit, Geradlinigkeit, Ehrlichkeit… Aber letztlich auch einen Hinweis auf das erforderliche Rückgrat, diese Tugenden auch gegen vorhandene Umstände zu leben!

Winkel und Zirkel zusammen

Der Winkel und der Zirkel. Sie stoßen im Ritual aufeinander: Liegt der Winkel im Lehrlingsgrad noch auf dem Zirkel, sind beide im Gesellengrad schon auf dem Buch des heiligen Gesetzes liegend verschränkt, eine Seite des Winkels liegt bereits auf dem Zirkel. Der Geist mit seiner Logik beginnt hier symbolisch, die Gefühle und Vorurteile zu beherrschen und deutet an, dass Freimaurer mit wachsendem Wissen und zunehmender Erfahrung, dem Sieg des Geistes, zu Meistern ihrer selbst werden sollen.

Der Buchstabe G

Im Ritual heißt es: „Nun wird es Deine Aufgabe sein, den Winkel mit dem Zirkel zu vereinen, der Buchstabe „G“ wird Dir dabei helfen.“

Dabei steht der Buchstabe „G“, der fünfte Buchstabe im Alphabet, je nach Auslegung, für Geometrie, die fünfte Wissenschaft der sogenannten sieben freien Künste der Antike (Grammatik, Rhetorik, Dialektik bzw. Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie unter Einschluss der Astrologie). Er steht aber genauso auch für Gott und Gnosis (Erkenntnis). (lt. Freimaurer-Wiki)

Wie das Freimaurer-Wiki beschreibt, tendiert die neuere Forschung hingegen eher zu einer anderen Interpretation. Sie führt das 'G' auf kabbalistische Einflüsse in der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts zurück und meint, das 'G' sei ursprünglich eine '6' gewesen. Diese '6' stehe für die 6. Sphäre, das Sonnenzentrum im kosmischen Diagramm der Kabbalah (Überlieferung). Diese Sphäre sei das sog. 'Ich-Zentrum' des Diagramms, quasi der Bereich der Selbstfindung.

Ich denke, hier würde sich damit wieder der Kreis zu „Erkenne Dich selbst“ schließen.

Geometrie meint, die nach ewigen Grundgesetzen zu befolgende sittliche Ordnung einer geistigen Welt. „Die Kenntnis der Geometrie hilft dem Freimaurer, das rechte Maß und Verhältnis aller Dinge zu finden.“ (Aus „Unterweisung im Gesellengrad, Instruktion 1927, Reuss Theodor).

Ich verstehe es so, dass erst die Zusammenführung von Verstand und Gemüt bzw. Gefühl zu einer höheren Bewusstseinsebene führt. Verstand und Gemüt fördern sich dabei gegenseitig. Beide arbeiten und entwickeln sich dabei untrennbar zusammen.

Der flammende Stern

Ergänzt wird die Symbolik im Ritual des Gesellengrades dann noch vom flammenden Stern, als wichtigem Sinnbild der Vernunft, des logischen Denkens, der Wahrheitssuche und natürlich des ewigen Lichts, aber auch der Menschenliebe. Ein leuchtender Wegweiser, auch im Dunklen, in Richtung des Guten und Wahren.

Ideale Freimaurer in freier Wildbahn

Ich überlege, wie ich im Leben aus diesen Erfahrungen einen Nutzen ziehen kann. Jeder kommt im Leben in Situationen, in denen verschiedene Handlungsweisen und Entscheidungen möglich sind. Mit etwas Glück habe ich dann im Zweifel die Zeit, um in Ruhe mein Vorgehen zu überlegen.

Hilft manchmal in besonders schwierigen Fällen eine Liste von Argumenten und möglichen Vorgehensweisen, Pro und Contra, so passiert es aber manchmal auch, dass die linke Seite der Waage gleich schwer wiegt, wie die Rechte. Oder mir widerstrebt die einfachste, naheliegende oder auch sozial erwünschte Handlungsweise schlicht, warum auch immer.

Mir kam in so einer Situation die Frage in den Kopf, wie wohl ein nahezu idealer Freimaurer handeln würde. Getreu der Idee, „handele im Zweifel so, wie ein guter Mensch handeln würde“, vielleicht auch ein guter Freimaurer, die beste denkbare, vorbildliche Version von mir. Handele also wie ein Vorbild, wenn möglich.

Während ich mich in den vergangenen Wochen mit diesen Gedanken beschäftigte, fiel mir auch noch eine moderne Version dieser Maxime auf. Im aktuellen Helden-Film „Captain Marvel“ lautete der Rat:

„Sei der beste Mensch, der Du sein kannst.“

Vorbild Freimaurer

Aber das ist einfacher gesagt, als getan. Denn wie sähe so ein Vorbild-Freimaurer wohl aus? Einer von den zuvor erwähnten Herren mit gerecktem Hals und vor Stolz geschwellter Brust, völlig sicher in dem persönlichen Glauben, im Besitz einer freimaurerischen Kenntnis und Wahrheit zu sein, die ihn weit von den „Profanen“ abhebt?

Ich glaube kaum.

Und Erich Kästner ergänzte so schön: „Man muss mehrere Vorbilder haben, um nicht eine Parodie eines einzelnen zu werden.“

Allerdings kann es sich auch lohnen, nicht nur nach positiven Persönlichkeiten im Umfeld Ausschau zu halten. Auch die negativen Vorbilder, von denen ich mich natürlich eher abgrenzen möchte, verraten sicher viel über meine Werte und Ziele.

Viele freimaurerische Tugenden

Schon in den Unterweisungen im Gesellengrad wird bei „Vertiefung der allgemeinen freimaurerischen Tugenden“ Kritikfähigkeit und Demut eingefordert“ (Unterweisungen im Gesellengrad 2012, Seite 48ff), zusammen mit einer fast beliebigen Vielzahl weiterer Anforderungen: Sind es bei Freimaurer-Lehrlingen etwa Pflichtbewusstsein, Ausdauer, Fleiß, Stärke und Treue, so kommen bei den Gesellen Verschwiegenheit, Beharrlichkeit, Disziplin, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Gehorsam, Mäßigung, Selbstbeherrschung, Zurückhaltung, Kritikfähigkeit, Kameradschaft, Vernunft, Glaube, Nächstenliebe, Hoffnung (vielleicht treffender als Optimismus beschrieben), Weisheit, Gelassenheit und Ruhe, geistige Schönheit, Standhaftigkeit, Mut, Furchtlosigkeit, Stärke des Geistes und nicht zuletzt auch Friedfertigkeit, Güte, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit im Sinne des Freimaurerischen Winkelmaßes dazu. Und das dann aber bitte alles im richtigen Maß, denn auch in diesem Fall könnte man sagen: „Die Dosis macht das Gift“. Wer etwa meint, Beharrlichkeit und Standhaftigkeit im Ausmaß einer ausufernden Sturheit und Kompromiss¬losigkeit auszuleben, ist ganz sicher sehr weit von meinem gesuchten freimaurerischen Vorbild entfernt.

Ich kenne niemanden, der auch nur im Entferntesten an diese komplexe Anforderung heran reicht, den ich mir als Vorbild hernehmen könnte. Aber das bedeutet auf der anderen Seite ja nicht, nicht trotzdem zu versuchen, diese Ideale wenigstens im Ansatz im Alltag zu erreichen. Das Setzen hoher Ziele ist vielleicht nicht der schlechteste Weg.

Den Grund für die Bemühungen liefert alleine schon das schöne Zitat von Paulo Coelho: „Die Welt verändert sich durch dein Vorbild, nicht durch deine Meinung.“

Und wie schon oben angemerkt, scheint es unmöglich zu sein, ein echter, wirklicher Freimaurer zu sein.

Es ist wohl höchstens möglich, sich auf den Weg zu diesem Ziel zu begeben. Ein beachtenswerter Tipp, den ich bei meiner Recherche zum Thema „Vorbilder“ gefunden habe, hat mich besonders beindruckt. Dort heißt es: „Stärke andere Menschen“, um selber ein Vorbild zu sein. Die Fähigkeit, andere zu stärken, „Empowerment“, ist die Fähigkeit, die viele Vorbilder mitbringen. Sie machen andere Menschen nicht klein, sondern versuchen im Gegenteil, sie zu stärken und vorwärtszubringen. Also: Nicht von oben herab belehren, um andere klein – und sich selber vermeintlich größer erscheinen zu lassen. Sondern das Gegenüber lehren, um es im Alltag aufzubauen. (www.lernen.net/artikel/vorbilder-beispiele-25937/)

Dieser moderne Gedanke kommt mir bei der Freimaurerei, wie ich sie bisher erlebte, deutlich zu kurz. Dort wird doch, nach meiner Beobachtung, eher immer noch von alten preußischen und soldatischen Tugenden als vorbildlich ausgegangen, mit entsprechender Unterordnung der Personen und deutlichen Hierarchien. (Zum Beispiel in den Unterweisungsbüchern, die auf fast keiner Seite versäumen, die Lernenden als kleine, unwissende Schüler hinzustellen und sogar so zu benennen).

Der angeführte Artikel von „Lernen.net“ schlägt dagegen vor, die eigenen Fähigkeiten nicht nur für sich selber zu nutzen, sondern auch für andere. Sein Wissen zu teilen, Anfänger zu unterstützen und bereit zu sein, nach Möglichkeit auch mal uneigennützig für jemand anderen in die Bresche zu springen.

Dieser Gedanke fühlt sich für mich sehr freimaurerisch an.

Auch wenn Freimaurerei letztlich wohl eine egoistische Sache ist: Man arbeitet an dem eigenen rauen Stein. Es geht um Selbsterkenntnis mit dem Antrieb, sich weiterzuentwickeln, und das wiederum ist sicherlich ein egoistisches Thema im eigentlichen und besten Sinne (wie ich treffend in einem Traktat des Freimaurer-Wiki gelesen habe).

Und mir drängt sich auf, dass die Suche nach einem Vorbild durchaus auch als Suche nach dem flammenden Stern verstanden werden kann, der Suche nach dem leuchtenden Wegweiser im Dunklen, der einem die Richtung weist.

Als Freimaurer, egal in welchem Erkenntnisstand und Grad, wird einem gesagt, sich ständig und immer wieder selbst zu prüfen und zu schauen, ob man auf dem rechten und somit winkelgerechten Weg ist. Im Prinzip beschreibt der Begriff Freimaurer eben den Idealzustand, den wir aber zu Lebzeiten nie erreichen können. Somit sind wir alle, so leid es dem ein oder anderen vielleicht tun mag, eben eigentlich keine Freimaurer, sondern wollen irgendwann welche werden.

Aufbruch

Aber es ist nicht das Wichtigste anzukommen. Es ist wichtiger aufzubrechen. Der Weg ist eben das Ziel der möglichst andauernden und gemeinsamen Wanderung auf diesem Weg der Erkenntnisse und hin zum ‚Licht‘.


In diesem Sinne möchte ich nun passend mit meinem Wahlspruch schließen:

Du musst mit allem rechnen, - auch mit dem Guten!


Ich bedanke mich besonders bei meinen Logenbrüdern der „Anschar_zur_Brüderlichkeit“ für ihre Unterstützung und Hilfe.

Es geschehe also!



Quellen

Quellen für den Text waren unter anderem:

- Buchautor René Schon auf https://hagenunterwegs.com/tag/winkelwaage/

- https://www.freimaurergedanken.com

- Internationales Freimaurer-Lexikon

- https://www.freimaurer-wiki.de

- Traktat: „Traktat:_Geometrie?_Fragen_&_Antworten“ aus „Freimaurer-Wiki“

- „Unterweisungen im Gesellengrad“, 2012

- Reuss Theodor, „Unterweisung im Gesellengrad“, Instruktion 1927

- https://www.kom.de/medien/warum-es-so-schwer-ist-ein-vorbild-zu-haben/

- https://www.lernen.net/artikel/vorbilder-beispiele-25937/

- https://www.strussundclaussen.de/karriere-blog/beitraege/vorbilder-wie-wir-von-ihnen-fuer-die-eigene-entwicklung-profitieren-koennen/

- https://instahelp.me/de/magazin/selbstwert/vorbild-nachahmen-erwuenscht/

- https://www.weiler-seminare.de/blog/item/59-fuehrungsvorbilder

- https://www.studienstrategie.de/motivation/vorbilder-idole-zitate/

- https://wpgs.de/fachtexte/vorbild-sein-fuehrung-vorbildfunktion/

- https://www.iu.de/magazin/karriere-vorbilder/