Kosmos: Innenleben

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Innenleben

Aus der Festschrift Kosmos


Als die Loge Kosmos im Jahr 1973 gegründet wurde, war Bonn kulturell zutiefst geprägt von ihrer Hauptstadtfunktion. Zahlreiche Regierungs- und Politikinstitutionen, Botschaften, Verbände prägten die Stadt, die einst nur eine mehr oder weniger bedeutsame Residenzstadt mit einer Universität war.

Schon die Bonner Freimaurerloge Prometheus war von dieser kulturellen Umgebung geprägt, einige Brüder jedoch wollten einen Schritt weiter gehen. Den aus beruflichen Gründen in Bonn weilenden oder durchreisenden Brüdern aus aller Welt sollte eine freimaurerische Heimat geboten werden, eine Loge mit internationaler Ausrichtung, die in der Sprache arbeiten sollte, die von der Mehrheit der Anwesenden gesprochen wurde.

Außerdem sollte die Loge eine besonders strenge Geheimhaltung pflegen, die allein es freimaurerischen Politikern und Diplomaten ermöglichen würde, sich aktiv an der Logenarbeit vor Ort zu beteiligen.


Ein schwieriger Anfang

Brüder aus Belgien, Argentinien, Deutschland und Frankreich gründeten die Loge Kosmos, konnten aber nicht hoffen, ein Gründungspatent für Bonn zu erhalten, da zu diesem Zeitpunkt schon eine beträchtliche Anzahl von Freimaurerlogen in Bonn existierte und wohl auch die eine oder andere Loge fürchtete, dass durch eine weitere Gründung in Bonn sich die Nachwuchslage für die eigene Loge verschlechtern würde. Hans Hinterleitner, damaliger Großmeister der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, war ein engagierter Unterstützer der Idee einer internationalen Loge, und er war sogar bereit, im Senat, dem obersten Gremium des Dachverbandes der Vereinigten Großlogen von Deutschland, die zu erwartenden Einsprüche gegen die Gründung zu überstimmen.

Dies war aber nicht notwendig, da die beiden konkret erhobenen Einsprüche schon im Vorfeld entkräftet werden konnten. So erhielt die Loge Kosmos eine Gründungsurkunde von der Großloge AFuAMvD mit der Matrikelnummer 924, die als Gründungsort die Kleinstadt Königswinter benannte. Am 10. März 1973 wurde das zuvor in der Loge „Les Disciples de Salomon“ im Orient Löwen (Belgien) entzündete Licht in die neue Loge eingebracht.

Erste Kompromisse und und Konflikte


Die Gründungsidee: konsequent international, mehrsprachig, offen für alle durchreisenden Brüder, strengste Diskretion



Der frühere Briefkopf der Loge war viersprachig gehalten, aber schlussendlich arbeiteten die Brüder nur in deutscher oder französischer Sprache. Zu Beginn fanden die Tempelarbeiten im Blauen Salon des Gut Buschhof in Königswinter statt, doch schon bald hegte man Zweifel an der Integrität des Hotelbesitzers, so dass man die rituellen Arbeiten in einem Haus in der Lindenallee 58 in Köln durchführte, in dem auch die Kölner Logen Ver sacrum und Albertus Magnus arbeiteten.

Die Mitgliederzahl entwickelte sich nur sehr langsam und so manches Mal war die Loge nur mit Hilfe anwesender Besucher arbeitsfähig. Ende der siebziger Jahre standen Renovierungsarbeiten in der Lindenstraße an und die Miete wurde erhöht; erstmals wurde in der Loge diskutiert, ob man den Standort wechseln sollte, vollzogen wurde der Wechsel aber erst in den späten achtziger Jahren, als der Mietvertrag aufgrund einer Umwidmung des Hauses gekündigt wurde.

Die neue Heimat wurde im Bonner Logenhaus gefunden. Die Zahl der Mitglieder stieg nur langsam und lag auch in den achtziger Jahren nur zwischen 25 und 35. Innerhalb der Loge entwickelten sich Konflikte, und so mancher von ihnen wurde durch den Weggang von Brüdern beendet.

Aus der Distanz betrachtet wird man einen großen Teil der Konflikte auf die kulturelle Heterogenität der Mitglieder zurückführen können; das, was den Reichtum der Loge ausmachte, war eben auch regelmäßig Anlass für ihre Gefährdung – insbesondere entwickelte sich eine Konfliktlinie zwischen den deutschsprachigen und den französischsprachigen Brüdern, die weniger in sprachlichen Problemen lag als in den sich zum Teil widersprechenden, meist aber nur voneinander abweichenden freimaurerischen Traditionen.

Hier bildete sich im Kleinen (quasi im Mikrokosmos) ab, was auf europäischer Ebene als Schisma der Freimaurerei bezeichnet werden kann: die Trennung zwischen einer eher ritual-orientierten, spirituellen Freimaurerei englischer Prägung und der aufklärerischen, durchaus an explizit politischer Auseinandersetzung interessierten frankophonen Freimaurerei. Aus diesen Konflikten ging die Loge mit den Jahren konsolidiert, sogar gestärkt hervor.


Eine stete Bedrohung: der Wegzug von Brüdern

Wie zu erwarten war, konnten viele der Brüder, die im diplomatischen Dienst waren, nicht lange in Bonn verweilen, da ihre Regierungen sie an andere Orte bestellte. Viele belgische Brüder verließen die Region aufgrund des Abzuges des belgischen Regiments.

Als zuletzt auch der Standort der Hauptstadt von Bonn nach Berlin verlegt wurde, drohte die Internationalität der Loge verloren zu gehen. Dass es nicht dazu kam, ist dem verstärkten Engagement einiger Brüder zu verdanken, die aus persönlichen oder geschäftlichen Gründen zwischen Deutschland und Frankreich Grenzgänger waren und denen die kulturelle Vermittlung eine Herzensangelegenheit war. Das Profil veränderte sich, aus der „Diplomatenloge“ wurde nun eine Loge, die ihren internationalen Geist aus anderen als politischen Quellen bewahren, aber auch im weiteren Verlauf neu schaffen musste.


Die Herausforderung: Bewahrung der Internationalität

Bis heute hat sich die Loge die Tradition bewahren können, ihre Arbeiten in deutscher und in französischer Sprache durchzuführen. Der Anteil der Diplomaten und Ministerialbeamten unter den Mitgliedern ist erheblich gesunken, hingegen die Zahl der Doppelmitglieder, die in ihren Heimatländern freimaurerisch aktiv sind und sich bei Kosmos eine zweite Heimat bewahren, ist mit den Jahren gestiegen.

So kann die Statistik auch heute noch beeindrucken: Die fast 90 Mitglieder der Logen stammen aus 20 verschiedenen Ländern, gehören den verschiedensten Religionen an und haben die verschiedensten Hautfarben. Wenn nun auch das aktive Logenleben überwiegend von den deutschen Brüdern getragen wurde, so blieb neben den Tempelarbeiten in französischer Sprache und dem internationalen Geist ein weiteres Element erhalten, nämlich die in der deutschen Freimaurerei eigentlich nicht verbreitete Diskussion im Tempel im unmittelbaren Anschluss an die so genannte Zeichnung, dem Vortrag im Tempel.

Sie war innerhalb von Kosmos nicht immer unumstritten, oftmals war sie auch Anlass für kritische Auseinandersetzungen. Heute ist die Diskussion im Tempel so sehr zum Kernbestand der rituellen Praxis bei Kosmos geworden, dass man sich eine Tempelarbeit ohne sie gar nicht mehr vorstellen kann.


Zwar ist Kosmos die mitgliederstärkste Loge in Bonn, so hat sie andererseits darunter zu leiden, dass viele ihrer Mitglieder im Ausland leben und nicht regelmäßig die Tempelarbeiten besuchen können. So erhalten die französischsprachigen Arbeiten ihre besondere Bedeutung dadurch, dass sie auch für die weit entfernt lebenden Brüder einen Anlass bieten, nach Bonn zu kommen. Um auch den vielen deutschen Brüdern, die zumeist des Französischen nicht mächtig sind, dennoch den Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen, bereiteten Brüder Übersetzungen der Vorträge vor und übersetzen die Fragen und Antworten während der Diskussion im Tempel.

Dort, wo die Internationalität vor Ort nicht gewährleistet ist, erhalten Reisen zu Brüdern in den verschiedenen Ländern eine besondere Bedeutung. Einige Mitglieder haben einen nachhaltigen Kontakt zu Brüdern in anderen Ländern etabliert, halten aber auch Kontakt zu den Kosmos- Brüdern in aller Welt.

Ein besonderer Kontakt hat sich zu Brüdern in der Republik Moldau entwickelt, aber auch zu niederländischen, französischen und belgischen Logen. In diesem Sinne ist es nicht Pflicht, sondern eine aufrichtige Freude – ganz im Geiste der Gründerväter unserer Loge – allen reisenden Brüdern unsere Tür zu öffnen.


Kosmos vierzig Jahre nach Gründung

Die Loge Kosmos steht in ihrem vierzigsten Jahr vor besonderen Herausforderungen. Bonn hat seine ehemals wichtige politische Rolle weitestgehend verloren, obwohl sich noch einige Hauptstandorte von Bundesministerien vor Ort erhalten haben.

Eine neue Bedeutung erlangte Bonn als Standort für Telekommunikations- und Logistikdienstleister, ebenso befinden sich in Bonn UNO-Institutionen und der Standort der Deutschen Welle, die ein wenig internationalen Geist aus vergangenen Tagen lebendig halten. Diese Veränderungen haben natürlich Einfluss auf die Mitgliederstruktur von Kosmos, insbesondere der kulturelle Hintergrund der neu aufgenommenen Mitglieder hat sich geändert; die Internationalität der Loge wird in Zukunft eine andere Gestalt annehmen müssen, und auch die in der gesamten Geschichte der Loge im Mittelpunkt stehende inhaltliche Arbeit wird andere Prägungen erfahren.

Hatte so mancher Beobachter in der Gründungszeit der Loge den Verdacht, es handele sich um ein tot geborenes Kind, so zeigt sich Kosmos heute in großer Vitalität. Gerade weil Kosmos sich in Zeiten der inneren Krisen und der äußeren Veränderungen das Vertrauen in die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten bewahrt hat, wird Kosmos auch eine faszinierende Zukunft haben.


Der Geist von Kosmos

Albert Rigot, MvSt / VM

Überlegungen


Schon vierzig Jahre?
Nur vierzig Jahre?
Vierzig Jahre trotz allem?


Diese Formulierung in Frageform erscheint mir angemessen, wohl wissend, dass die Pontifexe unserer Großloge schon kurz nach der Lichteinbringung 1973 Kosmos für eine Totgeburt erklärt haben.

Es ist wahr, dass Kosmos schwierige Zeiten erlebt hat, darunter – als Höhepunkt – der Umzug von Beamten, Geschäftsmännern und Diplomaten von Bonn und seiner Region nach Berlin, der neuen Hauptstadt, oder anderen Horizonten entgegen. Unsere Reihen leerten sich unerbittlich.

Wir hätten untergehen können.Aber wir hatten das Gefühl, vielleicht sogar schon die Gewissheit, dass die Loge Kosmos ihre Erneuerung erleben würde, und so kam es. Vom Geist von Kosmos zu sprechen ist uns heute sehr geläufig. Dieser Geist existiert.

Aber woher kommt er? Was bedeutet er?

Ich werde versuchen, diese Frage zu analysieren, mit großer Bescheidenheit, denn ich glaube, dass ich Teil dieses Phänomens und parteilich bin.

Der Beginn dieses Geistes war eine Begegnung. Wir nahmen den jungen Deutschen Hein-Peter Schreiber auf, ein sehr talentierter Industrie-Fotograf. Der Kleine Prinz landete auf dem Planeten Kosmos. Es war die Begegnung! Zweifellos eine etwas poetische Formulierung, aber sie kam der Wirklichkeit nahe.

Seine Entwicklung und seine Integration in unsere Loge erfolgte schnell. Nach zwei Jahren haben wir ihn in den Grad des Meisters erhoben. Er war nicht der Mann, den das Schicksal uns geschickt hat, auch nicht der Messias. Er war ein Mensch, der – Bruder geworden – die wesentlichen Fragen stellte und der Antworten bei jenen provozierte, die Fragen dieser Art nicht erwarteten. Er wagte es, die für einen deutschen Bruder „rote Linie“ des politisch-freimaurerisch Korrekten zu überschreiten. Er schloss sich den nicht-konformistischen französischen und belgischen Brüdern an und veranlasste auch zahlreiche deutsche Brüder, dies – in seinem Kielwasser – auch zu tun. Hein-Peter und ich wohnten nahe beieinander und wir besuchten uns häufig, Augenblicke des fruchtbaren Nachdenkens über die Zukunft von Kosmos, die uns unsicher erschien.

Unser Nachdenken war von beispielhaftem Reichtum, weil es von unserer kulturellen Differenz geleitet war, deren Wert mir im Nachhinein deutlich wurde. Deutlich wurde mir die Symbiose, die sich der kulturellen und gegenseitigen Bereicherung verdankte, und der subtile Verlauf der unsichtbaren Unterschiede unseres beiderseitigen initiatorischen Weges.

Wir waren davon überzeugt, dass Kosmos leben sollte und dass wir dazu die Ideen zu liefern hatten. Wir träumten von der perfekten Loge. Hochmut? Illusion? Traum? Realität? Unsere Diskussionen waren geleiten und entsprachen dem kartesischen Dreischrittes These, Antithese, Synthese. Wir stellten Schlussfolgerungen bereit, von denen wir glaubten, dass sie uns auf den Weg in Richtung des gewollten und erwünschten Zieles bringen.

Dafür einige Beispiele: Anwesenheit von Brüdern in unserer Loge, ganz gleich mit welchem sozialen, kulturellen, ethnischen, religiösen Hintergrund, und ganz gleich woher. Die Diskussion in unserer Bauhütte kennt kein tabuisiertes Thema. Es soll ein Raum der Freiheit geschaffen werden, der die Anerkennung jeder Meinung innerhalb einer anerkannten Ordnung impliziert. Respekt gegenüber der Großloge in dem Maße, in dem sich sich als respektabel erweist, ohne Unterwerfung oder Servilität.

All dieses sollte nach unserer Auffassung dazu dienen, die Attraktivität unserer Loge zu steigern, für die Profanen und für die Brüder, die nach einer freimaurerischen Heimat suchten. Natürlich waren die Mitglieder unserer Loge darüber auf dem Laufenden, sie dienten uns in Bezug auf die Umsetzbarkeit dieser Ideen als kritischer Spiegel. Die sich entwickelnde praktische Umsetzung dieser Thesen, die von einigen deutschen Brüdern kritisiert wurde, führte zu großen und unnötigen Problemen mit der Großloge.

Unsere Großloge forderte uns auf Bitten der Vereinigten Großlogen von Deutschland dazu auf, uns von jenen Brüdern zu trennen, die als „irregulär“ galten, von denen wir einige in unseren Reihen hatten. Ebenso wurden unsere Diskussionen im Tempel und die behandelten Themen zum Gegenstand der Kritik.

Wir entschlossen uns daraufhin, dieses Diktat nicht zu akzeptieren und in die Offensive zu gehen. Einige deutsche Brüder verließen uns im Namen der „Orthodoxie“. Auf paradoxe, aber auch glückliche Weise schweißte dies die verbleibenden deutschen Brüder in der Art einer heiligen Allianz neu zusammen. Wir wollten uns verweigern, wollten existieren, wollten in unseren Eigenarten respektiert werden.

Ich bin mir sicher, dass dieser Widerstand zum Geist von Kosmos gehört, von dem ich eben sprach. Auf der anderen Seite führt uns diese Krise dahin, nach einer stimmigen und verständlichen Definition zu suchen, die Kosmos erklärbar macht. Diese Definition werde ich am Ende dieses Textes wiedergeben.

Ich war der Stuhlmeister von Hein-Peter, und er war mein Stuhlmeister, wir haben Hand in Hand für das schon angesprochene Ziel gearbeitet. Ich versuche nicht, eine Vaterschaft für den Geist von Kosmos zu beweisen, ich möchte nur die Wichtigkeit einer Begegnung zwischen Männern guten Willens und mit einer Vision unterstreichen. Unsere Loge soll ein solcher Ort für die Begegnung sein.

Der Geist von Kosmos, so wie ich ihn zu beschreiben versucht habe, war ein Reflex einer Epoche, der Reflex einer außerordentlichen Begegnung, der Reflex einer Konstellation. Damit sage ich, dass der Geist, von dem ich sprach, weder stabil, unveränderlich oder endgültig ist. Dieser Geist soll der Reflex einer anderen Epoche und anderer Begegnungen werden. Es ist den neuen Brüdern aufgetragen, dies umzusetzen, daran zu arbeiten, dass der Geist sich entwickelt, ohne sich im Inneren zu verändern. Kontinuität in der Veränderung oder umgekehrt.

Um diese Überlegungen abzuschließen, ohne gleichwohl zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen, möchte ich noch einmal die Frage stellen: Warum kommen so viele Brüder mit den unterschiedlichsten Horizonten, um sich bei Kosmos annehmen zu lassen, um hier eine freimaurerische Heimat zu finden?

Zitat von Hein-Peter Schreiber: „Diese Loge ist keine deutsche Loge, diese Loge ist keine französische Loge. Sie ist eine Loge in Deutschland, offen für alle, ohne Unterscheidung nach Rasse, Religion, Kultur oder Obödienz.“