Rezension "Tagebuch der großen Loge von Preußen" von Guntram B. Seidler

Aus Freimaurer-Wiki

Tagebuch

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Vorwort

Im Spätherbst des Jahres 2023 erschien diese elementare Aufarbeitung durch Guntram B. Seidler. Die Kompilation wurde herausgegeben von der Großen Loge Royal York zur Freundschaft mit einem sehr treffenden Geleitwort von Hans Hermann Höhmann, das dessen Veröffentlichung "Identität und Gedächtnis" entnommen wurde:

"Deutsche Freimaurer tun sich schwer mit dem Kampf des Gedächtnisses gegen das Vergessen. Dies zeigt ihr Umgang mit der eigenen und mit deutscher Geschichte. Sie neigen dazu, unbequeme Wahrheiten über die Vergangenheit zu verdrängen und die Sicht auf die Realität des Gewesenen mit selbstgemachten historischen Kulissen zu verstellen. Besonders ausgeprägt ist diese Haltung in Bezug auf auf die 1920er und die frühen 1930er Jahre, im Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen Freimaurerei, Nationalismus und Nationalsozialismus. Hier dominieren bis heute selbst verordnete Amnesie, Geschichtsklitterung und wolkiges Denken."

Diese Erkenntnis deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen während der Rekonstruktion der von den Nazis zerstörten Statue Friedrich Ludwig Schröders und meiner Arbeit am Restitutions-Krimis "Das große Notzeichen". Insbesondere die Auseinandersetzung mit den Büchern von Niklas Frank "Zum Ausrotten wieder bereit" und "Feige Seele dummes Maul" in der diese mangelhafte Aufarbeitung als eine der Ursachen für den gerade wieder aufkeimenden Antisemitismus genannt wird, haben mich immer wieder animiert, der Kategorie "Dunkle Zeit" in diesem Freimaurer-Wiki ein besonders Gewicht zuzubilligen.

Daher begrüße ich diese Aufarbeitung durch Guntram B. Seidler ausdrücklich. Sein bescheidener Untertitel "Ein Beitrag zur Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels ihrer Geschichte", der auf die besondere Rolle der Großen Loge von Preußen weist darauf hin, dass es bereits erste, zaghafte Versuche einer Aufarbeitung gab.

So lesen wir auf unserer Seite 3WK beispielsweise: [...]Die Umwandlung der GNML zu den „3WK“ in den Nationalen Christlichen Orden „Friedrich der Große“ im April 1933 war kein Tarnungsversuch zur Rettung der Freimaurerei, sondern der Versuch überzeugter Nationalsozialisten, eine völkisch-nationale Freimaurerei aufzubauen. Der Gedanke, es würde etwa durch Anbiederung gelingen, der Verfolgung Einhalt zu gebieten, ist ein Irrtum. Die Angriffe auf die Freimaurerei wurden immer stärker.

Auch der Widerstand deutscher Freimaurer gegen das NS-System hielt sich in Grenzen. Die deutschen Freimaurer waren in dieser Hinsicht nicht besser und auch nicht schlechter als die Mehrheit der deutschen Bürger. Sich dieses einzugestehen, fällt den meisten Freimaurern bis heute schwer.[...]

Dieses Tagebuch der Großen Loge von Preußen (genannt Royal York) zur Freundschaft sollte, ja müsste zur Pflichtlektüre für jeden deutschen Freimaurer werden.

Jens Rusch im Dezember 2023

Zeichnung: ZEICHNUNG - Aus der Geschichte der Großen Loge Royal York zur Freundschaft

Von Guntram B. Seidler

225 Jahre Große Loge Royal York zur Freundschaft! Eine recht lange Zeit, in der zum 50. (1849), 100. (1898), 110. (1908), 150. (1948), 160. (1958), 200. (1998) und 210. (2008) Stiftungsjubiläum Festschriften mit Chro- niken erschienen. Bei deren Durchsicht fällt auf, dass dabei die Behandlung sowie die kritische Bewertung des wohl finstersten Ka- pitels in der Geschichte der GLRYzF während der Wei- marer Republik und im sog. „Dritten Reich“ zu kurz gekommen sind. Denn in der 1948er Jubiläumsschrift wurde auf diese tief einschneidende Zeitepoche lediglich auf nur sieben kleinformatigen Seiten bei Ausklamme- rung von wichtigen Fakten eingegangen, wovon auch nur einige Passagen wortwörtlich in die kurzgefassten Festschriften von 1958 und 1998 übernommen wurden. Eine detaillierte Geschichte der GLRYzF für die Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg, des Wechsels zum christlichen Prinzip bis hin zur gleichgeschalteten Umwandlung in einen deutsch-christlichen Orden und zuletzt zur Auflösung und Liquidation fehlte damit bisher, vor allem aber auch eine selbstkritische Aufar- beitung dieser für die deutsche Freimaurerei unseligen Zeitepoche. Der Redner der Großen Loge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, Br. Hans- Hermann Höhmann, hatte in einigen seiner Veröffent- lichungen die bisherige mangelhafte Erinnerungskultur an diese Zeit beklagt. U. a. in seiner Schrift „Identität und Vermächtnis“ von 2014 zog er diesbezüglich Bilanz. Die Beleuchtung und Analyse des Verhaltens der deut- schen Freimaurerlogen in der Nazi-Zeit sei anfangs nur zögerlich erfolgt, vor allem hätten sich zunächst externe Forscher dieses Themas angenommen, während der letz- ten beiden Jahrzehnte zunehmend aber auch Freimaurer. Von den früheren, meist nicht reaktivierten neun deut- schen Großlogen habe von den heute wieder existie- renden altpreußischen Großlogen bisher nur die Große National-Mutterloge „zu den drei Weltkugeln“ im Jahre 2002 ein dreibändiges Werk als „Versuch einer Standort- bestimmung“ der Jahre 1933 bis 2000 herausgebracht. „Das Werk begründet ein neues Anspruchsniveau, von