Traktat: Hell und Dunkel: Freimaurerei im Mosaik der Mythen von Hans-Hermann Höhmann: Unterschied zwischen den Versionen

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# 2. der „Volksaberglaube“;
 
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# 3. die mannigfaltigen politischen Verbote, die die Geschichte der Freimaurerei begleitet haben;
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# 4. die „schweren Geschosse“ der Verschwörungsideologien, die den Freimaurern oft die Juden, zuweilen auch die Jesuiten als Bundesgenossen zuordnen;
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# 5.die „modernen“ Vorbehalte, die Freimaurerei sei unmodern, überholt und frauenfeindlich, sei „wahnhaft gesittete Mummerei“, wie der Philosoph Ernst Bloch gesagt hat;
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# die „schweren Geschosse“ der Verschwörungsideologien, die den Freimaurern oft die Juden, zuweilen auch die Jesuiten als Bundesgenossen zuordnen;
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# 6. schließlich die Rückkehr des Fantastischen und Mysteriösen in der Postmoderne, die ich als „Dan-Brown-Syndrom“ bezeichne, nach dem Buch des Autors, das die Freimaurerei in ein Szenario obskurer Esoterik versetzt.
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# die „modernen“ Vorbehalte, die Freimaurerei sei unmodern, überholt und frauenfeindlich, sei „wahnhaft gesittete Mummerei“, wie der Philosoph Ernst Bloch gesagt hat;
 
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# schließlich die Rückkehr des Fantastischen und Mysteriösen in der Postmoderne, die ich als „Dan-Brown-Syndrom“ bezeichne, nach dem Buch des Autors, das die Freimaurerei in ein Szenario obskurer Esoterik versetzt.
 

Version vom 18. Februar 2022, 19:24 Uhr

Hell und Dunkel: Freimaurerei im Mosaik der Mythen

von Hans-Hermann Höhmann

Seitdem es die „moderne“ Freimaurerei gibt, seitdem Logen existieren, die nicht mehr Organisationen des Bauhandwerks sind, sondern moralisch orientierte Vereinigungen, die zur Vermittlung ihrer Ideen, religiösen Überzeugungen und sozialen Formen Symbole und Rituale verwenden, und das heißt wiederum seit der schottischen Freimaurerei des frühen 17. Jahrhunderts, solange gibt es einerseits helle und freundliche Mythen der Freimaurerei, so lange gibt es aber auch Gegner, Verurteilungen und Verbote, gibt es Verfälscher und Verleumder der Freimaurerei, gibt es gegen die Freimaurerei gerichtete Mythen, gibt es Bilderwelten, in denen die Freimaurerei in dunklen und bedrohlichen Farben erscheint.

Doch sprechen wir zunächst von den freundlichen Mythen, von den Bilderwelten, die innerhalb der Freimaurerei selbst entstanden sind, und die sich oft zu freimaurerischen Gründungs- und Begründungsmythen verdichtet haben. Sie entstanden oder wurden geschaffen, um Ehrwürdigkeit, Ansehen und Legitimität des weltweiten Bruderbundes zu betonen und zu steigern.

Als ich im Oktober 2010 auf einer Veranstaltung der Freimaurerlogen Hannovers im dortigen historischen Museum zum gleichen Gegenstand wie heute sprach, zeigte das Einladungs-Plakat der Veranstaltung einen solchen Gründungsmythos der Freimaurerei: Es präsentierte George Washington bei der Grundsteinlegung des Capitols in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten, als Freimaurer gekleidet, und es verband mit der Darstellung dieser Szene gleich zwei Mythen miteinander:

den Gründungsmythos der USA und ihrer Hauptstadt Washington und

den Bedeutungsmythos der amerikanischen Freimaurerei. Die Botschaft dieses „Doppelmythos“ ist klar: Wir können stolz sein auf dieses Land, und wir können stolz sein auf diesen Bund, der die Verfassungsgeschichte des Landes so nachhaltig geprägt hat.

Historische Perspektiven

Wenn man so will, begann ja die ganze Geschichte der Freimaurerei sechzig Jahre vor Washington mit der Propagierung eines Gründungsmythos. 1717 wurde die Großloge von London und Westminster gegründet, die erste institutionalisierte Großloge der Welt. 1723 wurde die erste Satzungsurkunde veröffentlicht, die sog. Andersonschen Konstitutionen, auch bei uns unter dem Begriff „Alte Pflichten“ allen Freimaurern bekannt. Ihr Verfasser, James Anderson, hatte dazu Prinzipien formuliert, die bis heute die Wertauffassungen der Freimaurer zum Ausdruck bringen:

  • Der Freimaurer ist dem Sittengesetz verpflichtet;
  • die Menschen in den Logen sollen gut und redlich sein;
  • und der Bund der Maurer soll Männer in Freundschaft zusammenbringen, die sich sonst nie begegnet wären.

Doch Anderson lässt es nicht bei Werten und Prinzipien. Er fügt eine Chronik der Baukunst hinzu, in der wortwörtlich zu lesen ist:

Adam unser Vater, geschaffen nach dem Bilde Gottes, des großen Baumeisters der Welt, muss die freien Künste, insbesondere die Geometrie, in seinem Herzen getragen haben, denn er lehrte sie seine Söhne, und die Familien beider betätigten sich als Bauleute, bis Noah die Arche baute, die sicherlich nach den Gesetzen der Baukunst errichtet war, und so retteten Noah und seine drei Söhne Kenntnisse der Baukunst in die neue Welt.

James Anderson

Warum ein solcher Gründungsmythos? Warum eine so fragwürdige Herkunftserzählung?

Nun: eine Bauhütte, die Kathedralen baut, die „operativ“ ist und dies von Jahrhundert zu Jahrhundert, braucht keine Begründung, ihr Bauen versteht sich aus sich selbst heraus, quasi von allein. Doch eine moralische Werkstatt, eine spirituelle Institution, die neu ist – wie die Freimaurerei zu Beginn des 18. Jahrhunderts – und die sich durchsetzen will in der üppig sprießenden Welt der geselligen Assoziationen in London, die braucht vor allen Dingen eines: die Reputation eben nicht neu, sondern uralt zu sein – und darum also die Formel: „Adam unser Vater, geschaffen nach dem Bilde Gottes, des großen Baumeisters der Welt, muss die freien Künste, insbesondere die Geometrie, in seinem Herzen getragen haben…“.

Dieser Mythos hat Schule gemacht: Der englische Freimaurer-Historiker John Hamill, hat eine ganz Schule von Geschichtsdeutern identifiziert – er nennt sie die im Unterschied zur authentisch-wissenschaftlichen Schule die „romantische“ Schule der freimaurerischen Vergangenheitserklärung –, deren Vertreter es immer wieder versucht haben, die Freimaurerei historisch vom Alten und vom ganz Alten herzuleiten, von den Mysterienbünden des Altertums, von den Ägyptern, von alten griechischen Philophenschulen, von Esoterik und Hermetik der Renaissance, von den Tempelrittern usw. und so fort. Derartige Versuche sind gescheitert, allerdings haben die Freimaurer später immer wieder Elemente der genannten fernen Vergangenheiten in ihre Rituale aufgenommen.

Wenn wir die Mythen systematisieren wollen, um die herum sich die Freimaurerei in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt hat, so stoßen wir auf drei Erzählstränge, die sich zwar oft vermischt haben, die sich aber trotzdem voneinander unterscheiden, ja, sich widersprechen können:

  • die hermetisch-esoterischen Erzählungen von uralter Weisheit und geheimnisvollen symbolischen Codes, mit denen Gott das Wissen der Welt verschlüsselt hat;
  • die gnostisch-christlichen Erzählungen von der Nachfolge Jesu, des Obermeisters des Freimaurerordens sowie
  • die humanistisch-aufklärerischen Erzählungen vom Menschen und seinen moralischen Pflichten im hier und jetzt.

Im Sinne der humanistisch-aufklärerischen Erzählungen hat auch Gotthold Ephraim Lessing, der in meiner Sicht wichtigste Vordenker der Freimaurerei in Deutschland, in seiner Schrift „Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer“ von 1778 einen eigenen „Gründungsmythos“ propagiert. Er mochte Andersons Geschichte nicht, nannte dessen Chronik eine „kahle Rhapsodie“ und schuf dann die Erzählung vom Tafelgespräch der Vorfahren als Ausgang der Freimaurerei, vom Tisch, an dem man gemeinsam saß, wo die Diskurse blühten und „das laut denken mit einem Freunde“ besonders gut gelang.

Und so schuf er den Mythos der Masoney, der masony, der Tischgesellschaft. Und aus dieser Masony wurde für Lessing dann die Masonry, die Freimaurerei. Historisch betrachtet ist dies zwar falsch, doch im Kontext von Lessings Freimaurerkonzept ist es stimmig, denn für ihn war ja der Brückenbau im Gespräch von Mensch zu Mensch ein wesentliches Merkmal der Freimaurerei.

Was daraus für unsere Kenntnis der Freimaurerei folgt, ist, dass die Freimaurer nicht nur die fremden Mythen zu ihrem Bund auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen haben, sondern auch ihre eigenen. Auch wenn ein Mythos Positives transportiert, bedarf er der Hinterfragung, und die Freimaurer haben allen Grund, behutsam und aufklärerisch umzugehen mit den in ihren eigenen Mythen versteckten Erklärungsversuchen, aber eben auch Irreführungen über ihren Bund. Bei aller Vorsicht beim Umgang mit den positiven Mythen in Bezug auf sich selbst haben sie sich aber vor allem vor den verzerrten Projektionen und Fokussierungen zu schützen, die sie in aggressiver Absicht von außen erreichen, d.h., den dunklen Mythen, die ihnen immer wieder wie Fangnetze übergestülpt werden sollen.

Dunkle Mythen und ihr Hintergrund

Wir können an dieser Stelle nicht alle Varianten der Anti-Freimaurerei abarbeiten, aber doch wenigstens ihre Haupttypen bestimmen. Meines Erachtens sind dabei sechs Gruppierungen deutlich zu unterscheiden. Ich nenne sie kurz, um die wichtigsten von ihnen später ausführlicher zu behandeln:

  1. 1. Die Ablehnung und Verurteilung durch Kirche und Religion;
  1. 2. der „Volksaberglaube“;
  1. 3. die mannigfaltigen politischen Verbote, die die Geschichte der Freimaurerei begleitet haben;
  1. 4. die „schweren Geschosse“ der Verschwörungsideologien, die den Freimaurern oft die Juden, zuweilen auch die Jesuiten als Bundesgenossen zuordnen;
  1. 5.die „modernen“ Vorbehalte, die Freimaurerei sei unmodern, überholt und frauenfeindlich, sei „wahnhaft gesittete Mummerei“, wie der Philosoph Ernst Bloch gesagt hat;
  1. 6. schließlich die Rückkehr des Fantastischen und Mysteriösen in der Postmoderne, die ich als „Dan-Brown-Syndrom“ bezeichne, nach dem Buch des Autors, das die Freimaurerei in ein Szenario obskurer Esoterik versetzt.