Christian von Biberstein

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Christian von Biberstein

Quelle: Die Bauhütte 2. Juni 1866

Geboren wurde Christian von Biberstein am 17. März 1791 in Pflugfelden bei Ludwigsburg. Er trat bereits mit 17 Jahren, im Jahr 1808, dem württembergischen Militär bei, wurde 1809 Lieutenant und zog mit dem Heer gegen Österreich, im Jahre 1812 machte er auch den Russlandfeldzug mit und geriet in russische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst nach dem sogenannten Pariser Frieden 1814 nach Württemberg zurück. Beteiligte sich dann am 2. französischen Feldzug wo er als Oberlieutenant "Befreiungsheld" wurde. In diesen Kämpfen wurde ihm die rechte Hand verstümmelt. 1856 war er bis zum Oberst aufgestiegen und wurde in den Ruhestand versetzt.

Wurde in der Stadt Weissenberg zum Freimaurer, da sein Regiment im Jahre 1818 im Elsass cantoniert war. Als er nach Württemberg zurück kam, war dort die Freimaurerei verboten, sodas er nicht gleich anschließend die Maurerei weiter leben konnte.

† 19. April 1866

Nachruf

Quelle: Die Bauhütte, 2. Juni 1866, No. 23, IX. Jahrgang. S. 178-180

Br. Christian von Biberstein

(Eine Skizze.)

Wenn ein treues Bruderherz zu schlagen aufhört, so stehen die Ueberlebenden stille und verweilen mit Andacht vor dem Bilde des Heimgegangenen; wenn aber ein Bruder scheidet, der lange Jahre hindurch die verschiedensten Aemter in einer Loge begleitete, der über ein Jahrzehent ununterbrochen den ersten Hammer führte, so treibt Liebe und Dankbarkeit dazu, von einem solchen Br ein Bild für die Gesammtbrüderschaft zu zeichnen, sein Andenken in den Annalen der Mrei zu verewigen. Und solch ein Br war der am 19. April d. J. in den ew. O. eingegangene Ehrenmeister der [] „Wilhelm zur aufgehenden Sonne" im Or. Stuttgart, Br Christian von Biberstein. Gar zu gern hätten wir es gesehen, wenn eine gewandtere Feder sein Lebensbild entworfen hätte; wenn aber Liebe und Verehrung den Griffel führen, so wird die Nachsicht der Brr gewiss das Skizzenhafte zu entschuldigen wissen.

Geboren am 30. März 1791 in Pflugfelden, in der nächsten Nähe Ludwigsburgs, wurde unserem Christian von frühe an eine sorgfältige Erziehung Seitens seiner Eltern (sein Vater war evangelischer Geistlicher) zu Theil. Noch nicht 18 Jahre alt, im Juli 1808, trat er als Freiwilliger in das württembergische Militair ein, machte 1809 als Lieutenant den Feldzug in Oesterreich mit und zog 1812 mit den Heeren des damaligen Welteroberers gegen Bussland. Auf dem Bückzuge in russische Gefangenschaft gerathen, erlangte er erst nach dem Pariser Frieden von 1814 seine Freiheit wieder. Der zweite' französische Feldzug im Jahr 1815 zählte den tapferen Soldaten als Oberlieutenant unter den Befreiungshelden. Seine verstümmelte Bechte blieb das lantredende Ehrenzeichen unseres Kämpfers; sonstige Leiden seines Körpers, durch die Strapazen des Kriegs, besonders durch jene schaurige Niederlage im russischen Feizug herbeigeführt, mahnten ihn zu beständiger Sorgfalt bezüglich seiner Gesundheit, und bis zu seinem Lebensende hatte er die Nachwehen der Kriegsaffairen sehr zu verspüren. Im Frieden erstieg er dann die milrtairische Stufenleiter, bis er im November 1856 als Oberst in den Buhestand versetzt wurde.

Wenn auch die ihm höchsten Orts ertheilten ehrenhaften Auszeichnungen für seine erprobte Tüchtigkeit und treue Dienstleistung — der wackere Veteran war geschmückt mit den Bitterkreuzen des Militairverdienst- und Kronenordens, dem goldenen Offiziers-Ehrenkreuz und der Kriegsdenkmünze — nicht sprechen würden, so müssten die Zeugnisse seiner noch lebenden militairischen Standesgenossen, sowie die ungetheilte Achtung aller Derer, die mit ihm in freundschaftlicher und näherer Verbindung zu stehen das Glück hatten, hinreichen, den höchst ehrenhaften Charakter des Verblichenen im schönsten Lichte zu zeigen. Er war ein Mann, bieder und treu, ernst und gewissenhaft — fürwahr ein echter, ein ganzer Mann!

Sehen wir uns aber nunmehr nach seiner maurerischen lauf bahn um und versuchen wir in dieser Bichtung, für uns weitaus die wichtigste, ein getreues Bild von dem Unvergesslichen zu zeichnen:

Es war im Jahr 1818, als das Begiment, dem von Biberstein zugehörte, im Elsass cantonirte. Und damals erhielt er in der Stadt Weissenburg die maurer. Weihe. Nach Württemberg zurückgekehrt, fand er, da die Mrei verboten war, nicht alsobald Anschluss an Gleichgesinnte. Doch sollte sein Wunsch, mit Brüdern zu verkehren, nicht zu lange unerfüllt bleiben: es fanden sich Bundesglieder in Stuttgart zusammen, und ein maurer. Kränzchen unter dem Vorsitze des im Jahr 1851 verstorbenen eifrigen Brs Krebs vereinigte später die hiesigen Mr. Um der Sache der k. K. ungestört leben zu können, baten diese im December 1834 den damaligen milden, furchtlos-treuen König Wilhelm um gnädigste Gestattung der Errichtung einer FrMrloge. Br Ton Biberstein war von den 28 Brn der 16., welcher die Adresse an den König unterzeichnete. Die Bitte dieRev Bt fand die allerhöchste Genehmigung, und am 26. Septbr.

1835 erfolgte die feierliche Eröffnung und Einweihung der Loge „Wilhelm zur aufgehenden Sonne", deren erster Hammerführender der schon genannte Br Krebs von da an bis zu seinem Tode, mit einer kurzen Unterbrechung, blieb. Im ersten Mitgliederverzeichnisse dieser jungen Loge, ausgegeben im Jahre 1836, ist Br v. Biberstein als 1. Censor aufgeführt; vom Jahr 1837 bis 1842 war er erster Aufseher, von 1843 bis 1851 deputirter Meister, von 1852 bis 1864 Meister vom Stuhl und von da an bis zu seinem Heinigange Ehrenmeister.

Der Verstorbene war der treueste Jünger des um die Mrei sehr verdienten Brs Krebs, und wenn je ein Bruder die Ansichten und Lehren dieses Brs mit rastlosem Fleisse und warmer Hingebung an sich zur Bewahrheitung zu bringen suchte*, so war es Br von Biberstein. Mag man über die Thätigkeit und über die Ansichten des ersten Mstrs v. St. der [] „Wilhelm" noch so getheilter Ansicht sein: Eines bleibt fest und unantastbar — Br Krebs wusste durch sein ganzes Wesen und Wirken die Brüder für die k. K. zu begeistern. Und soin treuer „Johannes" war unser Vollendeter. Zwar nach aussen gab er sich nicht als eine Johannesgestalt — wie könnte sich diese dem Krieger anbequemen! Aber nach seinem innersten Wesen und Sein war und blieb unser Br v. Biberstein die treueste Johannesseele! WTar es ihm auch nicht gegeben, mit der Gewalt der Rede hinzureissen, so wirkte er um so mehr durch die wandellose Ueberzeugung, die aus seinen schlichten Worten sprach, und sein Ernst und seine für ihn unumstössliche Gewissheit, das Wahre zu haben, machten auf die Brr während seiner langjährigen Hammerführung stets einen tiefen Eindruck. Gegentlieiligen Meinungen verschloss er sein Ohr nicht, obgleich er etwaigen geäusserten Zweifeln an den Ansichten seines Meisters nicht gar hold war. Handelte es sich übrigens um Meinungsverschiedenheiten, so waren dieselben leicht bereinigt, wenn man den Verdiensten des Brs Krebs nur die gebührende Anerkennung zollte und anscheinende Differenzen ,wenigstens annähernd im Sinne dieses Bruders löste. Doch — verlassen wir dieses Feld, das der Loge „Wilhelm" bis zur Stunde noch ein eigentümliches Gepräge verliehen hat, das wir durchaus nicht bemäkeln wollen.

Was wir an dem Vollendeten bezüglich seiner Logenthätigkeit und seiner Amtsführung als Mstr v. St. rühmend und ehrend hervorheben müssen, das ist sein hoher und sittlicher Ernst, seine unverbrüchliche Treue und seine ungetheilte Hingebung an die Sache der k. K. Die Mrei war ihm, so zu sagen, zur andern Natur geworden; sein ganzes Leben, sein Denken und Wirken galt ihr und ihren Idealen. Und seinen Ernst wollte er in jedem Bruder gleichsam als Gegengabe wieder sehen; daher hielt er einerseits stets strenge auf maurer. Ordnung, andererseits suchte er durch Lehre und liebendes Ermahnen auf die Brr einzuwirken. Mochte auch diesem oder jenem Logenmitgliede die Aussenseite des Geschiedenen manchmal minder zusagen: er, der wackere Kriegsmann, zeigte doch jederzeit so viel Zartgefühl und Humanität, dass er den Gedanken, irgend einen Bruder auch nur mit einem Worte unangenehm berührt zu haben, unmöglich ertragen konnte; ja, sehr oft nahm er das, was andere verschuldet hatten, auf sich, um nur den Frieden nicht stören zu lassen.

Wie aber der Verstorbene die Mrei von jedem Bruder geübt wissen wollte, zeigte er an nachfolgendem Glcichniss, das er so oft erzählte und das ein 1. Br. der EZD „Wilhelm", der gegenwärtige deput. Mstr, Br Rathfelder,*) in gebundener Rede niederschrieb, und das also lautet:

„Der Grenadier."
„Was muss ich thun, wenn ich ein rechter Grenadier sein will'?"
So fragt' ein eifriger Rekrut einmal
Den alten bärtgen Corporal.
„Denk' nur, Du seist's!" sprach dieser und schwieg still. —
Kaum hört der junge Mann das Wort,
So dacht' er kühn und immerfort:
„Ich bin ein Grenadier!" Und glaubt es mir,
In kurzer Zeit war er der beste Grenadier.
Warum? Weil er das Wort: „ich b i n's" gedacht;
Das hat ihn ganz allein zum echten Grenadier gemacht. -»

„Dächten die Maurer stets: ich bin ein Maurer! — so müssten diesem Gedanken auch Thaten der Mrei entspringen, der Wille müsste sich mit dem Gedanken vereinigen und es gäbe nicht so viele laue Brr", fügte der Vollendete allemal seiner Erzählung mit Nachdruck bei.

Dass ein solcher Bruder, wie der Heimgegangene, auch bei den "Brüdern anderer Logen Anerkennung und liebende Verehrung finden musste, wird wohl selbstverständlich sein; und so wurde er nicht Mos zum Ehrenmitglied der Mutterloge „zur Sonne" in Bayreuth ernannt, sondern noch sechs andere Logen wussten sich dadurch zu ehren, dass sie ihn zu ihrem Ehrenmitglied erwählten.

Körperliche Leiden nöthigten den Entschlafenen schon vor zwei Jahren den ersten Hammer in seiner Loge niederzulegen; diese aber ernannte ihn aus Dankbarkeit und Liebe zu ihrem Ehrenmeister. Nur noch etliche Mal war es ihm von jener Zeit an vergönnt, den Logenarbeiten anzuwohnen, und wir erinnern uns noch mit Rührung der Stunde, da er — wie er richtig voraussagte — zum letzten Mal in der Loge anwesend war und mit väterlicher Milde den Brn seine Gesinnungen, seinen Glauben und sein Hoffen in ergreifender Weise darlegte. Von den Vorkommnissen in der Loge blieb er aber bis zu seinem letzten Tage stets genau unterrichtet, und er intereesirte sich stets lebhaft für alles, was die Bauhütte „Wilhelm" betraf.

Obgleich seine Kräfte mehr und mehr abnahmen, so ahnte doch kein Bruder seinen unerwarteten Heimgang, der am 19. April leicht und kampflos erfolgte. Wenige Stunden vor seinem Tode verschied aber auch seine Gattin, die — obgleich durch körperliche Leiden schwer geprüft — als treue Lebensgefährtin, als bewährte Schwester ihm nicht nur seinen Lebensabend, sondern sein ganzes, mehr als 40jähriges eheliches Leben verschönerte und mit ihm Ein Herz und Eine Seele war. Fürwahr, ein beneidenswerthes Loos, so miteinander, am gleichen Tage zu sterben! Und so ruhen die beiden neben einander im Schoosse der Erde, betrauert von vielen, gesegnet von allen, die dieses edle Paar zu kennen das Glück hatten. Was sie gesäet hienieden — sie ernten es reichlich und selig in den Wohnungen des Friedens. Uns aber wird das Bild des verblichenen Mstrs v. St., des Kämpfers für Freiheit und Recht, des Mannes im vollen Sinne des Worts, des Christen im edelsten Schmucke nie aus dem Herzen entschwinden! Und in der [] „Wilhelm zur aufgehenden Sonne" wird sein Andenken bis in die spätestens Zeiten im Segen bleiben. Sein Name wird nimmer verwelken!

*) Wir entnehmen dieses Gedicht den „Herbstblumen. Gedichte von J. G. Rath Felder", einer Sammlung, die in ernstem und humoristischem Gewande gar manches Schöne enthält, und auf die wir uns die Brüder aufmerksam zu machen erlauben. D. Eins.

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