Die dunkele Maurerloge, die Maurerhöhle

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Die dunkele Maurerloge, die Maurerhöhle

Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums von Dr. Josef Schauberg, Zürich 1861

B a n d I. - Kapitel III

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Die dunkele Maurerloge, die Maurerhöhle.

Der maurerische Gebrauch, die Logen dem Sonnenlichte verschlossen zu halten und dieselben selbst am hellsten Tage nur durch künstliches Licht zu erleuchten, die Art und Weise der Lichtertheilung an den aufzunehmenden Lehrling mit allen derselben vorausgehenden Gebräuchen und vorzüglich die Meisteraufnahme in der dunkeln Meisterloge bis zur Wiedererweckung und Auferstehung des Hiram beruhen unzweideutig auf dem gemeinsamen Gedanken, auf der Grundvorstellung, dass die Mysterien des Hiram an dunklem Orte, gleichsam in einer dunkeln und stillen Felsenhöhle begangen und gefeiert werden. Die Einführung des aufzunehmenden Maurerlehrlings in die dunkle Kammer des stillen Nachdenkens ist seine Ein-

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führung in die symbolische dunkle Maurerhöhle. Dass dieses Vorbereitungszimmer des Aufzunehmenden eine sehr alte maurerische Einrichtung sei, also nicht etwa erst im J. 1717 oder seither eingeführt worden sein könne, ergibt das sog. älteste englische Lehrlingsfragstück Frage 6 ff. Da die Engländer und wir mit ihnen die Baukunst und die Gebräuche und Lehren der Baukünstler (denn in diesen bestand die Freimaurerei bis zum J. 1717) zunächst aus der Hand der Römer, der römischen Baucorporationen und Baumeister erhalten haben, muss ihnen auch von diesen die Vorstellung und der Gebrauch überbracht worden sein, die Mysterien des Hiram an dunkeln Orten, in Höhlen zu feiern. Dass früher Einige schon durch die Phönicier den Mithracultus, die Mysterien des Hiram nach den brittischen Inseln haben bringen lassen, 1) verdient keine ernstliche Widerlegung, da die Phönicier niemals bleibend auf den britischen Inseln sich niedergelassen hatten und noch weniger dort gebauet haben, die Lehrer in der Baukunst gewesen sind. Nach dem vorgehend über die Ausbreitung der Mithramysterien in dem römischen Reiche seit dem Jahre 70 v. Chr. Beigebrachten gehört es nun wesentlich diesen Mysterien an, dass sie symbolisch in Höhlen gefeiert wurden, wesshalb die Stätte ihrer Feier, eben die Höhle, Speläon, , spelaeum, spelunca, specus in demselben Sinne hiess, in welchem wir von der Loge reden. Solche mithrische Speläen befanden sich z. B. ausser zu Rom in Mailand, 2) zu Constantinopel, 3) zu Alexandrien 4) u. s. w. und erscheinen zugleich häufig auf den Mithradenkmalen. Windischmann, a. a. O., S. 63, hat etymologisch nachgewiesen, dass die Höhle des Mithra, Speläon, zugleich die Warte bezeichne, von welcher herab Mithra, das Licht, Alles sehe, ausforsche und erspähe; Speläon ist die Spähstätte. In den Zendschriffen heisst cpac spähen, schauen, sanskr. pac, lat. spec-io, griech. , deutsch spähen. Specus, die Höhle, ist nach Ul-

1) Creuzer, Symbolik, I. S. 765.
2) Creuzer, a. a. O., I. S. 764.
3) Creuzer, a. a. O., I. S. 761.
4) Windischmann, Mithra, S. 68.

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pian der Ort, von welchem herab geschauet oder gespähet wird, - locus, unde despicitur, Wie wir aus Eubulus erfahren, soll die Mithrashöhle, gleich der maurerischen Loge, schon bei den Persern auch ein Bild der Welt gewesen sein; ihr Inneres habe in symmetrischen Abständen ein Sinnbild dargeboten der kosmischen Elemente und Klimate. Der Sage zufolge soll Zarathustra selbst den Mithracultus in Höhlen gestiftet haben und von ihm wird erzählt, dass er aus Liebe zur Weisheit und Gerechtigkeit sich von den Menschen getrennt und allein auf einem Berge gelebt habe. 1) Der letzte und tiefste Gedanke der Mithrahöhlen und des Mithracultus, der ganzen Religion und des Glaubens des Zarathustra war aber das Hervorgehen und die Schöpfung des Lichtes aus der Finsterniss, das Werden des Lichtes, - der Gegensatz des Lichtes und der Finsterniss, des Guten und des Bösen. Jedenfalls hat die Höhle des Mithra, die Lichthöhle, ihren Ursprung in dem hohen Alterthume und es ist nicht allein eine gemeinsame Vorstellung aller indo-germanischen Völker, sondern selbst der Urmenschheit oder nachweisbar fast aller Völker der Erde, die Lichtgötter in der Dunkelheit, in Höhlen geboren und erzogen werden zu lassen, 2) wie dieses in sehr vielen Göttermythen enthalten ist. Namentlich der griechische Zeus, welcher in der idäischen Höhle, und Apollo, welcher aus dem Schosse der Latona oder der Nacht geboren wird, berühren sich hier mit dem felsengebornen Mithra, und der Felsen, die Höhle und die Nacht sind blos verschiedene Bilder für die dunkeln Himmelswolken, aus welchen das Licht, Sonne und Mond, Apollo und Artemis strahlend und leuchtend hervorbrechen. Die in der griechischen Mythe so schön beschriebene Geburt des Apollo ist nur die Beschreibung eines herrlichen Sonnenaufganges im Frühlinge über den mittelländischen und den griechischen Inseln. Die umhergetriebene, kreisende und dunkle () Mutter Leto oder Latona ist die bergende Wolke der Nacht, wie die schwimmende Insel auf welcher der gewaltige Lichtgott Apollo geboren wird;

1) Windischmann, a. a. O., S. 62.
2) Alpina für 1860, 8. 157.

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auch der Drache Python, welchen der neugeborne Lichtgott siegreich tödtet, ist die dunkle Wolke der Nacht und des Gewitters, welche die Sonne überstrahlt und verdrängt. 1)

Origines berichtet aus Celsus sodann über die Mithramysterien und damit auch über die Mithrahöhlen:

"Es sei in diesen Mysterien eine symbolische Darstellung der zwei Umläufe am Himmel, der Fixsterne nämlich und der Wandelsterne und des Durchganges der Seele durch dieselben. Dieses Symbol sei eine siebenthorige Stiege; das achte Thor sei über ihr. Das erste Thor sei von Blei, das zweite von Zinn, das dritte von Erz, das vierte von Eisen, das fünfte von Mischmetall, das sechste von Silber, das siebente von Gold. Das erste Thor widmen sie dem Kronos, durch das Blei die Langsamkeit des Gestirnes bezeichnend; das zweite der Aphrodite, ihr das Glänzende und Weiche des Zinnes vergleichend; das dritte dem Zeus, das erzene und feste; das vierte dem Hermes, denn aller Werke Dulder und Besorger und voller Mühen sei das Eisen und Hermes; das fünfte dem Ares, das durch die Mischung unregelmässige und bunte; das sechste silberne dem Mond; das siebente goldene der Sonne, die Farben derselben nachahmend. Hierauf erforscht er (Celsus) die Ursache dieser Anordnung der Sterne, die symbolisch angezeigt sei in den Namen des noch übrigen Thores." 2)

In den Mithrasmysterien wurde sonach die Reise der Seele durch die 7 Planetensphären zu Gott und in das ewige Licht symbolisch dargestellt, wie darauf auch die 7 Schritte und Reisen des Maurermeisters sich beziehen. Auch auf Mithrasdenkmalen aus der römischen Zeit werden die 7 Planeten bald durch 7 Cypressen, bald durch 7 Feueraltäre, bald durch 7 Sterne oder auch durch 5 Sterne mit Sonne und Mond dargestellt. 3) Die 7 Cypressen, da die Cypresse in dem Todtencultus ein allgemein gebrauchtes

1) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 69 Anm. u. S.99ff.
2) Vergl. die Bemerkungen Windischmann',s, a. a. O., S. 72; Alpina für 1860, S. XXV.
3) Lajard, recherches sur le culte da cyprès pyramidal, S. 229 u. 279.

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Symbol des ewigen und unverwelklichen Lebens ist, weisen namentlich auf die 7fache Himmelsreise, auf die von den Verstorbenen zurückzulegenden 7 Schritte hin. Ebenso stehen die 7 Cypressen auf einem etruskischen Grabdenkmale, wovon Lajard, a. a. O., Taf. XIII. Fig. 5 eine Abbildung gegeben hat. Aehnlich wie auf den römischen Mithrasdenkmalen werden auf asiatischen Cylindern und Kegeln die 7 Planeten dargestellt durch 7 kleine Kugeln oder auch durch 5 solche Kugeln mit Sonne und Mond. Auch auf Münzen, wovon Lajard Taf. VIII. Fig. 4, Taf. XIII. Fig. 5 und Taf. XIV. Fig. 1 und 9, Abbildungen mittheilt, werden die 7 Planeten durch 7 Cypressen, - 2 höhere, Sonne und Mond, und 5 kleinere, die 5 übrigen Planeten, symbolisirt. Diese uralte zarathusthrische und chaldäische Planetensymbolik und besonders die Seelenreise durch die 7 Planetensphären findet sich nun auch bei den Freimaurern in solch überraschender Uebereinstimmung, dass der Gedanke an einen historischen Zusammenhang ganz unabweisbar ist und Diejenigen, welche einem solchen Gedanken sich hingeben, gewiss nicht zu den Träumern gestellt werden dürfen. Nach der maurerischen Hirammythe lässt auch König Salorno 7 Tage den Leichnam des erschlagenen Hiram aufsuchen, d. h. wohl Hiram muss die 7 Planetensphären durchreisen, bevor er zu Dem über den 7 Planeten und Himmeln in das ewige Licht gelangt. In ähnlichem symbolischen Sinne gilt bei den Mekkapilgern für die höchste Wohlthat, bei dem 7maligen Umlaufe um die Kaaba den heiligen schwarzen und in Silber gefassten Stein zu berühren und zu küssen. 1) Bei dem Throne Salomons standen desshalb eigentlich 2 Mal 7 Löwen, nämlich 2 an den Armlehnen des Thrones und 6 auf den Stufen der beiden Seiten davor; der thronende Salomo wollte an Gott erinnern, der über den 7 Planetenhimmeln thront. Auf der Seite des vermuthlichen Piedestals des Jupiter, des Himmelskönigs, welches Piedestal zu Vienne in der Dauphinée in Frankreich gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts aufgefunden wurde, befindet sich

1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 357.

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eine Eiche mit 7 Blättern, wie auch auf christlichen Bildern neben Christus eine 7fache Rebe von Blättern und Früchten steht. 1) Nach der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehörenden Halliwel'schen Urkunde soll daher auch ein Maurerlehrling 7 Jahre lernen, da er diese Zeit zu einer tüchtigen Ausbildung brauche. Zufolge der Darstellung auf dem Triumphbogen des Kaisers Titus zu Rom 2) bestand der im Triumphe nach den Schaubrodtischen getragene 7armige Leuchter des jüdischen Tempels, welcher Leuchter auch in die Maurerei übergegangen ist, aus 3 Halbbögen, welche je zwei Lichter trugen, und in der Mitte des dritten obern Bogens stand der Träger des 7ten Lichts. Der Leuchter war somit ein Symbol der Drei- und der Siebenzahl. - Der Drache, mit welchem nach der Offenbarung Johannis Kap. 12 der Erzengel Michael, der streitbare Fürst (eine deutliche Nachbildung des kämpfenden Mithra) ringt, wird geschildert mit 7 Häuptern und 7 Kronen, und dieser Drache verfolgt am Himmel ein Weib mit einer Krone von 12 Sternen auf dem Haupte. 74 Jahre lang, d. h. die 7 Wintermonate hindurch, verfolgt der deutsche Wodan mit dem wilden Heere, mit den Winterstürmen, ein geisterhaftes Weib mit langen, schneeweissen Brüsten, 3) d. h. die lichte und wärmende Sonne, die entflohene Naturkraft, den Blumenschmuck der Erde, den erschlagenen Meister, das verlorene Meisterwort. In der persischen Heldensage erschlägt Thraêtaono einen 3köpfigen Drachen mit 7 Schwänzen. - Endlich mag hier noch beigefügt werden, dass nach einer persischen Schrift aus der Sâsânidenzeit, einer persischen Version des , Ascensio Jesaiae, Viraf in Gegenwart von 7 Persern entschläft, mit welchen er sich über das Gesetz bespricht; seine Seele wird in den Himmel entrückt; in 7 Tagen durchwandert derselbe Himmel und Erde und kehrt am 8ten Tage in den Körper zurück, worauf Viraf er-

1) Lajard, a. a. O , Taf. XIV. Fig. 3 a u. Taf. XX, Fig. 1.
2) Guhl, Denkmäler der Sculptur, Taf. XII. Fig. 1; Semper, der Stil, I. S. 404.
3) Mannhardt, die Götterwelt der deutschen und nordischen Völker, I. S. 111 u. 140.

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wacht. Er erzählt nun Alles, was er in den 7 Himmeln gesehen hat, und dies wird aufgeschrieben. 1)

Auch die Weihen des idäischen Zeus, der kretischen Daktylen und Kureten scheinen in einer Höhle, in der Höhle des Berges Ida, worin Zeus geboren sein sollte, ertheilt worden zu sein. Nach Diogenes bei Porphyr und Photius stieg Phythagoras, um die kretischen Weihen zu erhalten, in die idäische Grotte hinab und verweilte hier die gesetzlichen 3 Mal 9 Tage; also über einen ganzen Mondsmonat. 2) Diese idäische Grotte war somit im vollen Sinne des Wortes für Phytagoras der Vorbereitungsort, die maurerische Kammer des stillen Nachdenkens. Gemäss Lajard, a. a. O., S. 62. Anm. 2, war es im Morgen- und im Abendlande Sitte, die Mysterienweihen in Grotten oder Höhlen (dans des grottes ou des antres) zu verleihen.

Die römischen Baukorporationen und Baumeister scheinen dem Mithracultus sehr eifrig ergeben gewesen zu sein und da sie den römischen Legionen auf ihren Kriegs- und Eroberungszügen überallhin folgen mussten, um sogleich die nöthigen militärischen und bürgerlichen Bauten zu unternehmen und auszuführen, 3) dürfte die Verbreitung der Mithramysterien und der Mithradenkmale über alle Theile und Länder des grossen römischen Reiches neben den Legionen und Soldaten hauptsächlich den römischen Baumeistern zugeschrieben werden. Nach dem Aufkommen des Christenthums und nach der Unterdrückung der Mithramysterien seit dem Ende des 4ten christlichen Jahrhunderts erhielten und behielten dann die Maurerweihen die früheren Mithraweihen diejenige Gestalt und Einrichtung, welche aus dem sog. ältesten englischen Lehrlingsfragstücke noch erkenntlich ist. Das maurerische Schwert und die dunkele Maurerloge, besonders die drei Lichter der Sonne, des Mondes und des Meisters Hiram, welche ursprünglich die drei einzigen und mithin grossen Lichter waren und erst unter christlichem Einflusse zu den drei

1) Spiegel, Avesta, I. S. 22.
2) Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, II. S. 360.
3) Vergl. auch Nr. 25 der Bauhütte vom Jahr 1860.

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kleinern Lichtern herabgesetzt wurden, 1) wie Hiram durch Johannes den Täufer und Johannes den Evangelisten verdrängt oder christianisirt werden sollte, - wären sonach vermuthliche mithrische Ueberreste der römischen Baumeister. Da aber der phönicische oder semitische Namen des Arbeiters Tubalkain und seines Meisters Hiram, so wie die Erinnerung an die Betheiligung der Phönicier, besonders der Tyrier, bei dem salomonischen Tempelbaue darauf hinweisen, dass die römischen Baumeister mit den phönicischen und überhaupt semitischen Baumeistern in der innigsten Berührung und Verbindung gestanden seien, dürfte die unendlich wichtige und aufklärende historische Behauptung aufgestellt werden dürfen, dass die Römer in Phönicien und Syrien den Licht-, Sonnen- und namentlich Mithracultus und die Mysterien des Hiram, welche letztere eben nur die Mithramysterien in ihrer Auffassung, Gestaltung und Uebung durch die Bauleute sind, haben kennen lernen. Die phönicischen und semitischen Bestandtheile, heiligen Worte, Sagen und Symbole der noch heutigen Freimaurerei liegen unbestreitbar vor, sind historisch hergebracht, wesshalb es auch möglich sein sollte, ihren historischen Ursprung zu begreifen und darzulegen.

Die grossen Römerbauten in Syrien sind allbekannt und besonders diejenigen zu Palmyra oder Tadmos und zu Heliopolis oder Baalbek d. i. Babel oder Wohnung, Stadt des Baal, des Bel, welche beiden Städte zugleich Hauptsitze des Sonnencultus mit berühmten Tempeln gewesen sind. Den Tempel zu Heliopolis, dessen Trümmer noch jetzt von den Reisenden angestaunt und bewundert werden, hatte Antoninus Pius dem Sonnengotte Adad d. i. nach Macrobius dem Einzigen und Alleinigen so prachtvoll erbaut. 2) In Rom selbst hatte Kaiser Aurelian um das J. 270 nach Chr. den kolossalen Tempel des Sonnengottes aufführen lassen, dessen gewaltige Fragmente lange Zeit unter dem Namen "Frontispiz des Nero" bekannt

1) Vergl. meinen diesfälligen Vortrag in Nr. 6 der Freimaurerzeitung vom J. 1858.
2) Preller, röm. Mythologie, S. 743.

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waren. 1) Kaiser Aurelian und Probus waren durch ihre palmyrenischen Feldzüge mit dem dortigen Sonnencultus bekannt geworden und schon vor ihnen hatte sich der wahnsinnige Heliogabalus selbst als den Sonnengott Gabal oder Elagabal verehren lassen. 2) Kaiser Aurelian besonders hatte die Zenobia, die berühmte Königin von Palmyra bezwungen, wobei der palmyrenische Sonnengott vielleicht nach römischer Sitte 3) förmlich evocirt, d. h. förmlich gebeten wurde, aus Palmyra nach Rom übersiedeln und künftig hier wohnen und thronen zu wollen. Rom eroberte Syrien und die syrischen Gottheiten, Baal, Mithra, die Dea Syria unterwarfen sich Rom und hatten hier lange den grössten und den tiefsten Einfluss 4) Unter dem Kaiser Septimius Severus gab es sogar Priester Invicti Mithrae domus augustanae. 5) Die eigenen Götter waren nämlich den Römern dieser Zeiten ungenügend geworden, daher hofften sie in den fremden Göttern den verlorenen Gott, den Niemand entbehren kann, wieder finden zu können; und hieraus allein ist es auch abzuleiten und zu verstehen, wesshalb in der Freimaurerei sich so wenig oder vielmehr gar nichts eigenthümlich Römisches fortgepflanzt hat.

Ist unsere historische Vermuthung und Ansicht begründet, folgt daraus, dass die maurerischen Lehren, Gebräuche und Symbole nicht allein aus dem orientalischen Licht-. und Sonneneultus und aus den orientalischen Mysterien, besonders den Mithrasmysterien erläutert und aufgehellt werden dürfen, sondern nothwendig werden müssen. Die oben berührten beiden Säulen Jakin und Boaz, z. B. in dem Dome zu Würzburg, wovon Fallou, die Mysterien der Freimaurer Taf. 11, Fig. 11 eine genaue Abbildung gegeben hat, sollen der Sage nach von dem Tempel zu Jerusalem selbst herrühren, d. h. sind wohl nach einem phönicischen oder syrischen Vorbilde in ihrer durchaus

1) Lübke, Geschichte der Architektur S. 144, 145 u. 149.
2) Creuzer, Symbolik, I. S. 760; Preller, röm. Mythologie, S 747
3) Preller, röm. Mythologie, S. 137.
4) Preller, a. a. O., S. 742 ff.
5) Windischmann, Mithra, S. 67.

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eigenthümlichen und sonst nicht gebräuchlichen Gestaltung entworfen, wesshalb, um die noch immer unverstandenen Säulen wirklich einmal zu verstehen, man in Phönicien und Syrien vergleichen und forschen sollte. Den gewöhnlichen Freimaurern gehen dazu die erforderlichen Fachkennmisse und Fachstudien ab und so wird das mangelnde Geschichtliche entweder durch leere Träume ersetzt oder zu dem noch weit bequemern Hülfsmittel gegriffen, jeden historischen Zusammenhang der heutigen Freimaurerei mit dem Alterthum schlechthin zu bestreiten und zu leugnen, wodurch man allerdings für immer von der Mühe des Forschens und Denkens befreiet ist. Dass aber die beiden Säulen ein uraltes religiöses Symbol des Orientes seien, erhellt auch aus Barth, Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika in den Jahren 1849-55, Bd. I. Gotha 1857, S. 62 ff. Barth hat nämlich im Gebirge bei Djebel Mssid von Tarhona unweit Tripoli auch zwei höchst merkwürdige viereckige heilige steinerne Säulen mit einem ungeheuren dritten Stein darüber aufgefunden, beschrieben und abgebildet. Barth legt diese Säulen den alten Berbern, d. i. den Kelten, oder nach Rawlinson den Skythen bei und vergleicht sie mit den ähnlichen Säulen in Aegypten, in Phönicien, im salomonischen Tempel, in Indien, in Circassien, im südlichen Russland, an der Südküste Arabiens, in England und Irland u. s. w. Er hält die Säulen für Symbole der Festigkeit und ewigen Unwandelbarkeit der Gottheit (adhue stat) und denkt dabei an Amun, die Hauptgottheit der heidnischen Berber, welcher wohl nach der Vermuthung von Movers den Träger und Erhalter bezeichnet, so dass also die tragenden gewaltigen Säulen sein Symbol wären. Das gleiche Symbol der zwei Säulen fand auch Barth noch an andern Orten jener Gegenden. 1) Was an diesen afrikanischen Säulen auffällt, ist der enge Zwischenraum zwischen denselben, indem nach der Angabe von Barth kaum der schlankeste Mann sich hindurchzupressen vermöchte. Vielleicht sind aber diese zwei afrikanischen Säulen auf den Dualismus der Natur und der

1) Barth, a. a. O., S. 69, 78 u. 83.

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sittlichen Welt zugleich zu deuten, denn der merkwürdigen Sculptur auf einem grossen viereckigen Steine in der Nähe der Ruinen von Leptis magna, welche Barth S. 84 abbildlich mittheilt, kann kaum eine andere Deutung gegeben werden, als dass sie den Kampf des Licht- und Sonnengottes gegen die Schlange des Bösen, - oder, wenn das Pferd mit dem menschlichen Kopfe oder Oberleibe ein Centaur sein sollte, der Naturkräfte überhaupt darstelle. Wir würden also auch hier mithrischen, zarathustrischen, chaldäisch-arischen Vorstellungen und Symbolen begegnen, welche durch die Phönicier nach Afrika hinüber getragen worden waren. Die beiden gewaltigen Säulen bezeichnen die im ewigen Wechsel unwandelbare und ewige Gottheit. Auf die beiden 18' hohen Obelisken, abgerundet nach oben, welche in dem grossen Vorhofe des Tempels des Bel und der Derketo oder Atargatis, nach Lucian des Zeus und der Hera, zu Hieropolis in Syrien standen, musste jedes Jahr zwei Mal ein Priester hinaufsteigen und sieben Tage oben verbleiben. 1)

Die beiden Säulen der Maurer, welche auch häufig zwei Kugeln als Symbole der Erde und des Himmels, der Welt tragen, sind zugleich verwandt mit den drei Pfeilern, welche die Loge d. i. die Welt stützen und tragen. Gott ist der allmächtige Baumeister und Erhalter oder Träger der Welt. In alten Druidentempeln erscheinen nach Krause, Kunsturkunden II., 1. S. 472, wirklich diese drei symbolischen Steinpfeiler, wogegen dieselben bei den Maurern durch die drei ersten Vorsteher symbolisirt werden. Auch die nordischen und deutschen Asen bedeuten die Balken oder die Säulen und bezeichnen die Götter als Wage- und Tragebalken des Weltalls. 2) Ein solcher Wage- und Tragebalken des Weltalls ist auch der griechische Atlas. Ein eigenthümlicher symbolischer Gedanke war es, diesen das Himmelsgewölbe tragenden Atlas der deutschen Uebersetzung der vierten Ausgabe des Anderson'schen Konstitutionenbuches als Titelkupfer mit Unterschrift beizufügen: "Omnia mea mecum Porto" (sic). - Endlich darf wohl

1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 332.
2) Simrok, deutsche Mythologie, S. 198.

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erwähnt werden, dass unser deutsches Wort Kirche, das schweizerische Kylche, vermuthlich von dem keltischen cyrch oder kerk. d. i. Tempelsteinkreis, und nicht von abzuleiten ist; für diese Ableitung sprechen sich besonders Brosi 1) und Jahn aus.

Ob die in so mancher Beziehung auffallenden und räthselhaften buddhistischen und brahmanischen Felsentempel, Grottentempel Indiens mit den Mithrahöhlen Persiens in einem nähern oder entfernteren Zusammenhange stehen, vermag mit irgend einer historischen Gewissheit zwar nicht entschieden zu werden; jedoch sprechen nicht ungewichtige Gründe für die Annahme eines Zusammenhanges. Zunächst macht sich selbst in diesen Grottenbauten die Planeten- oder Siebenzahl bemerklich, wie sie das ganze buddhistische Leben beherrschte. 2) Der Kailasa, d. i. Sitz der Seligen, der grösste Grottenbau zu Ellora, hat sieben, den Haupttempel in symmetrischer Ordnung umgebende Nebenkapellen, und der Haupttempel wird durch sechzehn in vier Reihen noch jetzt stehende Steinpfeiler in fünf Schiffe getheilt. 3) - Die Grottentempel unfern von Madras im südlichen Dekan, genannt Mahamalaipur, d. i. die Stadt des grossen Berges, standen mit sieben frei gemauerten Pyramiden in Verbindung. 4) Die Chaitja-Grotte von Karli, etwa um 150 v. Chr. entstanden und eines der ältesten und bedeutendsten Werke, wird durch zwei Reihen von je 16 Säulen in drei Schiffe getheilt, die sich halbkreisförmig schliessen, indem sieben achteckige Pfeiler den Umgang um den in der Nische aufgestellten Dagop bilden. 5) - Die Grundform des Grottenheiligthums stellt in der Regel einen länglichen, rechtwinklichen Raum dar, der durch zwei Reihen schlicht gebildeter Pfeiler in drei Schiffe getheilt wird. Diese buddhistische Tempelform erinnert wohl sofort einen jeden Maurer an die Grund-

1) Die Kelten und Althelvetier, Solothurn 1851, S. 75 vergl. mit S. 33 Anm.
2) Alpina für 1860, S. XXXIX.
3) Lübke, a. a. O., S. 20.
4) Lübke, a. a. O., S. 21.
5) Lübke, a. a. O., S. 18.

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gestalt der Loge als des Sinnbildes der Erde, zumal man sich durch die beiden Säulen Jakin und Boaz auch die Loge in drei Schiffe getheilt denken kann. Die nun mit so ausserordentlicher Anstrengung in die Felsen und den Granitkern der Erde in verhältnissmässig später Zeit hineingewühlten und hineingebauten Grottentempel Indiens werden nur begreiflich und erscheinen namentlich in einer religiösen Reformationszeit, wie die buddhistische Zeit für Indien gewesen ist, vernünftig und nothwendig, wenn sie aus einer höhern religiösen Ansicht und Begeisterung, aus religiöser Hingebung hervorgegangen sind. Diese höhere religiöse Absicht der Buddhisten bei dem Graben ihrer Grottentempel war, an stillem entlegenen Orte das Gemüth und den Geist aus dem Gewühle und den Leidenschaften der Welt ganz in sich zu sammeln und zu erheben, wie ja das Wahre buddhistische Leben das Leben der Einsamkeit und Selbstbeschauung, der Gottwerdung in und durch sich selbst ist. Dass aber im Buddhismus, wie im Mithracultus und in der Maurerei, der Tempel, die Höhle, die Loge das Sinnbild der Welt, der Schöpfung des allmächtigen Baumeisters der Welt habe sein sollen, beweiset in heute noch vorhandener und leserlicher steinerner Urkunde der Grottentempel des göttlichen Baumeisters oder Vicvakarman zu Ellora, wovon Lübke, Geschichte der Architektur, S. 17, eine sehr mangelhafte Abbildung gegeben hat und worüber die Alpina für 1860, S. 279 zu vergleichen ist. Dass in den buddhistischen und späteren brahmanischen Grottentempeln auch die kirchlichen und priesterlichen Weihen ertheilt worden seien, ist wohl nicht zu bezweifeln: dennoch waren diese Grotten keine eigentlichen Mysterientempel und der Buddhismus ist kein Mysteriendienst, kein Mysterium. In Frankreich aber gilt es noch dermalen als eine sehr philosophische und historische Ansicht, die Freimaurerei, den Mithracultus, die ägyptischen Mysterien u. s. w. von Buddha und von dem Buddhismns abzuleiten und in den indischen unterirdischen Tempeln uralte Maurertempel zu erblicken. Diese sog. geschichtsphilosophische Ansicht ist besonders ausgeführt durch die BBr.: Kauffmann und Cherpin in ihrer im Jahr 1846 zu Lyon herausgegebenen Histoire philosophique de la Franc-

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Maconnrie. Nicht blos die Geschichte der Freimaurerei, sondern die ganze Weltgeschichte ist hier in dem geschichtlichen Geiste und mit der geschichtlichen Treue des Br. Anderson behandelt und das Buch verdient nur gelesen zu werden als Beitrag zur Geschichte der menschlichen und besonders der maurerischen Irrthümer. Mit Kauffmann und Cherpin theilt den indischen Grundirrthum Ragon, cours Philosophie et interpréatif des initations anciennes et modernes, Paris 1833, obwohl das Werk von Ragon für die Kenntniss der 33 Grade der französischen schottischen Maurerei sehr brauchbar ist. - Diesen französischen geschichts-philosophischen maurerischen Werken darf und muss angereiht werden: Polak, Encyklopädie für Freimaurer, Bd. I, Amsterdam 1855, welcher erste Band auch den besonderen Titel hat: "Die Tapis in ihrer historisch-pädagogischen, wissenschaftlichen oder moralischen Bedeutung, oder : Geschichte der Urreligion als Basis der Freimaurerei." Polak betrachtet zwar mit Recht die Freimaurerei als einen Lichtglauben und Lichtdienst und bringt sie mit dem ältesten asiatischen Lichtglauben, mit dem Ursabäismus in Zusammenhang, aber dennoch erweckt er grössere Erwartungen, als er erfüllt; er schreibt mit allzu grosser Selbsteinbildung und wollte man seine eigene Sprache auf sein Werk anwenden, dürfte man sagen, es sei eine hellleuchtende Tirade.

Grotten und Grottentempel finden sich sodann auch noch vielfach ausser Indien in andern Ländern. So kennt man südöstlich vom Urmiasee, wohin Einzelne die Heimath Zoroasters verlegen wollten, im Dschaghatu-Thal die Grotten von Kerefto. Sie sind hoch im Gipfel eines Gebirgs von weissem Marmor, natürliche Grotten, aber künstlich erweitert und labyrinthisch verbunden in verschiedenen Stockwerken über einander. Da gibt es kreisrunde Gewölbräume, die immer von einem Kranz von Nischen, wie für einen Lampenkreis bestimmt, umsäumt waren. Der Russ aller Gewölbedecken zeugt für die einstige Bedeutung. 1) Sind diese Grotten medische Mithrashöhlen, Feuertempel oder buddhistische Klosterzellen? Wohl das Erstere.

1) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 255.

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- Felsengräber und selbst Felsentempel aus dem höchsten Alterthum finden sich zahlreich in Kleinasien 1) und auch in ganz Palästina, besonders bei Jerusalem, 2) sowie in Phönicien z. B. bei Tyrus 3) und bei Arad. 4) Die ältesten Tempelgrotten und Felsengräber hat aber Aegypten aufzuweisen und namentlich sind die Pyramiden, diese riesigsten und ältesten Steindenkmale der Erde , nichts als die künstlichsten Felsengräber der Könige. 5) Die merkwürdigsten Felsengrotten sind im untern Nubien bei Ipsambul (Abu Simbel), zu Derri und, Girscheh. 6) Auch das berühmte Labyrinth lag zur Hälfte unter der Erde. 7) Die früher zuweilen gehegte Ansicht, dass die Pyramiden zur Feier der Mysterien oder zu geheimen Zusammenkünften gedient haben , bedarf nach den vorgenommenen Untersuchungen und Eröffnungen der Pyramiden heute keiner Widerlegung mehr. - Den Schluss der unterirdischen Gräber- und Tempelbauten des Alterthums und den Uebergang zur neuen lichten christlichen Zeit bilden die jüdischen und christlichen Katakomben zu Rom. 8) Bei den romanischen grössern Kirchen des Mittelalters pflegt die Krypta, das unter dem Chor befindliche gewölbte unterirdische Gräber- und Bethaus, niemals zu fehlen. 9)

1) Semper, der Stil, I. §. 75.
2) Braun, Geschichte der Kunst, I. S.396 ff. u. 418 ff., S.428ff. und S. 445 :ff.
3) Braun, a. a. O., I. S. 491.
4) Braun, a. a. O., I. S. 508.
5) Lübke, a. a. O., S. 49 ff.; Dunker, Geschichte des Alterthums, I. S. 3 ff.
6) Lübke, a. a. O., S. 56.
7) Dunker, a. a. O., I. S. 19.
8) Spencer Northcote, die römischen Katakomben, übersetzt von Rose, Cöln 1860.
9) Lübke, a. a. O., S. 254.