Domizio Torrigiani
Domizio Torrigiani war als Großmeister des ‚Grande Oriente d’Italia’ (GOI) die beherrschende Persönlichkeit der italienischen Freimaurerei zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Verbot durch Mussolinis Faschisten. Das waren nur wenige Jahre: Von Ende 1918 bis 1925. Interessant und aus heutiger Sicher schwer verständlich ist, dass viele italienische Freimaurer am Anfang mit der faschistischen Bewegung sympathisierten. Auch wenn es ein Irrtum war: Es hatte seine Gründe.
Die folgenden Ausführungen kommen aus zwei Quellen: Der erste Text wurde von dem in Wien lebenden Freimaurer und Italienkenner Tomaso Astori zu Verfügung gestellt. Der zweite stammt aus dem Internationalen Freimaurerlexikon von Lennhoff-Posner. Der erste Text wurde 2014 auf der Basis neuer Archiveinsichten verfasst, der zweite spiegelt den Wissensstand von 1932.
Domizio Torrigiani - Gefangener Mussolinis
Von Tomaso Astori (2014), Wien
Unsere Kenntnisse über das Verhältnis zwischen Freimaurerei und Faschismus sind durch neu zugängliche Dokumente in den letzten Jahren deutlich erweitert worden; etwa durch die Dokumente des Torrigiani-Archivs, welche vom Geschichtsinstitut des Widerstandes in der Toscana zur Verfügung gestellt wurden, und durch die Dokumente betreffend des Pontifikates von Pius XI. (1922-1939), welche von Benedikt XVI. aus dem geheimen vatikanischen Archiv zugänglich gemacht wurden.
Anschläge gegen Mussolini: Freimaurer werden freigesprochen
Am 24. November 1925 kann die italienische Polizei ein Attentat gegen Mussolini aufdecken und vereiteln, geplant von zwei Freimaurern, nämlich dem dekorierten General Luigi Capello, ein früherer sozialistischer Deputierter, und Tito Zaniboni. Der Palazzo Giustiniani, die Residenz des Grande Oriente d´Italia (GOI), wird gestürmt und geplündert. Der Polizei gelingt es jedoch nicht, die Freimaurerei als Auftraggeber nachzuweisen.
Im Sommer 1926 wird eine Anklage gegen Zaniboni und Capello sowie vier weitere Verdächtige wegen versuchtem vorsätzlichen Mord vorbereitet. Unter den Angeklagten war der Großmeister des GOI Domizio Torrigiani, dem man zunächst vorwarf, die Attentatsplanung mitfinanziert zu haben. Der Generalstaatsanwalt forderte jedoch einen Freispruch mangels an Beweisen.
Am 26.Oktober 1926 findet ein neuerlicher Anschlag auf Mussolini statt, der ebenfalls fehlschlägt. Der Attentäter ist ein junger Anarchist namens Zamboni. Er wird an Ort und Stelle gelyncht.
Kurz danach werden in Italien die Todesstrafe und Sondergerichte eingeführt. Am 22. April 1927 werden Zaniboni und Capello zu je 30 Jahre Gefängnis verurteilt. Am darauffolgenden Tag erscheint bei Torrigiani die Geheimpolizei und verhaftet ihn in seinem römischen Heim. Das Sondertribunal wirf ihm Agitation gegen das faschistische Regime und den Staat vor.
Mussolini lässt Torrigiani verhaften und verbannen
Nach kurzem Aufenthalt im Gefängnis von Rom wird er dem „confino di polizia„ für fünf Jahre zugeteilt. Dabei handelt es sich um eine Verbannung innerhalb Italiens. Als Grund für solche Massnahmen wurde genannt, man wolle die Verbannten von Ihrem Lebensraum entfernen und somit eine Gefahr für die Gesellschaft beseitigen. In Wahrheit wollten die Faschisten politisch unbequeme Personen isolieren.
Torrigiani muss seine Verbannung auf der Insel Lipari, eine der Äolischen Inseln nördlich von Sizilien, verbringen. Bei seiner Ankunft sind dort etwa 150 politische Häftlinge untergebracht, etwa Fausto Nitti, Neffe des Ex-Präsidenten des Consiglio, dem wir die Beschreibung dieses Exils verdanken: Die Gefangenen durften sich im Ort nur innerhalb eines engen Bereiches bewegen, es gab zu wenig Wasser, viel Staub, die Post wurde zensuriert und man wurde von bewaffneten Polizisten bewacht.
Torrigiani war einer besonders strengen Bewachung ausgesetzt, da man Angst vor Befreiungsaktionen hatte. Es gab keine Arbeit. Er war zur Untätigkeit verdammt. Im Sommer 1928 erlitt Torrigiani Netzhautblutungen an beiden Augen, die fast zur Blindheit führten. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er in ein Kurhaus transferiert, nahe Viterbo und danach nach Ponza (neuerlich in einem „confino“), wo er gemeinsam mit anderen dort verbannten Freimaurern die geheime Loge „Carlo Pisacane„ gründete; sie arbeitete ein Jahr lang.
Am 21 April 1932 wurde Domizio Torrigiani in eine überwachte Freiheit entlassen. Am 31. August 1932 starb er im Alter von 56 Jahren in seiner Villa in Montalbano. Auf Anweisung der Polizei durfte dem Leichenzug neben faschistischen Geheimagenten lediglich die Familie folgen.
Wer war Großmeister Torrigiani?
Er war eine der schillerndsten Persönlichkeiten der italienischen und internationalen Freimaurerei. Sein Tod fand großes Echo in der freimaurerischen Welt. Seine freimaurerischen und profanen Tugenden wurden weltweit von Großlogen aus allen Kontinenten in Beileidschreiben gewürdigt.
Torrigiani war ein toskanischer Rechtsanwalt und politisch im Vorstand des Partito Radicale. 1896 wurde er in der Loge Humanitas in Empoli rezipiert und 1916 in den 31. Grad des schottischen Ritus erhoben. Er repräsentierte eine neue Generation und deren Vorstellungen. Äußerlich zeichneten ihn eine Glatze und ein Spitzbart aus, die ihm den Anschein eines Musketiers gaben.
Das politische Credo von Torrigiani war links-liberal, sein Hauptanliegen „eine Demokratie der Arbeit“. Nach seiner Wahl im Juni 1919 wurde sofort die Diskussion über die weitere politische Haltung des GOI eröffnet. Torrigiani meinte: „Man verteidigt den Staat indem man ihn von der Vorherrschaft jener Gruppen befreit, welche ihn zu einem Instrument der Sicherung ihrer partikulären Interessen gemacht haben; man verteidigt ihn, indem man den Staat für das arbeitende Volk öffnet; man verteidigt den Staat indem man die Diktatur jeglicher Klasse unterbindet.
Knapp vor den wichtigen politischen Wahlen von 1919 verfolgte der GOI aber noch die alten programmatischen Ziele: die Bekämpfung des Klerus in der Hoffnung auf ein Wachstum der laizistisch-progressistischen Kräfte, die paternalistisch auf die Bedürfnisse des Volkes achten. Anders Torrigiani: Er war beunruhigt durch die zunehmende Politisierung der Logen und wiederholte mehrmals, man müsse verhindern, dass sich eine Partei der Freimaurerei bemächtige.
Die Wahlen zeigten einen überraschenden Ausgang: Es gab grosse Gewinne der Sozialisten, von denen sich später die Kommunistische Partei unter Togliatti und Gramsci abspaltete, und der klerikalen Volkspartei (Partito Popolare). Die reformistischen und laizistischen Parteien erhielten lediglich knappe 30%. Erstmals in der Geschichte des geeinigten Italiens war im Parlament eine katholische Partei vertreten. Und erstmals hatten die liberal-demokratischen Parteien keine Mehrheit.
Die Angst vor dem Bolschewismus nützte den Faschisten. Auch bei den Freimaurern
Der erste Anschlag auf den Staat erfolge durch die Sozialisten und Kommunisten in der Meinung, eine Diktatur des Proletariates einführen zu können. Vor allem in Turin und in der Lombardei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Unternehmern sowie Bauern und Grundbesitzern. Außerdem wendeten sich die Sozialisten in einer Kampagne gegen die aus dem Weltkrieg zurückgekehrten Soldaten.
Diese Politik führte zu breiten Sympathien für die erstarkenden Faschisten und zu einer Unterschätzung ihrer Gewaltbereitschaft. Aus den Ausgaben der ‚Rivista massonica’ der ersten Zwanzigerjahre und den Protokollen des Vorstandes (= Grossbeamtenrat) des GOI geht hervor, dass die Freimaurer denselben Fehler begingen, nämlich den Faschismus falsch einzuschätzen in der Annahme, dass man ihn benützen könne, um den Bolschewismus in Schranken zu halten und dann zu einem späteren Zeitpunkt zum Parlamentarismus zurückzukehren.
Die Haltung des GOI war zuerst komplex und widersprüchlich.
In einem Rundschreiben stigmatisierte Torrigiani 1921 zwar die Anwendung von systematischer Gewalt, aber ohne den Faschismus zu verurteilen, wohl auch um faschistische Brüder nicht vor dem Kopf zu stoßen. Noch 1922 war er mehr besorgt über die katholische Partei und den Extremismus der Sozialisten als über den Faschismus. Zweifellos waren viele Brüder in der Anfangsphase Parteimitglieder oder dem Faschismus zugetan. In diesen Jahren gab sich der Faschismus noch republikanisch, sozial und antiklerikal. Man sprach von Republik, von Arbeit, Mitbestimmung der Arbeiter, 8-Stunden-Tag, Frauenwahlrecht, Kapitalsteuer und laizistische Schulen. Und auch Mussolini wollte ja einmal Freimaurer werden: Am Beginn des Ersten Weltkrieges ersuchte er um Aufnahme in die Loge „Romagnoli“ in Mailand, dies wurde jedoch abgelehnt.
Zwischen dem 27. und 31. Oktober 1922 fand der faschistische Marsch auf Rom statt. Mussolini versammelte rund um Rom seine faschistischen ‚Squadre’, also die paramilitärischen Schwarzhemden, und drohte, die Regierung gewaltsam zu übernehmen. Ein Notstandsdekret, das der Armee das Einschreiten gegen die Faschisten erlaubt hätte, wurde vom König Viktor Emanuel III. aus Angst vor einem Bürgerkrieg abgelehnt. Und so konnte Mussolini die Macht übernehmen.
Jahrzehnte hindurch hielt sich das Gerücht, dass der GOI den faschistischen Marsch auf Rom mitfinanziert hätte. Dokumente aus dem Torrigiani-Archiv bestätigen, dass die Freimaurerei einige Tage nach dem Marsch auf Rom den Faschismus über inoffizielle Kanäle finanziell unterstützt hat, und dass Torrigiani dies wusste.
Nach der Machtergreifung der Faschisten sandte Torrigiani eine Grussbotschaft, die Mussolini sofort der Presse weiterleitete. Dies führte zu einigen Auseinandersetzungen unter den Brüdern, und man warf Torrigiani Naivität vor.
Das Suchen nach einer Linie und wachsende Distanz
Wenige Wochen faschistische Regierung genügten dem Großmeister, seine Position zu überdenken. Bei der Vollversammlung des GOI am 18. November 1922 erklärte er: „Wir sind über die Situation beunruhigt. Wir sollten nicht die parlamentarischen Parteien unterstützen, sondern das fundamentale Prinzip der Demokratie. Wenn, was wir nicht glauben, eine despotische Regierung entstehen sollte, sollten wir den Widerstand organisieren und uns vorwiegend auf die Arbeiterorganisationen stützen. Die Freimaurerei sollte den nationalen mit dem sozialen Geist vereinen“.
Obwohl die Freimaurer noch keine klare Linie gegenüber dem Faschismus fanden und den Angriffen des Faschismus ausgesetzt waren, konnte Torrigiani am 28.Jänner 1923 der Vollversammlung des GOI berichten, dass nach drei Jahren unter seiner Hammerführung die Anzahl der Logen beim GOI von 483 auf 516 gewachsen war und 12.718 Brüder neu aufgenommen worden waren. In seiner Rede würdigte Torrigiani den Einsatz der Freimaurer im Faschismus, er betonte einen strengen Laizismus als unumstößliches Anliegen.
Mussolini paktiert mit dem Vatikan gegen die Logen
Doch Mussolini hatte seine Entscheidungen schon getroffen. Am 23. Jänner 1923 traf er heimlich Kardinal Pietro Gasparri, den Staatssekretär von Pius XI. Aus den neu zur Verfügung stehenden Dokumenten des geheimen vatikanischen Archivs geht hervor, dass Kardinal Gasparri gegenüber Mussolini die Zerstörung der Freimaurerei ansprach. Am 13. Februar 1923 deklarierte der faschistische Rat die Inkompatibilität, der Faschistischen Partei und gleichzeitig der Freimaurerei anzugehören. Der GOI reagierte defensiv: Am 18.Februar 1923 stellte der Grossbeamtenrat allen Brüdern frei, den Bund zu verlassen, um in der Faschistischen Partei bleiben zu können.
Zwischen 1923 und 1925 wurden Freimaurer verfolgt und Logen durch die faschistischen Squadre zerstört. Am 29. Jänner 2024 wurde seitens des faschistischen Großrats das Verbot der Ausübung eines öffentlichen Amtes für Angehörige von "geheimen Gesellschaften" mit klarem Bezug auf die Freimaurer beschlossen.
Verbot der Freimaurer durch ein Gesetz
1925 wurden „geheime Organisationen“ dann auch gesetzlich verboten. Dies war der Todesstoß für die Freimaurerei, aber auch für andere politische Gruppierungen. Am 22.November 1925 löste Torrigiani alle dem GOI angehörenden mehr als 500 Logen auf.
1930 wurde die im Untergrund arbeitende Loge „Italia“ entdeckt. Im selben Jahr wurde in Paris im Exil der ‚Grande Oriente d`Italia’ neu konstituiert. Acht Logen gehörten ihm an, nämlich 4 aus Argentinien, je eine aus Paris, London, Tunis und Saloniki sowie 3 im Untergrund arbeitende Logen aus Italien. Der Exil-GOI wurde jedoch von der AMI (Associazione massonica internazionale) nicht anerkannt, da es nach masonischem Recht nicht möglich war, im Territorium eines fremden Staates eine Großloge zu errichten. Außerdem war Torrigiani, auch wenn er nicht in der Lage war, sein Amt auszuüben, weiterhin Großmeister des GOI.
Warum waren viele italienische Freimaurer auch Faschisten: jedenfalls am Anfang?
Faschismus und Freimaurerei hatten in der orientierungslosen Nachkriegszeit ein gemeinsames Ziel: die Entwicklung einer Art „Religion der Heimat“. Beide setzten Rituale ein, ihre Feste und Symbole hatten aber konträre Visionen. Der Faschismus wollte einen “uomo nuovo“ schaffen, einen neuen Menschen, auf der Grundlage einer Doktrin mit engen politischer Vorgaben ohne Duldung anderer Ansichten: also Abschaffung der Demokratie und Errichtung eines totalitären Staates.
Anders die Freimaurerei: Sie sah sich als Bewahrerin der demokratischen Prinzipien. Das war gefährlich für den Faschismus, da dies das demokratische Gewissen der Italiener hätte wachrütteln können.
Beide wandten ihre Aufmerksamkeit dem Mittelstand zu. In seiner Rede im Parlament am 16. 05. 1925 äußerte Antonio Gramci, Ideologe der Kommunistischen Partei Italiens : „Die Freimaurerei ist die letzte, einzige und mächtigste bürgerliche Partei in Italien. Der Faschismus greift die Freimaurerei an, um sich des Mittelstandes zu bemächtigen.“ Aus genau diesem Grund musste die Freimaurerei auch aus faschistischer Sicht bekämpft und beseitigt werden. In derselben Rede meinte Gramsci : „Aber der Faschismus wird leicht zu einem Kompromiss mit der FM kommen.“ Die Antwort Mussolinis: Die Faschisten hätten die Logen schon vor dem Gesetz „verbrannt“, nämlich durch ihren Unvereinbarkeitsbeschluss.
Mussolini hat die italienische Freimaurerei besiegt aber nicht vernichtet. Sie entwickelte sich nach dem Fall des Faschismus wieder zu alter Größe. Torrigiani hat gezeigt, dass man Irrtümer im Leben korrigieren kann und muss; auch unter persönlicher Aufopferung. Er sah die Gefahr von Links und übersah zunächst jene von Rechts. Dafür zahlten er und die italienischen Freimaurer einen hohen Preis.
Seien wir wachsam gegenüber jeder totalitären Strömung.
Domizio Torrigiani
Quelle: Internationales Freimaurer-Lexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner (1932)
Advokat, gewesener italienischer Senator, der letzte Großmeister des Großorients von Italien vor dessen Unterdrückung durch den Faschismus, gewählt 1918 als Nachfolger von Ernesto Nathan.
Sein weitblickendes, großzügiges Programm weckte Begeisterung; die großen Hoffnungen, die sich daran knüpften, ließen sich infolge des politischen Umsturzes nicht mehr erfüllen.
Torrigiani war von dem Augenblick an, da der Faschismus sich gegen die von der italienischen Freimaurerei stets verteidigten Grundsätze des Liberalismus, der Demokratie erklärte, gegen die neuen Herren. Bereits in einem Zirkular vom 21. Dezember 1921 — also zehn Monate vor dem Marsch nach Rom — äußerte er sich gegen Gewaltakte und verlangte, die dem Fascio angehörigen Freimaurer müssten dafür Sorge tragen, daß dessen Tun nicht in Terror ausarte.
Im Februar 1923 betonte er in der Generalversammlung des Symbolischen Ritus des Großorients, daß die Freimaurerei nicht politische Partei werden dürfe, sondern im vaterländischen Interesse über den Parteien stehen müsse.
Als sich dann der Oberste Faschistenrat im gleichen Monat erstmals gegen die Freimaurerei aussprach, veröffentlichte Torrigiani ein Buch "Massoneria e Fascismo", worin er abermals gegen Diktatur und gegen Oligarchie auftrat. Gegenüber den Gewalttaten gegen Freimaurerlogen rief er vergeblich die Intervention der Regierung an. Mitte Dezember 1924 erklärte er die Zugehörigkeit zum Faschismus und zur Freimaurerei für unvereinbar. Am 6. September 1925, nachdem das Antifreimaurergesetz die Kammer passiert hatte, wurde Torrigiani neuerdings auf sechs Jahre zum Großmeister gewählt und mit außerordenlichen Vollmachten ausgestattet. Der Versuch, Torrigiani im Attentatsprozeß Capello-Zaniboni zu kompromittieren schlug fehl. Es war aber für jeden klar, daß man ihn nicht länger in Freiheit dulden wollte.
Torrigiani sah seinem Schicksal mit Gleichmut entgegen. Als ihn die Vorladung zu einer Voruntersuchung erreichte (die dann seine volle Unschuld ergab), befand er sich im Ausland, und zwar mit wissen der Regierung. Freunde rieten ihm, nicht nach Italien zurückzukehren, aber er fuhr eilends nach Rom. Am Tage nach der Verurteilung Capellos (1927) wurde auch er in Haft genommen und ohne Gerichtsverfahren auf administrativem Weg auf fünf Jahre nach Lipari verschickt, "wegen Agitation gegen Staat und Regime". In der Verbannung von einer schweren Augenkrankheit befallen, verweigerte man ihm lange fachgemäße Behandlung. Erst als ein Auge verloren war und völlige Erblindung drohte, wurde er auf einige Zeit in ein mittelitalienisches Krankenhaus gebracht. Seither befindet er sich, wie das faschistische Direktorium im Frühsommer 1931 anläßlich einer Polemik gegen den Vatikan mitteilte, wieder "auf den Inseln".