Gesetze der Loge von Aberdeen

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Die Gesetze der Loge von Aberdeen (1670)

Bearbeitung: Roland Müller

Aus Wilhelm Begemann: Vorgeschichte und Anfänge der Freimaurerei in Schottland. Berlin: Mittler, Bd. 1, 1914, 371-383 und 386-387; die Übersetzung mit leichten Kürzungen, aber „alles Sachliche ist vollständig wiedergegeben“.

Laws and Statues

Lawes : and : Statutes : Ordained : be : the : Honourable : Lodge
of : Aberdein : 27th : December : 1670.

Erste Satzung. - Artikel für den Meister

- Wir Master Meassones und Entered Prentises, alle Unterschreiber, geloben hierdurch, wie wir bei unserm Eintritt getan haben, als wir die Wohltat (benefit) des Measson Word empfingen, daß wir diese Ehrwürdige Loge bei allen Gelegenheiten besuchen werden, außer wenn wir eine gesetzliche Entschuldigung haben oder krank oder außerhalb der Stadt sind.

Zweite Satzung. - Mehr für den Meister

- Wir anerkennen den Meister der Loge als Richter, über Streitigkeiten und begangne Verstöße zu entscheiden, Strafen zu verhängen und Verstöße zu verzeihn, indem er die Zustimmung der Ehrwürdigen Gesellschaft (honourable company) einholt. Wenn einer die verdiente Strafe nicht zahlen will, können der Meister und die Brüder durch den Diener seine Werkzeuge oder andre Sachen pfänden lassen, und wenn ein solcher Steinmetz sich widersetzt (is rebellious) und zum Richter geht, um zu klagen, und sich dem Willen der Ehrwürdigen Gesellschaft nicht fügen will, obwohl er der Loge geschworen hat, dann werden der Meister unsrer Loge und die Brüder ihn bei jenem Richter als meineidig erklären, auch soll er nie wieder in unsre Loge aufgenommen werden (be receaved), noch Anteil an ihrer Mildtätigkeit (charitie) haben oder von Mitgliedern Beschäftigung erhalten.

Wenn der Meister unsrer Loge und die Brüder nicht entscheiden können, dann haben sie die Freiheit, sich an den öffentlichen Richter des Landes oder der Stadt zu wenden.

Dritte Satzung. - Aufseher

Getreu unserm Eide anerkennen wir den Aufseher unsrer Loge als den Meistbefugten neben dem Meister und in dessen Abwesenheit als vollen Meister, indem er dann einen Aufseher als Ersatz für sich bestimmt. Er übt die gleichen Vollmachten wie der Meister, mit Zustimmung der Gesellschaft; sein Amt ist ein dauerndes und kann ihm nur durch Beschluß der Gesellschaft wegen groben Verstoßes oder Unfähigkeit entzogen werden.

Der Meister unsrer Loge bleibt von einem St. Johannistage bis zum andern, kann aber von der Gesellschaft wieder gewählt werden.

Ein Schatzmeister (Box Master) ist jährlich zu wählen und kann auch wiedergewählt werden, muß aber Mitglied der Gesellschaft sein; der Meister bewahrt einen Schlüssel, der Aufseher einen andern.

Ein Schriftführer (Clerk) ist jährlich zu wählen; es ist nur ein Ehrenamt, weil wir kein Gehalt bezahlen.

Unser Diener bleibt, bis ein andrer in unsre Loge eintritt (be entered).

Logen sollen nicht in einem bewohnten Hause gehalten werden, sondern in offenem Felde (in the open fields), außer bei schlechtem Wetter, und dann ist ein Haus zu wählen, wo niemand uns hören oder sehn kann.

Kein Steinmetz soll bei Tisch über Angelegenheiten der Loge oder des Standes (calling) reden, ohne gewährte Freiheit. In unsrer Gesellschaft soll niemand ohne gewährte Erlaubnis mit andern flüstern oder leise sprechen, alles nach dem Gesetz der Loge oder dem Willen der Gesellschaft.

Vierte Satzung. - Gesetze für die Armenkasse, die früher in Aberdeen nie in Übung war

Wir Unterzeichner geloben bei den Eiden, die wir bei unserm Eintritt für the benefit off the Measson Word ablegten, daß wir the Measson Box von Aberdeen und dieser unsrer Loge erhalten wollen, wie wir als die Begründer (authoires) sie begonnen haben, und daß wir alles Geld darin nur für unsre notleidenden Brüder verwenden wollen, wenn sie an Arm oder Bein verletzt oder blind oder alt sind und nicht arbeiten können oder Feuersnot erlitten haben.

Wir verpflichten uns und unsre Nachfolger, unsre Mildtätigkeit auf alle Notleidenden unsrer Loge auszudehnen. Mitglieder unsrer Loge, die ihre Zeit mit Trinken vergeuden oder ausschweifend sind und nicht arbeiten wollen, sind wir nicht verpflichtet zu unterstützen. Kinder unsrer Loge, deren Eltern ehrbar gelebt haben oder Meister unsrer Loge gewesen sind, halten wir uns verpflichtet erziehn zu lassen, wenn sie sich tugendhaft zeigen, immer nach dem Willen der Gesellschaft.

Fremde Meassones, die verarmt oder lahm oder blind sind, unterstützen wir nach unserm Vermögen und dem Willen der Gesellschaft, aber ohne Schädigung unsrer eignen Armen.

Wenn es notwendig ist, haben wir, die Mitglieder der Ehrwürdigen Loge, Vollmacht, ebenso unsre Nachfolger in der Measson Crafte, aus der Kasse Geld zu nehmen, um einem Edelmann oder Herrn, der ein Measson ist, einen Schmaus zu geben, oder für andre Angelegenheiten der Loge. Der Bestand soll immer unversehrt bleiben, nur die jährlichen Zinsen sind nach dem Willen der Gesellschaft zum Besten der Loge auszugeben, mit dem nicht verbrauchten Gelde ist der Bestand zu vermehren.

Wir Begründer dieser milden Stiftung verpflichten alle unsre Nachfolger in the Meassone Crafte, jedem, den sie in unsre Loge aufnehmen, durch einen Eid zum Besten der Loge zu binden, und wenn jemand aus unsrer Loge oder von unsern Nachfolgern in the Meassone Craft eins unsrer ,Gesetze brechen oder etwas von unserm für fromme Zwecke (pious uses) festgelegten Gelde für seinen eignen Vorteil verwenden sollte, ist er für meineidig und vertragsbrüchig zu erklären, und der Fluch unsrer Armen soll ihn treffen, bis er es zwiefältig ersetzt.

Alle diese Satzungen sollen alle unsre Nachfolger in the Measson Craft beobachten und das Geld der Kasse nur für die bezeichneten Zwecke verwenden, dann wird der Herr euch und das Werk eurer Hände segnen. Dies ist der Herzenswunsch von uns allen, die wir Begründer und Unterzeichner dieses Buches sind (the authoires and subcryuers of this Book).

Fünfte Satzung. - Für diejenigen, die als Lehrlinge einzutragen sind

- Wir, die Maister Meassones and Entered Prenteises der Ehrwürdigen Loge von Aberdeen, verordnen, daß kein einzutragender Lehrling (Entering prenteise) in unsre Ehrwürdige Loge aufgenommen werden soll, ohne vier Reichstaler als Gebühr zu zahlen, sowie einen Leinenschurz und ein Paar gute Handschuhe für die Mitglieder der Loge zu liefern oder noch zwei Reichstaler dafür zu erlegen, außerdem ein Essen, eine Begrüßungspinte (speacking pynt) und seinen Beitrag zur Kasse, eine Mark für sein Kennzeichen (his meassone merk), eine Mark für unsern Diener für die Berufung der Loge.

Dies ist das Wenigste für einen Eingetragnen Lehrling, und wenn er die Genossenschaft (fellowship) erlangt, hat er ein Essen, eine Pinte Wein oder, was dem Willen der Gesellschaft gefällt, zu zahlen. Wenn aber ein Fremder, der in einer andern Loge eingetragen ist, in unsrer Loge master measson zu werden wünscht, hat er zwei Taler und eine Begrüßungspinte neben seinem Beitrag zu unsrer Kasse zu zahlen, stets nach dem Willen der Gesellschaft; soviel ein gentleman measson.

Zunftlehrlinge (handie craftes prentieses), die einzutragen sind, haben für ihre Eintragung nur 50 Mark und die angegebnen Gebühren zu zahlen, immer nach dem Willen der Gesellschaft, und wenn sie kein Geld haben, sollen sie ihrem Meister drei Jahre ohne Lohn dafür dienen, und ihr Meister hat die Ehrwürdige Loge für ihre Eintragung zu befriedigen, und nach Ablauf der drei Jahre sollen sie die Genossenschaft empfangen, aber nicht früher, je nach ihrem guten Verhalten, und wenn ihr Meister sie für befähigt hält; ihre Beiträge zur Kasse haben sie immer bei ihrer Eintragung zu zahlen, und ihre Genossenschaft ist vom Willen der Gesellschaft abhängig.

Alles Geld, das für Eingetragne Lehrlinge und Zunftgenossen (fellow crafts) einkommt, geht zur einen Hälfte in die Kasse, die andre Hälfte ist nach dem Willen der Gesellschaft zu verwenden.

Wir verordnen ferner, daß die ältesten Söhne von uns, die wir die Begründer dieses Buches sind, und von allen unsern Nachfolgern the benefit of the Measson Word frei von allen Gebühren erhalten sollen, außer einer Begrüßungspinte, einem Essen und einer Pinte Wein nebst ihren Beiträgen zur Kasse und einer Mark für ihr Kennzeichen.

Diejenigen, welche unsre ältesten Töchter heiraten, sollen die gleiche Vergünstigung haben, wenn sie würdig befunden werden, und nur zwei Taler Beitrag, eine Begrüßungspinte und Essen nebst einer Mark für ihr Kennzeichen und für die Berufung der Loge zahlen, aber weder Schurze noch Handschuhe, stets nach dem Willen der Gesellschaft.

Wir verordnen ferner, daß all entering prentieses be entered in our antient outfield Lodge, in the mearnes in the Parish of Negg, at the stonnies at the poynt o f the Ness.

Sechste Satzung.- Für den Schatzmeister

- Wir Maister Meassones and Entered Printises der Ehrwürdigen Loge von Aberdeen verordnen, daß kein Schatzmeister (Boxmaister) etwas von unserm Gelde in eignem Verwahrsam behalten soll, sondern alles soll in die Kasse geworfen werden, unter der Aufsicht der drei maisters of the keys, und es soll eingeschlossen bleiben, bis es zum Gebrauch herausgegeben wird.

Siebente Satzung. - St. Johannistag

- Wir verordnen ferner, daß jeder Eingetragne Lehrling und Zunftgenosse in unsrer Loge und alle unsre Nachfolger in the measson craft jährlich am St. Johannistage zwölf schottische Schillinge bezahlen soll, an den Maister measson oder seinen Aufseher, oder an jemand, den sie zur Einsammlung zu bestimmen belieben. Denjenigen, die nicht bezahlen, sollen ihre Werkzeuge gepfändet werden, bis sie sie einlösen.

All dieses Geld soll verwendet werden, wie die Gesellschaft zur Ehre des Tages darüber verfügen wird. Alle unsre Nachfolger in the measson trade sollen jenen Tag als einen Tag gemeinsamer Freude und Festlichkeit begehn, und wenn eins unsrer Mitglieder an jenem Tage an unserm öffentlichen Versammlungsorte fehlt, ist er zu bestrafen, wie der Wille der Gesellschaft für angemessen hält.

Diese unsre Gesetze sollen bei der Eintragung eines jeden Lehrlings verlesen werden, damit niemand Unkenntnis behaupten kann.

Unterweiser (Intender)

- Wir verordnen ferner, daß niemand aus unsrer Loge einen Eingetragnen Lehrling lehre oder unterrichte, bis er vollkommen genug ist (be perfyted), um sein Unterweiser zu sein, bei Strafe nach Ermessen der Gesellschaft. Wenn sein Unterweiser und sein Genosse (mate) ihn als unterrichtet bezeichnet, hat jeder die Freiheit, ihn über das zu belehren, was er vergißt; wenn aber der Eingetragne Lehrling, falls er bei unsern öffentlichen Versammlungen gefragt wird, etwas vergaß, worin er unterrichtet worden ist, muß er nach Ermessen der Gesellschaft dafür zahlen, es sei denn daß er beweisen kann, daß er darin nie unterrichtet wurde; dann hat sein Unterweiser für ihn zu zahlen.

Wir verordnen ferner, daß keiner von uns einen andern in unsern Versammlungen schmähe oder verspotte, bei Strafe einer Buße, sondern daß alle einander lieben wie leibliche Brüder (brothers born) und hinter ihres Nächsten Rücken deren guten Ruf wahren, wie ihr Eid sie verpflichtet.

Wir verordnen ferner, daß alle unsre Mitglieder den Sonntag heilig halten, und wenn einer of the measson trade als absichtlicher Verächter des Tages des Herrn erfunden wird durch unnötige Gänge oder Besuche, dann soll das Gesetz der Loge mit einer großen Strafe über ihn verhängt werden, denn alle gewohnheitsmäßigen Flucher, alle unsaubern Leute und Trunkenbolde sind streng von uns zu strafen, und außerdem von dem öffentlichen Richter des Landes.

Achte Satzung. - Für dieses Buch

- Wir Maister Meassones and Entered printises der Ehrwürdigen Loge von Aberdeen verordnen, daß dieses Gesetzbuch (Book of Lawes) in unsrer Lade (Box) fest verschlossen gehalten werden soll, außer wenn es herausgenommen und an die bestimmte Stelle gebracht werden muß, wo ein Eingetragner Lehrling aufgenommen werden soll (is to be receaved).


Wir verordnen, daß alle unsre Nachfolger in the measson craft dieses Buch besonders hüten und als ihre Richtschnur anerkennen, es nicht verfallen lassen oder es länger dem Schriftführer überlassen sollen, als er es zum Schreiben braucht, noch ihn darin schreiben lassen, außer wenn die drei maisters of the keys zugegen sind.

Und wir befehlen allen unsern Nachfolgern in this measson trade, bei dem Eide, den sie bei ihrem Eintritt ablegen, daß sie niemals einen unsrer Namen, die wir die Begründer und Unterzeichner dieses Buches sind, auslöschen oder verwischen lassen, sondern sie für alle Geschlechter als eure Beschützer (pattrones) erhalten.


Es ist zu bemerken, daß es seit Menschengedenken (since the memoire of man) unter den Steinmetzen von Aberdeen nie eine Armenkasse gegeben hat bis zu der Zeit, als wir, die wir die Begründer dieses Buches und der Kasse sind, sie begonnen haben.

In einer Ehrwürdigen Loge, am 27. Dezember 1670 zu Aberdeen gehalten, am St. Johannistage, haben wir Begründer und Unterzeichner dieses Buches, die wir als Meister und Eingetragne Lehrlinge der genannten Loge ordnungsmäßig versammelt waren, um eine Kasse für unsre Armen zu gründen und dazu beizutragen, und nachdem wir ernstlich erwogen hatten, wozu es gut sein und wie Gottes Segen alle unsre Bemühungen und Unternehmungen begleiten möchte, einmütig und von Herzen dem zugestimmt, und wir alle gaben sofort freiwillige Beiträge bis zu einem Reichstaler wenigstens und verpflichteten uns, von dem gesammelten Gelde niemals anders als zu dem bezeichneten Zweck Gebrauch zu machen.

Deshalb sollt ihr alle, die ihr unsre Nachfolger in the measson craft sein werdet, unserm Beispiel folgen und euern Armen nie Gelegenheit geben, euch zu fluchen, und ihr sollt in pflichtschuldiger Erfüllung des hier niedergeschriebnen Willens Gottes Segen erwirken, um alle eure Bemühungen zu begleiten.

Dies ist der herzliche Wunsch von uns allen, die wir die Begründer davon sind. Lebt wohl!

Anmerkungen

Der Trennungsstrich nach der achten Satzung befindet sich in der Handschrift, er ist sogar ziemlich dick. Trotzdem hat Lyon [History of the Lodge of Edinburgh, 1873] das erste Stück nach dem Strich unmittelbar an die achte Satzung angehängt, sogar ohne Absatz, als wenn es noch dazu gehörte. Beide Stücke sind nur nachträgliche Mitteilungen und Ermahnungen für die spätem Mitglieder der Loge, bilden also keine eigentlichen Bestandteile der Satzungen. Dies wollte der Schreiber durch den abschließenden Strich auch äußerlich kenntlich machen, und darin glaubte ich bei meiner Übertragung ihm folgen zu sollen.

Die Versichrung des ersten Stücks, die Steinmetzen hätten seit Menschengedenken früher nie eine Armenkasse gehabt, haben wir natürlich als geschichtlich zutreffend anzuerkennen. Darnach ist Bains [Merchant and Craft Guilds, 1887] Behauptung, die Steinmetzen hätten ebenso wie die andern Genossenschaften Vermögen angehäuft (accumulated funds, S. 118), in Zweifel zu ziehn. Jedenfalls wird in den beiden Schlußabsätzen bekundet, daß die Armenkasse am 27. Dezember 1670 erst gegründet worden ist.

Die Loge bestand natürlich damals schon und hatte ohne Zweifel bereits lange vorher bestanden. Das beweisen die der Abschrift der alten Verfassung angehängten 14 Items, die den Items 10-23 der im Jahre 1636 aufgestellten Falkland-Statuten [ http://www.muellerscience.com/ESOTERIK/Freimaurerei_Old_Charges/Falkland_Statuten.htm ] wörtlich gleich sind. Die oben (S. 126) schon mitgeteilte Überschrift dieser „Lawes and Statutes for Meassons" sagt ja ausdrücklich, sie seien gathered out of ther old wreatinges, d. h. aus den alten Schriften der Steinmetzen, von denen sie vermutlich bald nach 1636 angenommen waren, wie die Steinmetzen der Loge zu Atcheson Haven sie zweimal, 1637 und 1638, als ihre Gesetze anerkannt hatten (vgl. oben S. 108 f.).

Die „Begründer und Unterzeichner" der neuen Satzungen waren sämtlich selbstverständlich früher aufgenommen und hatten the benefit of the Mason Word erhalten, wie in der ersten Satzung ausdrücklich bezeugt wird. Zwei der vornehmen Herren, die in der nachher zu besprechenden Liste aufgeführt werden, die Earls von Dunfermline und Erroll, waren 1670 bereits alte Leute (Lyon 1900, S. 449), der letztre starb 1674 in hohem Alter (Gould III, S. 437); wir dürfen daher mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß sie schon vor langer Zeit aufgenommen waren.

Die alte Verfassung war auch natürlich schon früher vorhanden und ist von dem Schreiber des Buches für dieses neu abgeschrieben; das Alter des verlornen Originals läßt sich nicht mehr feststellen, es reichte aber gewiß in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück; ebenso das Original, in dem die Falkland-Statuten vermutlich vollständig enthalten waren. In der fünften Satzung wird our antient outfield Lodge erwähnt, wodurch ein höhres Alter der Loge weiter bestätigt wird.

Wir werden nach allem dem kaum einen Fehlschluß machen, wenn wir annehmen, daß schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Steinmetzen der alten Loge sich zu einer organisierten Körperschaft unter diesem Namen ausgebildet und auch andre Handwerker und Nicht-Zünftler in ihre Brüderschaft aufgenommen hatten. Diese Entwicklung muß ziemlich weit vor 1670 zurückliegen, denn unter den 49 „Begründern und Unterzeichnern" des Buches sind nur noch zwölf Meister als Steinmetzen zu ermitteln; das bedeutet eine Wandlung, die im 17. Jahrhundert sicherlich manches Jahrzehnt erfordert hatte.

Die Satzungen bestätigen, was ja für ihre Zeit nach schottischer Weise selbstverständlich ist, daß es auch in Aberdeen damals nur zwei Stufen gab, Maister Meassones und Entered Prentises. Die erstern werden einigemal auch Fellow Crafts genannt, denn beide Benennungen waren eben in Schottland gleichwertig, nur daß an dem einen Orte die Bezeichnung Master, an einem andern der Name Fellow (of) Craft durch Gewöhnung vorgezogen wurde.

Der Vorsitzende heißt immer Master; in frühern Zeiten hatte er vermutlich den Titel Deacon geführt, da die Steinmetzen als Korporation im 16. Jahrhundert ihren Deacon hatten, wie wir aus andern Quellen wissen.

Für die Befördrung haben wir in der fünften Satzung die Wendungen: to get the fellowship und to rcceave the fellowship, daneben aber auch: to be made a master measson, völlig gleichbedeutend mit den beiden vorhergehnden.

Dem Meister zur Seite stand ein Aufseher, der ihn in seiner Abwesenheit mit gleicher Vollmacht zu vertreten hatte; trotz dieser Vollmacht waren aber beide an die Zustimmung der company gebunden, was stets betont wird. Nach der dritten Satzung war das Amt des Aufsehers ein dauerndes, das er selbst niederlegen konnte, das ihm aber nur wegen groben Verstoßes (great fault) oder Unfähigkeit (incapacity) durch Beschluß der company entzogen werden konnte.

Die übrigen Beamten, der Meister, der Schatzmeister und der Schriftführer, wurden alljährlich neu gewählt; der Diener blieb, bis ein andrer aufgenommen war, womit wohl gesagt sein soll, daß der jüngste Lehrling immer zugleich der Diener war. Er hatte die Botengänge zu besorgen und den Mitgliedern die Abhaltung einer Loge anzusagen.

Bemerkenswert ist in der dritten Satzung, daß die Logen nicht in einem Wohnhause, sondern im freien Felde (in the open fields) gehalten werden sollten, nur bei schlechtem Wetter in einem Hause, jedoch so, daß man von niemand gehört oder gesehn werden konnte. Nach der fünften Satzung fanden die Aufnahmen frühmorgens (in the mearnes) an einer bestimmten Stelle im Freien statt.

Die Ausdrücke successores in the Meassone Craft oder in the measson trade, die beide oft vorkommen, weisen auf den zunftmäßigen Ursprung der Loge hin, die bald the honourable Lodge, bald the honourable company und sehr häufig nur the company genannt wird. Das Wort Lodge bezeichnet aber nicht nur die Körperschaft, sondern auch eine einzelne Versammlung, und eine solche heißt in dem Schlußabsatze ane Honourable Lodge holden at Aberdeine.

Die fünfte Satzung unterscheidet zwischen einem gentleman measson und einem handie craftes prentise, einem Lehrling des Handwerks. Der erstre hatte als eintretender Lehrling (Entering prenteise) sowohl wie bei der Erlangung der Genossenschaft (when he gets his fellowship) erheblich mehr zu leisten als der Zunftmann in beiden Fällen, wie die Brüder Steinmetzen auch an andern Orten die Liebhaberei von Nicht-Zünftlern gern durch höhre Gebühren ausnutzten.

Diese Verschiedenheit in den Leistungen ist jedenfalls nicht erst durch die Satzungen von 1670 eingeführt worden, sondern stammte aus der Zeit her, als die Steinmetzen noch das Übergewicht hatten und die Nicht-Zünftler anfingen, sich um die Mitgliedschaft zu bewerben. Zu beachten ist aber, daß in Aberdeen nach der fünften Satzung auch die Nicht-Zünftler zuerst nur Lehrlinge wurden und später die Genossenschaft erlangten.

Bain meint (S. 236), die „Laws and Statutes" der Loge von 1670 zeigten eine sehr enge Verwandtschaft mit denen der andern Zünfte. Dies trifft jedoch nur in einzelnen Punkten zu, z. B. der Heilighaltung des Sonntags und der Befördrung von Zunftlehrlingen sowie dem Besuch der Versammlungen; in der ganzen Anlage sind sie durchaus verschieden und geben eine völlige Umarbeitung der etwa damals noch vorhanden gewesnen alten Satzungen zu erkennen. Bei den andern Zünften steht z. B. die Heilighaltung des Sonntags überall an der Spitze, und der ganze Charakter aller jener einander in der Tat sehr ähnlichen Gesetze ist denen der Loge von 1670 sehr unähnlich.

Der Loge war offenbar 1670 die Gründung und Erhaltung der Armenkasse die Hauptsache, die übrigen Bestimmungen wurden, wenn auch in Anlehnung an alte Überliefrungen, in ganz freier Weise zusammengestellt und haben mit den Gesetzen der übrigen Zünfte in Wirklichkeit gar keine Ähnlichkeit mehr. Die Abstammung aus einer ältern Zunftloge kann jedoch nicht bezweifelt werden, das ergibt sich auch noch aus den neuen Gesetzen von 1670 mit völliger Sicherheit.

In dem alten Bande befanden sich die aufgeklebten alten Blätter mit den Seitenzahlen (13), (14), (15), (16) und (17) ohne Zweifel unmittelbar hinter den „Lawes and Statutes" mit den alten Seitenzahlen (7) bis (12), wie ich schon angab (oben S. 128f.). Dies läßt auch die Überschrift des auf jenen Blättern eingetragnen Meisterverzeichnisses deutlich genug erkennen ; sie lautet:

The : Names : of : ws : all : who : ar : the : Authoires : of

and : Subscryuers : of : this : Book : in : order : as : followeth

1670.

Erster Hauptbestandteil des damals neuen Buches waren natürlich die am 27. Dezember 1670 beschlossnen neuen Gesetze; daß die Namen der „Begründer und Unterzeichner" ursprünglich unmittelbar darauf folgen mußten, ist ebenso selbstverständlich.

Wir haben daher diese Liste im Anschluß an die Gesetze zu betrachten. Sie enthält zunächst unter der eben gegebnen Überschrift 49 Namen und neben allen, außer Nr. 44 und Nr. 46, eine Marke, wodurch auch noch wieder der zünftlerische Ursprung der Loge bestätigt wird.

Ehe ich jedoch die Liste näher betrachte, setze ich eine Bemerkung her, die am Schluß der Liste eingetragen ist; sie lautet

So enden die Namen von uns allen, die wir die Begründer dieses Buches und der Steinmetzenkasse (meassonis box) sind, in der Ordnung nach unserm Alter, wie wir zu Zunftgenossen gemacht wurden (as wee wer made fellow craft), von wo wir unser Alter rechnen. Drum bitten wir alle unsre guten Nachfolger in ye measson craft, unsrer Regel als euern Vorbildern zu folgen und nicht um den Platz zu streiten, denn hier könnt ihr oben und zwischen den übrigen Namen Leute niedern Standes vor großen Leuten von Rang eingeschaltet geschrieben sehn.

Bedenkt auch (Momento), es sind keine Eingetragnen Lehrlinge unter uns eingeschaltet, die wir die Begründer dieses Buches sind. Deshalb verordnen wir für alle unsre Nachfolger in ye measson craft, keinen Eingetragnen Lehrling einzuschreiben, bevor er be past as fellow craft; und weiter verordnen wir für alle unsre Nachfolger, sowohl Eingetragne Lehrlinge wie Zunftgenossen (fellow crafts), bei ihrer Aufnahme (receaving) einen Reichstaler in die Kasse zu zahlen oder genügende Bürgschaft dafür bis zu einem bestimmten Tage [zu geben], außer ihren Gebühren.

Wir verordnen ferner, daß ye measson charter und alle Gesetze dieses Buches bei der Eintragung eines jeden Eingetragnen Lehrlings verlesen werden. Ihr werdet ye charter am hintern Ende dieses Buches finden. Lebt wohl!

Diese Zusatzbemerkung ist in mehr als einer Beziehung von Wichtigkeit für die Beurteilung der Liste und der damaligen Sachlage. Zunächst ist zu beachten, daß die Benennung Master measson in der Überschrift, in der Liste und in der Zusatzbemerkung nicht gebraucht wird. In der Liste werden die einzelnen Mitglieder nur als Measson bezeichnet, und der Zusatz hat dreimal nur die Benennung fellow craft. Die Gleichwertigkeit der Namen master measson und fellow craft kann auch für Aberdeen nicht bezweifelt werden. Anderseits wird zwischen entered prentises und fellow crafts scharf unterschieden.

Zu beachten ist ferner die Vorschrift, daß ye measson charter, also die alte Verfassung (vgl. oben S. 125), jedem Lehrling bei der Aufnahme vorgelesen werden sollte, und zwar offenbar an erster Stelle, denn sie wird zuerst genannt. Dies war auch ganz natürlich, da sie das Allgemeine über die Steinmetzenzunft enthielt, namentlich die Zunftlegende, die im 17. Jahrhundert in Schottland überall eingebürgert gewesen sein muß. Daß die Aberdeener Abschrift in dem alten Bande „am hintern Ende dieses Buches" sich befunden hat und erst beim Neubinden nach vorn gebracht worden ist, wurde bereits gesagt (oben S. 124 u. 128). Der Neuordner hatte vielleicht die Meinung, die beiden zusammen zu verlesenden Stücke müßten auch räumlich vereinigt werden.


In der Liste sind also die 49 fellow crafts nach ihrem Alter in dieser Würde aufgezählt.


… Schade, daß zwischen 1670 und 1696 alle Protokolle fehlen, so daß wir hier nur mit Vermutungen arbeiten können. Zu bedauern ist auch, daß wir über das Alter der Mitgliedschaft oder der Genossenschaft der „Begründer und Unterzeichner" des Buches nichts erfahren. Bis Nr. 16 bilden die Steinmetzen noch den größern Teil, 9 gegen 7, unter letztern 2 Edelleute; dann aber bekommen die Nicht-Steinmetzen das Übergewicht, denn Nr. 17 bis Nr. 32 weisen keinen Steinmetzen auf, erst Nr. 33 und Nr. 35 sind wieder Steinmetzen, und der letzte ist Nr. 47, so daß im zweiten Drittel gar keine und im dritten Drittel nur drei Steinmetzen vertreten sind.


Fassen wir alles zusammen, so finden wir unter den 49 Zunftgenossen von 1670 nur 12 Steinmetzen, also nur noch ein Viertel der Gesamtzahl.

Zu diesen 49 Zunftgenossen kommen nach einem später folgenden Verzeichnis noch 11 Eingetragne Lehrlinge; wieviele jedoch von ihnen Steinmetzen waren, läßt sich nicht ermitteln.

Gesamtergebnis ist jedenfalls, daß die Loge 1670 bereits aufgehört hatte, eine eigentliche Steinmetzenbrüderschaft zu sein, wie sie im ersten Drittel des damaligen Bestandes sich immerhin noch zu erkennen gibt. Die Zeit der Vorherrschaft der Steinmetzen lag jedenfalls Jahrzehnte zurück, und das Übergewicht der Nicht-Steinmetzen hat sich gewiß nur allmählich eingestellt, denn im 17. Jahrhundert lagen die Verhältnisse wesentlich anders als im 18. Jahrhundert, nachdem die Einflüsse der modernen englischen Freimaurerei in Schottland sich geltend zu machen begonnen hatten.


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