Hermann Beigel

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Hermann Beigel

Ein deutscher Arzt, der in England zum Freimaurer wurde. Sein masonisches Erbe wirkt immer noch fort, allerdings nicht in Deutschland und nicht in England sondern in Österreich: Nach seinem Umzug in das habsburgische Wien entwickelte Hermann Beigel in den 1870iger Jahren als Exponent einer Gruppe österreichischer Reformfreimaurer ein neues Ritual, das seit den 1920er Jahren die Grundlage für das Ritual und das Ritualverständnis der ‚Großloge von Österreich’ ist. Von Rudi Rabe.

Dieser Eintrag verdankt sich vor allem den historisch-vergleichenden Analysen des österreichischen Freimaureres Franz Ernst. Auf den Punkt gebracht lautet das Ergebnis seiner Studien: Das heutige freimaurerische Ritual der ‚Großloge von Österreich’ basiert nicht, wie immer wieder behauptet wird, auf Friedrich Ludwig Schröder (1744 bis 1816), sondern auf den Reformen von Hermann Beigel (1830 bis 1879) und seiner Mitstreiter. Sie verschoben die Essenz der alten Schröder-Rituale weg vom Religiösen und Kompliziert-Schwülstigen hin zum Laizismus sowie zu einer einfacheren und konkreten Sprache. Hermann Beigel hat es verdient, mit diesem Wiki-Eintrag dem Vergessen entrissen zu werden.

Hermann Beigels Biographie

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Hermann Beigel: 1874 Gründungsmitglied der Wiener Grenzloge ‚Zukunft’. Unterstützt von anderen Freimaurern jener Zeit, schuf er ein völlig neues laizistisches Reformritual, das bis heute die Grundlage des Rituals der ‚Großloge von Österreich’ ist. Entgegen einer immer weitererzählten Legende hat dieses viel mehr mit Hermann Beigel als mit den Schröderschen Ritualreformen sieben Jahrzehnte vorher zu tun.
Hermann Beigel gab auch ein freimaurerisches Magazin heraus, mit dem er über seine masonischen Ideen informierte.

Geboren: 1830 im Osten Deutschlands, wahrscheinlich in Schlesien; Medizinstudium in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), im schlesischen Breslau und in Berlin. Er begann als Badearzt in Bad Reinerz (damals Schlesien; heute Duszniki-Zdrój in Polen) und erhielt dann als erster Deutscher einen Ruf an das Charing Cross Hospital in London, wo er der Abteilung für Dermatologie vorstand. Dort wurde auch eine Hautkrankheit nach ihm benannt: beigel disease, die Beigel-Krankheit (weiße Piedra).

Am deutsch-französischen Krieg von 1870/71 nahm Hermann Beigel als Regimentsarzt beim 65. Infanterie-Regiment zu Köln teil. Nach Kriegsende folgte er einem Ruf als leitender Arzt an das neugegründete Maria-Theresien-Frauen-Hospital in Wien, wo er bis zu seinem frühen Lebensende wirkte. Mit der Herausgabe eines ‚Handbuches für Gynäkologie’ beschäftigt, starb Hermann Beigel 1879 ziemlich plötzlich im Alter von erst 49 Jahren an den Folgen einer Eiterbeule (Karbunkel).

Schon in den 1860iger Jahren hatte er über Haar- und Hautkrankheiten publiziert, und nach der Berufung nach Wien veröffentlichte er eine Reihe von gynäkologischen Spezialarbeiten.

Sein Wirken als Freimaurer in Wien

1862 wurde Hermann Beigel in die Londoner Loge ‚Tranquillity No. 185’ aufgenommen.

Anfang 1873 wechselte (freimaurerisch: affilierte) er dann in Wien in die Loge ‚Humanitas’, damals noch die einzige Wiener Loge nach dem Neustart der österreichischen Freimaurerei. Diese war ja vom Habsburgerkaiser Franz I./II. aus Angst vor neuen politischen Ideen schon 1795 verboten worden. Das dauerte bis zur Republikgründung 1918, doch ab 1867 war es von Wien aus möglich, über der nahen Binnengrenze in der ungarischen Reichshälfte, wo jetzt ein liberaleres Vereinsrecht eingeführt worden war, Logen zu gründen: die sogenannten Grenzlogen. Die ‚Humanitas’ war ab 1872 die erste Grenzloge. Weitere folgten: Die österreichische Freimaurerei nahm nun einen schnellen Aufschwung. Ohne die Last alter Traditionen suchten viele Brüder nach neuen Ideen und Ritualen: Hermann Beigel war einer ihrer Pioniere.

Seit der Lichteinbringung 1872 (= Gründung) arbeitete die Loge ‚Humanitas’ mit eigenen, sehr kurzen Ritualen, die keine Ähnlichkeit mit den Schröder-Ritualen der Mutterloge ‚Zur Verbrüderung‘ in Ödenburg (Sopron) hatten. Doch bald war ein Teil der Brüder damit nicht mehr zufrieden: Die Rituale waren ihnen trotz der Kürze zu religiös und zu schwülstig. Es gab keine Einigung, und so spaltete sich 1874 eine Reformgruppe unter der Führung Hermann Beigels ab und gründete im nahen damals ungarischen Pressburg (heute Bratislava in der Slowakei) die Loge ‚Zukunft’: die zweite Grenzloge. Beigel war bis dahin deputierter (= stellvertretender) Stuhlmeister der ‚Humanitas’ gewesen.

Ausgehend vom Humanitas-Ritual, einem Ritualentwurf, den Joseph Gabriel Findel 1871 für die Großloge 'Zur Sonne' in Bayreuth verfasst hatte, und dem englischen Ritual, das er aus seiner Londoner Zeit sehr gut kannte, schuf Hermann Beigel nun für die ‚Zukunft’ durch Streichung aller kirchlichen Begriffe und deistischen Bezüge, durch Konzentration auf das Wesentliche und auch durch behutsame Ergänzung mit einigen wenigen neuen Inhalten in nur vier Wochen ein einfaches, logisches, konsistentes und vollkommen laizistisches Ritual. Damit sollte ausdrücklich auch Atheisten der Eintritt in die Freimaurerei ermöglicht und darüber hinaus den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den sozialen Entwicklungen der Zeit besser entsprochen werden.

Die Rituale für den Zweiten und Dritten Grad wurden von Beigel dann 1875 fertiggestellt.

Woher kommt dann aber die Schröder-Legende? Also die unter österreichischen Freimaurern immer wieder verbreitete Vorstellung, die heutigen Rituale der 'Großloge von Österreich' seien im wesentlichen Variationen von Schröder-Ritualen? Wahrscheinlich daher, dass Hermann Beigel 1875 von der ‚Johannis-Großloge von Ungarn‘ den Auftrag erhielt, die neuen Rituale auf Schröder-Basis zu entwickeln, wohl um die Traditionalisten nicht zu irritieren. Und natürlich vom ständigen Weitererzählen, wodurch ja Legenden im Laufe der Zeit immer zu scheinbaren Wahrheiten werden.

Beigel nahm aber sein Ritual für die ‚Zukunft‘ als Grundlage für seinen Entwurf, der schließlich nicht akzeptiert wurde. Das Ritual der ‚Johannis-Großloge von Ungarn‘ beruhte auf dem Entwurf Ernst Wohlfahrts, Stuhlmeister der Loge ‚Galilei‘ in Budapest.

Jedenfalls sind die Beigel'schen Texte, nachdem sie lange im Archiv der Loge ‚Zukunft‘ geschlummert hatten, seit den 1920er-Jahren, als die nicht mehr zeitgemäßen Rituale der ‚Symbolischen Großloge von Ungarn‘ ersetzt wurden, Basis für das Ritual der ‚Großloge von Österreich’, und so kann das Jahr 1874 als das eigentliche Geburtsjahr ihres Rituals gelten.


Franz Ernst hat seine Erkenntnisse über die Genealogie des Rituals der ‚Großloge von Österreich’ hier niedergeschrieben:
Die Entstehung des österreichischen Rituals.

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Siehe auch

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