Historisches Jahr-Buch 1736

Aus Freimaurer-Wiki

Historisches Jahr-Buch 1736

Recherche Roland Müller


Einer der ersten deutschen Berichte über die Freimaurerei

Historisches Jahr-Buch vom Jahr Christi 1736
Franckfurth und Lepizig bey Christoph Riegel,
Seiten 720-729, 1021-1023.


Eine Gesellschafft, die in Holland vornemlich grosses Aufsehen gemacht, können wir auch nicht völlig mit Stillschweigen übergehen. Es ist solches die dem Namen nach ziemlich bekandte Gesellschafft der Frey-Maurer.
Die Verschwiegenheit, mit welcher diese Gesellschafft ihre Ordnungen und Gesetze verheelet, machet, daß man fast nichts gewisses und zuverlässiges von derselben sagen kan. Was man noch von ihnen weiß, ist aus einem Buch genommen, welches die Frey-Maurer unter dem Titel drucken lassen:

Die Satzungen der Frey-Maurer, welche enthalten die Historie, Pflichten, Verordnungen etc. dieser sehr alten und recht ehrwürdigen Brüderschafft, zum Gebrauch der Innungen. London 1723. 4. 13 ½ Bogen
[Dies ist nur die Übersetzung des englischen Butchtitels; das ganze Konstitutionenbuch lag erst 1738 (allerdings mit stark verkürzter Geschichte und ohne Lieder) resp 1741 (vollständig) vor.]

Die Zuschrifft von dem Buch hat der damalige Groß-Meister der Frey-Maurer, Herzog von Wharton, durch seinen Deputirten, J. T. Desaguliers, an den Herzog von Montagu richten lassen, der das Amt eines Groß-Meisters das Jahr vorher verwaltet hatte.

Der Gebrauch, daß man in den Geschichten der Wissenschafften den Anfang in dem Paradies, und bey Adam suchte, war sonderlich im vorigen Jahrhundert fast allgemein. Die Gesellschafft der Frey-Maurer bleibt bey dieser lächerlichen Gewohnheit, und will, ihr Ansehen zu vermehren, aus Adams Kopff, wie Pallas aus dem Gehirn des Jupiters, entsprungen seyn.
Von ihr sollen so wol die geistliche als weltliche Ritter-Orden in den folgenden Zeiten manche Gebräuche entlehnet haben, doch so, daß keiner von denselben in unverbrüchlicher Beobachtung seiner Gesetze und Pflichten, und in kluger Verschwiegenheit, den Frey-Maurern gleich gekommen.

Den vornehmsten Sitz erwähnte sich endlich diese Gesellschafft in Groß-Britannien, und fürnemlich in Londen, wo Leute von allen Ständen zu derselben getreten, und verschiedene Innungen ausmachen, die alle viertel Jahr das nöthige mit einander verabreden, und jährlich eine grosse Zusammenkunft halten, in welcher die Gewohnheiten dieser Gesellschafft, und ihre Gebräuche immer weiter fortgepflanzet werden.

[Die nachfolgenden „Pflichten der Frey-Maurer sowie die „allgemeine Einrichtung der Versammlungen“ aus dem Konstitutionenbuch von 1723 entstammen, leicht gekürzt:
Der Wöchentlichen Historischen Münz-Belustigung. 17. Stück, den 25. Aprilis 1736, 132-136; Ergänzungen daselbst: 143-144, 200, 207-208, 436.]

Die Pflichten der Frey-Maurer sind folgende:

1) In der Religion sollen sie keine Atheisten, sondern alle von der Religion seyn, in welcher alle Menschen miteinander übereinkommen; das ist, es soll einer nur ein redlicher und getreuer Mann seyn, der über Ehre und Erbarkeit hält, im übrigen mag er durch irgend eine Benennung oder Glaubens-Artickel von andern unterschieden seyn, wie er will. Auf solche Weise können durch die Frey-Maurerey Personen miteinander vereiniget werden, die sonst immer von einander entfernt geblieben wären.

2) Gegen die Obrigkeit ist ein Frey-Maurer, er mag leben, wo er will, getreu, und niemals ein Aufwiegler. Sollte aber einer ein Rebell werden, so kann er doch deswegen nicht aus der Innung gestossen werden. Doch nimmt die Brüderschafft an seiner Rebellion keinen Theil, sondern hat nur mit ihm, als einem unglückseligen Menschen Mitleiden.

3) Die Personen, so als Glieder in eine Innung aufgenommen werden, müssen fromme und redliche Leute seyn, freygeborn, von reifem und verständigem Alter, keine Weiber, und Leute von gutem Ruff.

4) Der Vierte Artickel handelt von den Meistern, Eltesten, Gesellen und Lehrlingen:

Der Fünfte von Ausübung der Kunst bey dem arbeiten; in welchen beeden Artickeln aber nichts anders enthalten, als Handwercks-Artickel der eigentlichen Maurer; wie dann, aus geheimen Absichten, die ordentliche Maurers-Profession, mit den Pflichten und Gebräuchen der Freymaurer beständig vermischt, und untereinander gemenget wird.

6. Der sechste Artickel betrifft die Aufführung, und zwar
in Der Innung oder Zusammenkunft, so lang sie dauret,
nach derselben, wann die Brüder noch nicht aus einander gegangen,
wenn Brüder ausser der Innung zusammen kommen, doch so, daß keine fremder dabey ist,
wenn Fremde, die nicht Maurer, dabey sind,
zu Haus, und in Ansehung der Nachbarn, gegen einen fremden Bruder.

Hier werden nun
in der Innung alle Religions- und Politische Streitigkeiten untersaget.

Die Höflichkeit gegen einander wird geboten, weil durch die Stelle eines Frey-Maurers keinem von der Ehre, die er vorher gehabt, etwas benommen wird. Es heist aber, sie sollen einander grüssen, wie sie gelehret werden, wodurch dann, wie noch ausser diesem in mehrern Fällen, auf eine heimliche Unterweisung gezielet wird.

Am allermeisten wird ihnen Vorsichtigkeit anbefohlen, damit fremde, und auch die Familie, Freunde und Nachbarn, nichts von dem, was die Innung betrifft, erfahren mögen. Fremde Brüder sollen daher sorgfältig ausgeforschet werden, und wo sie dafür erkannt worden, so soll man ihnen mit Rath und That an die Hand gehen, und sich ihrer Ehre, nach Vermögen annehmen.

Wenn Streit unter Brüdern entstünde, so soll die Gesellschafft denselben schlichten, und nicht eher ein öffentlicher Process angefangen werden, biß dieses Mittel versucht worden. Wäre aber die Sache so beschaffen, dass sie durch einen ordentlichen Process müsste ausgemacht werden, so sollte doch auch bey demselben nichts mit unterlauffen, was wider die brüderliche Liebe der Frey-Maurer stritte.

Was die allgemeine Einrichtung der Versammlungen und Innungen anbetrifft, so ist davon folgendes kund geworden:

Der Groß-Meister, oder sein Deputirter kann in allen Innungen nicht nur gegenwärtig seyn, sondern auch darinnen präsidiren, so dass dann der Meister von der Innung ihm zur linken Hand sitze.
Der Meister jeder Innung, oder wem er es aufträgt, hat ein Buch, darinnen derselben Neben-Gesetze, die Namen der Glieder, nebst einer Liste aller Innungen und der Stadt, und die gewöhnliche Zeit und Art der Versammlung, und alles, was sonst aufgeschrieben zu werden verdienet, verzeichnet ist.

Es kann niemand ein Glied der Innung werden, ohne daß einen Monat zuvor der Innung Nachricht gegeben worden, damit man sich wegen seines guten namens und Geschicklichkeit erkundigen könne. Doch kann der Groß-Meister hierinnen dispensiren.

Niemand aber kann ein Bruder werden, ohne einmüthige Ubereinstimmung aller und jeder Glieder der Innung, welche Regel keine Ausnahme leidet.

Wenn ein Bruder sich vergehet, daß seine Innung nicht mit ihm zufrieden seyn kann, so soll er zweymal von dem Meister oder ältesten bey der ordentlichen Versammlung der Innung erinnert werden. Wenn es nichts hilfft, so soll nach den besondern Neben-Gesetzen der Innung, oder nach der Art mit ihm verfahren werden, welche die Quartal-Zusammenkunfft vor hinlänglich achtet.

Die mehresten Stimmen jeder Innung geben dem Meister und Aeltesten, die Vorschriftft, was sie bey den vierteljährlichen Zusammenkünfften, auf welchen gedachte meister und Aeltesten ihre Innungen vorstellen, vorzutragen haben.

Zum Behuf der armen Brüder wird von den besondern, und von der allgemeinen Innung Geld zusammen gelegt.

Der Groß-Meister, mit seinen Deputirten und Aeltesten, muß, währenddes seines Amts wenigstens jährlich einmal herum gehen, und alle Innungen besuchen.

Bey den Versammlungen wird die gröste Vorsicht gebraucht, daß sich kein Fremder mit einschleichen kann; daher auch die Aufwartung durch lauter Brüder verrichtet wird.

Jährlich wird entweder ein neuer Groß-Meister gemacht, oder der alte ersucht, sein Amt noch ein Jahr lang zu führen.

Eine allgemeine Zusammenkunfft hat die Macht, neue Verordnungen zu machen.

Die Art, eine neue Innung anzuordnen ist folgende:
Der Groß-Meister fragt seinen Deputirten, ob er die Glieder derselben alle examinirt, und sonderlich befunden, daß der vorgeschlagene Meister in dieser edlen Wissenschafft und Königl. Kunst wol erfahren, und in den Geheimnissen der Gesellschafft gehörig unterrichtet seye. Wann nun der Deputirte mit ja geantwortet, so führet er den Candidaten und seine Brüder hervor, stellt ihn vor den Großmeister und sagt:
Hochwürdiger Großmeister, gegenwärtige Brüder wünschen eine neue Innung zu formiren, und ich präsentire diesen meinen würdigen Bruder zu ihrem Meister, weil ich weiß, daß er von guten Sitten, grosser Erfahrung, getreu, zuverlässig, und ein Liebhaber der ganzen Brüderschafft, wie sie zerstreut ist, über den ganzen Erdboden.
Der Großmeister stellet hierauf den Candidaten zu seiner linken Hand, und nachdem er die Beystimmung aller Brüder eingefordert, spricht er:
Ich setze und formire diese rechtschaffenen Brüder zu einer neuen Innung, und verordne euch zum Meister derselben, indem ich nicht an eurer Geschicklichkeit und Sorgfalt, das Band der Innung zu erhalten, zweifle.
Er setzt noch andere, bey dieser Gelegenheit gewöhnliche Ausdrückungen dazu, die aber verschwiegen werden. Darauf investirt er ihn mit Ubergebung des Inungs-Buchs, der Satzungen, und des Werkzeugs, und zeigt ihm dabey an, was jegliches bedeutet.

Diese Brüderschafft hat auch ihre besondern Gesänge, welche das Lob und die Geschichte der Brüderschafft in sich enthalten.

Von den andern Geheimnissen dieser Berüderschafft kann man so weinig erfahren, als ehemals von den bekannten Rosencreutzern, die gleichfalls eine Zeitlang ein grosses Aufsehen gemacht, aber endlich, weil nichts hinter ihren Sachen war, verschwunden.

Da die Gesellschafft der Frey-Maurer auf dem ganzen Erdboden zerstreuet seyn soll, so ist kein Wunder, daß sich dieselbe auch in Holland ausgebreitet, wo beinahe von allen Secten einige angetroffen werden. In Haag und Amsterdam suchten dieselbe vornemlich ihre Innungen anzulegen, in welche sie niemand, ohne gegen Erlegung eines gewissen Stuck Geldes einnahmen.

[Der nächste Absatz ist mit Abwandlungen entnommen aus:
Anhang Zu den Actis Historico-Ecclesiastici und derselben Ersten Band. Weimar, Bey Siegmund Heinrich Hofmann, 1736, 107.]

Wenn sie einen neuen Bruder aufnehmen, sollen sie die Gewohnheit haben, demselben ein weisses Schurtz-Fell, einen weissen Handschuh, eine Maurer-Kelle, und einen kleinen Sessel, wie die Steinweg Setzer haben, zu geben. Bey den Versammlungen soll der Großmeister auf einem in Form eines Throns gemachten vergüldeten Stuhl sitzen, und auf dem Haupt eine Krone von Epheu, in der Hand aber eine silberne Kelle statt des Scepters haben. Neben ihm zur rechten sitzt sein Deputirter oder Vice-Regent auf einem niedrigen Thron-Sessel. Zu seinen Füssen sitzen die Meister der Innungen, und etwas weiter davon ein paar Secretarii aus der Zahl der Aeltesten. Die übrigen Brüder sitzen auf ihren kleinen Sesseln in Form eines halben Mondes herum.

Diese Zusammenkünffte in Holland schienen den General-Staaten, in Erwegung der Meinung, welche die Frey-Maurer von der Religion und Rebellion haben, und in Ansehnung ihrer Verschwiegenheit gefährlich zu seyn. Daher ergieng den 30. Nov. 1735 der Schluss, dass sie überall sollten eingestellet werden.

siehe:
Freimaurerei 1725-1742: rasch ausgebreitet – sofort verboten

Es ist aber wol zu befürchten, daß sich diese Gesellschafft, obgleich heimlich, doch eben deswegen vermehren werde, weil man derselben Einhalt zu thun trachtet. Wie sich dann die Spuren davon häuffig in Italien und Frankreich ja auch in Teutschland äussern. In Engelland aber blühet die Gesellschafft noch biß diesen Tag, davon wir in dem Capitel von Engelland noch etwas werden anzuführen haben.

1021-1023

Die Frey-Maurer begehen das Lothringische Vermählungsfest.

Von den Frey-Maurern, welche ihren Haupt-Sitz in Engelland haben, haben wir in dem Capitel von den Niederlanden, p. 720 seqq. So viel Nachricht, als uns davon zu Handen gekommen, gegeben.

[Der nächste Bericht ist entnommen:
Kurtz-gefasster Historischer Nachrichten Zum Behuf der Neuern Europäischen Begebenheiten, Auf das Jahr 1736, 387-388.]

Hier aber müssen wir noch gedenken, dass dieselbe am 26. April zu Londen, die Vermählung des Herzogs von Lothringen [Franz I. Stephan], als ihres Hohen Mitgliedes, feyerlichst begangen. Sie hielten dabey einen prächtigen Aufzug, aus dem haus des neuen Großmeisters, Grafens von Loudoun, in Witehall, biß in das haus der Fischhändler, bey der Brücke zu Londen, und also durch viele der vornehmsten Strassen, bey einer Meile weit, in folgender Ordnung:

1) ein Paucker.
2) Zwey Trompeter.
3) Zwey Waldhornisten.
4) Vier Hautboisten.
5) Zwey Bassons.
6) Die zwölf Intendanten der Societät in offenen Carossen.
7) Der Meister, und zwey Hüter der Loge des Ober-Intendantens in einer Carosse.
8) Die Frey-Maurer selbst, in ihren eigenen Carossen.
9) Zwölf Personen, welche die zwölf Intendanten der grossen Loge vorstellten.
10) Die vornehmen Herren und Cavaliers, die mit den vornehmsten Bedienungen der Societät versehen sind.
11) Die Ober-Hüter in einer Carosse.
12) Der Unter-Groß-Meister, ganz allein.
13) Der Secretarius, und der Schwerd Träger, zusammen in einer Carosse.
14) Der Vicomte von Weymouth, als abtretender Groß-Meister, und der Graf von Loudoun, als neu antretender Groß-Meister, in der Carosse des erstern von diesen zweyen Herren, und endlich
15) Die ledige mit 6 Pferden bespannte Carosse des Grafen von Loudoun.

Die zwölf von dem Amt abtretenden Intendanten hatten in dem Gasthaus der Fischhändler ein sehr herrliches Tractament zurichten lassen, auf welches ein Ball folgte, der an ausserordentlicher Pracht jenem völlig gleich kame.

Msgruenklein.gif

Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller