Johann Gottlieb Fichte: Philosophie der Maurerei - Briefe an Konstant

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Johann Gottlieb Fichte: Philosophie der Maurerei - Briefe an Konstant

Ein Buch zum meditativen Lesen:

Johann Gottlieb Fichte:
Philosophie der Maurerei - Briefe an Konstant

Über die Wiederauflage 2017 in der Edition Lapis, Wien
Von Rudi Rabe

Natürlich kann dies keine Rezension sein über ein Buch, dessen Erstausgabe vor mehr als zwei Jahrhunderten heraus kam. Nur ein paar Informationen und Gedanken anlässlich der neuerlichen Wiederauflage jetzt 217 Jahre nach der Erstauflage und 203 Jahre nach Fichtes Tod.

Herausgeber dieser Wiederauflage ist der Buchhändler Thomas Zimmermann, Inhaber der Buchhandlung ‘Zum rauhen Stein’ im Zentrum Wiens in der Rauhensteingasse Nr. 4 gegenüber dem Logenhaus der Großloge von Österreich.

Fichte und das Buch

Johann Gottlieb Fichte wurde 1789 in Zürich in die Loge Modestia cum Libertate aufgenommen, und seit Dezember 1794 scheint er als Mitglied der Loge ‘Günther zum stehenden Löwen’ in Rudolstadt in Thüringen auf. 1799 übersiedelte er nach Berlin und verkehrte in den dortigen Freimaurerkreisen. Er wurde am 17. April 1800 in die Großloge Royal York zur Freundschaft aufgenommen, welche er aber nach einem Streit mit Ignaz Aurelius Feßler schon am 7. Juli wieder verließ. Fichte blieb aber dennoch in Beziehung mit der Freimaurerei.

Im April 1800 hielt Fichte eine Reihe von Sonntagsvorträgen vor zahlreichen Freimaurern aller Systeme in Berlin. Der Redakteur der „Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts“ J.C.A. Fischer erhielt von Fichte die Erlaubnis, sie zu drucken. Er gab ihnen den Titel „Philosophie der Maurerei. 16 Briefe an Constant“. Vor allem in die ersten Briefe fügte Fischer einige persönliche Erweiterungen ein. Erst ab dem sechsten Brief sind die Zusätze unbedeutend, und der Text ist nun fast durchgehend nur von Fichte.

Gespräch mit dem Herausgeber Thomas Zimmermann

Warum die Wiederauflage?

Das Buch wird in meiner Buchhandlung immer wieder nachgefragt, aber es war nur noch antiquarisch zu bekommen; die letzte Wiederauflage gab es vor zwanzig Jahren. Das ist schade, weil Fichte in dem Buch den Sinn der Freimaurerei in einer ähnlichen Weise wie Lessing auf den Punkt bringt, nämlich: Der Zweck des Freimaurerbundes sei es - und jetzt zitiere ich Fichte wörtlich - „die Nachteile der Bildungsweise in der größeren Gesellschaft wieder aufzuheben und die einseitige Bildung für den besonderen Stand in die gemeine menschliche Bildung zu verschmelzen“.

Und so habe ich mich eben entschieden, das Buch selbst neu aufzulegen. Auch Buchhändler dürfen von ihren Kunden lernen.

Ihr Zitat zeigt: Fichte schreibt in einer Sprache, die für uns Heutige nicht einfach aufzunehmen ist …

Ja, das ist richtig. Wir sind inzwischen knappe und kompakt geschriebene Sätze gewohnt, die man schnell lesen und verstehen aber rasch auch wieder vergessen kann. Fichte schreibt anders: Seine Sprache ist komplex, sie ist zum langsamen und nachdenklichen Lesen, man könnte sagen, es ist ein Buch zum Innehalten.

Schnelles Lesen zwischendurch, ein paar Minuten in der U-Bahn oder so - das geht mit diesem Buch nicht. Vor dem Lesen sollte das Gehirn einen Purzelbaum schlagen, sich entschleunigen, man muss abschalten - eine Art meditatives Lesen ist angesagt.

Oder laut lesen, so wie ein Ritual?

Würde sicher auch funktionieren, dann wäre es zugleich eine Sprechübung.

Ich persönlich habe es so gehalten, dass ich jeden der 16 Briefe zwei oder dreimal hintereinander gelesen habe. Dann habe ich Fichtes Gedanken auf mich wirken lassen, und erst beim nächsten Mal habe ich mir den darauf folgenden Brief vorgenommen.

Auf diese Weise hat sich mir der Inhalt des Buches sehr gut erschlossen. Was mir daran so gut gefällt: Lesen und Nachdenken gehen Hand in Hand. Warum ist jemand ein Freimaurer? Was kann ihm die Freimaurerei geben und was nicht? Was ist ein vernünftiger Anspruch, was wäre überzogen?

Der von Ihnen ausgewählte Buchdruck hilft bei dieser Art des - wie sie sagen - meditativen Lesens …

Wir haben bewusst eine lesefreundliche Schrift gewählt. Sie kommt nicht gepresst daher, die Abstände zwischen den Zeilen und ganz allgemein die Weißflächen sind großzügig gewählt. Und dennoch füllen die 16 Briefe nicht einmal neunzig Seiten. So schafft man diese Art zu lesen, also das meditative Lesen recht gut.

Unterstützt wird das durch die edle Aufmachung des Buches. Daher nimmt man es auch lieber zur Hand als ein x-beliebiges Paperback. Es zeichnet sich aus durch einen aufwendigen Leineneinband mit Goldschrift, durch wertvolles Papier und ein Lesebändchen. Dadurch strahlt das Buch eine gewisse Wertigkeit aus. Es eignet sich auch gut als Geschenk.

Leseproben aus dem Sechsten Brief

✒︎ „Was wirkt der Orden im Maurer? … Ist die Verbindung nicht völlig vergebens und unwirksam, so muss doch ohne Zweifel derjenige, der sich in ihr befindet, er stehe auf einer Stufe der Kultur, auf welcher er wolle, der Reife näher kommen, als dasselbe Individuum außerhalb der Verbindung ihr gekommen sein würde. … Ich nehme hier reife und gemeinmenschliche Ausbildung für gleichbedeutend, und zwar mit Recht. Einseitige Bildung ist immer unreife; wenn auch an einer Seite Überreife sein sollte, so ist doch dafür gewiss an anderen Seiten herbe, saure Unreife. Das Hauptzeichen der Reife ist: Kraft durch Anmut gemildert. …“

✒︎ „Dies ist das Bild des reifen, ausgebildeten Mannes, wie ich mir ihn denke: Sein Kopf ist durchaus klar und von Vorurteilen aller Art frei. Er herrscht im Reiche der Begriffe und übersieht das Gebiet der menschlichen Wahrheit soweit als möglich. Aber die Wahrheit ist im durchaus nur eine, nur ein einziges unteilbares Ganzes, und er zieht keine Seite derselben einer anderen vor. Geistesbildung selbst aber ist ihm auch nur ein Teil der ganzen Bildung, und es fällt ihm nicht ein, lediglich durch sie vollendet zu haben; ebensowenig als es ihm nicht einfallen wird, sie entbehren zu wollen. Er sieht sehr gut und scheut sich nicht, es zu gestehen, wie sehr andere hierin hinter ihn zurück sind; aber er ereifert sich darüber nicht, weil er weiß, wie viel auch hierin vom Glücke abhänge. Er drängt sein Licht, noch weniger den bloßen Schein seines Lichts, keinem auf, wiewohl er immer bereit ist, jedem, der da begehrt, soviel zu geben, als er tragen kann, und es ihm in jenem Gewande zu geben, dass ihm das gefälligste ist, läßt er es doch auch gut sein, wenn niemand seine Leuchte begehrt.“

Siehe auch