Lied der Aufseher
Inhaltsverzeichnis
James Anderson: „Lied der Aufseher“, 1723
- Ausgearbeitet von Dr. phil. Roland Müller, Switzerland / Copyright © by Mueller Science 2001-2015 / All rights reserved - ESOTERIK von Dr. phil. Roland Müller
In der zweiten Ausgabe der „Constitutions“, 1738, wurde das Lied stark gekürzt wiedergegeben, mit folgender Begründung:
„In the first Book it was of 13 Verses, too long: But this last Verse and Chorus is thought enough to be sung.“
Zwei wörtliche deutsche Übersetzungen
Friedrich Conrad Julius Prätorius, Friedrich Ludwig Schröder, Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer: Die Constitutionen der Freimaurer, welche die Geschichte, Vorschriften, Anordnungen, u. s. w. dieser sehr alten und ehrwürdigen Brüderschaft enthalten. Zum Gebrauch der Logen. Hamburg 1806;
Nachdruck u. d. T.: Das Constitutionenbuch von 1723. Deutsche Übersetzung. Wiesbaden: Carl Ritter 1902, 82-84.
Das Gesellenlied
[dieser Titel ist offensichtlich ein Versehen, denn er heisst auf engl.
„The Warden’s Song“]
oder
eine andere Geschichte der Freimaurerei,
Verfaßt nach der Wahl des hochedlen Prinzen von Wharton zum Großmeister
von dem
Verfasser des Werkes [d. h. James Anderson]
Mit Begleitung bei der Vierteljahrs-Versammlung zu singen.
Freie Uebersetzung aus der Loge Plato z. best. E.
1.
- Wenn Ihr am sichern Ort
- Und jeder Fremde fort,
- Zu jeder Zeit im Liede, Brüder, preist
- Der hohen Loge krafterfüllten Geist,
- Der stets die Besten mächtig trieb
- In jedem Land,
- Von jedem Stand,
- Zu wirken ihm allein zu lieb
- Und zu verwirklichen dem Geist getreu
- Den GROSSEN PLAN der Maurerei.
2.
- Des GROSSEN PLAN's Vollendung
- War Maurers hohe Sendung
- Zu Adams Zeiten schon im Anbeginn.
- Es erbte Noah seinen Künstlersinn
- Und hinterließ ihn wieder seinem Blut,
- Das Thurm und Stadt
- Von Babel hat
- Errichtet dann mit trotzig kühnem Muth.
- Den Hochmuth aber hat der Herr gefällt,
- Zerstreuend sie durch alle Welt.
3.
- Doch ob das Sprachgewirre
- Sie führte in die Irre,
- So trugen sie die Kunst doch mit sich fort
- Und lehrten freudig sie an jedem Ort.
- Der Insel Fürsten tön' das erste Lob.
- Der Bauten Pracht,
- Die Belus' Macht
- In seinem Land Assyrien erhob,
- Sowie der Pyramiden Wunderbau
- Nicht minder ehrerbietig schau.
4.
- Die Kunst, die wunderbar
- Zugleich und nützlich war,
- Durch Sem zu allen Völkern kam
- Und seinem Stamme lehrte Abraham,
- Assyriens Weisheit, der sodann
- Im fremden Land
- Durch Pharaos Hand
- Die Meisterschaft in harter Zucht gewann,
- Bis sein Großmeister Moses kam
- Und seine Feinde von ihm nahm.
5.
- Doch wer thät ihm genug,
- Der einst das Zelt aufschlugI
- Drum preist der beiden Meister Treu,
- Die ihm beim Werke standen bei.
- Und weiter preist dann Dagons TempelhausI
- Doch Simsons Schmach
- Denkt immer nach.
- Er schwätzte sein Geheimniß aus
- Dem Weib, das ihn verkaufte, und vereint
- Starb er im Sturze mit dem Feind.
6.
- Nun aber preiset froh
- Den König Salomo,
- Ihn, der der Maurer GROSSEN PLAN vollbracht,
- Durch Reichthum, hohen Künstlersinn und Macht,
- Mit Hirams Hülfe, dessen hohen Geist
- Jeder empfand,
- Der thätig stand
- Am Werk, das noch die späte Nachwelt preist
- Und das der jüd'schen Meister hohen Ruhm
- Verbreitete im Alterthum.
7.
- Den Fürsten wohl gebührt
- Für das, was sie vollführt,
- Der Brüder Dank. Die Kunst stieg himmelwärts
- Und senkte sich in aller Menschen Herz.
- Die von dem Tempel kommend, ihre Bahn
- Nach fernem Strand
- In jedes Land
- Fortführte, lehrten ihren GROSSEN PLAN
- Und mächtige Könige und große Herrn
- Und Weise huldigten ihr gern.
8.
- Nun nahm sie ihren Gang
- Die weite Welt entlang.
- Nebuchadnezars hohe Königsmacht
- In Babylon, Dianas Tempelpracht,
- Mausolus Grabmal, sie erzählen laut,
- Wie jene Zeit,
- So kunstgeweiht,
- Im fernen Oriente schon gebaut;
- Und dann folgt Rom, das jedes andere Land
- Und alle Völker überwand.
9.
- Als Haupt der Maurerwelt
- Augustus war gestellt,
- Der durch Vitruv der Maurer GROSSEN PLAN
- Geläutert und ihm so gezeigt die Bahn
- Nach Nord und Westen; deshalb blühte auch
- Im Britenreich
- So ohne Gleich
- Die königliche Kunst nach röm'schem Brauch,
- Bis durch der Sachsen Wuth im Sturm zerstreut,
- Dran manch Jahrhundert sich erfreut.
10.
- Als endlich neu hub an
- Der Maurer GROSSER PLAN,
- Beherrschte goth'sche Kunst der Briten Land,
- Drin manche wohlgefügte Loge stand.
- Wenn auch nicht gleich der Kunst der Römerzeit,
- Ist sie doch auch
- Von ächtem Brauch
- Und lebt in Werken, die das Herz erfreut.
- Und preisend wollen wir vor allen nah'n,
- Prinz Edwin, so wie Athelstan.
11.
- Auch der Normannenzeit
- Der Maurer sich erfreut,
- Bis neu der röm'sche Stil erstand
- Und König Jacob, Maurern wohlbekannt,
- Durch Jones die Pracht der Bauten schuf, deß Ruhm
- Palladios gleicht
- Und unerreicht
- Mit ihm zusammen ist im Maurerthum,
- Durch ihrer Bauten Klarheit und die Kraft,
- Merkmale ihrer Meisterschaft.
12.
- Von da an nahm den Lauf
- Sie unaufhaltsam auf
- Durch alle Welt; zum Himmel stieg ihr Ruhm,
- Kön'ge und Adel und Gelehrtenthum
- Triebs in die Logen, um in Lieb und Treu
- Dort schurzgeschmückt
- Und kunstbeglückt
- Zu stehen beim GROSSEN PLAN der Maurerei
- Und im August'schen Stile zu erbau'n
- Manch herrlich Werk in Englands Gau'n.
13.
- Kön'ge und Maurer sei'n
- Hinfort stets im Verein.
- Bei süßem Sange und mit Poesie
- Vollende sich die schöne Harmonie.
- Doch mit dem Zeichen, das Ihr kennt und .wißt,
- Grüßt nun und ehrt
- Den Herzog werth,
- Von Wharton, der jetzt unser Meister ist.
- Er lenkt den freigebor'nen Sohn der Kunst
- Mit Herz und Hand, mit Lieb und Gunst.
Chor:
- Wer kann in sanften Weisen,
- In kräft'gem Spruch sie preisen!
- Die Kunst des ächten Maurers meint
- Viel mehr, als sie zu sagen scheint.
- Was sie verbirgt, giebt sie nicht Fremden preis,
- Sie hält’s verwahrt
- Nach Maurerart
- Und hebt den Schleier nur im Brüderkreis;
- Die aber hegen's auf des Herzens Grund,
- Der Kunst Geheimniß macht kein Bruder kund.
Rudolf Ebel in Die Konstitutionen der Freimaurer aus dem Jahre 1723.
Quellenkundliche Arbeit Nr. 18 der Forschungsloge Quatuor Coronati Nr. 808,
Bayreuth, 1983, 80-82.
Das Lied der Aufseher
oder eine weitere
Geschichte der Maurerey
Vorgestellt
als der hochedle Fürst Philip Herzog von Wharton
gewählter Groß-Meister wurde.
vom Verfasser
Mit Begleitung zu singen bei der Vierteljahresversammlung.
I.
- Wenn wir beieinander sind,
- die Fremden gegangen,
- beginnen wir, fröhlich zu singen,
- sommers, im Herbst, winters und im Lenz,
- vom herrlichen Geist der freien Loge,
- in jedem Zeitalter, da wir gehalten sind,
- da sich Fürst, Priester und Richter angesprochen fühlen,
- zusammen mit den Edlen und den Weisen,
- der Maurer Großen Plan zu fördern.
II.
- Den Großen Plan zu fördern,
- war seit je der Maurer Sorge,
- (von Adam her schon vor der Flut),
- wie schon Noah die Kunst verstand,
- die er vererbte an Japhet, Sem und Ham,
- die sie ihren Nachkommen lehrten,
- die dann auf ihre Weise
- des stolzen Babels Stadt und Turm erbauten,
- bis sie der Hochmut plagte,
- und zerstreut wurden die Söhne der Menschen.
III.
- Zwar wurde die Sprache verwirrt,
- sie selbst in alle Gegenden verstreut,
- doch brachten sie von Shinar her die Ordnung,
- die sie brauchten, ihre Kunst zu üben.
- Drum preisen wir zuerst die Fürsten der Inseln,
- dann den großen Baal,
- der seinen Stuhl setzte
- im Alten Assyrien, wo er stattliche Werke errichtete.
- Auch an Mitzraims Pyramiden wollen wir erinnern
- und an andere Dinge in unserem Lied.
IV.
- Und Sem, der einsäte,
- die wundervolle Fähigkeit
- in die Köpfe großer Völker.
- Abraham kam dann, der
- assyrische Kenntnis an seine Söhne weitergab,
- sodaß in Ägyptenland,
- unter Pharaos Hand
- die fähigsten Männer kräftig belehrt wurden.
- Schließlich erstand der Groß-Meister Moses,
- der sie aus der Hand ihrer Feinde wegführte.
V.
- Wer vermag dessen Lob zu singen,
- der die Stiftshütte errichtete?
- Die treuen Werkleute seien gepriesen,
- Aholiab und Bezaleel,
- Tyrus und Sidon sei gesungen und den alten Phöniziern.
- Unvergessen ist
- Simsons Schande.
- Er plapperte seine Geheimnisse aus vor seinem Weibe,
- die ihren Mann verkaufte, der schließlich
- das Haus in der Stadt Gaza zusammenriß.
VI.
- Salomon, den König,
- preisen wir in vollen Tönen,
- der den Großen Wurf wagte
- mit Reichtum, Macht und göttlicher Kunst.
- Ihm half Hiram, Fürst in Tyrus,
- mit guten Handwerkern,
- die des weisen Hiram liebreichen Einfluß begriffen.
- Er beflügelte kluge jüdische Meister,
- deren Wunderwerke niemand wiedergeben kann.
VII.
- Diesen ruhmreichen Maurer-Königen
- gilt das Lied dankbarer Brüder.
- Sie förderten die Kunst in höchstem Maß
- und alle Nationen hatten teil
- an brauchbarer Fertigkeit, denn von diesem
- schönen Tempel zogen die Werkleute aus
- in alle Lande,
- an alle Küsten
- und verbreiteten den Großen Plan,
- dessen Ausführende die Könige
- waren, mächtige Fürsten
- und gelehrte Männer.
VIll.
- Als nächster wurde Dianas Tempel
- in Kleinasien erstellt;
- auch Babylons stolze Mauern,
- der Sitz des Großen Nebukadnezar.
- Vom Grabmal des Mausolos des karischen Königs,
- wollen wir singen,
- von hohen Bauwerken
- gewaltigen Stils
- in Afrika und dem Großen Asien;
- auch von Griechenland, von Sizilien,
- schließlich von Rom, das diese Länder
- überwunden hat.
IX.
- Augustus sei gepriesen,
- der wahre Allgemeine Meister,
- der durch Vitruv den Großen Plan
- verbesserte und ausbreitete
- nach Nord und West; bis die Briten
- die Königliche Kunst übernahmen
- in jedem Landesteil
- und die Römische Architektur überall offenbarten,
- bis die Sachsen in kriegerischer Wut
- die Bauwerke vieler Zeiten vernichteten.
X.
- Dann beherrschte der Gotische Stil
- die Britischen Inseln;
- die Maurer erneuten den Großen Entwurf.
- Wohlgeordnet blühten ihre Logen,
- wenn auch nicht so wie früher zu römischer Zeit.
- Gerühmt seien die Gotteshäuser
- der Sachsen, Dänen, Schotten, Walliser und Iren.
- Höchstes Lob aber gebührt
- Athelstan und Prinz Edwin,
- unserem einflußreichen Meister.
XI.
- Auch die Normannischen Könige
- wollen die Britischen Brüder preisen.
- Hier ward der Römische Stil erneut,
- die Britischen Kronen vereint
- unter Jakob, einem Maurer-König,
- der durch Inigo Jones
- schöne Steinbauten errichtete,
- die denen des weisen Palladio gleichen,
- wie man sie in Italien rühmt,
- wie auch in Britannien
- als gute und feste Architektur.
XII.
- So hob sich in allen Reichen
- die Maurerey unter
- Königen, Edlen und Weisen,
- deren Ruhm himmelan stieg,
- die heutigen Tags in der Loge
- zusammengefaßt ist, wo
- Schurze getragen werden
- zu Sorgfalt und Geschick,
- wo der Augusteische Stil
- sich erweist in prächtigen Gebäuden.
XIII.
- Von nun an laßt und preisen
- den Werkmann und den König
- im Lied und mit reiner Musik,
- die sich harmonisch ergänzen.
- Mit Meßkunst in geübter Hand
- ehrt geziemend
- und ohne Verzug
- den edlen Herzog Wharton, unseren Groß-Meister.
- Er gebietet den frei geborenen Söhnen der Kunst
- in Liebe und Freundschaft, mit Herz und Hand.
Chor.
- Wer mag sich dem Preisen
- in poetischen Liedern entziehen
- oder gesitteter Prosa wahrer Maurer,
- darin die Kunst die gewöhnliche Ansicht übersteigt?
- Ihre Geheimnisse werden dem Fremden nie bekannt,
- gewahrt bleiben sie
- unter den Freien Maurern,
- und nur in der uralten Loge werden sie enthüllt;
- In des Maurers Herz sind sie geborgen
- bei den Brüdern von der Königlichen Kunst.
Übersetzungen von Kurzfassungen
Johann Küenen hat in seiner Übersetzung des „Constitutionenbuchs“ 1741 das „Chanson des Surveillans“ nach der französischen Kurzfassung von Louis-François de La Tierce übersetzt;
diese findet sich bereits in der Sammlung von „Chansons … par Frère Naudot“, 1737:
Adam à sa posteriorité
Lied der Oberaufseher
Auch in: Der neu-aufgesteckte Brennende Leuchter des Freymäurer-Ordens, 1746.
Eine andere deutsche Übersetzung siehe:
Die erste grosse Verräterschrift
Lied der Uebelaufseher
Eine andere Übersetzung in:
Alle Lieder aus „Der verrathene Orden der Freymäurer“
Eine nochmals andere Übersetzung in:
Die offenbarte Freymäurerei
auch in:
Freimäurer-Lieder und Gesänge: zum Gebrauch der Ehrwürdigen Loge genannt die wachsende zu den Dreien Schlüßeln in Regensburg. 1767, 9-13;
Vollständiges Liederbuch der Freymäurer mit Melodieen, in Zwey Büchern. Kopenhagen und Leipzig 1776, 130-133 (mit der Bezeichnung: „Schlegel“);
Allgemeines Gesangbuch für Freymäurer, 1884, 110-112.
Wiederum ein anderes „Lied der Vorsteher“ findet sich in:
Neue Freymäurer-Lieder, mit bequemen Melodieen. Kopenhagen: Mumme 1749, 17-18;
Vollständiges Liederbuch der Freymäurer mit Melodieen, in Zwey Büchern. Kopenhagen und Leipzig 1776, 44-45.
Allgemeines Gesangbuch für Freymäurer, 1784, 76.