Monisten

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Monisten

Vom 2. bis zum 6. Juni 1914 veranstaltete der Deutsche Monistenbund in Jena für seine Mitglieder »Pfingstkurse«, eine Art Kongress mit populärwissenschaftlichen Vorträgen. Magnus Hirschfeld, der dem Deutschen Monistenbund wahrscheinlich seit seiner Gründung 1906 angehörte, referierte auf dem Pfingstkurs von 1914 über »Grundzüge der Sexualwissenschaft«. Das Foto zeigt Hirschfeld mit anderen Teilnehmern, in der Mitte den Chemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, den damaligen Vorsitzenden des Monistenbundes. Foto: Ernst Haeckel-Haus Jena. Es gibt ebenfalls Hinweise auf eine Zugehörigkeit zum Freimaurerbund. Ein Foto von einer Reise nach Paris zeigt ihn (Bildunterschrift): mit seinem freimaurerischen Logenbruder Dr. Edmond Zammert. Gemeinsam mit Zammert gründete er die "Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft".

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Klaus-Jürgen Grün

Freigeister, Monisten und Freimaurer

Versuche zur Reformloge am Beispiel des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne

I.

Das neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert der Freigeister und Dissidenten in Deutschland. Dies wirkt sich auch aus auf die Weltanschauung der Freimaurer, die sich zum Großteil bis dahin dem Evangelium der christlichen Religion engstens verbunden gefühlt hatten.

Auf dem Höhepunkt freigeistiger Bewegungen beginnt um das Jahr 1906 ein wenig bekanntes Mitglied der nicht anerkannten Münchener Loge Zur Leuchte, Karl Heinrich Loeberich, von Nürnberg aus in Deutschland Logen zu gründen. Schon ein Jahr zuvor hatte er die Satzung zu einer Großloge auf freireligiöser Grundlage entworfen. Sie wurde zur Basis des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne. Eigentlich war es Loeberichs Ziel, der Freidenkervereinigung im Besonderen zu dienen, aber am Ende seiner Aktivitäten mündete die allgemeine Idee der Freidenkervereinigung in die Gründung eines Freimaurerbundes, dessen ideologischer Überbau eine vollkommen religionslose, monistische Weltanschauung sein sollte. Loeberich bezeichnete die von ihm gegründeten Logen als Reformlogen, um ihre Distanz zu überkommenen Formen des Freimaurertums kenntlich zu machen. Sein Freimaurerbund Zur aufgehenden Sonne wollte, wie das Programm verrät, „ein Bund von Freimaurerreformlogen für freie Männer von gutem Rufe (sein), die in der Erkenntnis der Entwicklung alles Seienden die Anerkennung dogmatischer Begriffe ablehnen und der Unduldsamkeit die Gefolgschaft verweigern, dagegen ‚Toleranz und Gerechtigkeit’ pflegen und üben“. Der Bund sah ein „vereinfachtes Ritual“ vor und wollte einerseits an den alten Idealen des Bruderbundes festhalten sowie andererseits das „Gute, Wahre und Schöne im sozialen Leben, in Wissenschaft und Kunst fördern, mitarbeiten an der Verbreitung einer auf natürlicher Grundlage beruhenden Ethik, und helfen einer freien aufgeklärten Weltanschauung Bahn zu brechen, die keinen Eingriff übernatürlicher Mächte kennt.“

Loeberichs Gründungen hatten zunächst Erfolg, nicht zuletzt wegen ihrer ausgesprochen monistischen Grundlage, die sich der Symbiose von Aufklärung, Wissenschaft und Religion verdankte. Der Monismus um das Jahr 1900 ist eine auf naturwissenschaftlicher Grundlage errichtete philosophische Weltanschauung mit betont unakademischer und antiklerikaler Ausrichtung, die für ein paar Jahrzehnte enorme Breitenwirkung und ein buntes Spektrum von Anhängern gewonnen hatte. Monismus reagierte auf einen Tiefstand der akademischen Philosophie und deren Unempfindsamkeit für die Frage der gebildeten Öffentlichkeit nach Entschädigung für die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts verlorengegangene Religion.
Ernst Haeckel seinerseits hatte 1906 durch die Gründung seines Monistenbundes eine stabile Institution geschaffen, der sich der Freimaurerbund zu aufgehenden Sonne von Anfang an verpflichtet sah. Aber neben den Schwierigkeiten, die eine nicht anerkannte Loge ohnehin schwächen, war es gerade die unmittelbare Nähe zum Dogmatismus der monistischen Lehre, die zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des eigenwilligen Bundes und letztlich zu enormem Schwund seiner Mitglieder führte. Gleichwohl hat der Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne vor allem durch das pazifistische Wirken Carl von Ossietzkys in den Jahren um den Ersten Weltkrieg beachtliches Ansehen gewonnen.

Worin nun sind Anspruch und Grenzen der monistischen Welt­anschauung und des Freigeisterturms am Ende des neun­zehnten Jahrhunderts sowie deren Bezug zur Geisteshaltung der Freimaurer und deren Tradition begründet? In welcher Weise hätte Haeckels und Ostwalds Monismus die Basis zu einer Reform der Logen bereitstellen können? Wo ist die Grenze zwischen Ideologie und Aufklärung im Hinblick auf den Monismus zu ziehen?

II.

Mit dem Zauberwort Freigeist stellt sich unmittelbar eine Verbindung her zwischen Sinnsuche der Intellektuellen an der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert und den Anfängen der neueren Freimaurerei aus dem Geist der englischen Freethinkers zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts. Während die Ideen des neueren Freigeisterturms allerdings mit einer radikalen Abkehr von religiösen Inhalten einhergehen, tritt die Gedankenwelt der englischen Maurerei zur Zeit der Formulierung der Konstitution James Andersons (1680-1739) von 1723 mit ihrem Deismus lediglich für eine Besinnung der Religion auf ihren moralischen Kern ein. Steht bei den englischen Deisten und Freethinkers die Kritik am Theismus des Christentums im Vordergrund, so zielen die Freigeister um 1900 auf eine Abschaffung allen Gottesglaubens überhaupt. So entfalten sich bei den deutschen Freigeistern des späten neunzehnten Jahrhunderts – nach einer langen Inkubationszeit – die atheistischen Keime, deren Ursprung in erster Linie in der französischen Aufklärung zu finden ist. Die namhaftesten jener Vertreter waren allesamt Mitglieder der Pariser Loge Les Neuf SoeursPierre-Jean-George Cabanis (1757-1808), Jean le Rond d’Alembert (1717-1783), François Marie Voltaire (1694-1778), Claude Andrien Helvétius (1715-1771), Julien Offray de Lamettrie (1709-1751), Paul Heinrich Dietrich Freiherr von Holbach (1723-1789) und andere. Ihre Geisteshaltung entsprach einem physikalischen Materialismus. Er artikulierte sich in Schriften, wie Lamettries L´Homme Machine (1747), L´Homme-Plante (1748) oder d`Holbachs Système de la nature (1770). Diese Bücher stellen eine Naturbetrachtungen vor, in denen zur Erklärung selbst der komplexesten Zusammenhänge von lebenden Erscheinungen keine anderen Prinzipien herangezogen werden sollten als die geltenden physikalischen Gesetze. Vom Geist als einer eigenständigen Substanz kann bei diesem Vorgehen ebenso wenig gesprochen werden wie von Moral als einer von leiblichen Affekten unabhängigen Gegebenheit. Dass dieser Materialismus auch keine von der Natur verschiedene göttliche Substanz gelten lässt, erklärt sich von selbst. Dadurch kommen in der französischen Maurerei schon im achtzehnten Jahr­hun­dert materialistische und atheistische Lehren zum Tragen. In einem sehr weiten Sinn kann man sie sogar monistisch nennen; denn sie wollen die Gesamtheit der Welt und des Universums nach einheitlichen – allerdings zumeist rein me­cha­ni­sti­schen – Prinzipien erklären.

Der neuere Monismus steht demgegenüber nicht allein auf den Fundamenten der Mechanik Newtons, sondern beruft sich mehr noch als auf diese auf die biologische Entwicklungslehre Darwins (1809-1882), als dessen Vorläufer Haeckel sogar Goethe ansieht. Was den naturwissenschaftlich orientierten Weltanschauungen allerdings gemeinsam ist, ist ihre Distanz zur praktischen Philosophie oder zu einer Wissenschaft von der Vernunft. Durch solche zum Teil radikal atheistische Geisteshaltungen und ihre ausdrückliche Orientierung an Natur und Naturwissenschaften spricht sich eine Kritik an denjenigen Freimaurern aus, die sich zu einseitig an die Moralphilosophie Immanuel Kants und an dessen Sittengesetz gebunden hatten.

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