René Adolphe Schwaller de Lubicz

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Grafik: Jens Rusch

René Adolphe Schwaller de Lubicz

(1887–1961) Esoterischer Symbolforscher – Interpret des Tempels als Weg der Einweihung.

René Adolphe Schwaller de Lubicz war ein französischer Mystiker, Alchimist, Ägyptologe und philosophischer Schriftsteller, der insbesondere durch seine Deutung des Tempels von Luxor als symbolisches Abbild des Menschen bekannt wurde. In freimaurerischen und hermetisch orientierten Kreisen gilt er als ein bedeutender Vermittler der sogenannten heiligen Wissenschaft – einer uralten, in Symbolen und Proportionen verschlüsselten Weisheitslehre.

Kurze Biografie

Geboren 1887 in Alsace-Lothringen, war Schwaller von Jugend an fasziniert von Alchemie, Mystik, Farbenlehre und okkulten Wissenschaften.

In den 1910er-Jahren gründete er die esoterische Schule „Les Veilleurs“ (Die Wächter), die stark von rosenkreuzerischem Gedankengut beeinflusst war.

Er nahm später den Namen „de Lubicz“ an – vermutlich, um auf eine angebliche adlige Herkunft hinzuweisen, aber auch, um sein Werk mystisch zu überhöhen.

Von 1936 bis 1952 lebte er in Ägypten, wo er zusammen mit seiner Frau Isha de Lubicz systematisch den Tempel von Luxor erforschte – dabei entstand sein Hauptwerk: „Le Temple de l’Homme“ (Der Tempel des Menschen).

Zentrale Ideen

Tempel als Mikrokosmos des Menschen Er vertrat die These, dass der Tempel von Luxor in Proportion und Symbolik den menschlichen Körper darstelle – nicht als Zufall, sondern als bewusste Inkarnation eines „kosmischen Menschen“ (ähnlich wie Leonardo da Vincis Vitruvianischer Mensch).

Symbolische Ägyptologie

Im Gegensatz zur Schulwissenschaft war Schwaller überzeugt, dass die Altägypter eine tief geistige, hermetische Wissenschaft besaßen – eine Synthese aus Astronomie, Medizin, Psychologie und Spiritualität. Hierzu prägte er den Begriff „symbolique“, ein Denken in archetypischen Sinnbildern, das Rationalität und Intuition vereint.

Geometrie als göttliches Werkzeug

Schwaller sah in der heiligen Geometrie und den harmonikalen Proportionen die Sprache des Universums. Er war davon überzeugt, dass das Wissen der Alten auf geistiger Einweihung beruhte und sich in Maß, Form und Zahl ausdrückte – also in einem „sacred science“-Verständnis.

Einweihung durch Form

Der Tempel selbst wird bei Schwaller zum Initiationsinstrument: Wer ihn durchschreitet, vollzieht eine seelische Entwicklung – vom physischen zum geistigen Menschen.

Bezüge zur Freimaurerei

Die Parallelen zur freimaurerischen Tempelsymbolik sind frappierend: Auch dort steht der Bau des Tempels (Salomos bzw. des inneren Menschen) im Zentrum eines spirituellen Weges.

Schwaller verwendete viele Begriffe, die auch in hermetischen und rosenkreuzerischen Logen tradiert sind: Transmutation, Lichtlehre, Maß, Gnosis.

Wie in der Freimaurerei sieht er den Menschen als Maß des Universums, analog zum hermetischen Axiom „Wie oben, so unten“.


Kosmologie in Stein: Der Tempel als Mensch

In seinem Hauptwerk Le Temple de l’Homme („Der Tempel des Menschen“) beschreibt Schwaller de Lubicz den altägyptischen Tempel nicht als Kultstätte im modernen Sinne, sondern als ein architektonisches Abbild des Menschen – ein Mikrokosmos des Makrokosmos. Die Anlage des Tempels von Luxor folgt, seiner Analyse zufolge, exakt den Proportionen des menschlichen Körpers.

Diese Deutung lässt sich in die freimaurerische Tradition der Tempelarbeit am inneren Menschen einfügen: Wie bei der symbolischen Arbeit am Tempel Salomos versteht Schwaller den Bau nicht als äußerliches Werk, sondern als inneren Wandlungsweg. Der Tempel wird zur Einweihungsmaschine – ein heiliger Raum, der durchschritten und dadurch im Menschen selbst verwirklicht werden will.

Symbolisches Denken und Maß

Zentral in Schwaller de Lubicz’ Philosophie ist das Prinzip des symbolischen Denkens (frz. symbolique): Eine Erkenntnisform, die nicht rein analytisch, sondern über Analogien, Archetypen und geometrische Harmonien vermittelt wird. In diesem Sinn sind Maße, Formen und Zahlen nicht willkürlich, sondern Ausdruck geistiger Wirklichkeiten – eine Auffassung, die auch in freimaurerischen Ritualen und Bauhütten-Traditionen grundlegend ist.

Das antike Ägypten, so Schwaller, war Trägerin einer solchen sakralen Wissenschaft. Ihre Zeugnisse – Tempel, Reliefs, Mythen – seien Chiffren, die dem Eingeweihten eine geistige Landkarte des Werdens und Verstehens übermitteln.

Der freimaurerische Lehrsatz „Maß, Zahl und Gewicht“ findet in Schwaller einen spirituellen Resonanzraum. Seine Lesart geht jedoch über bloße Geometrie hinaus – es geht um ein Verständnis des Kosmos als lebendigen Ausdruck göttlicher Ordnung.

Die Initiation als Wandlungsweg

Wie in freimaurerischen Graden ist bei Schwaller Initiation kein einmaliges Ereignis, sondern ein Prozess: Die Passage durch den Tempel von Luxor wird zur Stufenfolge geistiger Reifung – von der körperlichen Geburt bis zur transpersonalen Bewusstwerdung.

Dabei spielen Licht, Schatten, Raumachsen, Proportionen und Symboltiere eine zentrale Rolle. Alles im Tempel verweist – wie in der Tempelarbeit der Freimaurerei – auf Prinzipien, die im Inneren des Menschen wirksam werden.

Nähe zur Hermetik und Rosenkreuzerei

Schwaller stand zeitlebens in Kontakt mit rosenkreuzerischen Strömungen und gründete in den 1920er-Jahren in Frankreich eine eigene esoterische Schule (Les Veilleurs). Dort wurden Themen wie Transmutation, Farbsymbolik, Meditation und das Studium der hermetischen Tradition gepflegt – oft in engem geistigem Austausch mit Künstlern, Alchemisten und Symbolforschern.

Auch ohne formelle Zugehörigkeit zu einer Loge liest sich sein Werk wie ein Kommentar zur allegorischen Sprache freimaurerischer Einweihung. Der Mensch als Tempel, das Licht als Erkenntnis, die Ordnung des Kosmos – dies sind Denkfiguren, die ihn mit den großen Schulen der Initiation verbinden.

Literatur

(Auswahl) René Schwaller de Lubicz: Der Tempel des Menschen (dt. Übersetzung bei Kamphausen)

Isha Schwaller de Lubicz: Her-Bak: Die Lebende Wahrheit

John Anthony West: Serpent in the Sky: The High Wisdom of Ancient Egypt

Toby Wilkinson: The Rise and Fall of Ancient Egypt (kritisch-historische Perspektive)

Rezeption

Schwaller wird von klassischen Ägyptologen meist ignoriert oder als Mystiker abgetan, aber in esoterischen und freimaurerischen Kreisen hat er einen beinahe kultischen Status.

Autoren wie John Anthony West oder Graham Hancock berufen sich auf seine Arbeit, um die These einer „geistigen Urkultur“ zu stützen, die der Menschheit ein tiefes, vergessenes Wissen hinterließ.