Rezension: Jörg Jordan - Kirchenkreuz versus Winkelmaß

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Kirchenkreuz versus Winkelmaß

Dieses Buch erschien 2015 im Salier-Verlag Leipzig.
Der Verlag pflegt neben vielen anderen Büchern eine eigene Freimaurerlinie: https://salierverlag.de

“Emotion mit kognitiven Wurzeln“

Mit einer gewissen Verve hat Jörg Jordan dieses Buch geschrieben, aber fundiert durch ein breites und detailliertes Faktenwissen. Dies war mein Grundgefühl beim Lesen des Buchs, das sich mit der alten Gegnerschaft der Katholischen Kirche – heute muss man wohl einschränken: fundamentalistischer katholischer Kreise – gegen die Freimaurerei beschäftigt. Von Rudi Rabe.

Jörg Jordan, österreichischer Freimaurer in einer Loge der ‚Großloge von Österreich’, wurde 1944 in Prag geboren. Bei Kriegsende 1945 flohen seine Eltern mit ihm nach Wien. Freimaurer wurde er ein paar Jahre vor seinem Fünfziger, und schon bald beschäftigte er sich mit ethischen, religiösen und gesellschaftlichen Themen aus freimaurerischer Sicht. Dies obwohl er einen ganz anderen Beruf ausübte: Nach einem Wirtschaftsstudium war er als Unternehmensberater tätig.

Vierzehnmal Unvereinbarkeit?

Im Herzstück des Buches zitiert Jörg Jordan vierzehn Punkte mit neun Thesen, welche fundamentalistisch-katholische Kreise heranziehen, wenn sie versuchen, die Unvereinbarkeit der Freimaurerei mit der katholischen Religion zu begründen: von der Weltanschauung der Freimaurer, ihren Vorstellungen von Wahrheit, Religion und Gott, ihrem Toleranzgebot bis hin zu ihrem Ritual und ihrer Spiritualität.

Jeder dieser vierzehn Punkte ist dialektisch gegliedert. Soweit es Thesen sind nach dem Muster: katholische These – freimaurerische Gegenthese. Dabei fällt auf: Die katholischen Thesen laufen praktisch immer ins Leere, weil sie die Freimaurerei nicht richtig verstehen und daher zwangsläufig an ihr vorbei zielen.

Beispiel Ritual

Einer der Punkte, hier als Beispiel ausgesucht, weil das Ritual in katholisch-freimaurerischen Dialogen immer wieder eine große Rolle spielt.

Katholische These: „Die Ritualhandlungen in den Freimaurerarbeiten ... zeigen in Wort und Symbol einen sakramentsähnlichen Charakter. Sie erwecken den Anschein, als würde hier unter Symbolhandlungen objektiv etwas den Menschen Verwandelndes bewirkt. Inhalt ist eine symbolhafte Initiation des Menschen, die ihrem ganzen Charakter nach in einer deutlichen Konkurrenz zu einer sakramentalen Umwandlung steht.“

Entgegnung des Autors: „Es gibt nur Sakramente oder keine; Sakramentsähnlichkeit gibt es nicht und Symbole sind keine Sakramente. Es wird auch kein Anschein erweckt oder etwas Verwandelndes bewirkt (letzteres wird Kirchen überlassen – siehe Eucharistie u. ä.), sondern Symbolwirksamkeiten sollen über eine didaktische Wirkung eine Veredelung hervorrufen. Sakramente betreffen den Gnadenbereich – Symbole wirken auf das Unbewusste; beide Ebenen mögen einander ergänzen, aber – richtig verstanden – nicht konkurrieren.“

Nachgefragt bei Jörg Jordan: ein Interview

*Woher haben Sie die vierzehn Punkte mit den neun Thesen? So zusammengefasst sind diese meines Wissens in keinem offiziellen katholischen Papier festgehalten!?

Sie stammen vom österreichischen katholischen Theologen und Publizisten Robert Prantner; er starb 2010. Prantner hat sie in mehreren Veröffentlichungen, u.a. in seiner Broschüre "Freimaurertum" angeführt. Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., übernahm dann im Jahr 1980 offensichtlich diese vierzehn Punkte für die Unvereinbarkeits-Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, wo sie wortgleich aufschienen. Nachdem Ratziger die Beibehaltung der Exkommunikation der Freimaurer in der Codex-Kommission zum neuen Codex iuris canonici 1983 nicht mehr durchsetzen konnte, veranlasste er, mittlerweile zum neuen Präses der Römischen Glaubenskongregation gewählt, bereits im Jahr 1981 eine weitere Unvereinbarkeitserklärung, diesmal ohne ‚meritorische‘ Begründung. Lediglich der Hinweis war enthalten, dass die Grundsätze der Freimaurerei „immer schon“ mit dem Katholizismus als unvereinbar galten. Mit der Unterschrift von Papst Johannes-Paul II. und der Veröffentlichung im Osservatore Romano erlangte diese Erklärung schließlich ‚Rechtskraft‘.

Der katholische Klerus hat uns überhaupt nicht verstanden, weil er offensichtlich nur in -Ismen denkt oder denken kann. Wenn man das tut, sieht man immer nur die Schatten aber nicht die Sache selbst. Das führt zu Paranoia, und so werden Feindbilder aufgebaut. Der Katholizismus sieht die Freimaurerei sozusagen als „Freimaurerismus“. Oder eben als „Freimaurertum“, da steckt sprachlich auch ein -Ismus drinnen. Es ist eine ideologisierte Außensicht, ein Schatten also; es ist nicht das, was Freimaurerei wirklich ist. Die Folge dieses Missverständnisses ist, dass wir auf katholischer Verständnisebene als ‚Sekte‘ und ‚Ungläubige‘ aufgefasst wurden und werden und unsere Toleranz als Relativismus fehlgedeutet wird. Und parallel dazu wird aus den säkularen Demokratien dann im schrägen Bewusstsein die Diktatur des Relativismus, wie sich Benedikt XVI. ausdrückte.

*Ihr Buch ist interessant und detailreich, es ist aber auch mit einer gewissen – sagen wir – Verve geschrieben. Sie vertreten Ihre Position nicht nur kühl wissenschaftlich sondern mit Vehemenz. Warum?

Jörg Jordan:
"Es ist wie beim WAGENLENKER auf der Tarot-Karte ..."
Hier der 'Wagenlenker' aus dem künstlerisch gestalteten Tarot-Kartenset von Anna Klaffinger.
Wir danken für das Copyright:
http://annak-tarot.at/index-tarot.html

Ja, das ist richtig. Was mein Buch betrifft, bekenne ich mich durchaus zu einer Emotion, aber mit kognitiven Wurzeln. Das hat sicher nicht nur mit dem Thema zu tun sondern auch mit negativen persönlichen Erfahrungen, die ich vor Zeiten mit Strukturen der Katholischen Kirche machte, worauf ich jetzt aber im Detail nicht eingehen möchte. Meine diesbezüglichen Gefühle werden aber abgefedert durch Toleranz, die wir Freimaurer ja hochhalten, und ich weiß vielleicht im Gegensatz zu manchen katholischen Theologen, dass eine menschliche Erkenntnis immer nur vorläufig sein kann.

Darüber hinaus ist mir wichtig: Ohne Emotionen geht es auch bei der Erkenntnisgewinnung nicht. Es ist wie beim Wagenlenker auf der Tarot-Karte: Die Pferde sind die Emotionen; wenn sie nicht ziehen, bewegt sich gar nichts. Aber der Wagenlenker muss die Zügel in den Händen halten; sie sind die Stärke. Beides muss in einer Balance bleiben sonst landet der Wagen in der Botanik.

*An einer Stelle im Buch erwähnen Sie, dass Jesus immer in Gleichnissen gelehrt hat. Das ist doch eine ähnliche Erkenntnismethode wie bei den Freimaurern, bei denen ja Symbole eine große Rolle spielen!?

Ja, so ist es. Der richtig verstandene Jesus ist eigentlich das Ideal eines Freimaurers. Er war nicht relativistisch. Das sind wir auch nicht, auch wenn uns das Ratzinger und Co gerne vorwerfen, weil sie uns nicht verstehen. Jesus hatte Zivilcourage, also Stärke im Wissen um die für ihn negativen Konsequenzen seines Handelns. Und wenn er seinen Vater im Himmel zitierte, dann meinte er damit nichts anderes als das, was Kant „das moralische Gesetz in mir und den gestirnten Himmel über mir“ nannte. Und wir sprechen heute vom Freud’schen Über-Ich. Wir sollten besser denken und handeln wie Christus, als glauben an ihn.

*Sie sind getauft aber nicht mehr Mitglied der Katholischen Kirche. Kann ein Freimaurer aus Ihrer Sicht dabei sein?

Das muss jeder Mensch mit Eigengewissen für sich selbst entscheiden. Wenn man den ganzen – metaphorisch gesagt – Prantner-Schmarren weglässt, dann ist das eigentlich kein Problem mehr, vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Es gibt ja auch ganz andere, aufgeklärte katholische Strömungen. Ich denke zum Beispiel an den holländischen Katechismus aus dem Jahr 1966. Dort heißt es sinngemäß: Wir haben nicht die letzte Wahrheit gepachtet, aber wir sind auf dem Weg dorthin. Das ist zwar durch und durch freimaurerisch, wurde aber von Rom so nicht angenommen.

KAMPFPRINZIP kontra BAUPRINZIP

Dies sind letztlich die zwei Begriffe, die laut Jörg Jordan den Unterschied ausmachen zwischen einem dogmatischen Katholizismus und der Freimaurerei. Der Autor spricht von „Zwangshermeneutik“ gegen individuelle Wahrheitssuche. Oder eben der Buchtitel: ‚Kirchenkreuz versus Winkelmaß’, aber nicht umgekehrt: Darauf legt Jörg Jordan Wert, weil die Ablehnung nicht von der Freimaurerei ausgehe, sondern von der Katholischen Kirche, oder zumindest von ihrem fundamentalistischen Flügel.

Jörg Jordan hat den Inhalt seines Buchs in einem Vortrag zusammengefasst, den er mir nach dem Interview überreichte und für die Veröffentlichung im Wiki freigab. Hier ist es: Traktat: Jörg Jordan - Kirchenkreuz versus Winkelmaß.

Klappentext

Der Wiener Autor Jörg Jordan zeigt in seinem Buch, dass dogmatische Religionen und starre politische Ideologien weder moralisch „bessere“ noch glücklichere Menschen schaffen. Sie führen eher zu moralisierender Intoleranz und ziehen so nicht nur überflüssige, sondern auch unüberbrückbare Grenzen zwischen Menschen und Gesellschaften.

Um diese künstlichen Trennungen zu überwinden, bedarf es einer herrschaftsfreien Spiritualität, wie sie etwa in der Freimaurerei möglich ist. Dagegen steht die unsinnige Verteufelung des humanitären Bruderbundes, wie sie zum Beispiel von der katholischen Amtskirche seit Jahrhunderten – bis hin zur Exkommunikation – betrieben wird. „Kirchenkreuz und Winkelmaß“ wiederlegt lt. Verlag souverän und gut recherchiert auf vielseitige Art und Weise die Argumente der Kirche, die von einer Unvereinbarkeit zwischen Freimaurerei und Kirchenglauben sprechen.

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