Emanuel Swedenborg
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Emanuel Swedenborg
Emanuel (von) Swedenborg (eigentlich Swedberg; * 29. Januar 1688 in Stockholm; † 29. März 1772 in London) war ein schwedischer Wissenschaftler, Mystiker und Theosoph. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Schriften verfasste er ausschließlich in lateinischer Sprache.
Swedenborg, Emanuel
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder
eigentlich Swedberg, zweiter Sohn des Bischofs von Westgotland, Jasper Swedberg, *1688 in Stockholm, †1772 in London, studierte zu Upsala und an ausländischen Universitäten Naturwissenschaften und trat in Staatsdienste, wo er sich besonders beim Bau von Kanälen und Docks sowie im Bergwerkskollegium mit Erfolg betätigte. Seine "Opera philosophica et mineralogica" (3 Bände, 1734) begründeten seinen Ruf als Wissenschaftler, so daß er Mitglied zahlreicher Akademien des In- und Auslandes wurde. 1719 wurde er unter dem Namen Swedenborg geadelt. 1745 legte er plötzlich alle seine Beamtungen nieder und vertiefte sich in ein mystisches System, zu dem mehrere Traumvisionen des Jahres 1744 den Anstoß gegeben hatten.
Träume
Diese Träume die er in seinem, wohl nicht für die Kenntnis anderer Personen bestimmten Tagebuch niedergelegt hat, haben zum Inhalt die Erscheinung Christi, die ihn als Sünder aus sexuell orgiastischen Phantasien reißt und der Erlösung zuführt. Es sind Traumgestalten, wie sie in den Bildern dee Meisters Grünewald erscheinen, oder wie sie die Geschichte von der Versuchung des heiligen Antonius erfüllen. Von da vollzog sich in Swedenborgs Wesen eine vollkommene Wandlung. Er verkehrte mit Geistern, u. zw. nicht nur mit Personen die er zu Lebzeiten gekannt hatte, sondern auch mit Vergil, Luther, Melanchthon u. a.
Kabbalistische Methoden
Aus dieser seelischen Umstimmung entwickelte er ein esoterisch-theosophisches System, das sich in der Praxis an kabbalistische Methoden anlehnt. ("In jedem einzelnen Ausdrucke des Wortes Gottes liegt eine innere Bedeutung, so daß nicht natürliche und weltliche Dinge, sondern geistliche und himmlische darunter zu verstehen sind.") Sein verbreitetstes Buch ist "De Coelo et ejus mirabilibus et de Inferno ex auditis et visis" ("über die Wunder von Himmel und Hölle nach Gehörtem und Gesehenem"), London 1758, das in verschiedene europäische Sprachen übersetzt wurde.
Die Empfänglichkeit der Zeit sicherte seinen Lehren bald eine Jüngerschaft, die noch gesteigert wurde durch die Kenntnis, daß Swedenborg die Eigenschaft zeitlichen und räumlichen Hellschens besaß. Berühmt geworden sind hier insbesondere seine Vision des Brandes von Stockholm (1. September 1759), die Auffindung einer Quittung im Nachlasse des verstorbenen Herrn Marteville, die Vorhersage von Todesfällen, das Eintreffen von Schiffen u. a. m. Immanuel Kant ("Träume eines Geistersehers", 1766) lehnt ihn als Phantasten ab.
Die Befähigung Swedenborgs als Hellseher wird aber heute kaum mehr bestritten. Seine Anhänger, die Swedenborgianer, verbreiteten sich über Schweden, Polen, England und Deutschland. Besonders in England zeigte sich eine Große Empfänglichkeit, die sogar zu einer religiösen Sektenbildung, Kirche des neuen Jerusalem, führte. Auf einer Reise zur Verbreitung seiner Lehre in England starb Swedenborg in London.
Mystische Freimaurerei
Bei den vielfach bestehenden mystischen Neigungen innerhalb der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts war es selbstverständlich, daß dieser Mystiker auf die Entwicklung mancher Systeme Einfluß gewinnen mußte. Reghellini de Schio (s. d.) — in seinem "Esprit du Dogme de la Franche Maçonnerie" — nennt ihn Begründer eines freimaurerischen Systems, ebenso Ragon (s.d.) in seiner Orthodoxie maçonnique". In England bekannte sich Dr. Oliver (s. d.) gleichfalls zu dieser Theorie, und Samuel Beswick suchte 1870 in "The Swedenborg Rite and the Great Masonic Leaders of the Eighteenth Century" den gleichen Beweis zu erbringen. Hierbei wird Swedenborg direkt als Freimaurer bezeichnet, der aber aus Gründen der Lehre sich niemals öffentlich dazu bekannt hatte.
Demgegenüber steht eindeutig fest, daß weder Swedenborg selbst noch der engere Kreis seiner Gläubigen jemals irgend etwas mit Freimaurerei zu tun hatten. Der Ursprung, auch der Swedenborg-Legende, ist in Frankreich zu suchen. Lantoine schreibt ("Histoire", 221): ,1783 schließt der Marquis de Thomé seinen holden Wahnsinn in den Swedenborg-Ritus ein, zwei Jahre später läßt die gleiche martinistische und swedenborgische Erleuchtung unter der Führung des polnischen Grafen Grabiance (=Hrabianka) und des Dom Pernetty (s. d.) in Avignon eine Sekte von Erleuchteten (Illuminés) erblühen, die ihre Versammlungen in einem Landhause abhalten, das Pernetty ,Le Thabor' nennt."
Auch Benedict Chaßtenier (s. d.), "ein Chirurg, dem die Lektüre Swedenborgscher Schriften den Kopf verdreht hatte und der Instruktionsgrade geschaffen hatte, um seine unschuldigen Dummheiten zu verbreiten" (Lantoine, 1. e. 207), gehört in diese Kategorie. Die mit dem Namen Swedenborg in Verbindung gebrachten Verirrungen der Freimaurerei haben somit mit seiner Person selbst nichts zu tun.
Sie gehören ebenso wie Erscheinungen unserer Zeit ("Weiße Logen") zum Requisit von innerlich gespalteten Persönlichkeiten, die aus der harten Realität des Daseins in ein Traumland ihrer Wünsche flüchten und der Beziehung zu ihrer Zeit dadurch zu entgehen trachten, daß sie in extremsten Ichbezug sich selbst ausschließen.
Auf eine Anfrage des Mitgliedes der "Quatuor Coronati Lodge" in London, Firminger, äußerte sich der Sekretär der Swedenborg-Gesellschaft in Schweden, Dr. Kahl, Diakonus in Lund, 1906 wie folgt: "Swedenborg selbst war nicht Freimaurer und gründete auch keine Logen, aber einige seiner Freunde und Schüler, wie Chastenier und Pernetty, gründeten solche. Als Erfolg ihrer Tätigkeit ist zu verzeichnen, daß sie die Gedanken der Menschen auf die Ideen des "Neuen Jerusalem" hinlenkten, so daß diese Lehren einen Einfluß auf die Entwicklung und den Fortschritt des Freimaurerordens in Schweden und anderen Ländern genommen haben" (A. Q. C., 1906, Seite 158).
Dieser Satz bezieht sich wohl darauf, daß, wie Starcke (s.d.) feststellt, "viele Vorstellungen, die in Swedenborgs himmlischer Arkana, in seiner Auslegung der Apokalypse und in seiner Darstellung des Neuen Jerusalem enthalten sind, in den schwedischen Hochgraden wiederkehren".
Wirkung
Um 1786 versuchte Alessandro Cagliostro, seine Ritualistik der ‚Ägyptischen Freimaurerei‘ mit jener Swedenborgs zu verbinden, und unternahm erfolglose Anstrengungen in London, einen neuen Tempel eines neuen Jerusalems zu gründen. Der Mormonismus hat besonders in seiner Frühzeit viele Anregungen aus der Swedenborgschen Lehre aufgenommen, diese allerdings in einigen wesentlichen Details auch abgeändert.
Der Swedenborg-Anhänger Charles Bonney, Mitglied der Chicagoer Swedenborg Church, begründete 1893 anlässlich der Weltausstellung in Chicago das 1. Weltparlament der Religionen. Er wollte die materialistische, triumphale Weltindustriemesse durch ein spirituelles Welttreffen der Religionen ergänzen.
Auf besonderen Zuspruch traf seine Idee vor allem bei den modernen Theosophen, welche insbesondere durch Henry Steel Olcott und Annie Besant als festes Programm eine «Bruderschaft der Religionen» vertraten und heute noch vertreten.
Als beeinflusst gelten:
Bildende Kunst: Joseph Beuys, Paul Gauguin, Gerhard Gollwitzer und dessen Schwiegersohn Professor Horst Bergmann, die Künstlergruppe Nabis
Literatur: Honoré de Balzac, Charles Baudelaire, William Blake, Jorge Luis Borges, Thomas Carlyle, Fjodor Dostojewski, Robert Frost, Johann Wolfgang von Goethe, Walter Hasenclever, Heinrich Heine, E. T. A. Hoffmann, Henry James, Johann Heinrich Jung-Stilling, Helen Keller, Richard Matheson, August Strindberg, Martin Walser, Franz Werfel, William Wordsworth, William Butler Yeats
Musik: Arnold Schönberg, Anton Webern
Philosophie: Franz von Baader, Ralph Waldo Emerson, Karl Christian Friedrich Krause, Friedrich Schelling, Arthur Schopenhauer, Daisetz Teitaro Suzuki
Psychologie: Gordon Allport, Gustav Theodor Fechner, William James, C.G. Jung
Theologie: Philipp Matthäus Hahn, Jakob Lorber, Johann Friedrich Oberlin, Friedrich Christoph Oetinger
Der Swedenborg-Ritus, ein „irreguläres“ freimaurerisches Hochgradsystem von 30 Graden, beruft sich auf Swedenborg, der jedoch keinen Einfluss hierauf hatte.