Traktat: „Sterbehilfe - Wertewandel vor dem Hintergrund medizinischen Fortschritts.“

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Sterbehilfe - Wertewandel vor dem Hintergrund medizinischen Fortschritts.

Lehrlingszeichnung von CK (Name ist der Redaktion bekannt)

Zu Beginn möchte ich kurz drei Ereignisse schildern, welche in das Thema einleiten sollen.

Die Angehörigen eines Nomadenstammes in Zentralafrika entschließen sich, ihr ältestes Mitglied in der Savanne zurückzulassen, weil es ihre Wandergeschwindigkeit nicht mehr halten kann und die Gruppe somit aufhalten würde. Damit akzeptieren sie den baldigen Tod des Mitglieds, weil es allein nicht in der Lage ist, sich zu ernähren oder gegen wilde Tiere zu verteidigen.

Auf einem Bauernhof im Mittelalter versammelt sich die gesamte 10-köpfige Familie um das Sterbebett des Großvaters. Er hatte in den vergangenen Tagen über große Schmerzen auf der rechten Seite des Unterbauchs geklagt, doch der Heiler des Dorfes war nicht im Stande, seine Beschwerden zu lindern. Der Großvater stirbt vor den Augen seiner Kinder, Enkel und Urenkel, welche ihm bis zum letzten Moment zur Seite stehen und Trost und Zuversicht spenden. Aus heutiger Sicht hätte der Mann mit einer einfachen Blinddarmoperation gerettet werden können.

Im Jahr 2006 kämpft eine Frau schwer mit ihrem Gewissen. Ihre Mutter liegt nach einer Hirnblutung im Wachkoma und hatte der Tochter in der Vergangenheit gesagt, dass sie in einem solchen Fall keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. Doch die Mitarbeiter des Pflegepersonals weigern sich, die Maschinen für künstliche Beatmung und Ernährung abzuschalten. Nach Rücksprache mit einem Anwalt entschloss sich die Frau daher den Schlauch der Nahrungssonde selbst durchzuschneiden.

Als ich von diesen Fällen gelesen habe, war ich sehr ergriffen, vermutlich seid ihr es jetzt auch. Das Lebensende von nahen Angehörigen gehört einfach zu den traurigen Seiten des Lebens, mit welchen man sich leider zwangsweise irgendwann beschäftigen muss. Doch gerade weil es jeden irgendwann betrifft, darf man dieses Thema meiner Ansicht nach nicht tabuisieren. Daher möchte ich heute eine bestimmte Art von Lebensende näher beleuchten. Wie schon in der Überschrift genannt, geht es um den Begriff der Sterbehilfe. Dabei habe ich meine Zeichnung anhand folgender Fragen strukturiert. Als erstes werde ich die Frage „Was ist Sterbehilfe?“ thematisieren. Damit will ich vor allem erreichen, dass wir uns gegenseitig verstehen können, wenn wir das Thema behandeln. Als zweite Frage werde ich beantworten: „Wie hat sich Sterbehilfe entwickelt?“ Dabei möchte ich auf die medizintechnische Entwicklung eingehen und wie diese einige Arten der Sterbehilfe überhaupt erst ermöglicht hat. Als drittes möchte ich auf die Frage „Was darf Sterbehilfe?“ eingehen. Dabei werde ich auf die Freimaurerischen Grundwerte eingehen, und versuchen eine Antwort für den Umgang mit dem Thema Sterbehilfe zu entwickeln. Als erstes stellt sich aber die Frage:

Was ist Sterbehilfe?

Zunächst möchte ich den Begriff Sterbehilfe von anderen Begriffen abgrenzen, welche in engem Zusammenhang mit ihm stehen. Dabei ist mir bewusst, dass durchaus verschiedene Verständnisse der einzelnen Begriffe existieren. Damit wir aber einander verstehen können, wenn wir uns über das Thema unterhalten, möchte ich die Begriffe wie folgt kategorisieren.

Der Begriff der Sterbehilfe lässt sich in vier Kategorien unterteilen. Die aktive Sterbehilfe, die passive Sterbehilfe, die indirekte Sterbehilfe und der assistierte Suizid.

Die erste Form ist die aktive Sterbehilfe. Diese kommt dem allgemeinen Sprachverständnis am nächsten. Dabei befördert ein Mensch den Tod eines anderen Menschen, entweder weil er von ihm darum gebeten wurde, oder weil dies seiner Meinung nach das Beste für den Anderen ist. Entscheidend ist dabei, dass der Organismus des Betroffenen nicht von allein zum Erliegen gekommen wäre, sondern eine aktive Einwirkung des Anderen dafür ursächlich war. Als Beispiel lässt sich der Angehörige nennen, welcher dem Betroffenen Gift verabreicht, weil dieser sein Dasein nicht mehr als lebenswert empfindet. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland unter Strafe gestellt.

Die zweite Form ist die passive Sterbehilfe. Dieser Begriff erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch. Wie soll das aktive Wort „Helfen“ passiv geschehen? Dies ist meiner Ansicht nach ein berechtigter Einwand. Passender wird die passive Sterbehilfe daher wahrscheinlich als „Sterben lassen“ beschrieben. Dabei unterlässt es also ein Mensch, den Tod eines anderen abzuwenden, obwohl er es könnte. Am konkreten Beispiel unterlässt es also der Arzt, die medizinisch indizierte Operation durchzuführen, weil der Patient Krebs im Endstadium hat und die Operation nur äußerst geringe Erfolgsaussichten hat bzw. der Patient dabei wahrscheinlich stirbt. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland zulässig.

In diesem Zusammenhang ist auch die Patientenverfügung zu nennen, mit welcher der Einzelne im Vorfeld verhindern kann, dass er durch lebenserhaltende Maßnahmen künstlich am Leben erhalten wird. Ein solches „Sterben lassen“ findet nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in Hospizen im Rahmen von Sterbebegleitungen statt. Dabei soll den Betroffenen in den letzten Wochen des Lebens Beistand in Form von Trost, offenen Gesprächen und einfühlsamer Betreuung geleistet werden.

Als dritte Kategorie ist die indirekte Sterbehilfe anzuführen. Darunter ist das Ersparen von Leiden unter Inkaufnahme des Todes zu verstehen. Dabei befindet sich der Betroffene in einem gesundheitlich so schlechten Zustand, dass eine nachhaltig erfolgreiche medizinische Behandlung und Heilung höchstwahrscheinlich ausgeschlossen ist. Darüber hinaus leidet der Patient an so schweren Schmerzen, dass die gewöhnlich zulässigen Dosen von Schmerzmitteln nicht ausreichen, um seine Leiden zu lindern. Bei einer Erhöhung der Dosis über das zulässige Maß hinaus ist bei einem schwer vorbelasteten und entkräfteten Organismus allerdings regelmäßig mit dem Tod des Patienten zu rechnen.

Um dem Patienten sein Leid zu nehmen, nimmt man also gleichzeitig das Ende seines Lebens in Kauf. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich also um eine Unterform der aktiven Sterbehilfe, weil die mittelbare Sterbehilfe durch ein fremdes Einwirken auf den Organismus dessen Leben verkürzt. Auf der anderen Seite ist die mittelbare Sterbehilfe sozial und rechtlich akzeptierte Praxis, weil nur dadurch den Betroffenen ein „menschenwürdiges Lebensende“ gewährt werden kann. Diese Art der Sterbehilfe ist häufig im Bereich der Palliativmedizin zu finden, welche nicht primär auf die Heilung, sondern vielmehr auf die Verhinderung von Leid eines Patienten abzielt.

Als vierte Form der Sterbehilfe ist der assistierte Suizid zu nennen. Dabei gibt z.B. ein Arzt einem Patienten ein Medikament, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dessen Tod verursachen wird. Der entscheidende Unterschied zu den anderen Formen der aktiven Sterbehilfe ist, dass der Patient sich das Medikament selbst verabreicht. Er selbst hat also die Kontrolle über die letzte den Tod verursachende Handlung. Daneben besteht der Unterschied zur passiven Sterbehilfe darin, dass der Tod durch das Medikament als externe Einwirkung verursacht wird. Der Organismus kommt nicht bloß aus sich selbst heraus zum erliegen.

Damit ist die Sterbehilfe in die vier Formen unterteilt. Die aktive Sterbehilfe, die passive Sterbehilfe, die indirekte Sterbehilfe und der assistierte Suizid. Nach dieser groben Unterteilung möchte ich nun auf die Frage eingehen:

Wie hat sich Sterbehilfe entwickelt?

Der medizinische Fortschritt hat in den letzten 150 Jahren eine enorme Entwicklung hinter sich gebracht. So wurden zahlreiche Medikamente und Operationsmethoden gegen bislang unheilbare Krankheiten entwickelt, und auch die Prävention von Krankheiten durch Impfungen und Vergleichbares verbesserte sich drastisch. Dies hatte auch eine überaus bedeutende Folge für die Struktur unserer modernen Gesellschaften.

So stieg das durchschnittliche Sterbealter in Deutschland von 40 im Jahr 1871 auf 80 im Jahr 2015. Diese Verdoppelung der Lebenserwartung führte auch zu einer völlig neuen Gewichtung der Art von Krankheiten als natürliche Todesursachen. An erster Stelle stehen heute mit ca. 50% Herz-Kreislauf-Erkrankungen. An zweiter Stelle steht mit ca. 25% Krebs. Damit sind mindestens 75% aller natürlichen Todesfälle auf Krankheiten zurückzuführen, die altersbedingt sind und oft am Ende langer Krankheitsverläufe stehen. Das entscheidende in diesem Zusammenhang beschreibt Walter Krämer in seinem Buch „Wir kurieren uns zu Tode“ wie folgt: „Heute gibt es weit weniger sogenannte ‚plötzliche Tode‘. Zumeist tritt der Tod erst nach langwierigen Behandlungen ein. Im Ergebnis schenkt uns die moderne Medizin also mehr Lebensjahre. Allerdings verbringen wir diese überwiegend im Krankenbett. Die Medizin heilt uns zumeist nicht vollständig von altersbedingten Krankheiten, sondern verlängert eher die Zeit zwischen Erkrankung und Tod.“ [Zitat Ende]

Wo diese Entwicklung hinführt, lässt sich nicht abschätzen. Als interessante Nebeninformation sei an dieser Stelle nur angeführt, dass es heutzutage bereits Menschen gibt, die sich mit Hilfe von der sogenannten Kryotechnik einfrieren lassen, ohne das es zum jetzigen Zeitpunkt eine Möglichkeit gibt, sie aufzutauen, welche sie auch überleben würden. Dies tun sie in der Hoffnung, vielleicht in einer Zukunft wiedererweckt zu werden, in welcher bislang unheilbare Krankheiten heilbar sind oder Menschen vielleicht sogar ewig leben.

Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch existiert noch die Gewissheit, dass der Mensch früher oder später stirbt. Der Organismus und seine Bestandteile sind einfach nicht darauf ausgelegt, ewig zu funktionieren. Nichtsdestotrotz sind die Möglichkeiten der modernen Medizin, einen Menschen am Leben zu erhalten überaus erstaunlich. Mitunter können Menschen nach schweren Unfällen oder Operationen mit Komplikationen über Jahrzehnte in einem künstlichen Koma gehalten werden und vollkommen geheilt aus diesem wieder erwachen. Teilweise werden Menschen aber auch trotz schweren Hirnschadens und ohne Aussicht auf Genesung durch Schläuche und Apparate am Leben erhalten, was der Betroffene vielleicht selbst nie gewollt hat.

An diesem Punkt stelle ich mir die Frage, wie weit Medizin gehen muss oder darf, um menschliches Leben zu erhalten? Begründet der medizinische Fortschritt, einen moralischen Zwang Menschen länger am Leben zu erhalten? Oder soll vielmehr der Einzelne mit den Mitteln der Medizin für sich bestimmen, wann sein Leben enden soll?

Heute wird diese Frage völlig unterschiedlich beantwortet. Ein Ausgangspunkt könnte in dem Eid des Hippokrates gesehen werden, welcher als grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik angesehen werden kann. Dort heißt es: „Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten.“ [Zitat Ende]

Danach verbietet sich jede Form der Sterbehilfe bis auf die passive Sterbehilfe. Noch strenger handhabt es das Land Polen. Dort sind alle Formen der Sterbehilfe ausgeschlossen, auch die der passiven Sterbehilfe. Konkret bedeutet das, dass Ärzte solange zum Erhalt des menschlichen Lebens verpflichtet sind, wie es ihnen nach der medizinischen Technik möglich ist. Auch wenn dies im Einzelfall gegen den Willen des betroffenen Patienten verstößt. In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe verboten und die passive Sterbehilfe mit dem Willen des Patienten grundsätzlich erlaubt. Die indirekte Sterbehilfe sowie der assistierte Suizid befinden sich in einer rechtlichen Grauzone und werden nicht als zulässig bezeichnet, aber häufig tatsächlich gebilligt. In der Schweiz ist der assistierte Suizid zulässig, soweit dabei keine egoistischen Motive vorliegen. In den Niederlanden und Belgien ist sogar die aktive Sterbehilfe zulässig. Seit dem Jahr 2002 besteht dort die Möglichkeit, sich auf Wunsch von einem Arzt töten zu lassen.

Durch die Entwicklung in der Medizin ist es uns heute also viel weitgehender möglich als vor 150 Jahren, über unseren Todeszeitpunkt zu bestimmen. Menschen können viel länger am Leben erhalten werden, aber mit den entsprechenden Mitteln auch verlässlich das Leben beenden. Da stellt sich für mich die Frage nach den moralischen Grenzen dieser Möglichkeiten. Damit komme ich zu meiner dritten Frage:

Was darf Sterbehilfe?

Nachdem wir nun gesehen haben, welche verschiedenen Regelungen in Europa existieren, ist allerdings noch immer nicht geklärt, welche davon vorzuziehen ist. An dieser Stelle habe ich vor allem in der Freimaurerei nach Antworten gesucht. Geben unsere Ideale der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Menschenliebe vielleicht eine Antwort auf die Frage?

Als erstes Ideal möchte ich die Freiheit anführen. Dieses Ideal verbürgt für mich die Freiheit einer Gesellschaft, als auch die Freiheit des Einzelnen, über sich, seine Existenz und seine Zukunft selbst entscheiden zu können. Es ist eng mit dem Begriff der Autonomie des Patienten verknüpft. Das Wort Autonomie, abgeleitet aus dem altgriechischen, lässt sich frei als „Selbstgesetzgebung“ übersetzen. Also der Möglichkeit, die Grenzen, Vorgaben und Rahmenbedingungen des eigenen Lebens selbst bestimmen zu können. Dazu kann auch der Zeitpunkt des eigenen Lebensendes gehören. Nach dieser Deutung spricht das Ideal der Freiheit für Patientenautonomie und daher für einen großzügigen Umgang im Rahmen der Zulassung von Sterbehilfe.

Als zweites Ideal möchte ich die Menschenliebe beleuchten. Diese sehe ich als eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber dem Menschen und seinem Leben und eine Bereitschaft zur Förderung von Hilfsbedürftigen. Doch was bedeutet das konkret für die Sterbehilfe?


Eine mögliche Deutung bietet Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836). Er war ein renommierter Arzt, Freimaurer in der Göttinger Loge „Augusta zu den drei Flammen“ und schrieb in seinem Werk „Anleitung zur medizinischen Praxis“ Folgendes: „Das Leben der Menschen zu erhalten und wo möglich zu verlängern, ist das höchste Ziel der Heilkunst und jeder Arzt hat geschworen, nichts zu thun, wodurch das Leben eines Menschen verkürzt werden könnte [...]; ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Wert habe oder nicht, dies geht ihn nichts an, und maaßt er sich einmal an, diese Rücksicht mit in sein Geschäft aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der Arzt wird der gefährlichste Mann im Staate.“ [Zitat Ende]


Diesen Zeilen kann man eine starke Abneigung gegenüber jeder Form der Sterbehilfe entnehmen. Ich selbst teile dieses Verständnis des Begriffs Menschenliebe nur teilweise. Sicherlich soll es das Ziel der Medizin sein, menschliches Leben wo es geht zu erhalten und zu schützen. Doch darf uns meiner Ansicht nach der Preis nicht vollkommen egal sein. Denn so wie die Medizin zum Erhalt des menschlichen Lebens verpflichtet ist, so ist sie meiner Meinung nach auch dazu verpflichtet, dem Menschen ein würdiges Lebensende zu gewähren. Die Menschenliebe darf meiner Ansicht nach nicht gegen den Willen des Betroffenen eingesetzt werden, denn sonst bleibt von der Menschenliebe nur noch Paternalismus übrig.

Als drittes möchte ich auf das Ideal der Toleranz eingehen. Toleranz kommt vom lateinischen „tolerare“ und bedeutet ertragen oder dulden. So bedeutet es für mich z.B. eine andere Meinung zu akzeptieren und ihr eine Berechtigung einzuräumen, ohne dass ich verpflichtet bin, sie zu teilen oder für richtig zu befinden. Auf die Sterbehilfe angewendet kann es bedeuten, dass man den Wunsch eines Menschen, nicht länger leben zu wollen, akzeptiert, obwohl man selbst glaubt, in seiner Situation anders zu handeln. Es kann bedeuten entgegen der eigenen Überzeugung einem anderen Menschen zum Tod zu verhelfen, weil man dessen Entscheidung respektiert und seinen Wünschen entspricht.

Allerdings hat Toleranz auch noch eine zweite Komponente für mich. Zu ihr gehört auch die Toleranz des einzelnen gegenüber sich selbst und seinem Körper. Zu häufig legen Menschen an sich unrealistisch hohe Maßstäbe von Stärke, Schönheit und Intelligenz an. Manchmal kommen diese aus der Medienlandschaft, manchmal aus der Gesellschaft und manchmal auch aus sich selbst heraus. Die permanente Konfrontation mit Maßstäben, die man nicht erreicht oder erreichen kann, ist dabei eine fortwährende Frustration, welche sich im schlimmsten Fall zum Wunsch nach dem Tod entwickeln kann.

An dieser Stelle sollte man sich vielleicht vor Augen halten, dass nicht alle Menschen gleich sind und das ist auch gut so, alles andere wäre im besten Fall langweilig. Außerdem wird der Körper nicht immer gleich gut funktionieren. Laut meinem Vater fühlt man jenseits des 40. Lebensjahres morgens beim Aufstehen nur in einem Fall keinen Schmerz, nämlich wenn man tot ist. Doch ist diese Entwicklung notwendiger Bestandteil des Lebens und muss zu einem weiten Stück eben toleriert oder ertragen werden. Deshalb sollte dieser Prozess erst im Extremfall den Wunsch nach dem Tod nach sich ziehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine persönliche Erfahrung mit euch teilen. Meine Großmutter war mit 85 Jahren auf Grund mehrerer schwerer Krankheiten und Operationen in einem Zustand, in dem sie nach eigener Aussage nur noch sterben wollte. Das Leben erschien ihr nicht mehr lebenswert, man könnte auch sagen unwürdig.

Zum Glück erholte sie sich danach zwar langsam aber beständig. Sicherlich könnte ihr der Alltag leichter von der Hand gehen, als es der Fall ist. Allerdings geht es ihr wesentlich besser, als sie es wahrscheinlich in jenem Moment für möglich gehalten hätte. Mitte dieses Jahres feiern wir ihren 90. Geburtstag zusammen, darauf freuen sie und der Rest meiner Familie sich schon sehr.

Damit wird für mich deutlich, dass einem Todeswunsch auf keinen Fall leichtfertig entsprochen werden sollte. Vielmehr ist eine ernsthafte und empathische Auseinandersetzung mit dem Betroffenen notwendig und der gesamte Entscheidungsprozess muss von qualifizierten Fachleuten begleitet werden. Anbieten könnte sich ein System wie in den Niederlanden, wo an die Zulässigkeit der Sterbehilfe zahlreiche Voraussetzungen geknüpft sind. Dort müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander die Freiwilligkeit des Patienten und die Aussichtslosigkeit einer medizinischen Behandlung feststellen. Außerdem muss der Patient über die Situation ordnungsgemäß aufgeklärt worden sein und alle müssen zu dem Schluss gekommen sein, dass die Sterbehilfe die einzig annehmbare Lösung ist. Wichtig ist bei diesem Prozess insbesondere, dass er eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und dadurch vorübergehende Todeswünsche nicht zum Tod des Patienten führen. So könnte auch eine Lösung für Deutschland aussehen.

Abschließende Gedanken

Am Ende sind das aber nur meine persönlichen Überlegungen und ich erhebe nicht den Anspruch, dass jemand anders diese teilt. Dafür ist der eigene Tod eine viel zu höchstpersönliche Entscheidung. Sicherlich wollen alle einen sogenannten würdevollen Tod. Doch mit ebenso großer Sicherheit verstehen alle unter dem Begriff etwas völlig anderes. Deshalb will ich mit meiner Zeichnung weniger überzeugen, als aufmerksam machen.

Das ist es auch, was mich wirklich freuen würde. Wenn das Bewusstsein für dieses schwierige Thema der Sterbehilfe geweckt wird und sich ein jeder auf die Suche nach den eigenen Überzeugungen macht. In diesem Sinne möchte ich mit einem Zitat von Kurt Marti schließen. „Wir gehören einer Zivilisation an, die zwar den Tod industriell zu produzieren, nicht aber zu integrieren versteht.“