Traktat: Immortal Memory Rede auf Robert Burns, 2025

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Robert Matthees beim schottischen Burns Supper Charity Event in der Loge Lessing i.O. Frankfurt am Main, 2025

Traktat: Immortal Memory Rede auf Robert Burns, 2025

Die Hauptrede beim Burns Supper ist dem "Immortal Memory of Robert Burns" gewidmet. Die folgende Immortal Memory wurde beim Burns Supper Charity Event der Freimaurerloge Lessing (Frankfurt am Main) von Robert Matthees am 1. Februar 2025 gehalten.

Moin! Gut sehen Sie alle aus. Das gibt's ja gar nicht! Danke für die erneute Einladung. Robert Matthees mein Name: Ich bin wieder hier, diesmal sogar mit Zetteln. — Die Immortal Memory auf Robert Burns!

Vor zwei Jahren wollte ich ja unbedingt frei sprechen: Können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn man deshalb bis zu seiner Rede nüchtern bleibt und dann innerhalb von 45 Minuten mit viel zu vielen Menschen hier anstößt, um noch seinen Zug zurück nach Hamburg zu erwischen? — Kennen Sie im ICE diese viel zu breiten Abstände zwischen den Sitzen in der ersten Klasse? — Genau dazwischen bin ich gegen 2 Uhr morgens aufgewacht, völlig eingekeilt! — Ich hatte sogar noch meine elektrische Zahnbürste in der Hand. — Na gut, dieses Jahr bin ich schlauer: Zettel und Hotel — Niddastraße, beste Lage!

Vor zwei Jahren streifte ich in meiner Rede kurz Robert Burns Freimaurerei. Dabei habe ich evtl. ein oder zwei Besonderheiten seiner Loge aufs Korn genommen.[1] Manche erinnern sich? Ich berichtete davon, wie ihm 1786 eine lokale, operative Steinmetzgröße die Hochzeit mit seiner Tochter untersagte, die sogar von Robert Burns schwanger war — so gut war sein Ruf! Bro. Robert war zu dieser Zeit bereits fünf Jahre Freimaurer und leitete nahezu jede Arbeit seiner Loge. Ich zitierte aus dem Regelwerk derselben: “Sixpence sterling” betrug die Strafgebühr, wenn ein Trinkglas zerbrach. Und dann waren da noch die Anweisungen, wie mit einem Bruder zu verfahren sei, der sich nicht mehr „decently, peaceably and kind towards those around him“ verhalten konnte.[2] Der Whisky schmeckte offenbar gut in der damals 450 Einwohner zählenden Gemeinde Trabelton, unweit der Highlands.

Vermutlich aufgrund dieser Tatsachen kam nach meiner Ansprache ein Bruder zu mir und sagte, dass Robert Burns Loge ja eigentlich gar keine echte Freimaurerei betrieben habe. Wir würden das heute vielmehr nur rückwirkend so projizieren. ― Das schmerzte meinem Herzen! Ich konnte gar nicht richtig darauf eingehen, so viel Anstoßen musste ich. Darum möchte ich das heute tun: Sorry, es wird jetzt also erstmal kurz freimaurerisch ― bis wir dann… [Trinkbewegung] ihr wisst schon!

Keine echte Freimaurerei. Pfff. [kurze Pause] Ich selbst bin unglaublich dankbar, dass ich mittlerweile viele unterschiedliche Lehrarten und Traditionslinien habe zelebrieren dürfen, deutsche, US-amerikanische, englische, französische, nur für Männer, gleichberechtigt-gemischte Logen, prunkvolle Regalia, ganz schlicht nur mit Schurz und Handschuhen usw. usf. — und ehrlich gesagt habe ich kaum eine Ahnung, wie viele weiterführende Grade, auch seltene, uralte, ich mittlerweile habe erleben dürfen. Als Großhistoriker meiner britischen Großloge bewege ich mich zusätzlich durch den Fluss der Zeiten. — Was bitte ist echte Freimaurerei?

Schwestern und Brüder, die viel reisen, werden ohnehin überrascht sein über die Vielfalt freimaurerischer Erfahrungen. — In Schottland gibt es noch heute kein standardisiertes Ritual. Bis auf wenige festgelegte Punkte genießt jede Bauhütte große Freiheiten.

Ich sprach mit den heutigen Brüdern der alten Burns-Loge i.O. Trabelton. Welches Ritual damals zu Robert Burns Zeiten Verwendung fand, konnten sie mir nicht sagen. Gleiches gilt für meine Kontakte in der schottischen Großloge.

Die St. James Lodge wurde jedoch 1771 von Kilwinning eingesetzt. Daher können wir davon ausgehen, dass die Loge auf jeden Fall bereits von Anfang an eine Variation des bekannten Drei-Grad-Systems der Freimaurerei bearbeitete, mit den Erkenntnisstufen Lehrling, Geselle und Meister. Diese Arbeitsweise etablierte sich etwa ein Jahrzehnt nach Gründung der ersten Großloge in London, also etwa um 1730, und verbreitete sich schnell auch anderswo. Sehr wahrscheinlich enthielt sie im schottischen Trabelton noch Elemente, die wir aus alten Manuskripten kennen, wie dem Dumfries No. 4 aus dem Jahr 1710, das in Bezug zur “Mother Lodge” in Kilwinning steht.[3]

Bro. Robert Burns wurde so am 4. Juli 1781 als Freimaurerlehrling aufgenommen, im Alter von 23 Jahren, wurde bald darauf zum Gesellen befördert und schließlich zum Meister erhoben. Dabei bewegten ihn mit Sicherheit bereits absolut vergleichbare Erlebnisse, wie wir Freimaurerinnen und Freimaurer sie noch heute teilen.

Sein Weg führte ihn jedoch noch weiter. Denn der Legendenreichtum war groß in der frühen britischen Bauhüttenkultur. So enthält schon das alte Dumfries No. 4 Manuskript Verweise auf das sogenannte “Royal Secret”, das königliche Geheimnis. Aus derartigen, älteren Erzählungen entwickelten sich schon bald weiterführende Grade. Diese gingen über die Story des Salomonischen Tempelbaus der ersten drei Grade der Premier Grand Lodge hinaus. ― Wie sah also Bro. Roberts weiterer Weg aus? ― [lächeln] Jetzt wird’s kurz mythologisch.

In Großbritannien manifestierten sich die weiterführenden Ideen besonders im Grad des Holy Royal Arch, des königlichen Bogens.[4] [auf Schurz-Druck zeigen] Auf diesem Schurz sehen Sie zwei Säulen, die oben durch einen Bogen miteinander verbunden sind. Denn in der Legende dieses Grads begeben sich die Brüder zuerst in die Tiefe [auf Boden deuten, mystisch], hinab ins Gewölbe, das sich einst unter dem Salomonischen Tempel befand, auf der Suche nach verborgenem Wissen. ― Die Gefühlswelt der Renaissance, meine Damen und Herren!

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[bedeutsam] Dort unten werden sie auch ihren Beziehungen zum Göttlichen gewahr, zu den kosmischen Prinzipien. Denn das, [laut] was sie im alten Gewölbe symbolisch eigentlich entdecken, ist nichts Geringeres als der Stein, den Yahweh einst ins Chaos warf [symbolisch hochheben], um die Schöpfung zu starten, der Grundstein der Welt ― so die jüdische Überlieferung im Talmud und einigen Midraschim ―, der Quellstein, der Foundation Stone, im Islam der Noble Rock, der hier zum Schlussstein wird [symbolisch einsetzen], zum Keystone des Royal Arch, der die Einheit stiftet.[5] [ans Herz fassen, zeigen] ― Wahnsinn, oder? ― Auf dem Schurz ist er sicher verborgen, verhüllt vor unwürdigen Blicken, hinter dem Vorhang, hinter dem Latz des Freimaurerschurzes. ― Was für ein cooles Symbol? ― Und tiefe Inhalte!

Als Bro. Robert Burns am 19. Mai 1787 in den Grad des Holy Royal Arch eingeweiht wurde ― so wie Sie gerade ein wenig ―, erhielt er dabei genau diesen Schurz. Auch so etwas bewegte also seine Seele.

All das zeugt für mich von durchaus “echter” Freimaurerei, oder? Nicht bloß von Trinkspaß und Geselligkeit, wie es auf den ersten Blick wirken mag.

2023 gab ich hier während meiner Rede einen kleinen Robert Burns-Pin in die Charity-Versteigerung. Er erbrachte 250.- Euro! Heute habe ich dieses Bild mitgebracht. Es zeigt ― wie gesagt ― den Schurz, den Bro. Robert Burns bei Arbeiten im Holy Royal Arch mit Stolz getragen hat. Das ist so ein toller Druck, es wirkt fast, als hänge dort der echte Schurz. Br. Rolf Keil und ich haben darauf unterschrieben, mit Verweis aufs diesjährige Burns Supper. Ich bin gespannt, wer das später mit nach Hause nehmen darf, oder in die heimatliche Loge?

[Rolf angucken] Noch’n bisschen und dann... [Trinkbewegung machen, Rolf nickt] Sehr gerne. [zum Schurz] Das ist ein Schatz! Denn vom Grundstein dehnte sich das Licht einst aus bis zum Ende des Universums, so die Mythologie: Und hier dahinter ist er verborgen [schelmisch] ― denke ich zumindest. Der Originalschurz könnte vermutlich zerfallen, würden wir tatsächlich hinter dem Latz nachschauen. ― Es bleibt ein Geheimnis.[6] ― ―

Wie wichtig Robert Burns seine Brüder waren, das wird, finde ich, am besten in einem Abschiedsgedicht deutlich. Denn was viele nicht wissen: Roberts Lebensweg hätte fast eine ganz andere Wendung genommen. Um ein Haar hätte er nämlich 1786 Schottland verlassen, um in Jamaika auf einer Zuckerplantage als Buchhalter anzuheuern ― in der Verwaltung von Sklavenarbeit. Die £30 jährlich waren für den mittellosen Mann einfach zu verlockend. Zur Abreise kam es jedoch nicht, unter anderem wegen emotionaler Bindungen ― wir erinnern uns: die nicht genehmigte Hochzeit ― und dem Erfolg seiner ersten Gedichtsammlung. So kam es, dass er in Schottland blieb und weiter über Freiheit dichtete, 1792 übrigens auch über das Leid von Sklaven.

Die Abreise war indes bereits geplant und so trug er 1786 vor seinen Brüdern in Trabelton sein Gedicht “The Farewell” vor. Besonders spannend finde ich, dass er darin das Konzept für die heutige Burns Night liefert, natürlich ohne es zu ahnen. Es geht wie folgt:

“Adieu! a heart-warm, fond adieu!
Dear brothers of the mystic tye! [...]
Tho' I to foreign lands must hie, [...]
With melting heart, and brimful eye,
I'll mind you still, tho' far awa'.

Oft have I met your social Band,
And spent the cheerful, festive night;
Oft, honor'd with supreme command,
Presided o'er the Sons of light:
And by that Hieroglyphic bright,
Which none but Craftsmen ever saw!
Strong Mem'ry on my heart shall write
Those happy scenes when far awa'!

May Freedom, Harmony and Love
Unite you in the grand Design,
Beneath th' Omniscient Eye above,
The glorious ARCHITECT Divine! [...]

To MASONRY and SCOTIA dear!
A last request, permit me here,
When yearly ye assemble a',
When yearly ye assemble a',
One round, I ask it with a tear,
To him, the Bard, that's far awa'.”

Der Schluss nochmal auf deutsch:

“To MASONRY and SCOTIA dear!
‘nen letzten Wunsch, erlaubt mir hier,
Wenn jährlich ihr zusammen kommt,
Wenn jährlich ihr zusammen kommt,
‘nen Toast auf ihn, mit einer Träne,
Auf ihn, den Barden, weit entfernt.”[7]

Was für ein ehrlicher Wunsch. Und genau das machen wir doch gerade, oder? Nicht, weil er in die Kolonien gegangen ist. Er blieb, Gott sei Dank, in Schottland. Wir tun dies auch nicht als Brüder seiner Loge, die ihm jährlich am Johannisfest gedenken. Nein, wir gedenken ihm hier, wie es Millionen andere Liebhaberinnen und Liebhaber der schottischen Kultur gerade tun, weltweit, genau zu dieser Zeit, um seinen Geburtstag herum. So erinnern wir an seine Menschlichkeit und an seine Kunst, trinken auf ihn und sein Immortal Memory. ― Niemals hätte er sich das erträumen lassen!

Und wissen Sie was? Das hier, das hier gerade im Moment, dieses Gefühl, dieses Beisammensein und Besinnen auf “Freedom, Harmony and Love”, wie Bro. Robert Burns sagt, im Herzen die Welt vereint und unsere eigenen Hoffnungen, und so manches Symbol, genau das ist echte Freimaurerei, und das gilt für jede und jeden hier, auch ohne Freimaurer zu heißen.[8]

Auf Robert Burns, Happy Burns Night!
[streng] Los, füllen und aufstehen – wir sind hier nicht zum Spaß!
[Glas erheben, lächeln]
Doch, das sind wir:
HAPPY BURNS NIGHT!

Fußnoten

  1. Vgl. Matthees, R.: Immortal Memory, 2023, URL: https://www.freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Immortal_Memory_Rede_auf_Robert_Burns,_2023 (abgerufen am 04.01.2025).
  2. Vgl. Immortal Memory von R. T. Halliday, in: Burns and Freemasonry, 1937.
  3. Vgl. Dumfries No. 4 Manuscript, 1710, URL: https://theoldcharges.com/chapter-24.html (abgerufen am 04.01.2025).
  4. Vgl. Belton, J., Dachez, R.: Exploring the Vault ― Masonic Higher Degrees 1730–1800, 2024; vgl. Graham, E. R.: The History and Symbolism of Royal Arch Masonry, 2001.
  5. Zum Grundstein vgl. (bspw.) Buch Joma V im Babylonischen Talmud, besonders 53b, 54b; vgl. Sefer ha-Sohar, Nr. 271 ff.; vgl. Kommentar zur Tora von Rabbi Mosche ben Nachman (Ramban), besonders Genesis Vorwort 13 und zu Genesis 1:1:4 und Genesis 28:17; mehr unter: https://www.sefaria.org/search?q=אֶבֶן%20הַשְּׁתִיָּה ― Titel anklicken für Übersetztung (abgerufen am 31.12.2024); auch Jakob habe darauf geschlafen und seine Vision gehabt, vgl. 1. Mose 28:17-19.
  6. Vgl. A.F.u.A.M.v.D. Ritual III.
  7. Übersetzung von Robert Matthees.
  8. Frei nach Lessing, G. E.: Ernst und Falk, Drittes Gespräch, 1778.