Traktat: Wissen, Erkenntnis

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Wissen, Erkenntnis

Quelle: Name des Autoren ist der Redaktion bekannt

aus der Traktattrilogie:

  1. Verantwortung und Werte
  2. Wissen, Erkenntnis
  3. „Soziale“ Nachhaltigkeit

I. Als wir auf die Welt kamen...

Es gibt eine alte Weisheit, die möglicherweise so alt ist wie die Menschheit selbst:

„Als wir auf die Welt kamen, war die Welt so, wie sie ist. Im Laufe der Jahre, als wir verstanden, die Welt zu hinterfragen, merkten wir, dass die Welt doch nicht so ist, wie sie ist: die Welt ist kompliziert. Am Ende des Lebens merken wir, dass sich die Welt doch nicht geändert hat; die Welt ist so, wie sie ist.“

II. Was hat diese Weisheit auf sich?

Was hat diese Weisheit auf sich?

Diese Frage kann selbstverständlich nur jeder für sich selbst beantworten, denn sie ist individuell geprägt und abhängig von der eigenen „Erkenntnis“ vom Wesentlichen und dem eigenen „Wissen“ über das Leben.

1. Bewusstheit und Objektivität

So versteht man unter „Erkenntnis“ allgemein den Prozess des Erkennens („den Erkennungsakt“) eines bestimmten Sachverhalts/Sachvorgangs („das Erkannte“). Zum „Wissen“ wird „Erkenntnis“ dann, wenn das „Erkannte“ unabhängig vom erkennenden Betrachter intersubjektiv, also für mehrere Betrachter gleichermaßen erkennbar und nachvollziehbar ist und für ihn selbst individuell Bestand und Gültigkeit hat. „Wissen“ wird überwiegend verstanden als die wahre, gerechtfertigte, begründete Meinung über einen bestimmten Sachverhalt/Sachvorgang, so dass von deren Gültigkeit und Wahrheit ausgegangen werden kann.

Beide Begriffe setzen eine gewisse „Bewusstheit“ und auch in gewissem Umfang eine bestimmte „Objektivität“ voraus – das sollten sie jedenfalls.

2. Individuelle Wahrnehmung

Freilich möchte man meinen, dass diese Definition ebenfalls voraussetzt, dass man nur dann etwas „wissen“ kann, wenn man auch eine „wahre Meinung“ hat. Umgekehrt stellt nicht jede wahre Meinung zwangsläufig „Wissen“ dar. So bildet sich manch einer eine „Meinung“, ohne sich vorher die Mühe zu machen, die Dinge zu „erkennen“ oder sich das entsprechende „Wissen“ anzueignen. Andere wiederum bilden sich über Etwas eine Meinung, ohne zu „wissen“, ob die Meinung überhaupt begründet ist.

Ist das „Erkenntnis“? – Kann das „Wissen“ sein?

Auch diese Fragen können nicht automatisch als wahr oder falsch beantwortet werden, weil die Wahrnehmung eines Jeden individuell beeinflusst wird von eigenem Glauben und Überzeugungen, unterschiedlichen Erfahrungen und Wertungen oder Erinnerungen. Der Prozess der Erkenntnis und Meinungsbildung wird zudem beeinflusst durch Einbildung, Ahnung und Vermutungen, Spekulationen etc.. Vorurteile, Irrtümer und Einsichten verzerren den Vorgang der „Erkenntnis“ zusätzlich – und damit den Bestand des „Wissens“.

3. Art der Erkenntnisgewinnung

Das wirft zwangsläufig die Frage auf, ob es überhaupt eine objektiv gesicherte „Erkenntnis“ und eine absolute, eindeutige und allgemein gültige, dem „Wissen“ als immanent geglaubte Wahrheit geben kann. Denn gerade wegen der Individualität menschlicher Wahrnehmungen und Eigenarten kann sogar die Art der Erkenntnisgewinnung bereits die Erkenntnisinhalte beeinflussen. Wenn aber bereits der „Erkenntnisakt“ stark subjektiv beeinflusst ist, ist man schnell geneigt, sich von Objektivität und Allgemeingültigkeit zu entfernen – beides wichtige Bestandteile von „Erkenntnis“ und „Wissen“ als den Bestandteilen der Wahrheit.

III. Ansichten und Meinungen Anderer

Durch Objektivierung der „Erkenntnisfähigkeit“ und des „Wissens“ sollten vor allem Sachvorgänge von einem selbst von allen Seiten bewusst und kritisch erfasst, objektiv bewertet und auch zu Ende gedacht werden.

Gewiss werden Ansichten und Meinungen Anderer zu gern blind übernommen. Auch passen wir uns unkritisch viel zu häufig den Beurteilungen Anderer an. Das alles mag durchaus ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, und vor allem ist das bequem. Aber „erkennen“ und „wissen“ wir dann bewusst und objektiv, wenn wir etwas unkritisch übernehmen, ohne uns selbst Gedanken zu machen? Die Aspekte der „Erkenntnis“ und „Wissen“ wären geradezu sinnentleert, wenn man nicht selbst hierüber reflektiert.

IV. Bewusstheit und Selbsterkenntnis

Da die „Erkenntnis“ und das „Wissen“ in einem Selbst liegen, liegt es nahe, auch sich selbst und sein Handeln regelmäßig zu hinterfragen. Den wie sonst kann man Andere beurteilen, wenn man sich selbst nicht kennt? Dies schließt die Entwicklung von Bewusstheit und Selbsterkenntnis mit ein, auch wenn dies Selbstüberwindung und Selbstlosigkeit erfordern kann und die Möglichkeit besteht, seine Ansichten, Ängste, ja sogar seine innere Widerstände und Widersprüche zu erkennen oder unschöne Dinge an sich selbst zu entdecken. Unbestritten fällt es einem selbst schwer, an sich selbst bestimmte Unvollkommenheiten anzuerkennen, denn damit korrespondiert nur allzu oft ein gewisses Gefühl der Wertlosigkeit, des Versagens - für viele ein unerträglicher Gedanke gerade in einer Leistungs- und Erfolgsgesellschaft.

Aber was wären „Erkenntnis“ und „Wissen“ wert, wenn wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich wären? Selbsttäuschung und Lüge sind sicher keine Alternativen. Und wir sollten weg kommen von dem standardisierten „Ja-oder-Nein-Denken“ und vor allem davon, die Dinge von Grund auf entweder als „gut“ oder „schlecht“ zu betrachten. Die meisten Sachverhalte und Dinge sind an sich wertneutral. Es sind wir, die daraus etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ machen – und als solches vorab verurteilen.

Dann aber sind es auch wir, die darüber entscheiden können, ob wir die Dinge bewusst und objektiv „erkennen“ und allgemeingültig „wissen“ können anstatt uns von unseren herkömmlichen Mustern und Vorstellungen beherrschen zu lassen.

V. Verständigung und Respekt

In einer sozialen Gesellschaft ist es von höchster Wichtigkeit, eine gewisse Bewusstheit und Objektivität zu gewährleisten, und dies schon beim „Erkenntnisakt“, für eine bessere Verständigung und ein besseres Miteinander. Genauso sollten abweichende Ansichten respektiert werden (ohne denen zwangsläufig folgen zu müssen), ebenso wie das eigene „Wissen“ mit Anderen geteilt werden sollte, geht es doch gerade weniger darum, wie viel man weiß, sondern wie viele etwas wissen. Dadurch bereichert man nicht nur andere und die Gesellschaft, sondern auch sich selbst.

Obschon ich das schon immer „gewusst“ habe, habe ich das gerade eben erst „erkannt“…

Siehe auch