Österreich nach 1932: Unterschied zwischen den Versionen
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Auch die Mitgliederstruktur ist anders als in der Zwischenkriegszeit. Reinhard Lamer in seinem Buch „FREIMAURER IN ÖSTERREICH“ (2001): ''„Waren in der Zwischenkriegszeit Kaufleute und andere Selbständige des Mittelstandes in den Logen besonders zahlreich vertreten, so findet man heute … auffallend viele Persönlichkeiten des Kulturlebens und der Medien sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung.“'' Nicht zu vergessen: die Mediziner und die Juristen. | Auch die Mitgliederstruktur ist anders als in der Zwischenkriegszeit. Reinhard Lamer in seinem Buch „FREIMAURER IN ÖSTERREICH“ (2001): ''„Waren in der Zwischenkriegszeit Kaufleute und andere Selbständige des Mittelstandes in den Logen besonders zahlreich vertreten, so findet man heute … auffallend viele Persönlichkeiten des Kulturlebens und der Medien sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung.“'' Nicht zu vergessen: die Mediziner und die Juristen. | ||
Die wachsende Zahl an Brüdern spiegelt sich in den Logengründungen. Seit 1945 wurde im Durchschnitt jedes Jahr eine neue Loge gegründet. Anfang 2012 sind es 71 Logen, davon 46 in Wien und 25 in den anderen acht Bundesländern. Es gibt kein Bundesland mehr ohne eine Loge. Zu diesen 71 Logen kommen noch die Forschungsloge ‚Quatuor Coronati‘ und eine [[Deputationsloge]] beim [[Freimaurermuseum Rosenau]] in Niederösterreich. | Die wachsende Zahl an Brüdern spiegelt sich in den Logengründungen. Seit 1945 wurde im Durchschnitt jedes Jahr eine neue Loge gegründet. Anfang 2012 sind es 71 Logen, davon 46 in Wien und 25 in den anderen acht Bundesländern. Es gibt kein Bundesland mehr ohne eine Loge. Zu diesen 71 Logen kommen noch die Forschungsloge ‚Quatuor Coronati‘ und eine [[Deputationsloge]] beim [[Freimaurermuseum Rosenau]] in Niederösterreich. | ||
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Version vom 9. Juni 2012, 19:52 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Die Entwicklung nach 1932
Quelle: Rudi Rabe aus Wien
Ab 1933: Die austrofaschistische Diktatur machte Druck
Als Eugen Lenhoff und Oskar Posner 1932 ihr Österreich-Kapitel abschlossen, erlebte die Erste Österreichische Republik ihr letztes Jahr. Im März 1933 wurde sie von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß mit einem parlamentarischen Trick ausgehebelt und durch den diktatorischen kleriko-faschistischen Ständestaat ersetzt.
Für die österreichischen Freimaurer war damit die gute Zeit, die nach dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, schon wieder zu Ende. Zwar wurden sie von Dollfuß im Gegensatz zu den allermeisten anderen Diktaturen des 20. Jahrhundert nicht verboten, er stellte sie aber unter Kuratel. Staatsbeamte mußten sich zwischen ihrem Arbeitsplatz und der Mitgliedschaft entscheiden. Polizeibeamte konnten zu den Versammlungen und Arbeiten kommen. Logenarbeit wurde schwierig bis unmöglich. Dadurch ging die Zahl der Brüder in den Folgejahren um die Hälfte zurück: von 1.900 auf weniger als tausend. Alle Logen in den Bundesländern und einige in Wien löschten ihre Lichter. Sozialreformerische Vereine, denen viele Brüder angehörten, wurden aufgelöst oder verkleinert.
1934 wurde Engelbert Dollfuß bei einem nazistischen Putschversuch ermordet. Unter seinem Nachfolger Kurt Schuschnigg wurde es für die Freimaurer in der Praxis etwas besser, doch im Grundsatz änderte sich nichts.
Die österreichischen Freimaurer darbten, doch was sie nicht wissen konnten: Die austrofaschistischen Jahre waren nur ein vergleichsweise harmloses Vorspiel auf das, was mit Hitlers Einmarsch am 12. März 1938 über sie hereinbrach.
März 1938: Der Nazi-Terror setzte sofort ein
Einen Tag nach dem Einmarsch begann ein Freimaurer-Sonderkommando der SS aus Berlin mit Verhaftungen, Verhören und der Beschlagnahme aller Besitztümer. Neun Tage später meldete es nach Berlin: alle Logen geschlossen, alle Akten und 200.000 Schilling beschlagnahmt. Innerhalb weniger Tage war die österreichische Freimaurerei liquidiert, sie mußte nicht einmal mehr formal verboten werden.
Die Verhöre führender Freimaurer zogen sich über Wochen. Der bereits erkrankte Großmeister Richard Schlesinger überlebte den Terror kaum drei Monate: Er starb am 5. Juni im Krankenhaus als SS-Gefangener.
Hunderte wurden im KZ ermordet
Von den knapp tausend Brüdern waren 1938 gut drei Viertel Juden. Das hatte mindestens drei Gründe: Erstens war schon in der Monarchie der Anteil jüdischer Brüder in den Grenzlogen wesentlich höher als in der Gesamtbevölkerung; die Juden waren der Mehrheitsbevölkerung rechtlich nach und nach gleichgestellt worden, und so konnten sie sich jetzt durch einen Beitritt zu den Logen aus ihrem abgeschlossenen Milieu emanzipieren und Anschluß an die nichtjüdische Gesellschaft finden. Zweitens war das nichtjüdische österreichische Bürgertum überwiegend katholisch-antifreimaurerisch, wodurch es als Rekrutierungsbasis weitgehend ausfiel; es blieb vor allem das auf Wien konzentrierte aber schmale sozialdemokratische Bürgertum. Drittens waren die allermeisten Beamten, die in den dreißiger Jahren austreten mußten, nichtjüdischer Herkunft.
Wie viele von den jüdischen Brüdern in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet wurden, ist unklar: Von hundert weiß man die Namen; es waren sicher deutlich mehr. Vielen gelang aber auch die Flucht ins Ausland.
Nach dem Krieg
Auch Österreich wurde zwar in vier Besatzungszonen geteilt, im Gegensatz zu Deutschland wurde aber auch der Gesamtstaat mit Zustimmung der alliierten Siegermächte sofort wiedererrichtet. Daher funktionierte auch die Wiederbelebung der Freimaurer schneller. Schon am 28. Juli 1945, drei Monate nach Ausrufung der Republik, trafen sich in Wien noch bevor die drei Westalliierten eingezogen waren 48 Brüder zu einer ersten Beratung: organisiert vom deputierten Großmeister der Vorkriegszeit, dem Chirurgen Karl Doppler. Wenige Tage später reaktivierten sie die Großloge: Aus der Großloge von Wien, wie sie bis 1938 hieß, wurde jetzt die 'Großloge von Wien für Österreich‘ und einige Jahre später die 'Großloge von Österreich' http://www.grossloge.net/ Noch 1945 wurde für die versprengten Brüder zuerst einmal eine Sammelloge gegründet: die ‚Humanitas renata‘, ‚wiedergeborene Humanitas‘; die Humanitas war und ist die älteste Loge.
Zwischen den vier Besatzungszonen gab es jedoch in den ersten Monaten wenig Kommunikation. Und so wurde im britisch besetzten Kärnten unabhängig, und ohne dass die Großloge in Wien davon wußte, die Loge ‚Paracelsus‘ wieder erweckt. Aus diesen Anfängen konnten dann in den Folgejahren in Wien und in den Bundesländern nach und nach weitere Logen entstehen. Es war schwer genug: Während die Brüder 1918 die intakte Struktur der Grenzlogen hatten nutzen können, mussten ihre Nachfolger jetzt praktisch bei Null anfangen.
Nazis raus
Im ersten Nachkriegsjahr meldeten sich immer mehr Brüder: bis Mitte 1946 in Wien 150. Aber wie die Rechtschaffenen von jenen scheiden, die zu den Nazis übergelaufen waren? Denn es war klar: Für Nazis oder Kollaborateure gab es kein Zurück. Da man nicht jeden Bruder individuell durchleuchten konnte, wurden formelle Kriterien festgelegt: vor allem Mitgliedschaften und Anwartschaften. Aber auch eine lockere Verbindung zur Nazi-Partei konnte schon zu viel gewesen sein. Es gab interne Verfahren und Bescheide. Und so mußten mehrere ehemalige Brüder draußen bleiben.
Hilfe aus dem Ausland
Besonders unterstützt wurde der masonische Neuaufbau vom amerikanischen Hochkommissar in Österreich, General Mark Clark, der selbst Freimaurer war und – so Marcus Patka in seinem Buch „ÖSTERREISCHE FREIMAURER IM NATIONALSOZIALISMUS“ (2010) – „ein dezenter Schirmherr einer sich langsam regenerierenden Freimaurerei“. Eine andere Art der Unterstützung leisteten amerikanische, Schweizer und ehemalige österreichische Freimaurer, denen die Flucht ins Ausland geglückt war: Sie sandten CARE-Pakete an die Brüder im ausgehungerten Österreich. „Auch an Kohle, Holz und Papier mangelte es, nur schrittweise konnten die Tempel und auch die Büroeinrichtung wieder instand gesetzt werden“, zitiert Marcus Patka aus einem Bericht jener Zeit. Und: Brüder „die ihr Werkzeug in der Nazizeit verloren haben, erscheinen mit selbstgemachten Schurzen aus irgendwelchem Ersatzstoff, da weißes Leder nicht aufzutreiben ist; die vorhandenen Schurze haben die Nazis geplündert, um aus dem weißen Leder Handschuhe für die SS zu machen.“
Rückkehr in die Weltenkette
Die österreichische Großloge ging davon aus, dass sie 1938 zwar unterbrochen aber nicht eingeschläfert worden war. Dennoch gab es große Schwierigkeiten mit der Kontinuität der Anerkennung durch die Großloge von England (UGLE). Diese vertrat den Standpunkt, daß Österreich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages feindliches Ausland sei: bis dahin keine Anerkennung. Laut Marcus Patka spielten dabei aber auch andere Motive eine Rolle: Die Österreicher waren vor dem Krieg zwar anerkannt, aber sie waren auch in der ‚Universellen Freimaurer Liga‘ (UFL) aktiv, einer prononciert humanitär ausgerichteten Vereinigung; und sie setzten das nach dem Krieg fort. Erst als sie 1952 ihre Verbindung zur UFL lösten, war der Weg zur Anerkennung frei.
Das ging nicht ohne innere Zerwürfnisse: Mehrere Brüder verließen die Großloge und gründeten in der Folge den Großorient von Österreich (siehe unten. Historisch gesehen war es nämlich nicht ausgemacht, dass die österreichische Großloge regulär sein wird, gehörten doch die alten österreichischen Grenzlogen bis 1918 zur ungarischen Freimaurerei, und diese lehnte sich an die liberalen Franzosen an. Die streng humanitäre Ausrichtung der österreichischen Großloge ist wohl eine Errungenschaft aus dieser Zeit. Heute ist die Einordnung der 'Großloge von Österreich' mit ihren mehr als 70 Logen und 3.300 Mitgliedern (2012) in das englische System der regulären Freimaurerei völlig unbestritten: Die Großloge von Österreich unterhält Anerkennungsvereinbarungen mit mehr als 160 Großlogen in über 80 Staaten. Das müssen mehrere zehntausend Logen sein, niemand weiß genau wie viele.
Kontinuierliches bis stürmisches Wachstum
2012 zählt die österreichische Kette rund 3.300 Brüder. Ihre Zahl stieg seit Kriegsende von Jahr zu Jahr, und sie steigt weiter: Im Gegensatz zu vielen anderen Obödienzen haben die österreichischen Freimaurer keine Nachwuchsprobleme.
Auch die Mitgliederstruktur ist anders als in der Zwischenkriegszeit. Reinhard Lamer in seinem Buch „FREIMAURER IN ÖSTERREICH“ (2001): „Waren in der Zwischenkriegszeit Kaufleute und andere Selbständige des Mittelstandes in den Logen besonders zahlreich vertreten, so findet man heute … auffallend viele Persönlichkeiten des Kulturlebens und der Medien sowie Vertreter aus Politik und Verwaltung.“ Nicht zu vergessen: die Mediziner und die Juristen.
Die wachsende Zahl an Brüdern spiegelt sich in den Logengründungen. Seit 1945 wurde im Durchschnitt jedes Jahr eine neue Loge gegründet. Anfang 2012 sind es 71 Logen, davon 46 in Wien und 25 in den anderen acht Bundesländern. Es gibt kein Bundesland mehr ohne eine Loge. Zu diesen 71 Logen kommen noch die Forschungsloge ‚Quatuor Coronati‘ und eine Deputationsloge beim Freimaurermuseum Rosenau in Niederösterreich.
Links
Siehe auch
- Österreich
- Österreich bis 1932 Die Entwicklung bis 1932, Quelle: Lennhoff/Posner
- Gemischte Logen in Österreich