Traktat: Alte Lexika über Freimaurer: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 13. Juli 2012, 13:34 Uhr

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MEYER 1876

Stichwort „Freimaurer“ im 19. und im frühen 20. Jahrhundert

Eine kleine Zeitreise von Rudi Rabe für ZEIT&MASS, das Mitgliedermagazin der Großloge von Österreich: Zeit & Maß

Frühes 19. Jahrhundert

Erhebliche Unterschiede zwischen dem liberalen BROCKHAUS und dem katholischen HERDER.

Die beiden 'Conversations-Lexika' waren schon damals mit dem ‚Meyer‘ die ‚Großen Drei‘ und weit verbreitet. Der Freimaurerei widmeten beide eine ganze Seite. Doch der Geist dahinter war sehr verschieden. Auszüge:

Im MEYER 1876 sechs Zeilen über Österreich: Verbot der Freimaurerei 1794, die Kurzzeitloge 1848, und dann ganz aktuell: „Seit 1874 und 1875 haben sich in Wien vier Logen aufgethan (Humanitas, Zukunft, Sokrates und Lessing), die indessen auf ungarischem Boden arbeiten müssen.“

BROCKHAUS 1838

„Freimaurer nennen sich die Mitglieder einer durch fast alle civilisirten Staaten der Erde verbreiteten Gesellschaft, welche sittliche Veredlung ihrer Mitglieder, gegenseitige Hülfe und Geselligkeit mit Ausschluß jedes Standes- und Vermögensunterschiedes zum Zweck hat.“

„In den meisten Staaten wurde der Ausbreitung des Ordens kein Hinderniß in den Weg gelegt, weil man den edeln Zweck desselben anerkannte, und weil es einer der Hauptartikel seiner Verfassung war, daß sich die Mitglieder in ihren Zusammenkünften nicht auf politische Meinungen einlassen, sondern den bestehenden Gesetzen und Regierungen Achtung und Ehrerbietung beweisen sollten.“

„Das Geheimnißvolle des Ordens ist von Vielen, theils böswilligen, theils schwärmerischen Menschen benutzt worden, um dem Orden fremde Zwecke unterzuschieben, Betrügereien unter dem Deckmantel desselben vorzunehmen, oder sich das Ansehen zu geben, im Besitz wichtiger, die tiefste Weisheit enthaltender Geheimlehren zu sein.“

HERDER 1854

Da sich der Zweck der Freimaurerei „durch die Fortbildung der ganzen menschlichen Gesellschaft gegenwärtig allgemeine Anerkennung erworben hat, sodaß ihn jeder Gebildete, auch ohne Freimaurer zu sein, erstrebt, so verliert die Freimaurerei immer mehr an Bedeutung, und jedem wahren Freimaurer kann selbst nichts mehr am Herzen liegen, als daß die Verwirklichung jenes Zwecks aufhöre, Sache einer einzelnen Gesellschaft zu sein, und zur Sache der ganzen Menschheit werde.“

Ein ebenso idealistischer wie naiver Schluss: Angesichts der Gräuel, die im zwanzigsten Jahrhunderten folgten, kann man über den Idealismus des Autors nur nachsichtig lächeln.

HERDER 1854

„Der Zweck des Ordens ist: Vereinigung von Männern aller Nationen, Religionen und Stände zum geselligen Verkehr und zur Förderung humaner Gesittung, man darf also Lessings 'Nathan der Weise' als das dramatisirte Programm des Ordens bezeichnen. Da religiöse Indifferenz eine seiner Grundlagen bildet, … hat der Orden noch überall die katholische Kirche angefeindet, wo dieselbe sich lebenskräftig äußerte, dagegen um so eifriger gleichgiltige und abgefallene Katholiken, Priester und Laien, in seinen Schooß aufgenommen. Der päpstliche Stuhl hat deßwegen die Freimaurerei verurtheilt und den Eintritt in dieselbe mit der Strafe der Excommunication belegt.“

„Der Orden will auch politisch indifferent sein, indem er weder Nation noch Stand berücksichtigt; das mag zeitenweise und da und dort der Fall sein, wie sich aber die Mitglieder politisch indifferent und theilnahmlos verhalten können, wenn eine politische Frage alle Gemüther beschäftigt, ist nicht leicht zu begreifen; auch haben die Freimaurer in Frankreich, Spanien, Italien und Belgien notorisch für politische Zwecke gearbeitet und auch in Deutschland läßt sich die Spur deutlich genug verfolgen.“

„Überhaupt fühlt man sich, wenn man notorisch unsittliche Menschen als Ordensbrüder figuriren sieht, zu der Ueberzeugung hingedrängt, daß die sittliche Wirksamkeit der Maurerei eine unbedeutende sein müsse.“

Katholisch-kulturkämpferisch: Das wird sich in den Jahrzehnten danach noch verschärfen aber im zwanzigsten Jahrhundert dann deutlich nachlassen.

Frühes 20. Jahrhundert

Was die Nazi-Zensur aus dem BROCKHAUS machte.

BROCKHAUS 1937

„Freimaurerei: Eine über die Erde verbreitete, einflußreiche überstaatliche Geheimgesellschaft (Freimaurerbund). Die Freimaurer bilden Gemeinschaften (Logen) und verwenden Symbole, Bilder und Gebräuche, die meist dem Maurerhandwerk und dem Alten Testament entnommen sind. Als ihr Ziel bezeichnen die Freimaurerei ‚gemeinsames Streben nach sittlicher und geistiger Veredelung und nach Förderung der Glückseligkeit bei sich und den Mitmenschen durch gute Taten in rein menschlicher und weltbürgerlicher Weise‘.“

Es folgt ein Absatz über die innere Struktur und die Geschichte der Freimaurerei. Und dann wird es endgültig politisch mit dem „erheblichen innen- und außenpolitischen Einfluss, besonders in den romanischen Ländern. Die Freimaurerei ist seit ihrem Bestehen auf scharfe Gegnerschaft gestoßen; früher waren katholische, in neuerer Zeit sind völkisch-nationale Kreise führend. Verschiedene Länder haben den verderblichen Einfluss des überstaatlichen Geheimbundes der Freimaurer auf ihr nationales und völkisches Schicksal erkannt und sich durch Verbote dagegen geschützt, so Portugal, Ungarn, Italien.“

Falsch: das Märchen von der Freimaurerei als weltweit tätige Geheimgesellschaft. Richtig: die Hauptgegnerschaft hatte sich von der katholischen Kirche oder auch anderen Kirchen auf „völkisch-nationale Kreise“ verlagert. Kein Wunder, die Kirche bekam andere Sorgen, war sie doch selbst zu einem Feindbild der neuen totalitären Bewegungen geworden.

Die authentische Nazi-Propaganda gegen die Freimaurerei überläßt der Brockhaus dann aber doch lieber einem Nazi-Bonzen. Er zitiert Alfred Rosenberg, den sogenannten ‚Chefideologen‘ der Hitler-Partei: „Der Nationalsozialismus lehnt die Freimaurerei aus folgenden Gründen ab (A. Rosenberg): Die romanisch-angelsächsischen Logen, besonders die Loge ‚Großorient von Frankreich‘ sowie die serbischen Freimaurer haben eine deutschfeindliche Politik betrieben; die liberal-plutokratische Logenpolitik befindet sich in stärkster Abhängigkeit von der jüdischen Finanz.

Der BROCKHAUS in der Nazizeit

Die deutsche Gesamtmaurerei hat sich durch Duldung der zum Teil landesverräterischen Umtriebe des linken Flügels der Logen mitschuldig gemacht; auch der ‚nationale und christliche‘ Flügel hat weder Ritual noch Weltanschauung aufgegeben. Weil niemand den einzelnen Maurer zu werten vermag, so haben alle gemeinsam die Folgen zu tragen. Kein Freimaurer kann Mitglied der NSDAP werden. Im Deutschen Reich wurde dementsprechend die Freimaurerei 1933-35 beseitigt.“

Alfred Rosenberg wurde im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet. Er war einer der Haupthetzer gegen die Freimaurer. Seine Ideologie verbreitete er in vielen Zeitungsartikeln und Büchern.

Übertroffen wurde er noch von Erich Ludendorff, dem deutschen General des Ersten Weltkriegs, der einen amalgamierten Juden- und Freimaurerhass zu seinem Lebensinhalt gemacht hatte. In seinem Pamphlet „Vernichtung der Freimaurer durch Enthüllung ihrer Geheimnisse“ schreibt er: „Das Geheimnis der Freimaurerei ist überall der Jude“ mit dem Ziel der „Verjudung der Völker“ und der „Errichtung der Juden- und Jehova-Herrschaft mit Hilfe aller Völker.“ Nichtjüdische Freimaurer seien „künstliche Juden“, sie seien „für immer für Deutschland verloren“. Die Freimaurer seien „staatsgefährlich, vielleicht sogar landes- und hochverräterisch.“

Angefeuert wurde der General von seiner Frau Mathilde: „Die Freimaurerei ist durch diesen Schlag des Feldherrn vernichtet und das Deutsche Volk wieder einmal durch ihn vor dem Untergang gerettet“ worden.

Siehe auch: