Der Zweck der Freymaurerey: Unterschied zwischen den Versionen

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*[[Konvent von Wilhelmsbad 1782]]

Version vom 19. November 2013, 19:17 Uhr

Der Zweck der Freymaurerey

Bearbeitung: Roland Müller


Jean Pierre Louis [auch: Johann Ludwig von] Beyerlé;
Abhandlung über die allgemeine Zusammenkunft der Freymaurer, bey dem Gesundbrunnen in Wilhelmsbad, ohnweit Hanau.
Ins Teutsche übersetzt, mit Anmerkungen und Erläuterungen, von R. v. S. (= Ritter von Schwann = Adolph von Knigge).
Frankfurt am Main: Brönner 1784, 13-17, 44-45, 50-51, 212-216
frz.: De Conventu Generali Latomorum. Apud aquas Wilhelminas, prope Hanauviam. Frankfurt am Main: Brönner 1782;
Faksimilenachdruck Paris: Libris éd. 1997.


ohne die Zitate von Cicero

13-17

Herrliche, schöne Verbindung! Giebt es eine ehrwürdigere, wünschenswerthere, dauerhaftere als die ist, welche nur aus rechtschaffenen Männern besteht, welche, vereinigt durch Reinigkeit der Sitten, in der heiligsten Vertraulichkeit leben?

Wohlan denn, meine Brüder! Diese Gesellschaft ist die Gesellschaft der Freymaurer. Denn was ist ein wahrer Freymaurer? Ist er nicht ein Mann von der gewissenhaftesten Redlichkeit, der mit dem wärmsten Eifer seine Pflichten gegen das höchste Wesen, gegen sein Vaterland, seine Familie und seine Freunde erfüllt?

Er liebt die Wahrheit, die er ohne Unterlaß sucht; er flieht Lügen und Betrug. Er trachtet der Weisheit, nach, und fühlt, daß er diese nur in Ausübung der Tugend finden kann, der Tugend, die einfach ist, wenn gleich sie, sich in viel Zweige ausbreitet. Er folgt ihr auf allen diesen Zweigen ohne Ruhmsucht, ohne Prahlerey, um ihrer selbst willen, um Seinetwillen.

Wohlthätig, so sehr aus Geschmack als aus Pflicht, wird er unaufhörlich von der lebhaftesten Begierde getrieben, seinen Mitmenschen die gröste Summe der Glückseligkeit zu verschaffen. Wenn er durch Versuche und Nachforschungen eine glückliche Entdeckung macht, welche seinem Bruder Nutzen und Vortheil bringen könnte, dann eilt er, sie ihm mitzutheilen. Er geht denen entgegen, die seiner Hülfe bedürfen, hilft ihnen mit klugen Rathschlägen, mit seiner Börse, mit Trostgründen.

Er ist der zärtlichste, uneigennützigste Freund. Zwey Freymaurer haben eine vollkommene Gleichheit der Sitten, denselben Willen, dieselben Leidenschaften, sie machen nur Eins aus, so enge sind sie durch die Bande der Freundschaft verknüpft.

Der wahre Freymaurer fliegt in den Tempel der Gerechtigkeit, und rettet durch seine Beredsamkeit die unterdrückte Unschuld; er wacht im Cabinette über den Ruhm seines Vaterlandes; er stürzt mit den Waffen hinaus zur Vertheidigung seiner Mitbürger; besitzt aber weder das Talent der Beredsamkeit, des Staatsmanns, noch des Soldaten, dann redet wenigstens das für ihn, daß er gerecht, wahrhaftig, wohltätig, bescheiden und mäßig ist, und er erfüllt eine Bestimmung, die jene Vorzüge, welche ihm fehlen, vergessen macht.

Sehen Sie, das ist der wahre Freymaurer! Sagen Sie mir, ob man sich eine ehrwürdigere, wünschenswerthere Gesellschaft denken kann, als diejenige, welche aus solchen Mitgliedern zusammengesetzt ist!

Diese Gesellschaft würde keines Gesetzbuchs bedürfen, es würde im Innersten des Herzens jedes Mitglieds geschrieben stehen. Von Strafgesetzen rede ich nicht, die würden sie gar nicht kennen, nur von moralischen Gesetzen ist die Frage.

Aber auch da geht es mit dieser Gesellschaft, wie mit Platons Republik; es ist nicht möglich, ihr diejenige Vollkommenheit zu geben, welche ihr der Weltweise zugedacht hatte. Nicht jedes Mitglied der Gesellschaft der Freymaurer hat alle Eigenschaften, die einen wahren Freymaurer ausmachen, obgleich er das Verlangen hat, sie zu besitzen, obgleich er unermüdet dem grossen Werke entgegenarbeitet. Es ist also nöthig, daß diese Gesellschaft, so wie alle andere, in Ordnung erhalten werde. Nun hat aber jede Gesellschaft ihre Gesetze.


44-45

… Aus entgegengesetzter Ursache wird jede Gesellschaft, welche einen redlichen, nützlichen, gerechten Zweck, und gute aus diesem Zwecke hergeleitete Gesetze, hat, deren einzelne Glieder rechtschaffen, milde, tugendhaft, aus Temperament wie aus Grundsatz, und Feinde einer solchen Regierungsform sind, welche der gesellschaftlichen Stiftung entgegen ist, die nur weise Gesetze und wohlthätige Eintracht lieben, diese weisen Gesetze ehren, denselben gehorchen, und die Eintracht unterhalten; eine solche Gesellschaft verdient Verehrung, und wird verehrt; verdient, daß man sie aufsuche, und wird aufgesucht werden. Die Grossen der Erde werden sie in ihren Staaten schützen, weil es wichtig für den Staat ist, daß er mit tugendhaften Unterthanen bevölkert sey.

Dies ist das Wesen der Gesellschaft der Freymaurer. So wird diese ehrwürdige Gesellschaft immer beschaffen seyn, wenn sie in ihren Schoos nur tugendhafte Männer, oder solche aufnimmt, die sich eifrig bestreben, tugendhaft zu werden; wenn ihr Zweck redlich, nützlich und gerecht ist; wenn alle, welche die Geschäfte der Gesellschaft führen, oder das Recht erlangt haben, in die Geheimnisse des Ordens einzudringen, diesen Zweck kennen; wenn die Gesetze, durch welche sie regiert wird, auf Gerechtigkeit, Redlichkeit und Nützlichkeit gestützt sind; wenn sie Muth genug hat, die Thore ihrer Tempel den falschen, stürmischen, neuerungssüchtigen, betrügerischen, herrschsüchtigen, heuchlerischen und allen andern lasterhaften und gefährlichen Geschöpfen zu verschliessen, die das Glück einer sanften, redlichen, wohlthätigen, menschenfreundlichen Verbindung zerstören würden.


50-51

Der Zweck der Freymaurerey ist von allen Seiten in Gleichnissen und Sinnbildern versteckt; diese Sinnbilder, diese Anspielungen, so bedeutend sie sind, haben den Fehler solcher geheimnisvollen Gattung, daß sie nemlich nicht so geschickt sind, eine bestimmte Sache auszudrücken, daß sie nicht auch dienen könnten, eine andre Sache zu bezeichnen, die oft jener schnurgerade entgegen ist. Auch haben unter denen, die den wahren Zweck der Maurerey zu ergründen suchten, einige diesen, andre jenen Zweck zu entdecken geglaubt. Der gröste Theil, es ist wahr, spürt denselben Fusstapfen nach, den Fusstapfen der Tugend, und sieht denselben allgemeinen Zweck vor sich, das gröste Glück der Menschheit zu befördern. Aber dieser allgemeine Zweck, wenn gleich er sich nicht auf den verschiedenen Wegen, die man nimmt, verliert, läßt sich dennoch von mehreren Seiten ansehen, und das hängt von dem physischen Baue ab, der, wie ich vorhin gesagt habe, so mächtig auf den moralischen Zustand würkt. Von zwölf Systemen sind freylich eilf im Irrthum, aber wenn dieser Irrthum die Wohlfahrt der Menschen nicht beeinträchtigt, wenn er die Quelle der Wohlthätigkeit nicht verstopft, wenn er die werkthätigen und kraftvollen Bemühungen der Menschenliebe nicht hemmt, sollte man dann jene eilf interessante Systeme vernichten, weil die Anhänger derselben nicht den Grad von Einsicht, das feine Urtheil haben, das nöthig ist, um den Werth und ausschliessenden Vorzug des zwölften Systems zu fühlen?


212-216

Der Zweck der Maurerey ist, den Ursprung des Menschen, die Ursache und den Grund seiner Schöpfung zu kennen, welches ein Studium, eine Anstrengung erfordert, die den Studien und Bemühungen, welche man auf die Kenntnisse aller übrigen Dinge verwendet, welche auf Systeme zurückgeführt sind, gar nicht gleichen, «eil es ohnmöglich ist, zu dieser Kenntniß zu gelangen, ohne sich den erhabenen Begriff der Gottheit vorzubilden, und ohne sein Bestreben seyn zu lassen, in deren anbethungswürdige Anordnungen zu dringen.

Um dahin zu gelangen, wird nothwendig eine Heiligkeit von Sitten, eine demüthige und ehrerbiethige Anbethung erfordert, und daß man ausziehe den alten Menschen, (um mich der eigenen Ausdrücke zu bedienen) und den neuen anziehe. Es ist nöthig, daß die Seele sich gänzlich absondre von der groben materiellen Maschine, die sie umhüllt, um sich vollkommen der Geistigkeit des Gegenstandes zu überlassen, der sie beschäftigen soll, um vom höchsten Wesen die besondere Gnade zu erhalten, in der Arbeit des Anschauens, dem sie sich überläßt, erleuchtet zu werden.

Natürlicherweise soll auf diese Kenntniß eine untergeordnete folgen, welche die Schöpfung der verschiedenen Planeten, Sterne, und aller Dinge, die man auf der Erde findet, zum Gegenstande hat, die Wissenschaft von ihren Verhältnissen, Aehnlichkeiten und Eigenschaften. Das nennt man wahre Weisheit, dieselbe Weisheit, welche Salomon und einige andre privilegirte Wesen erlangt haben. Aus ihr soll man die Erklärung der Geheimnisse der h. Schrift, der Bibel, der Gleichnisse und der Wunder unsres Erlösers schöpfen.


Man begreift, wie ohnmöglich es ist, daß alle Menschen diese Gnade erlangen, Das unbedingte Gesetz, sich das nöthige Physische zu erwerben, ist ein unübersteigliches Hinderniß, welches einige abhält, sich diesem heiligen Studium zu widmen, indeß bürgerliche Pflichten die andern zurückhalten, oder der Strohm der Begierden, der Geschmack an nichtigen Vergnügungen, der zehrende Hunger nach menschlichen Kenntnissen, die Wuth des Ehrgeizes, die faule Unwürksamkeit, der Mangel an Empfänglichkeit, die Sorglosigkeit in religiösen Gegenständen, die Unwissenheit über diese Art von Gelehrsamkeit u. s. f. sind eben so viel Schlagbäume, die den Eingang der Laufbahn verschliessen, und eben so viel Bewegungsgründe, welche die Eingeweiheten haben abhalten können, dies System zu entwickeln. Denn, wenn sie die Menschen kannten, so sprachen sie unter sich: Wer sich nicht zu diesem Studium schickt, der wird die Sache nach seiner Art, die gewöhnlichen Dinge anzusehen, beurtheilen. Wenn er sie nicht erreichen kann, so wird er Spott und närrischen Scherz gegen einen Gegenstand auslassen, der so sehr über seinen Gesichtskreis erhaben ist.

Siehe auch: