Traktat: Alfons Mucha, Künstler und Freimaurer: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. Februar 2014, 13:56 Uhr
Alfons Mucha, Künstler und Freimaurer
Quelle: Quatuor Coronati Jahrbuch 1986
Autor: Alfred Fantis
lm Jahre 1985 sind 125 Jahre seit der Geburt eines berühmten Künstlers der Jahrhundertwende vergangen. Zu seinem 120. Geburtstag wurden mehrere Ausstellungen, wie z. B. in Darmstadt, Paris und Prag veranstaltet. Es gab wohl keinen bedeutenden Maler der Sezession und keinen Graphiker des Jugendstils, dessen Werk - ob zu Recht oder Unrecht - nicht in Zusammenhang mit der Persönlichkeit Muchas erwähnt worden wäre.
Er gehörte zu den berühmten Gründern der Sezessionsepoche der bildenden Kunst, wurde zum hervorragenden Vertreter des Symbolismus, gehörte der Gruppe der'Art nouveau" in Paris und ebendort der Avantgarde der Plakatbilder-Maler neben Toulouse- Lautrec, Cheret, Cassandre, Capielleo und anderen an. Es war die Zeilder Entfaltung van Goghs und der Pont-Avenschen Schule mit Paul Serusier und Paul Gaugin - Muchas Freund - an der Spitze. Damals setzte sich die Gemeinschaft der "Les lndependents" im Prozeß des Unwerten der impressionistischen Malerei, vertreten durch Paul Signac und Georg Seurat und der Einfluß der dekorativen Malerei von Puvis de Chavannes durch. Diese dynamische Entwicklung der modernen bildenden Kunst in Paris gestaltete besonders das schöpferische Werk und den künstlerischen Werdegang Muchas.
Alfons Mucha ist am 24. Juli 1860 in lvancic in Mähren geboren. Er war eines von 6 Kindern, seine Eltern waren ziemlich arm. Trotzdem verstand er es, den Widerstand seiner Familie gegen seinen Entschluß, Kunstmaler zu werden, zu überwinden.
Nach einigen Lehrjahren in Wien unter dem Einfluß des damals sehr berühmten Kunstmalers Makart wurde er von seinem späteren und treuen Gönner Graf Khuen von Mikulöic als begabter Künstler entdeckt und zur Ausbildung in die Münchener Kunstakademie geschickt, wo er mit Erfolg im Jahre 1885 die Prüfung in der figuralen Malerei abgelegt hat. München war damals der Deutsche Montparnasse, nicht ohne Einfluß des Königs Ludwig ll., Förderer des neuantischen Akademismus. lm Gegensatz dazu gärte aber schon in München ein neuer künstlerischer Stil, der später durch die Zeitschrift "Jugend" im Jahre 1894 als "Jugendstil" eingeführt wurde.
Nach Beendigung seiner Studien in München arbeitete Mucha vorübergehend für seinen Mäzen Graf Khuen. Er dekorierte das neue schloß Khuens mit Wandmalereien, und sowohl sein Gönner als auch seine Freunde waren begeistert. Der Graf ermöglichte deswegen Muchas weitere Ausbildung in Paris. Voll von Enthusiasmus nahm Mucha seine studien bei Lefebvre, Boulanger und Laurens auf. Bald folgten jedoch für den jungen Künstler trostlose und magere Jahre. Nur durch Zufall, mit einem Plakat für die damals sehr berühmte Schauspielerin Sarah Bernhardt, eroberte Mucha auf einen Schlag die Herzen des künstlerischen Paris und gewann große Popularität durch einen ganz neuen Stil dieser Malerei, die sehr "modern" war. Er bekam Angebote zum lllustrieren der Bücher von Robert de Flers, Charles Seignobos, Anatole France und anderen.
Mucha selbst hat einige Bücher herausgegeben, wie "Documents decoratifs" und mit hervorragenden lllustrationen monumentaler Art das Werk "Le Pater" - das "Vater unser", ',Meister Johannes Hus", und illustrierte außerdem Seignobos' hervorragendes ' Buch "Scénes et Episodes de 'l'Histoire d'Allemagne',. Danach ging es weiter bergauf. Mucha wurde im Jahre 1898 zum Professor an der Akademie Colarossi in Paris ernannt, später zu ähnlichem Lehrauftrag (1905) in New York in der "School of applied Design for Women, danach in Chicago und Philadelphia. In den Vereinigten Staaten arbeitete er mit Unterstützung des amerikanischen Magnats Charles Crane auf dem monumentalen Zyklus "Slavische Epopäe". Die Ausstellungen wurden zur Weltsensation. ln dekorativer Kunst in Paris, besonders bei der Weltausstellung und auch in anderen Städten Europas gehörte er zu den Spitzenkünstlern der Sezession und Jugendstils ln der ganzen Welt, besonders aber in Frankreich, Deutschland, Böhmen und Amerika sind mehrere Bücher über Muchas Persönlichkeit, Werk und Schöpfung erschienen.
Namentlich im letzten Jahrzehnt hat man sich wieder - dank der Publikationen seines Sohnes Jiri Mucha - mit ihm beschäftigt. ln der Bundesrepublik ist ein ausführlicher und hervorragender Katalog zur Ausstellung anläßlich seines 120. Geburts- tages auf der Mathildenhöhe Darmstadt im Jahr 1980 erschienen, und im Jahr 1982 Georg Muchas Buch über seinen Vater. In keinem dieser Bücher oder anderen mir bekannten Publikationen erfährt man, daß Mucha nicht nur begeisterter Freimaurer, sondern sogar Großkommandeur des Schottischen Ritus' in der CSR war.
Daß sein Sohn Georg darüber geschwiegen hat, obwohl man zwischen den Zeilen lesen kann, daß er es wohl davon wußte, ist zu verstehen. Seine neueste Publikation ist in Prag und zweifellos auch nicht ohne Zensur erschienen.
Im Darmstädter Katalog schrieb der Direktor der Nationalgalerie von Prag Jiri Kotalik Über Mucha ziemlich kritisch in dieser Hinsicht: "Von den Bereichen, die seine vielfältigen aber oft inkohärenten geistigen Vorstellungen beeinflußten, sind zu nennen: Katholizismus, Mystizismus und liberalisches Aufklärertum, Spiritismus, Freimaurertum und konservativer Nationalismus".
Eine Mitautorin an diesem Katalog J. Brabcová verwechselt sogar die Königliche Kunst mit dem Rosenkreuzerorden: "Mucha sah in den Zeichnungen und lllustrationen von Carlos Schwabe (1866-1926) ein Vorbild. Wie diesen nahm auch Mucha die Atmosphäre des Rosenkreuzerordens gefangen, zu dessen Programm, den Kult des ldeals und der Tradition durch Schönheit auszudrücken, wie man es einfach formulieren kann" er sich eher hin- gezogen fühlte, als zu den Gedanken, die von der Zeitschrift "La Plume" und im Umkreis des" Salon des Cents" vertreten wurde. Nach der Autorin war der Grund zu Muchas Hinwendung zum Rosenkreuzerorden sicherlich dessen exklusives Milieu! Hier liegen sowohl Unkenntnis als auch Systemtreue der Autorin zugrunde.
Alfons Mucha als Künstler war in meiner alten Heimat ein Begriff - alle bewunderten ihn als einen großen nationalen Künstler - über seine Biographie selbst wußte man wenig. Jeder Freimaurer müsste sich deswegen gefreut haben, seinen Namen, Laudationen und Festschriften über ihn und sogar auch seine persönliche Erinnerung über sein Leben und Aktivitätt in der Königlichen Kunst besonders im freimaurerischen Schrifttum und Zeitschriften der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts lesen zu können.
Sehr eindrucksvoll ist die Schilderung dieses weltberühmten Künstlers und großen Menschen über die besonderen Umstände seiner Aufnahme, die er in einer Sammlung "Suchende in der Finsternis" verfaßte.
Mucha schrieb: "Dem Begriff Freimaurerei begegnete ich schon in meiner Kindheit. ln den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, in der Zeit der Verbannung der Königlichen Kunst durch den Papst Pius lX. wurde die Freimaurerei zum Teufelsbegriff des Schreckens. Es hat gereicht dazu, daß jeder Gläübige dabei Schwefel und Pech riechen müßte" - es wurden Greuelgeschichten über die Freimaurer als Teufelsdiener erzählt."
ln seiner Ausbildungszeit, einmal von seinem Mäzen Gral Khuen zum Abendessen eingeladen, in Anwesenheit einiger deutscher Aristokraten, kam die Rede auf die Freimaurerei. Mucha schreibt darüber: "lch hatte den Eindruck, dass über etwas Ungeheueres und sehr Gefährliches, was man lieber meiden sollte, gesprochen wird. Es wurde dabei von den Gästen viel Kritik über die Königliche Kunst geübt.
Zur Überraschung aller Anwesenden erklärte Graf Khuen mit leiser Stimme: "Meine Lieben, ich vermute, daß Sie sich alle irren! lch würde es sogar für große Ehre halten, wenn ich auch in die Freimaurerei aufgenommen werden könnte" und fast flüsternd gab er zu: "sogar der Deutsche Kaiser ist auch ein Freimaurer!"
Alle am Tisch staunten, ich selbst aber hörte es von Khuens Mund und es hat gereicht, im Geiste umzukehren und die Freimaurerei mit heimlicher Verehrung von jetzt an zu betrachten. lch habe ein Geheimnis kennen gelernt, das mich nicht mehr verlassen hat und es ging mit mir nach Jahren nach Paris, wohin ich im Herbst 1886 ankam".
In Paris konnte Mucha in den Zeitungen, besonders im damals populären Boulevardblatt "L'intransigeant" von einem Pamphletisten Henri Roquefort viel lesen. Er verleumdete gerne die Freimaurer, die er spöt- tisch "Fréres trois points" bezeichnete. Dank dieser Zeitschrift konnte er paradoxerweise viele ausgezeichnete Maurer kennen lernen. Zu seiner Vorausbildung in der Königlichen Kunst hat eine ihm geschenkte Zeitschrift der Pariser Freimaurer "Le rameau d'or" erheblich beigetragen. Endlich vertraute er sich seinem Freund Br. Pierre Bezian an, der ihm Kontakt zu einer Loge ermöglichte. Nachdem Mucha Antrag um Aufnahme durch seinen Freund gestellt hat, bekam er nach längerem Warten wiederholte Besuche ihm bisher unbekannter Herrn, die mit ihm über alles mögliche diskutierten, und nach solchen Ermittlungen wurde er endlich in den Tempel in der Rue Cadet Nr. 20 eingeladen.
"Es empfingen mich zwei vermummte Gestalten in schwarzem Gewand, und ich stellte mich vor und wurde auffallend milde behandelt" schildert Muchal.. Eine der geheimnisvollen Gestalten führte mich irgendwohin abseits in ein dunkles Verließ, legte auf einen alten Tisch einen Papierbogen vor mich. Der furchtbare Mann teilte mir mit, ich soll mein Testament auf diesen Papierbogen schreiben und verschwand in der Finsternis." lm Kerzenlicht konnte er in der Ecke ein Skelett erkennen - die Wände der Kammer waren schwarz gestrichen.
"Das alles beeinflußte meine Stimmung. lch war eigentlich in einem Grab. Bin ich wohl ein Chrysalide, dem gewährt wird, in das helle Licht der Freimaurerischen Lehre emporzufliegen?" Nachdem Br. Mucha die 3 Reisen absolviert hatte, wurde er, - stets mit verbundenen Augen - von unbekannten Stimmen von allen Seiten mit Fragen bombardiert. Er sollte besonders Folgendes beantworten: "Wie möchten Sie die Kräfte nutzen, derer Sie sich bei uns zu befleißigen erhoffen?"
Nach langem Zwischengespräch erwiderte Mucha, er möchte besonders seinem unter dem Habsburgischem Joch unterdrückten Volke alle seine Kräfte widmen.
Dann wurde ihm plötzlich das Licht erteilt und er sah um sich mehr als 100 Brüder, die ihn freundlich anschauten und unter ihnen mehrere im kulturellen und politischen Leben berühmte Männer. Mucha wurde also im Januar 1898 in die Loge "Les inséparables du Progrès" im Orient Paris aufgenommen und im Jahre 1902 wurde ihm der Lohn erhöht.
Aus der Schilderung Muchas kann man ersehen, wie streng die Suchenden geprüft wurden und wie lange die Lehrlingsjahre dauerten. Alfons Mucha's aktive Arbeit in der Königlichen Kunst wurde leider durch einen Wandel in seinem künstlerischen Leben und durch den l.Weltkrieg unterbrochen. Er bekam, wie schon erwähnt, den Lehrauftrag in den Vereinigten Staaten, wo er seit dem Jahr 1904 künstlerisch und pädagogisch tätig war.
Während seines Aufenthaltes in Amerika wurde ihm leider nicht erlaubt, in eine Johannisloge zu affilieren, weil er Mitglied des Grand Orient de France war, der von den amerikanischen Brüdern nicht als regulär anerkannt ist. Die Ursache lag nach Muchas Schilderung darin, dass der Grand Orient de France aus dem Ritual den Begriff des Großen Baumeisters aller Welten entfernt hatte und deshalb auch aus der gerechten und vollkommenen Freimaurerei ausgeschlossen worden war.
Muchas freimaurerische Angehörigkeit blieb jedoch erhalten. Er traf sich mit vielen amerikanischen Brüdern, besonders Emigranten aus Böhmen, die schon im Jahre 1873 in den Vereinigten Staäten eine tschechischsprachige Loge gegründet haben. Solche Logen bestehen bis heute, und ich habe selbst die Gelegenheit gehabt, eine solche in Berwyn/lll. in der Nähe von Chicago zu besuchen.
Im Jahre 1908 bekam Mucha den Auftrag, das Gebäude von "German Theater" in New York malerisch auszuschmücken, und ein Jahr später übernahm Charles R. Crane die Finanzierung von Muchas Traum: die Schöpfung des monumentalen "slavischen Epos". Nach seiner Rückreise und wiederholtem Aufenthalt in Prag besuchte Mucha den "unpolitischen Verein Harmonia" den er nur durch Zufall entdeckte. Dieser Verein gehörte zu der Grenzloge "Hiram zu den drei Sternen" im Orient Pressburg, wie ich schon darüber berichtet habe. Es war die einzige Prager Grenzloge, die im Jahr 1908 entstanden war, und ihre Mitglieder warän deutsche, jüdische, ungarische und tschechische Brüder. Das brüderliche Zusammenleben, sogar auch in den ersten Jahren des Weltkrieges war trotz nationaler und Rassenunterschiede in der Diaspora beispielhaft. Nach dem Umsturz am Ende des Ersten Weltkrieges und Entstehung der selbstständigen Tschechoslowakischen Republik wurde das österreichische Verbot der Freimaurerei aufgehoben, und es kam zu einer raschen Entfaltung sowohl der deutschen als auch der tschechischen Maurerei. Die deutschen BrÜder vereinigten sich mit