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Aktuelle Version vom 20. Dezember 2020, 19:29 Uhr

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Wie die Germanen Freimaurer wurden

Auszug aus dem Buch "Wie die Germanen den Tanga erfanden"
Historische Reportagen
Von Wilhelm Ruprecht Frieling

Wir schreiben das Jahr 1738. In Minden hat der regierende Graf von Schaumburg-Lippe hohen Tischbesuch: Preußens »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. und seinen Sohn Friedrich. Im Gespräch mokiert sich der Monarch über die angeblichen Machenschaften der aufkommenden Freimaurerei Der Graf reagiert gelassen. Er selbst sei schon seit dreizehn Jahren Freimaurer. Friedrich Wilhelm I. hingegen ist fassungslos. Nicht minder beeindruckt, wenn auch im entgegengesetzten Sinn, zeigt sich sein Sohn, der spätere Friedrich der Große …

Zum Zeitpunkt dieses denkwürdigen Tischgesprächs war Friedrich 26 Jahre alt. Hinter ihm lag der Fluchtversuch aus der unerbittlichen Disziplin des Vaters, die Hinrichtung seines Freundes Katte, die bedingungslose Unterwerfung unter den Willen des königlichen Vaters. Nun sah er, angestachelt vom Bekenner-Mut des Grafen, die Chance, Gleichgesinnte zu finden. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass seine Mitgliedschaft geheim gehalten wurde.

Wie stand es um die Freimaurer im Deutschland des Jahres 1738, als Kronprinz Friedrich seine Mitgliedschaft beantragte? Die ersten Gründungen deutscher Freimaurerlogen zu Beginn des 18. Jahrhunderts gingen auf englische Einflüsse zurück. In den angelsächsischen Ländern hatten sich die Steinmetzgilden durch Reformation und Renaissance hindurch immer mehr zu geistigen Gemeinschaften gewandelt. In Schottland brachte zur Regierungszeit Jakobs V. (1512 bis 1542) Lord Saint-Clair italienische Bauleute ins Land und fasste sie mit schottischen Bauleuten zu einer Baubruderschaft im Stil italienischer Akademien zusammen. In England erklärte sich 1607 Jakob I., der Sohn Maria Stuarts, zum Protektor der Maurerei. Auch er ließ die Logen nach dem Vorbild italienischer Akademien organisieren – und schon bald wurde es in England Mode, Freimaurer zu sein.

Ein bedeutender Nährboden der Freimaurerei war das Rosenkreuzertum, das seine Mitglieder durch die Vereinigung von Rationalität und ihrer speziellen Kenntnisse aus den Bereichen der Astrologie und Alchimie zu »Wissenden« machen wollte. So waren am Ende des 17. Jahrhunderts viele Persönlichkeiten von Rang zugleich Freimaurer wie Rosenkreuzer, und unter dem Einfluss der Rosenkreuzer entwickelten sich die Freimaurerlogen zusehends von Standesvertretungen zu philosophischen Bruderschaften. Erhalten blieben große Teile der Rituale. Erhalten blieben vor allem ihre Symbole.

Als sich Kronprinz Friedrich um die Aufnahme in die Freimaurer-Bruderschaft bemühte, war die erste deutsche Loge gerade ein Jahr alt: die am 23. Oktober 1737 gegründete »Loge d’Hambourg«. Die Hamburger Freimaurer erkannten die außerordentliche Bedeutung des kronprinzlichen Beitritts und ließen dem jungen Mann kaum Zeit, seinen Antrag noch einmal zu überdenken. Baron Georg Ludwig von Oberg, als »Meister vom Stuhl« oberster Zeremonienmeister der Hamburger Loge, reiste sogleich nach Braunschweig, wo sich der Kronprinz gerade aufhielt, und in der Nacht vom 14. zum 15. August 1738 fand Friedrichs Aufnahme in die Bruderschaft statt, als Lehrling, der sogleich zum Gesellen befördert und zum Meister erhoben wurde. Bis vier Uhr morgens dauerte der Aufnahmeritus im Gasthof Korn in der Breiten Straße.

Bis 1740, dem Todesjahr des Vaters, verschwieg der Kronprinz seine Mitgliedschaft im Männerbund. Doch sofort nach dem Ende des Soldatenkönigs, bekannte er sich offen dazu und holte den vom Vater verbannten, mit Hinrichtung bedrohten Gelehrten und Aufklärer Christian Wolff nach Preußen zurück: Wolff erhielt einen Lehrstuhl an der Universität Halle. Dieses Bekenntnis Friedrichs zur Freimaurerei brachte der Brüderschaft großen Einfluss im preußischen Staat. Wichtige Ämter waren nur für Freimaurer zu erreichen, und was heute das viel zitierte Parteibuch für eine Karriere in Behörde und Verwaltung bedeutet, wurde im Staat des großen Friedrich durch die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge bewirkt. Wer Freimaurer werden wollte, musste zwei Bürgen stellen. Erst dann konnte er zum Aufnahmeritual zugelassen werden. Dem Neuling wurde erklärt, dass die »Freimaurerei ein besonderes, in Allegorien verhülltes und mit Symbolen veranschaulichtes ethisches System« sei.


Diese Initiationszeremonie hat sich nun in den inzwischen vergangenen bald dreihundert Jahren kaum geändert. In ihrer Symbolik erinnert sie an Mysterien der Antike. Hier wie dort ist der Ausgangspunkt der kultischen Handlung eine dunkle Höhle oder Kammer. Der Schritt vom Dunkel ins Licht soll dadurch symbolisch vollzogen werden. Vor Beginn der Zere24 monie werden dem Kandidaten Jackett, Kragen und Krawatte sowie alles Geld abgenommen. Später soll sich der Kandidat erinnern, wie er »arm und mittellos « von der Maurerei angenommen wurde, wenn er einmal einem bedürftigen Mitbruder begegnet.

Nicht erklärt werden folgende Handlungen: das linke Hosenbein des Kandidaten wird übers Knie hoch gerollt, das Hemd wird geöffnet, die linke Brustseite wird entblößt, und schließlich wird dem Kandidaten der linke Schuh ausgezogen und von einem Pantoffel ersetzt. Dem Kandidaten werden die Augen verbunden, und eine zusammenziehbare Schlinge wird ihm um den Hals gelegt. Dann erst wird die Sitzung der Loge formell eröffnet.

Ein Wächter versperrt dem Kandidaten den Weg: Er hält ihm die Spitze eines Dolches auf die entblößte linke Brustseite. Dann spricht der Meister vom Stuhl ein Gebet zum »allmächtigen Vater und höchsten Herrscher des Alls«. Anschließend stellt der Meister dem Kandidaten eine Reihe genau festgelegter Fragen, die ohne Stocken zu beantworten sind. Darauf kniet der Kandidat vor dem erhöhten Sitz des Meisters nieder, »wobei sein Fuß mit dem Bein einen rechten Winkel bildet«. Mit der Spitze eines Zirkels berührt er seine Brust und schwört, nichts von den Geheimnissen der Maurerei an Außenstehende zu verraten – und das klingt geheimnisvoller, als es zu verstehen ist. Immerhin: Der Kandidat muss nun erklären, im Fall des Eidbruchs auf sich zu nehmen, »dass mir die Kehle durchgeschnitten, dass mir die Zunge an der Wurzel ausgerissen und im Sand des Meeres an der Niedrigwassermarke eingegraben wird oder eine Kabellänge entfernt vom Ufer, wo Ebbe und Flut regelmäßig abwechseln, zweimal alle 24 Stunden, oder die höchst wirksame Strafe, dass ich gebrandmarkt werde als vorsätzlich Eidbrüchiger, bar jeden sittlichen Wertes und vollkommen unfähig, in diese verehrliche Loge aufgenommen zu werden …« Die drastische Sprache entstammt mittelalterlichem Denken: In den alten Handwerksgilden gab es in der Tat Geheimnisse zu bewahren, die das Überleben der Zunft sicherten. Heute haben die starken Worte symbolischen Wert.

In den vergangenen Jahrhunderten ist indes oft geplaudert worden – wie sonst wüsste die interessierte Öffentlichkeit inzwischen nahezu alle Einzelheiten freimaurerischer Rituale. Doch auch heute noch verpflichtet sich der Kandidat durch Eid zur Geheimhaltung. Nach dem Schwur werden dem Neuling Augen binde und Schlinge abgenommen, er bekommt den Tritt, das Zeichen, den Griff und das Wort, Symbole, durch deren Kenntnis er sich als Freimaurerlehrling ausweisen kann. Der Tritt ist ein kurzer Schritt mit dem linken Fuß, wobei die Ferse des rechten in den Winkel zwischen Unterschenkel und Fuß gesetzt wird. Das Zeichen ist eine rasche Bewegung der Hand über die Kehle. Mittels des Griffs gibt sich der Lehrling zu erkennen, indem er bei der Begrüßung mit Handschlag seinen Daumen leicht auf das Zeigefingergelenk des Gegenübers drückt.

Zuletzt bekommt der Lehrling das Wort gesagt: »Boas«, was »mit Kraft« bedeutet. Als Zeichen, dass er nun als Lehrling aufgenommen ist, erhält das neue Mitglied den Schurz und als Werkzeug des ersten Grades ein 24-Zoll-Maß als Symbol für die 24 Stunden des Tages. Der Hammer hingegen ist Symbol für die Kraft des Gewissens, der Meißel Zeichen für die Vorteile der Bildung. Der Neuling wird zum Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Staates, den Geboten der Bibel und den Regeln der Freimaurerei ermahnt. Abschließend erfährt er noch, er habe »die Arbeit des ersten Grades vollbracht«, und nach einigen Monaten kann er dann die beiden restlichen Grade, den des Werkgesellen und den des Meisters erlangen.

Das Ideal des Freimaurertums hatte sein im 18. Jahrhundert prominentester Anhänger, eben Preußens Friedrich der Große, gleich bei seiner Aufnahme formuliert. Wie bei den Freimaurern standen auch bei ihm im Mittelpunkt seiner von der französischen Aufklärung inspirierten Weltanschauung die Achtung vor der menschlichen Persönlichkeit, die Akzeptanz von Freiheit und Gleichberechtigung, ungeachtet aller politischen und konfessionellen Schranken. Und im Jahr 1738 erklärte er: »Es wird darauf ankommen, diesen Tempel zu erfüllen und zu durchdringen mit dem Geist, der Großes und Schönes schafft und fähig ist, aus dem geheimnisvollen Heiligtum hinaus wirksam und lebendig die Welt zu durchdringen …«


Aber das Freimaurertum seiner Zeit blieb auch von anderen Einflüssen nicht unberührt. Die rationalistische Aufklärung war ja nur das eine Gesicht des 18. Jahrhunderts. Es regten sich auch Gegenströmungen, und ein Visionär wie Emanuel Swedenborg, ein Magier wie Alessandro Cagliostro wurden die Stars einer in den Okkultismus flüchtenden Schickeria. Hellseherei, Geisterbeschwörung, Wahrsagerei und alchimistische Künste waren »in«: Keine Abendgesellschaft in besseren Kreisen, in der sich nicht die Tische hoben und die Seelen Verblichener beschworen wurden. Verschont blieb davon auch die Bewegung der Freimaurer nicht.


Friedrich der Große sah derartige Tendenzen mit Misstrauen. Wohl auch deshalb zog er sich immer mehr von der aktiven Freimaurerei zurück. Besonders die vom Reichsfreiherrn Karl Gotthelf von Hund gegründete Strikte Observanz lehnte der aufgeklärte Preußenkönig ab. Diese Lehre besagte, dass der Orden der Freimaurer nichts anderes sei als eine Nachfolgeorganisation des Templerordens, der von »unbekannten Oberen, Superiores Incogniti« geleitet werde. Entsprechend fiel die Tracht aus, die diese Gruppe schuf: Auf einem über weißwollenem Unterkleid getragenen weißen Mantel prangte das rote Templerkreuz, als Uniform galt ein purpurroter Waffenrock mit neun kleinen, goldbestickten Schleifen und blauer Weste.

Historiker wissen, dass es Ziel der Strikten Observanz war, den katholischen Einfluss in Deutschland zu verstärken. Auch wird der Gruppierung nachgesagt, sie sei von schottischen und französischen Jesuiten beherrscht gewesen, deren Ziel es war, die Stuarts gegen das protestantische Königshaus von England-Hannover zu unterstützen.

Wie auch immer: Besonders nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs machten Schwindler und Hochstapler wie Philipp Samuel Rosa oder Johann Samuel Leucht glänzende Geschäfte mit der Dummheit und Leichtgläubigkeit weiter Kreise des Hochadels. Besonders Leucht sollte unter dem Namen Georg Friedrich von Johnson-Fünen eine beachtliche Karriere machen. 1763 tauchte er in Jena auf und behauptete, ein schottischer Edelmann und Großprior des wahren Ordens der Tempelritter zu sein, dessen Auftrag darin bestehe, den schwindlerischen Ordenssystemen in Deutschland den Garaus zu machen. Leucht/Johnson brachte die Jenenser Freimaurer hinter sich und behauptete, sein Orden verfüge über unbegrenzte Geldmittel und eine große Geheimarmee, die sich gerade anschicke, Zypern zu erobern. Außerdem versuche er sich, hierin einem Zug dieses Jahrhunderts folgend, in der Herstellung von Gold.

Es spricht Bände über die geschärften Sinne vieler Adliger, denen auch die abenteuerlichste Mär noch nicht magisch-mystisch genug war. Erst als es ihnen selbst ans Portemonnaie gehen sollte, wurden die edlen Herren stutzig.

Von Hund, der gleichfalls Leucht/Johnson gehörig auf den Leim gegangen war, stellte endlich fest, dass er es mit einem »formellen Filou« zu tun habe. Als Mann von Ehre forderte er den Betrüger auf Degen und Pistole. Der suchte lieber das Weile. 1765 wurde er in Alsleben von preußischen Soldaten verhaftet und nach Weimar ausgeliefert. Auf Kosten des Ordens wurde Leucht/ Johnson bis zum Jahr 1775 in Luthers Zimmer auf der Wartburg festgehalten.

Rasch breitete sich nun das System der Strikten Observanz über ganz Deutschland aus und genoss einen hohen Ruf. Nicht weniger als zwölf regierende Fürsten gehörten dem Bund 1774 an. Die Mehrzahl der Logen hatte sich von der klassischen Freimaurerei abgewandt und diesem neuen System unterworfen. Zweifel an der Legitimität des selbst ernannten Heermeisters von Hund waren bereits vor seinem Tode mehrfach aufgetaucht, doch war es von Hund immer wieder gelungen, durch Vorlage ominöser Dokumente, die seine Initiation durch einen »Ritter von der Roten Feder« belegen sollten, seine Gefolgsleute bei der Stange zu halten.

Erst nach seinem Tode, auf dem Freimaurer-Konvent am 16. Juli 1782 in Wilhelmsbad, wurden die Praktiken der Strikten Observanz endgültig zu den Akten gelegt. Der General-Großmeister Herzog Ferdinand von Braunschweig hatte den Konvent einberufen, weil es ihm nicht gleichgültig sein könne, »Oberhaupt einer Gesellschaft zu heißen, die mit ihren Beschäftigungen keinen anderen Zweck verfolge, als durch Aufnahmen ohne Maß die Reichtümer der Logen zu vergrößern, den einzelnen Gliedern dadurch ökonomische Vorteile zu verschaffen und das beste menschliche Institut in eine Leibrentengesellschaft umzugestalten …«.

Der kluge Herzog akzeptierte nicht, dass man unter den Freimaurern immer noch an Geist und Sitte längst vergangener Ritterzeit festhielt. Der Konvent dokumentierte den ernsthaften Versuch, die ursprünglichen freimaurerischen Ideale neu zu beleben. Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis endlich Einigkeit unter den Freimaurern herrschte.

Naive Gläubigkeit, ja Dummheit, die auf diese Weise die Freimaurerbewegung im 18. Jahrhundert zu einer lächerlichen Karikatur verkommen ließen, haben ihr Schaden bis zum heutigen Tag gebracht. Denn auch außerhalb der Strikten Observanz, der mächtigsten Gruppierung, blühten die merkwürdigsten spirituellen Praktiken. Der mittelalterlichen Geborgenheit im Schoß des einen selig machenden Glaubens noch nicht entwachsen, griffen die Menschen begierig nach allem, was ihnen die nunmehr im Zeichen der Aufklärung wegrationalisierte Transzendenz der mittelalterlichen Kirche zu ersetzen schien Friedrich II. beobachtete jahrelang die Irrungen der Bewegung mit einer Mischung aus Spott und Besorgnis.


Dem Anhänger der Aufklärung war die Strikte Observanz mit allen ihren merkwürdigen Ablegern ein Dorn im Auge. Als sogar die heute noch in der Berliner Heerstraße residierende Mutterloge Zu den drei Weltkugeln der Observanz beitrat, stieg der königliche Großmeister aus dieser von ihm selbst begründeten Loge aus. Am 16. Juli 1774 erteilte er der neuen Großen Landesloge von Deutschland Schutzbrief und Anerkennung. Friedrich hatte diese Neugründung als einen Schritt in Richtung auf die von ihm vertretenen Ursprünge der Freimaurerei verstanden. Er forderte eine ernsthafte Neuordnung der Brüderschaft und untersagte in einer Kabinettsorder vom 29. Januar 1779 endgültig den Titelmissbrauch, der ein wichtiger Bestandteil der Pseudomaurerei gewesen war.

Wie konnte die derart zerstrittene Freimaurerei dennoch und bis heute überleben? Drei Männern kommt ein entscheidendes Verdienst zu: [[Johann Gottfried Herder]], Friedrich Ludwig Schröder und [[Gotthold Ephraim Lessing]]. Herder war sehr aktiv in seiner Loge Zum Schwert, der er 1766 als 22jähriger in Riga beigetreten war. Heute wird der tiefreligiöse Herder von den Freimaurern dafür gelobt, dass eben diese Religiosität »auf der einen Seite den Abfall in einen einseitigen Rationalismus, in aufklärerische Freigeisterei verhinderte«, er zugleich aber half, das Ausufern der Gefühlswelt zu zügeln, ohne dabei die Unmittelbarkeit des Erlebnisses zu zerstören. Entscheidendes bei der Durchsetzung der Herderschen Bestrebungen leistete Friedrich Ludwig Schröder, Schauspieler und Theaterdirektor in Hamburg. Er war es, der die grundlegende Reform der freimaurerischen Rituale durchführte: Nach zahlreichen Gesprächen mit führenden Freimaurern, unter anderem am 28. Juni 1800 mit Goethe, war der Weg zurück zu den Ursprüngen der Maurerei frei.

Lessing nun, 1771 zum Freimaurer geworden, zeigte sich schon von der Aufnahmezeremonie mehr als gelangweilt. Überliefert ist das folgende Gespräch zwischen einem Freimaurer und ihm. »Nun, Sie sehen doch, dass ich die Wahrheit gesagt, Sie haben doch nichts wider die Religion oder den Staat gefunden!« Darauf Lessing: »Ha! Ich wollte, ich hätte dergleichen gefunden, das sollte mir lieber sein!« Zu allem Überfluss erhielt Lessing wenige Tage später einen Brief des Großmeisters Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf, der ihn nach einigen platten Belehrungen aufforderte, eine Erklärung abzugeben, dass er »den Zirkel nicht überschreiten werde, den ihm die Freimaurerei vorzeichne«.

Zinnendorf forderte sogar, in Zukunft Lessings Manuskripte zensieren zu dürfen. Dieses Ansinnen ließ Lessings Meinung von den Brüdern Freimaurer nicht in den Himmel wachsen. Wenn man die Beziehung Lessings zu den Freimaurern allerdings verstehen will, darf man nicht bei seinem Verhältnis zu den engstirnigen Logenbrüdern stehenbleiben. Seine wirkliche Einstellung spiegelt sich in seinem Werk, beispielsweise in den Gesprächen für Freimaurer unter dem Titel Ernst und Falk.

In diesen Texten predigt Lessing die Prinzipien, zu denen sich die Freimaurerei noch heute bekennt: Toleranz und tätige Menschenliebe. Lessing lässt Falk sagen:

»Es wäre notwendig, dass sich in jedem Staate Männer zusammentun würden, Hand an das Trennende zu legen, Männer, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört. … Männer, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit nicht ekelt: in deren Gesellschaft der Hohe sich gern herablässt und der Geringe sich dreist erhebt. … Es sind die Freimaurer, die jene Trennungen, wodurch die Menschen einander so fremd werden, so eng als möglich wieder zusammenziehen …«

Vergleicht man Lessings Gedanken mit dem Gerangel um Titel und Verkleidungen, wie es zur gleichen Zeit für weite Kreise der Freimaurerei kennzeichnend war, dann liegt der Gedanke nahe, dass die Freimaurer mehr von Lessing profitiert haben als Lessing von den Freimaurern. Und klar wird auch, zwischen welchen entgegengesetzten Polen sich damals nicht nur die Freimaurerei, sondern die gesamte Gesellschaft bewegte. Auf der einen Seite verstaubter, rührseliger Kitsch von Rittern und geheimen Oberen, auf der anderen Seite kritische, scharfsinnige Geister, die allen Irrationalitäten eine klare Absage erteilten. Diese Zeit ging zu Ende.

Das Freimaurertum aber blieb und fand weiterhin seine berühmten Vertreter, so Karl Freiherr vom Stein, der 1807 Staatskanzler in Preußen wurde. Stein wollte dem Freimaurerbund eine »stärkere Wendung nach außen« geben. Und umgekehrt: Auch das »Außen«, die Politik, war stark maurerisch geprägt. Mit Unterstützung seiner Freimaurerbrüder schuf Stein sein bedeutsames politisches Reformwerk, das Preußen so nachhaltig beeinflussen sollte. Bis zum Dreikaiserjahr 1888 erfreute sich die Freimaurerei allerhöchster Patronage.

Schon 1822 hatte König Friedrich Wilhelm III. auf dem Kongress von Verona erklären lassen, er werde »den Freimaurerbund immer schützen, weil er wisse, dass diejenigen seiner Diener, die Maurer seien, zu den vorzüglichsten Staatsdienern gehören«. Auch der Sohn Friedrich Wilhelms III., später als Wilhelm I. der erste deutsche Kaiser, förderte die Freimaurer nach Kräften. Am 22. Mai 1840 trat er der Brüderschaft bei, nicht einer einzelnen Loge, »sondern allen, ohne Rücksicht auf deren Lehrarten«, wie es der Vater weise angeordnet hatte. Um 1853, als sich die Freimaurerei zunehmend schweren Angriffen seitens protestantischer und katholischer Theologen ausgesetzt sah, stellte sich Wilhelm I. ausdrücklich vor die Brüderschaft.

Allerdings: Die Freimaurerei hatte auch ihre Gegner, und einen der mächtigsten erhielt sie in Otto von Bismarck. Der erste Reichskanzler entsetzte sich mehrfach über die Patronage unfähiger Maurer für Ämter, denen sie nicht gewachsen waren. Das »brüderliche Eintreten füreinander« wurde gegen Ende des Jahrhunderts zunehmend zu einem Ärgernis für alle Nichtmaurer. Auch Wilhelm II. stellte sich gegen sie und ging nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg sogar so weit, die Freimaurer für Deutschlands Zusammenbruch verantwortlich zu machen.

Die Nationalsozialisten, ohnehin immer auf der Suche nach Sündenböcken, griffen die Anschuldigungen auf. 1935 wurde die Freimaurerei in Deutschland verboten. Die Archive der Logen wurden vernichtet, die Mitglieder verfolgt. Aber gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann die Reorganisation, und am 19. Juni 1949, nach der Gründung der Bundesrepublik, trafen sich 700 Freimaurer aus 151 Logen in der Frankfurter Paulskirche. Sie gründeten die Vereinigte Großloge von Deutschland, die heute Großloge der Alten, Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland heißt. 1958 gelang es Großmeister Theodor Vogel, alle Groß und Landeslogen unter voller Autonomie hinsichtlich der Lehrart und der inneren Struktur zu den Vereinigten Großlogen von Deutschland, Bruderschaft der Deutschen Freimaurer zu vereinen.

Es ist heute kein Geheimnis, dass Männer wie der ehemalige Verteidigungsminister Hans Apel, Ex-Ministerpräsident Holger Börner oder die Schauspieler Karlheinz Böhm oder Fritz Muliar zu der Brüderschaft gehörten. Sie alle scheinen, wie einst Goethe, Haydn, Mozart oder General Blücher, von einer Lehre angezogen, die »höchste Achtung vor der menschlichen Persönlichkeit und ihrer Freiheit und Gleichberechtigung über alle weltanschaulichen, politischen, konfessionellen Schranken hinweg« proklamiert, zwischen Rationalismus und mystischen Vorstellungen.

Die Freimaurer unserer Tage betonen die innere Gleichberechtigung aller Logenmitglieder »unter Wahrung der nun einmal für das Hineinwachsen in eine Brüderschaft erforderlichen drei symbolischen Handwerkergrade Lehrling, Geselle und Meister.«

Es gibt keinerlei Geheimlehre und keinerlei nur Eingeweihten zu offenbarende freimaurerische Geheimnisse, sondern ausschließlich das »Geheimnis des Erlebnisses der Brüderschaft«, das immer wieder neu gewonnen werden will »durch die ständige selbstkritische Ausrichtung und Selbsterziehung zur Humanität, deren höchste Vollendung die Utopie von der Brüderlichkeit aller Menschen ist.« Dennoch liegt weiterhin über den Freimaurern die Aura eines geheimen Männerbundes, der konservativen Ritualen huldigt und die berufliche Karriere fördert.

Der Einfluss der Freimaurer in der Bundesrepublik ist heute kaum noch direkt zu spüren. Anders als in den USA und in einigen anderen europäischen Staaten haben Deutschlands »Brüder« das Image alter Herren, die mit Frack und Zylinder Gedanken von vorgestern wiederkäuen. In jüngster Zeit erfreut sich allerdings die Freimaurerei wieder stärkerer Beliebtheit. Viele Menschen finden in den Ritualen der Maurer etwas, was die katholische Kirche mit der Liturgiereform, einer Versachlichung des Gottesdienstes, vor Jahren abgeschafft hat: eine Zeremonie, die sich an das Gefühl und nicht an die Ratio wendet. Von der geistigen Gegenbewegung mit revolutionären Zügen, die der Bund zu Zeiten Friedrichs des Großen verkörperte, ist allerdings nur noch wenig zu spüren. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist es dem Zusammenschluss gelungen, bis in unsere Tage zu überleben.

Biografie

Wilhelm Ruprecht Frieling wurde als unkonventioneller Autor und Verleger bekannt. Er veröffentlichte in deutschen und internationalen Publikationen wie Börsenblatt des deutschen Buchhandels, Westermanns Monatshefte, Memo, Der Feinschmecker, The New Yorker. Zu seinen Markenzeichen zählen das Trendsetting ebenso wie eine unbändige Lust am Polemisieren und Polarisieren.

Der in den wilden 68ern vor dem Kriegsdienst ins damalige Westberlin geflüchtete Westfale publizierte als Dienstleister mit eigenem Unternehmen mehr als zehntausend Texte neuer Autoren in Sammelwerken und Jahrbüchern. Dreitausend weitere Werke erschienen in Einzelbüchern.

Der SPIEGEL bewertete sein Programm als »das schrägste, originellste und individuellste Verlagsprogramm weit und breit«. Das Hamburger Nachrichtenmagazin taufte ihn deshalb »Bücherprinz«. Seitdem tritt Frieling auch unter dem Künstlernamen »Prinz Rupi« auf.

Als Autor schrieb Wilhelm Ruprecht Frieling zwei Dutzend klassische Holzbücher für Verlag Das Beste, ADAC-Verlag, dtv, Nicolai Verlag u. v. a. Er spezialisierte sich auf Ratgeber für Autoren und verfasste unter anderem Standardwerke wie »Wörterbuch der Verlagssprache«, »Autor sucht Verleger« sowie »Kindle für Autoren«.

Aktuell zählt er mit rund 40 lieferbaren E-Books zu den Pionieren im Markt der elektronischen Bücher. Die Wochenzeitung DIE ZEIT nennt ihn »E-Book-Pate«.

Frieling betreibt mehrere Medien-, Kunst-, Literatur- und Musik-Blogs. Er leitet das Portal www.literaturzeitschrift.de, unterstützt die Self-Publishing-Bewegung und wirkt als Produzent im Kulturbereich.

Newsletter-Bestellung: frieling@aol.com


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