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Aktuelle Version vom 23. Januar 2022, 11:12 Uhr
Deismus
Quelle: Lennhoff, Posner, Binder
ist eigentlich Vernunftsreligion, die oft mit Theismus verwechselt wird. Der "Deist glaubt an einen Gott, der Theist an einen lebenden Gott." Aus dieser Definition Kants geht der Unterschied zwischen beiden klar hervor. Während der Theismus jene Glaubensrichtung verkörpert, die Gott für ein persönliches geistiges Wesen erklärt, das die Welt aus einem Willen heraus geschaffen hat und sie erhält und regiert, wozu er der Wunder bedarf, anerkennt der Deist zwar ebenfalls die Wesenheit Gottes, negiert aber dessen wundertätiges Eingreifen in das Geschehen. Denn Gott hat mit der Welt zugleich auch die Gesetze geschaffen, nach denen sie sich aus ihrem unvollkommenen Zustande allmählich zur Vollkommenheit entwickeln soll. Ein Gott, der Wunder tun müßte, um die Welt im Gang zu erhalten würde der Vollkommenheit entraten ohne die er unvorstellbar ist. Gottes Wille zeigt sich also im gesetzmäßigen Geschehen in der Welt, vor allem in der Natur. Der Deist, der solches sagt, ist somit nicht ein Feind des Christentums, er verneint lediglich das Dogma der überweltlichen Wundererscheinungen. Religion ist in der Auffassung des Deisten "Anweisung nicht zum seligen, sondern zum sittlichen Leben" (Wolfstieg: "Philosophie der Freimaurerei").
Der Vater dieser aus den langen kirchlichpolitischen Glaubenskämpfen hervorgegangenen religionsphilosophischen Bewegung war Eduard Herbert, Lord Cherbury (1583 bis 1648) ein jüngerer Zeitgenosse des Philosophen Bacon of Verulam der zuerst den Begriff und die Zugänglichkeit der natürlichen Religion entwickelte. Zu ihren Vorläufern gehörten auch die Latitudinarier des 17. Jahrhunderts, die alle konfessionellen Unterschiede der christlichen Gruppen für unwesentlich erklärten und nur die in der Heiligen Schrift niedergelegten "Grundwahrheiten" als bindend erachteten. Die namhaftesten Deisten, auch Freidenker (Freethinkers) genannt, waren dann John Toland der in seinem 1696 erschienen Werke "Das Christentum ohne Geheimnis" nachzuweisen suchte, daß in den Evangelien nichts Widernatürliches, aber auch nichts Unvernünftiges enthalten sei Anthony Collins ("Über das Freidenken", 1713) Thomas Woolston (1669-1731), der in seinen "Abhandlungen über die Wunder unseres Heilands" die Wunder des Evangeliums zu prophetischen und sinnbildlichen Erzählungen umdeutete; Matthews Tindal, der in den dem Buche "Das Christentum so alt wie die Schöpfung" erklärte, es gebe nur eine wahre Religion, die natürliche, die nichts; anderes sei als die Grundlage der Sittlichkeit. Diese Religion sei von allem Anfang an dagewesen; was man später in sie hineingelegt habe, sei Aberglaube.
Auch der Staatsmann Viscount Bolingbroke dachte ähnlich. Zu den Deisten wird schließlich Lord Anthony Schaftesbury gerechnet, der mit seiner Diesseitsreligion der Schönheit und Tugend das ästhetische Ideal in den Mittelpunkt der Sittenlehre rückte. Ein Denker, der das große Sprachrohr aller derer war, die sehnsüchtig danach trachteten, das Ideal eines moralischen und politischen Zustandes herbeizuführen, der zur allgemeinen Glückseligkeit hinüberleiten sollte. In Frankreich leitete der Deismus die "Bataille de l'encyclopedie" ein (Diderot). Deismus setzt einen hohen Grad von Toleranz voraus, insofern, als er die durch die kirchenlichen Spaltungen gegebenen Gegensätzlichkeiten von vorherein ausschließt. Die Versuchung lag daher nahe, im Deismus eine der Wurzeln der Freimaurerei zu erblicken, dieser deistische Tendenzen nachzusagen. Klerikale Kreise bezeichnen den Deismus geradezu als Grundidee, Religion der Freimaurerei. Pachtler (s. d.) nennt ihn das "Patengeschenk des Freimaurerbundes von 1717". Auch Freunde der Freimaurerei und selbst Freimaurer haben ähnliche Gedanken geäußert. Hettner (s. d.) der kein Freimaurer war, nennt in seiner "Literatur geschichte des 18. Jahrhunderts" die Feimaurerei eine "innere Mission der englischen Deisten." Wolfstieg behauptet in seiner "Philosophie der Freimaurerei", daß "manche Brüder, ja ganze Systeme der Freimaurerei noch tief im Deismus stecken".
Es geht aber trotzdem nicht an, Deismus und Freimaurerei (auch nicht die von 1717) einfach zu indentifizieren. In manchen Auffassungen von Religiosität, Sittlichkeit und Toleranz stimmte wohl die zeitgenössische freimaurerische Auffassung mit den Lehren der Deisten überein, ohne daß deswegen aber die Freimaurerei zur Deistenkirche geworden ware. Die "Alten Pflichten" werden gerade in der englischen Freimaurerei in ganz anderem Sinne ausgelegt und gehandhabt.
Schenkel ("Die Freimaurerei im Lichte der Religions- und Kirchengeschichte") weist auch darauf hin, daß keiner der großen Deisten Mitglied des Freimaurerbundes war. Immerhin dürfte aber der unleugebare Toleranzgedanke, der in der ersten "Alten Pflicht" Andersons (1723) eingeschlossen ist, doch von deistischen Gedankengängen beeinflußt gewesen sein. Wenn, wie anzunehmen ist, Dr. Theophilus Desaguliers (s.d.) auf die Redaktion der "Plichten" Einfluß genommen hat, so spiegelt sich auch der Geist seines Kreises, der Royal Society, in deren eindringlichen Fassung. Man darf auch nicht vergessen daß Anderson Dissentergeistlicher war selbst unter religiösen Ausnahmegesetzen stand und daher dem Gedanken der Toleranz ebenso zugänglich war wie etwa der große Dulder Comenius. Es ist auch bezeichnend, daß in den Konstitutionen Andersons der Gottesbegriff ganz farblos und allverbindlich wiedergegeben ist, während die früheren Konstitutionen, so noch der 1722 erschienene Roberts-Druck einen genau definierten Kirchengott voraussetzten ("You shall truly honour God and his holy Church"), ebenso wie Anderson auch nur von den staatlichen Obrigkeiten spricht, während Roberts ausdrücklich vom Könige spricht. Wenn also die Freimaurerei auch nicht als Kind des Deismus bezeichnet werden kann, ist sie doch als Erbin der aus dem Deismus geborenen Toleranzidee anzusehen.